Titel:
Aufhebung der Betreuung bei Wegfall des Betreuungsbedarfs
Normenketten:
BGB § 1871 Abs. 1 S. 1
BGB § 1814
Schlagworte:
Betreuung, Beschwerde, Aufhebung, Erforderlichkeit, Subsidiarität, Betreuungsbedarf
Vorinstanz:
AG Bayreuth, Beschluss vom 18.10.2024 – 2 XVII 262/23
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 13.08.2025 – XII ZB 616/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49759
Tenor
1. Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 18.10.2024, Az. 2 XVII 262/23, wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen.
Gründe
1
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Aufhebung einer Betreuung.
2
Auf Antrag der Beschwerdeführerin prüfte das Amtsgericht Bayreuth die Voraussetzungen einer rechtlichen Betreuung und gab mit Beschluss vom 24.03.2023 (Bl. 10 der Betreuungsakte) ein Sachverständigengutachten in Auftrag.
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Das Gutachten wurde von dem Sachverständigen … am 08.04.2023 erstattet (vgl. Bl. 17 ff. der Betreuungsakte).
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Nach Anhörung der Beschwerdeführerin (vgl. Bl. 23 der Betreuungsakte) ordnete das Amtsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 27.04.2023 (Bl. 25 ff. der Betreuungsakte) Betreuung für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Behörden-, Renten- und andere Sozialleistungsangelegenheiten, Entscheidung über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post, Gesundheitssorge, Grundstücksangelegenheiten und Versicherungsangelegenheiten an und bestellte den weiteren Beteiligten zu 1) als beruflichen Betreuer. Mit Beschluss vom 13.12.2023 (Bl. 49 ff. der Betreuungsakte) wurde der weitere Beteiligte zu 2) als Verhinderungsbetreuer bestellt.
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Mit Schreiben vom 03.07.2024 (Bl. 91 der Betreuungsakte) beantragte der weitere Beteiligte zu 1) einen Betreuerwechsel. Zur Begründung führte er aus, dass die Kapazitäten in seinem Büro nicht ausreichend seien, um die Betreuung zu führen. Die Beschwerdeführerin weise eine große Anzahl an offenen „Baustellen“ auf, wobei sich schwerlich ein Fokus in der Bearbeitung bilden lasse, da die Vorgänge ebenso wie die Willensrichtung der Betreuten einem hochfrequenten Wandel unterworfen seien. Schon die unterschiedlichen Klageverfahren bzw. Ansprüchen, welche die Betroffene verfolge und die Forderungen, welche gegen die Betroffene geltend gemacht würden, seien nur mit einer besonders leistungsfähigen Bürostruktur zu sortieren, die eigentliche Bearbeitung sei davon noch gar nicht umfasst. Zuletzt seien deutliche Divergenzen in der Bestimmung der weiteren Vorgehensweise zu Tage getreten. Insbesondere halte der Betreuer die Beantragung einer Insolvenz für dringend angezeigt. Die Beschwerdeführerin gehe jedoch davon aus, die Schulden rechtzeitig bedienen zu können.
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Die Betreuungsstelle hat mit Schreiben vom 12.09.2024 (Bl. 73 ff. der Betreuungsakte) ausführlich Stellung genommen. Danach handelt die Beschwerdeführerin selbständig und ist in der Lage ihre Angelegenheiten nach ihren Wünschen zu regeln. Sie informiere den Betreuer oft erst im Nachgang oder setze den Betreuer bei ihren Schreiben in „Cc“. Für Rechtsstreite habe sie Rechtsanwälte mandatiert, die sie selbständig ausgesucht habe. An ihrer Ausgangssituation habe sich nichts geändert. Handlungsmöglichkeiten des Betreuers seien nicht ersichtlich. Die Betroffene komme Empfehlungen nicht nach und es würden lediglich neue „Baustellen“ aufgemacht. Aus Sicht der Betreuungsstelle sei es deshalb nicht ersichtlich, aus welchem Grund die Betreuung aufrechterhalten werden solle. Die Betroffene handele selbständig und habe in Klageverfahren Unterstützung durch die beauftragten Rechtsanwälte. Vorhandene gesundheitliche Belastungen wisse sie zu kompensieren. Aus Sicht der Betreuungsstelle sei die Beschwerdeführerin zudem nicht betreubar.
