Titel:
Antrag eines Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Baugenehmigung u.a. für den Anbau an ein Reihenhaus, Verstoß gegen Gebot der Rücksichtnahme in der Ausprägung der Doppelhausrechtsprechung (verneint), Anwendbarkeit Doppelhausrechtsprechung auf Reihenhausgruppe, unzumutbare Beeinträchtigung (verneint), Abstandsflächen, Vorrang des Planungsrechts
Normenketten:
VwGO § 80a Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
BauGB § 30 Abs. 3
BauGB § 34
BayBO Art. 6 Abs. 1 S. 3
Schlagworte:
Antrag eines Nachbarn auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, Baugenehmigung u.a. für den Anbau an ein Reihenhaus, Verstoß gegen Gebot der Rücksichtnahme in der Ausprägung der Doppelhausrechtsprechung (verneint), Anwendbarkeit Doppelhausrechtsprechung auf Reihenhausgruppe, unzumutbare Beeinträchtigung (verneint), Abstandsflächen, Vorrang des Planungsrechts
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49779
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,00 EUR festgesetzt.
Gründe
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Mit ihrem Antrag begehren die Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung.
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Der Beigeladene ist (Mit-)Eigentümer des Grundstücks …straße 42, Fl.Nr. 1585/22 der Gemarkung … (im Folgenden Baugrundstück). Unmittelbar westlich angrenzend liegt das Grundstück …straße 44 (Fl.Nr. 1585/21 der Gemarkung …; im Folgenden: Nachbargrundstück), dessen (Mit-)Eigentümer die Antragsteller sind. Das Wohngebäude der Antragsteller und das Wohngebäude des Beigeladenen bilden zusammen mit den übrigen Gebäuden auf den Grundstücken Fl.Nrn. 1585/19 und 1585/20, jeweils Gemarkung … ( …straße 42, 44, 46 und 48) eine vierteilige, Reihenhauszeile mit einer Länge von insgesamt ca. 25,8 m. Die einzelnen Reihenhäuser sind zweigeschossig (zuzüglich ausgebautem Dachgeschoss mit Satteldach). Bei dem Gebäude auf dem Baugrundstück handelt es sich um eines der Kopfhäuser der Reihenhauszeile. Unmittelbar östlich neben dem Hauptbaukörper auf dem Baugrundstück befindet sich eine grenzständige Garage, die an ihrer Ostseite wiederum an eine dort grenzständige Garage auf dem Grundstück Fl.Nr. 1585/23, Gemarkung … ( …straße 40) angebaut ist. Dem schließt sich sodann wiederum eine vierzeilige Reihenhausbebauung ( …straße 40, 38, 36 und 34; Fl.Nrn. 1585/23, 1585/24, 1585/25 und 1585/26, Gemarkung …) an.
3
Die Gebäude des Beigeladenen und der Antragsteller sind profilgleich aneinandergebaut (Länge der aneinandergebauten Hauptbaukörper: 8,66 m). Die gemeinsame Grundstücksgrenze ist ca. 37 m lang. Ausweislich öffentlich zugänglicher Lichtbilder („goople maps“) wird der rückwärtige Grundstücksbereich sowohl auf dem Bau- als auch auf dem Nachbargrundstück gärtnerisch genutzt. Unmittelbar nördlich an die jeweiligen Hauptbaukörper anschließend befinden sich jeweils befestigte Terrassen ohne feste Terrassenüberdachungen. Das Gelände fällt – nach der Darstellung in den Bauvorlagen – auf dem Bau – und dem Nachbargrundstück zum Garten hin ab.
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Ein qualifizierter Bebauungsplan besteht nicht. Durch einfachen, übergeleiteten Bebauungsplan ist entlang der E …straße eine vordere Baugrenze festgesetzt.
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Vgl. zur Lage der Grundstücke und ihrer Bebauung anliegenden Lageplan im Maßstab 1 : 1.000, welcher eine Darstellung des streitgegenständlichen Vorhabens enthält (nach dem Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgetreu):
6
Unter dem 14. März 2024 (Eingang bei der Antragsgegnerin) reichte der Beigeladene einen Bauantrag für den „Um- und Anbau eines Einfamilienhauses“ nach Plan-Nr. … auf dem Baugrundstück ein.
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Mit Bescheid vom 18. Juni 2024 erteilte die Antragsgegnerin dem Beigeladenen eine Baugenehmigung für den vorgenannten „An- und Umbau eines Einfamilienhauses“ nach PlanNr. … mit handschriftlichen Roteintragungen und Baumbestandsplan vom 18. April 2024 Nr. 18.04.24- … Die Baugenehmigung enthält folgende, im Einzelnen mit näherer Begründung versehene Befreiungen:
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- Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der Baugrenze durch einen Mülltonnenstandplatz (3 Tonnen).
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- Befreiung gem. § 31 Abs. 2 BauGB wegen Überschreitung der Baugrenze durch eine Luftwärmepumpe.
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Den genehmigten Bauvorlagen zufolge ist – neben der Erneuerung der Garage auf der Ostseite des Baugrundstücks und der Errichtung eines Müllhäuschens sowie einer Wärmepumpe im Vorgarten – auf der Nordseite des Bestandsgebäudes die Errichtung einer Schleppgaube mit zwei Fenstern (Breite der Gaube 4,04 m) und ein nach Norden ausgerichteter Anbau an das 8,66 m lange Bestandsgebäude beabsichtigt, der von dort zugänglich ist. Der Anbau soll sich – nach der genehmigten Planung – über die gesamte Breite des Hauptgebäudes (6,88 m) erstrecken, ein Flachdach aufweisen und mit einer gemauerten Außenwand grenzständig zum Grundstück der Antragsteller hin errichtet werden. Nach Norden und Westen sind große, bodentiefe Verglasungen vorgesehen. Die Länge der grenzständigen Wand des Anbaus beträgt 3,815 m, seine Höhe (bis zur Oberkante der Attika) gemessen ab dem natürlichen Gelände des Gartens (wegen des im betroffenen Bereich bis zu etwa 0,6 m abfallenden Geländes) 3,60 m und bezogen auf das Fußbodenniveau des Erdgeschosses ca. 3 m. Das Flachdach des Anbaus setzt unterhalb der Fensteröffnungen des Obergeschosses des Hauptgebäudes an. Als Nutzung ist „Wohnbereich“ mit einer Fläche von 24,79 m² angegeben. Nördlich und östlich des Anbaus ist eine Terrassennutzung vorgesehen.
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Ausweislich der in den Behördenakten enthaltenen Postzustellungsurkunden wurde eine Nachbarausfertigung der Baugenehmigung dem Antragsteller zu 1. am 11. Juli 2024 und der Antragstellerin zu 2. sowie dem Antragsteller zu 3. am 13. Juli 2024 zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom … Juli 2024, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ zunächst der Antragsteller zu 1. Klage gegen die Baugenehmigung vom 18. Juni 2024 (M 8 K 24.4298) erheben; mit Schriftsatz vom ... August 2024 wurde die Klage um die übrigen Miteigentümer des Nachbargrundstücks – die Antragstellerin zu 2. und den Antragsteller zu 3. – erweitert. Über die Klage wurde bislang nicht entschieden.
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Ferner ließen die Antragsteller beantragen (vgl. Schriftsätze vom … Juli 2024 für den Antragsteller zu 1. und vom ... August 2024 erweitert um die Antragsteller zu 2. und 3.):
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Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage vom heutigen Tag gegen die Baugenehmigung der Beklagten/Antragsgegnerin vom 18. Juni 2024, Az.: … für den An- und Umbau eines Einfamilienhauses in der …straße 42, Flurnummer: 1585/22, Gemarkung … wird angeordnet.
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Zur Begründung des Antrags wurde – zusammengefasst – im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei zulässig und begründet. Der neue Anbau sei unter Anwendung der Grundsätze der sog. Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als rücksichtslos anzusehen. Die Hausgruppe …straße 42-48 bilde ein vollständig einheitliches Erscheinungsbild, das sich seit den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts nicht geändert habe. Die jeweiligen Reihenhauseigentümer könnten sich darauf verlassen, dass kein Nachbar aus dieser Einheit ausbrechen werde. Es lägen identische Fassadengestaltungen sowohl auf der Nord- als auch auf der Südseite vor. Insbesondere gebe es bis jetzt keinerlei bebaute Vorsprünge, die die Bauvorhaben nach Norden oder Süden erweiterten. Beim Reihenhaus …straße 38 liege kein Anbau, sondern eine Art feststehende Markise ohne massive Wände und ohne als Terrasse nutzbares Flachdach vor und sei aufgrund ihrer filigranen Ausführung mit dem streitgegenständlichen Anbau nicht vergleichbar. Auch der Anbau am Reihenhaus …straße 34 stelle für den geplanten Anbau keinen Präzedenzfall dar. Unabhängig davon, dass den dortigen Nachbarn eine Entschädigung in Geld gezahlt worden sei, verändere dieser vor vielen Jahrzehnten genehmigte Anbau die bisherige Einheitlichkeit nicht, sei nicht an der gemeinsamen Grenze zum benachbarten Reihenhaus errichtet und weise kein als Dachterrasse nutzbares Dach auf. Dies sei im vorliegenden Fall anders. Durch den Anbau werde eine neue grenzständige Wand im Umfang von 3,81 m auf 3,60 m errichtet, die dafür sorge, dass der Garten und die Terrasse des Anwesens der Antragsteller in einem extrem deutlich höheren Umfang verschattet würden als bislang. Durch die neue Wand würde sich ein Gefühl des Eingemauertseins entwickeln. Zudem gehe von dem Vorhaben eine Signalwirkung, auch für die Eigentümer des westlich angrenzenden Anwesens …straße 46 aus. Die Breite der aneinander gebauten Häuser betrage lediglich 8,66 m, der Anbau vergrößere die Hausbreite um 44 Prozent. Der von der Beklagten zitierte Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Januar 2011 (1 ZB 08.2498) betreffe einen anderen Fall, nämlich den Neubau einer bislang nicht existenten Doppelhaushälfte. Hier sei der Vertrauensschutz des anderen Doppelhausnachbarn nicht so ausgeprägt wie im vorliegenden Fall der seit 70 Jahren unverändert existierenden Reihenhausanlage. Darüber hinaus sei eine unzumutbare Beeinträchtigung des Eigentums des Beigeladenen nicht erkennbar, da er das Objekt erst kürzlich und in Kenntnis der Bestandssituation erworben habe. Ihm stünde zudem für seine Erweiterungsabsichten eine die Nachbarn weniger beeinträchtigende Alternative, nämlich die Überbauung seiner westlich gelegenen Garage zur Verfügung. Es liege auch ein Verstoß gegen die drittschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts vor. Ein Grenzanbau nach Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO sei wegen Verlassen der Grundsätze der Doppelhausrechtsprechung nicht möglich; eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften sei nicht erteilt worden.
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Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor und beantragt,
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Der zulässige Antrag sei unbegründet. Eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme liege nicht vor, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Doppelhausrechtsprechung. Die Baukörper der …straße 42, 44, 46 und 48 seien weiterhin hinreichend aufeinander abgestimmt und stellten sich auch nach der Änderung des streitgegenständlichen Gebäudes als harmonisches Ganzes dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei nicht eine vollständig einheitliche Gestaltung, sondern ein Mindestmaß an Übereinstimmung zu fordern. Der Vorsprung eines rückwärtigen Bauteils oder eine etwas unterschiedliche Dachgestaltung schlössen nicht aus, dass ein in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise erfolgtes Aneinanderbauen vorliege (unter Verweis auf: BayVGH, B.v. 16.7.2001 – 14 ZS 01.1636). Bei der Gesamtbetrachtung in qualitativer und quantitativer Hinsicht liege hier weiterhin eine baulich hinreichend einheitlich ausgestaltete Hausgruppe vor. Der rückwärtige Bereich sei lediglich in geringem Umfang und – ähnlich einem Wintergarten – eingeschossig und mit großen seitlichen verglasten Elementen geplant. Die Tiefe, die über die Nachbarbebauung hinausreiche, betrage lediglich ca. 3,8 m. Bei einem vergleichbaren Versatz von ca. 3,9 m habe der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine bauliche Einheit nicht ausgeschlossen (BayVGH, B.v. 31.1.2011 – 1 ZB 08.2498). Die Gebäude seien in verträglicher und abgestimmter Weise geplant. Zu berücksichtigen sei auch, dass auch bei weiteren Gebäuden im Geviert vergleichbare Versprünge umgesetzt seien, z.B. entlang der W …straße oder auch im rückwärtigen Bereich der …straße 34. Die geschlossene Wand zum Nachbargrundstück stelle zudem sicher, dass keine unmittelbare Einsichtnahme auf das Grundstück der Antragsteller erfolgen könne. Mit Blick auf das Abstandsflächenrecht komme daher Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO zur Anwendung.
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Der Beigeladene beantragt durch seinen Prozessbevollmächtigten:
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Die von der Antragstellerseite in Bezug genommene Entscheidung des Verwaltungsgerichts München (M 8 K 20.932) sei mit der vorliegenden Situation nicht vergleichbar. Das Vorhaben sei darüber hinaus bauplanungsrechtlich zulässig, da es sich vor allem hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, die sich auf die gesamte Reihenhausbebauung …straße 34 bis 48 erstrecke. Insoweit stelle das Grundstück …straße 34 mit dem dortigen, knapp 5 m tiefen Anbau ein geeignetes Referenzobjekt dar. Ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme liege nicht vor, insbesondere nicht in seiner Ausprägung der Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Insoweit sei eine Interessenabwägung vorzunehmen, die im Einzelfall unter Abwägung aller gesamten Umstände entscheiden müsse, ob die Rücksichtnahmeverpflichtung verletzt werde. Dabei dürften nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Hinblick auf die nicht unerhebliche Einschränkung der Baufreiheit des Eigentümers eines Doppel- oder Reihenhauses die Anforderungen im Einzelfall nicht zu Lasten des Bauwilligen überspannt werden. Das Oberverwaltungsgericht Saarlouis habe einen eingeschossigen Anbau mit einer Länge von 5,2 m und einer Höhe von 3,8 m als mit Blick auf die Doppelhausrechtsprechung noch als vertretbar anerkannt. Vorliegend sei im Rahmen der Gesamtabwägung festzuhalten, dass es sich um einen lediglich eingeschossigen Anbau handle, der einem Wintergarten/einer Terrassenüberdachung optisch ähnle, mit einer überschaubaren Bebauungstiefe von 3,8 m. Aufgrund des Mauerwerks seien Einsichtsmöglichkeiten zum westlichen Nachbarn nicht vorhanden, im Übrigen wirke der Baukörper durch große Fensterfassaden aufgelockert. Da es sich um sehr lange Grundstücke handle, sei von der gemeinsamen Grundstücksgrenze von 38 m lediglich ein Drittel bebaut. Die Anwendung der Doppelhausrechtsprechung führe im vorliegenden Fall angesichts der zugleich bestehenden vorderen Baugrenze zudem zu einer Doppelbelastung des Beigeladenen und damit zu einer verfassungsrechtlich nicht hinnehmbaren Einschränkung des Eigentumsgrundrechts.
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Wegen der weiteren Einzelheiten und zum Vorbringen der Beteiligten wird im Übrigen auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakte in diesem und im Hauptsacheverfahren (M 8 K 24.4298) Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die angefochtene Baugenehmigung verletzt bei summarischer Prüfung voraussichtlich keine nachbarschützenden Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 59 Satz 1 Bayerische Bauordnung – BayBO), so dass die von den Antragstellern in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage (M 8 K 24.4298) nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Damit überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragsteller nicht gegenüber den entgegenstehenden Vollzugsinteressen des Beigeladenen.
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Nach § 212a Baugesetzbuch (BauGB) hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag kann das Gericht daher gem. § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, wenngleich nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BayVGH, B.v. 7.3.2023 – 15 CS 23.142 – juris Rn. 24 m.w.N.).
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Bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten ist zu berücksichtigen, dass sich Dritte gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen können, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 21.7.2020 – 2 ZB 17.1309 – juris Rn. 4; B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtskontrolle statt, vielmehr hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch vermitteln und im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, verletzt werden (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20).
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Dies ist nach summarischer Prüfung jedoch mit Blick auf die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 18. Juni 2024 nicht der Fall. Diese verletzt, auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in den Antragsbegründungen, voraussichtlich keine im vorliegenden Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfenden, (auch) die Antragsteller schützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme (siehe nachfolgend 2.) oder die drittschützenden Vorschriften des Abstandsflächenrechts vor (siehe nachstehend 3.).
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2. Das Vorhaben, dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit sich im Hinblick auf das vorhandene Bauliniengefüge – die vordere Baugrenze – nach § 30 Abs. 3 Baugesetzbuch (BauGB) und im Übrigen nach § 34 BauGB richtet, verletzt weder unter Berücksichtigung der Grundsätze der Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (2.1.) noch aus anderen Gründen das nachbarschützende planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (2.2.; vgl. zum Nachbarschutz im Rahmen der Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB: BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 4 C 12/14 – juris Rn. 9 m.w.N.).
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Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position innehat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17; B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12; B.v. 7.2.2012 – 15 CE 11.2865 – juris Rn. 14; B.v. 30.9.2015 – 9 CS 15.1115 – juris Rn. 14; B.v. 3.6.2016 – 1 CS 16.747 – juris Rn. 7).
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2.1. Vorliegend ist das Gebot der Rücksichtnahme in seiner besonderen Ausprägung der Grundsätze der sog. Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu beachten, die auch in dem in offener Bauweise bebauten unbeplanten Innenbereich über das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB grundsätzlich zur Anwendung kommen können (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – juris Rn. 12; U.v. 19.3.2015 – 4 C 12/15 – juris Rn. 11). Die Grundsätze der Doppelhausrechtsprechung sind auch auf die hier anzutreffende ca. 25,8 m lange Reihenhausbebauung, die eine Hausgruppe i. S. d. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO darstellt (vgl. hierzu: BVerwG, B.v. 19.3.2015 – 4 B 65/14 – juris Rn. 6; B.v. 31.1.1995 – 4 NB 48.93 – juris Rn. 22; NdsOVG, B.v. 1.6.2021 – 1 ME 137/20 – juris Rn. 13; vgl. zum Begriff der Hausgruppe: BayVGH, U.v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 25), anzuwenden, da die Häuserzeile, zu der sowohl das Anwesen der Antragsteller als auch dasjenige des Beigeladenen gehören, im Bestand als bauliche Einheit wirkt und die Einzelhäuser quantitativ sowie qualitativ in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12.98 – juris Ls. 2, juris Rn. 20; B.v. 19.3.2015 – 4 B 65.14 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 22 ff; VG München, U.v. 25.2022 – M 8 K 20.932 – juris Rn. 19; U.v. 12.10.2020 – M 8 K 18.3817 – juris Rn. 56).
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Ist ein unbeplanter Innenbereich in offener Bauweise bebaut, fügt sich nach entsprechender Anwendung der Doppelhausrechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein grenzständiges Vorhaben nicht nach der Bauweise im Sinn von § 34 Abs. 1 BauGB ein, wenn es grenzständig errichtet wird, ohne mit dem angrenzenden Gebäude ein Doppelhaus bzw. eine Hausgruppe zu bilden (vgl. BVerwG, U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – juris Leitsatz, Rn. 17). Der wechselseitige Verzicht auf seitliche Grenzabstände an den jeweiligen gemeinsamen Grundstücksgrenzen bindet die benachbarten Grundeigentümer bauplanungsrechtlich in ein Verhältnis des gegenseitigen Interessenausgleichs ein. Durch die Möglichkeit des Grenzanbaus wird die bauliche Nutzbarkeit der Grundstücke erhöht; das wird durch den Verlust seitlicher Grenzabstände an der gemeinsamen Grenze, die Freiflächen schaffen und dem Wohnfrieden dienen, erkauft. Diese Interessenlage rechtfertigt es, dem Bauherrn eine Rücksichtnahmeverpflichtung aufzuerlegen, die eine grenzständige Bebauung ausschließt, wenn sie den bisher durch zulässigen Grenzanbau gezogenen Rahmen überschreitet. Das nachbarliche Austauschverhältnis darf nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht werden (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12.98 – juris Rn. 21; U.v. 5.12.2013 – 4 C 5.12 – juris Rn. 22). Das besondere Nachbarschaftsverhältnis mit dem Erfordernis eines gegenseitigen Interessensausgleichs gilt auch für die benachbarten Häuser einer Hausgruppe i.S.v. § 22 Abs. 2 Satz 1 BauNVO (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2015 – 4 B 65.14 – juris Rn. 6).
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Ein Doppelhaus bzw. eine Hausgruppe liegt vor, wenn die Gebäude derart zusammengebaut werden, dass sie einen Gesamtbaukörper bilden. Die Beurteilung eines einheitlichen Gesamtbaukörpers bedarf einer Würdigung des Einzelfalls unter Betrachtung quantitativer und qualitativer Gesichtspunkte (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 4 C 12.14 – juris Leitsatz, Rn. 20 ff.; B.v. 14.9.2015 – 4 B 16.15 – juris Rn. 6). Das bedeutet nicht, dass die Häuser völlig deckungsgleich sein müssen. Die einzelnen Gebäude müssen aber quantitativ zu einem wesentlichen Teil und qualitativ in wechselseitig verträglicher und „harmonischer“ Weise aneinandergebaut werden (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2000 – 4 C 12.98 – juris Leitsatz 2, Rn. 20). Quantitativ sind dabei insbesondere die Geschosszahl, die Gebäudehöhe, die Bebauungstiefe und -breite sowie das durch diese Maße im Wesentlichen bestimmte oberirdische Brutto-Raumvolumen zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, B.v. 20.8.2018 – 2 ZB 16.912 – juris Rn. 6; U.v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris; B.v. 15.9.2015 – 2 CS 15.1793 – juris). Qualitativ kommt es unter anderem auch auf die Dachgestaltung und die sonstige Kubatur an (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2014 a.a.O.; B.v. 15.9.2015 a.a.O.). Bei den quantitativen Kriterien ist eine mathematisch-prozentuale Festlegung nicht möglich, vielmehr ist eine Gesamtwürdigung des Einzelfalls anzustellen. Es ist qualitativ insbesondere die wechselseitig verträgliche Gestaltung des Gebäudes entscheidend; auf die umgebende Bebauung kommt es insoweit nicht an. Die beiden Haushälften können auch zueinander versetzt oder gestaffelt an der Grenze errichtet werden, sie müssen jedoch zu einem wesentlichen Teil aneinandergebaut sein. Kein Doppelhaus entsteht danach, wenn ein Gebäude gegen das andere an der gemeinsamen Grundstücksgrenze so stark versetzt wird, dass ein vorderer oder rückwärtiger Versprung den Rahmen eine wechselseitigen Grenzbebauung überschreitet, den Eindruck eines einseitigen Grenzanbaus vermittelt und dadurch einen neuen Bodennutzungskonflikt auslöst (BayVGH, B.v. 18.4.2023 – 2 CS 22.2126 – juris Rn. 4).
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Gemessen an diesen Grundsätzen wird nach Auffassung der Kammer auch nach Umsetzung der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 18. Juni 2024 – insbesondere der Errichtung des genehmigten Anbaus und der Dachgaube auf der Nordseite des Reihenendhauses …straße 44 – das innerhalb der Hausgruppe …straße 42, 44, 46 und 48 (zur Maßgeblichkeit allein der Situation innerhalb der Hausgruppe vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2015 – 4 B 65.14 – juris Rn. 6, 9; U.v. 19.3.2015 – 4 C 12.14 – juris Rn. 19; BayVGH – B.v. 10.1.2018 – 1 ZB 15.1039 – juris Rn. 7) bestehende nachbarliche Austauschverhältnis nicht einseitig aufgehoben oder aus dem Gleichgewicht gebracht (vgl. zu Anbauten insbes.: BayVGH, 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 28; OVG RhPf, U.v. 14.8.2014 – 1 A 10252/14 – juris Rn. 22; OVG Lüneburg, B.v. 1.6.2021 – 1 ME 137/20 – juris Rn. 21). Der Charakter der Hausgruppe geht auch nach Realisierung des streitgegenständlichen Bauvorhabens nicht verloren, sondern bleibt in wechselseitig verträglicher und abgestimmter Weise aneinandergebaut. Insbesondere ist die Erweiterung des Bestandsgebäudes …straße 42 (8,66 m Länge x 6,9 m Breite; Grundfläche 59,75 m²) um eine Grundfläche von 26,25 m² (3,815 m Länge x 6,88 m Breite; Wohnfläche 24,79 m²) und einer Wandhöhe von rd. 3 m gemessen ab dem Fußbodenniveau des Erdgeschosses des Hauptgebäudes bzw. 3,60 m gemessen ab dem natürlichen Gelände im Bereich des Gartens insgesamt nicht geeignet, die bauliche Einheit der ca. 25,8 m langen zweigeschossigen Reihenhauszeile zu beeinträchtigen. Zwar entsteht gegenüber dem Nachbargrundstück eine noch tiefere Grenzbebauung, im Obergeschoss bleiben die bestehenden Gebäudeaußenwände gegenüber dem bisherigen Zustand indes unverändert einheitlich, wie in der gesamten Hauszeile. Auch nach der streitgegenständlichen Gebäudeerweiterung weist die Hausgruppe kongruente Dachformen, übereinstimmende Traufhöhen, sowie einheitlich tiefe Obergeschosse auf; die Firsthöhe des Hauptbaukörpers auf dem Baugrundstück ist aufgrund der dortigen Dämmmaßnahmen in zu vernachlässigender Weise geringfügig höher als diejenige des Nachbargebäudes.
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In qualitativer Hinsicht ergibt sich in diesem Einzelfall keine das Austauschverhältnis der konkreten Reihenhausbebauung störende einseitige Grenzbebauung. Zwar ist die sich ergebende Grenzwand zum Nachbargrundstück höher, als dies angesichts des eingeschossigen Anbaus üblicherweise geboten ist. Die Höhe ergibt sich indes aufgrund des gegenüber dem Gartenniveau auch beim Anwesen der Antragsteller erhöhten Erdgeschossniveaus. Ausweislich der genehmigten Pläne (Nordansicht) besteht auch auf dem Nachbargrundstück eine gegenüber dem Gartenniveau erhöhte Terrasse, die das dem Gartenniveau angepasste Fußbodenniveau des streitgegenständlichen Anbaus überschreitet. Die unmittelbare Wirkung der Wandhöhe des Anbaus auf das Nachbargebäude wird im Terrassenbereich durch die unterschiedliche Anpassung an das Gartenniveau reduziert. Bei Betrachtung des Gesamtbaukörpers wird der Eindruck der Eingeschossigkeit im Bereich der Nordfassade nicht verlassen.
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Insgesamt stellt sich der streitgegenständliche Anbau damit in quantitativer und qualitativer Hinsicht gegenüber dem bisherigen Bestand als untergeordnet dar und wahrt den Charakter der durch die Reihenhäuser gebildeten Hausgruppe weiterhin, sodass unter dem Gesichtspunkt der Doppelhaus-Rechtsprechung keine Verletzung des Rücksichtnahmegebots gegeben ist.
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2.2. Auch im Übrigen erweist sich das streitgegenständliche Vorhaben nach summarischer Prüfung nicht als rücksichtslos.
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2.2.1. Eine erdrückende, einmauernde Wirkung des Vorhabens auf das Nachbargrundstück ist nicht erkennbar (vgl. auch BayVGH, U.v. 11.12.2014 – 2 BV 13.789 – juris Rn. 29). Insbesondere ist auch mit Blick auf die Höhe des Anbaus, die unterhalb der Fensteröffnungen des Obergeschosses endet, nicht ersichtlich, dass ein objektiv begründetes Gefühl des „Eingemauertseins“ in einem „Gefängnishof“ hervorgerufen werden könnte, zumal das Nachbargrundstück noch genügend Freiflächen aufweist und angesichts der langgezogenen Grundstückszuschnitte in seinem rückwärtigen Bereich auch nach Umsetzung des Bauvorhabens noch 16,685 m an der östlichen Grundstücksgrenze von Bebauung frei bleiben.
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2.2.2. Auch im Hinblick auf eine ausreichende Belichtung und Belüftung ist ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht auszumachen.
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Das Rücksichtnahmegebot gewährleistet weder eine bestimmte Dauer oder „Qualität“ der natürlichen Belichtung noch die unveränderte Beibehaltung einer insoweit zuvor gegebenen Situation (OVG Hamburg, B.v. 26.9.2007 – 2 Bs 188/07 – ZfBR 2008, 283). Es gibt den Nachbarn zudem nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisse oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Ein Verschattungseffekt als typische Folge der Bebauung ist insbesondere in innergemeindlichen bzw. innerstädtischen Lagen, bis zu einer im Einzelfall zu bestimmenden Unzumutbarkeitsgrenze daher in der Regel nicht rücksichtslos und hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 24; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28 m.w.N.; OVG Bremen, B.v. 19.3.2015 – 1 B 19/15 – juris Rn. 19; SächsOVG, B.v. 4.8.2014 – 1 B 56/14 – juris Rn. 19). Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls sind in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris Rn. 15; B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 6). Dass diese Grenze vorliegend aufgrund einer besonderen Belastungswirkung im konkreten Fall überschritten sein könnte, ist nicht ersichtlich.
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Die Belichtung und Besonnung des klägerischen Anwesens aus Westen wird durch den östlich gelegenen Erweiterungsbau nicht beeinträchtigt. Aus Süden ist die die Belichtung der nach Norden ausgerichteten Terrasse ohnehin durch die bestehende Reihenhausbebauung eingeschränkt. Es ist zwar ist abzusehen, dass die Terrasse der Antragsteller vorhabenbedingt je nach Jahreszeit in den Morgen- und Vormittagsstunden in größerem Ausmaß von Schattenwurf betroffen sein kann als bisher, doch lässt sich nicht erkennen, dass die insoweit zu erwartende zusätzliche Verschattung über das in bebauten Gebieten zumutbare Maß hinausgehen wird. Zudem ist auch hier zu berücksichtigen, dass ein erheblicher Gartenanteil aufgrund der Länge des Grundstücks der Antragsteller von dem Anbau überhaupt nicht betroffen ist (vgl. hierzu: OVG Saarl, B.v. 13.8.2018 – 2 B 179/18 – juris Rn. 15).
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2.2.3. Auch mit Blick auf etwaige Einblicksmöglichkeiten ergibt sich keine Rücksichtslosigkeit zu Lasten der angrenzenden Nachbarbebauung.
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Das Bauplanungsrecht vermittelt keinen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken; die Möglichkeit der Einsichtnahme ist grundsätzlich nicht städtebaulich relevant (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.1989 – 4 B 72.89 – juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 18.10.2010 – 2 ZB 10.1800 – juris Rn. 11; B.v. 15.2.2017 – 1 CS 16.2396 – juris Rn. 9; B.v. 13.4.2018 – 15 ZB 17.342 – juris Rn. 15 m.w.N.; B.v. 5.4.2019 – 15 ZB 18.1525 – BeckRS 2019, 7160 Rn. 12; B.v. 8.5.2019 – 15 NE 19.551 u.a. – juris Rn. 38; B.v. 15.12.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 19).
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Auch unter Berücksichtigung des innerhalb einer Hausgruppe bestehenden besonderen Nähe- und Austauschverhältnisses ergibt sich nicht (vgl. BayVGH, B.v. 10.11.2000 – 26 CS 99.2102 – juris Rn. 19; VG München, U.v. 12.10.2020 – M 8 K 18.3817 – juris Rn. 61), dass vorliegend das Gebot der Rücksichtnahme verletzt wäre. Auch insoweit verpflichtet das Rücksichtnahmegebot nicht dazu, den bzw. die Nachbarn von jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken zu verschonen. Hinzu kommt, dass bei aufeinanderstoßender Wohnnutzung unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2010 – 2 ZB 09.2191 – juris Rn. 7 unter Bezugnahme auf BayVGH, U.v. 7.10.2010 – 2 B 09.328 – juris Rn. 30; B.v. 12.9.2005 – 1 ZB 05.42 – juris Rn. 19). Insbesondere im dicht bebauten (innerstädtischen) Bereich sind gegenseitige Einsichtnahmemöglichkeiten daher gerade im Fall sich aneinanderreihender Wohnnutzung grundsätzlich als unvermeidlich hinzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2010 – 2 ZB 09.2191 – juris Rn. 7; B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 19; VG München, U.v. 15.4.2013 – M 8 K 12.1542 – juris Rn. 34).
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Anhaltspunkte für einen Ausnahmefall mit besonders schwerwiegenden Auswirkungen sind vorliegend nicht ersichtlich. Bereits bislang bestehen – wie für eine Reihenhausbebauung typisch -(gegenseitige) Einsichtnahmemöglichkeiten, die innerhalb einer Reihenhauszeile regelmäßig als selbstverständlich hinzunehmen sind (vgl. OVG Münster, U.v. 22.8.2005 – 10 A 3611.03 – juris Rn. 57; VG Gelsenkirchen, U.v. 13.1.2015 – 9 K 6091.13 – juris Rn. 68; dies gilt auch außerhalb von Doppel- oder Reihenhäusern vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2019 – 15 NE 19.551, 15 NE 19.579 – juris Rn. 38; B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 19). Der Anbau weist darüber hinaus nach den genehmigten Bauvorlagen an zum Grundstück der Antragsteller hin keine Verglasung oder Fenster, sondern eine gemauerte Außenwand auf, so dass hier keine zusätzlichen Einblickmöglichkeiten geschaffen werden. Eine Nutzung des Flachdachs des Anbaus als Dachterrasse ist entgegen der Auffassung der Antragstellerseite nicht beantragt und auch nicht genehmigt.
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2.2.4. Schließlich können die Antragsteller den Beigeladenen nicht auf die nach ihrer Auffassung bestehende nachbarverträglichere Alternative, „die westlich gelegene Garage überbauen“ zu können, verweisen. Unbeschadet des Umstands, dass eine solche Überbauung aus bauordnungsrechtlichen Gründen (Art. 6 Abs. 7 Nr. 1 BayBO) problematisch sein dürfte, legt das Gebot der Rücksichtnahme dem Bauherrn keine Pflicht auf, generell die für den Nachbarn am wenigsten beeinträchtigende Alternative für seine Bauabsicht zu wählen (BVerwG, B.v. 26.6.1997 – 4 B 97/97 – juris Rn. 6).
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3. Das streitgegenständliche Vorhaben ist auch im Hinblick auf die Vorschriften des Abstandsflächenrechts, die Teil des Prüfungsumfangs im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren sind (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) BayBO), nachbarrechtlich unbedenklich. Für das Vorhaben greift die Regelung des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO, wonach eine Abstandsfläche nicht erforderlich ist vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, wenn nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf. Dies ist hier der Fall. Mit Blick auf die Seitenwände der Dachgaube ist Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO einschlägig, wonach die Seitenwände von Dachaufbauten bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze bei der abstandsflächenrechtlichen Beurteilung außer Betracht bleiben, auch wenn die Seitenwände der Dachaufbauten nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden.
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4. Der Antrag war nach alldem mit der Kostenfolge der § 154 Abs. 1, § 159 VwGO abzulehnen. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dass die Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen tragen, da diese einen Antrag gestellt hat und mit dem Antrag Erfolg hatte.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.