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Das Amtsgericht Bayreuth hat daraufhin die Betreuung mit Beschluss vom 18.10.2024 (Bl. 80 ff. der Betreuungsakte) aufgehoben.
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Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Telefaxen datiert auf 26.10.2024, eingegangen am 26.10.2024 (Bl. 84 ff. der Betreuungsakte) und 30.10.2024 (Bl. 95 ff. der Betreuungsakte) Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass sie durch den Beschluss erstmalig von einer Beendigung der Betreuung gehört habe. Ihre gesundheitliche, insbesondere psychische Belastungssituation habe sich verschlechtert. Die vom beruflichen Betreuer übernommenen Angelegenheiten seien entweder bisher unerledigt oder/und verfristet oder ihr nicht kenntlich. Es treffe mitnichten zu, dass sie ihre Angelegenheiten selber regele, richtig sei, dass sie im Bestreben so gut wie möglich zu helfen, immer gesprächsbereit gewesen sei, Sachverhalte gründlich geschildert und wenn Hilfe da gewesen sei, Schreiben vorbereitet und Nachweise und Dokumente vorgelegt habe. Eine Übernahme all dieser unerledigten Angelegenheiten und mit den fehlenden Auskünften zum jetzigen Zeitpunkt überfordere sie massiv und löse Stress und Angstzustände aus. Grundsätzlich stehe sie auch einer Beendigung der Betreuung offen gegenüber, aber zu einem Zeitpunkt und mit einer Übergabesituation zu und mit dem sie die Aufgaben selbständig erledigen könne.
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Das Amtsgericht Bayreuth hat der Beschwerde mit Beschluss vom 31.10.2024 (Bl. 118 f. der Betreuungsakte) nicht abgeholfen.
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Das Verfahren ist mit Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 05.11.2024 der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen worden.
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Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird im Übrigen auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
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1. Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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Eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung durch das Beschwerdegericht ergibt, dass das Amtsgericht Bayreuth die angeordnete rechtliche Betreuung zu Recht aufgehoben hat.
14
Eine rechtliche Betreuung ist nach § 1871 Abs. 1 Satz 1 BGB aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen (vgl. § 1814 BGB) wegfallen. Denn dann ist eine Betreuung nicht mehr erforderlich.
15
Dabei kann sowohl die Betreuungsbedürftigkeit als auch der objektive Betreuungsbedarf oder beides nicht mehr gegeben sein; es genügt, wenn nur eine der die Betreuung begründenden Voraussetzungen weggefallen ist (vgl. Schmidt-Recla, in: BeckOGK BGB, Stand: 01.10.2024, § 1871 Rn. 5).
16
Im Rahmen der rechtlichen Betreuung gilt stets der Grundsatz der Erforderlichkeit und der Subsidiarität (vgl. Loer, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 7. Auflage 2023, § 1871 Rn. 2).
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Die Erforderlichkeit einer Betreuung ergibt sich dabei nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten selbst regeln zu können (Betreuungsbedürftigkeit); hinzutreten muss ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers, wobei aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen ist, ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht (vgl. BGH, NJW-RR 2015, 449 m.w.N.; BGH, NJW 2019, 1153 m.w.N.).
18
Denn rechtliche Betreuung hat die Funktion, die rechtliche Handlungsfähigkeit herzustellen und Schutz zu gewähren und damit Gleichbehandlung mit anderen zu schaffen (vgl. Brosey, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 7. Aufl. 2023 Rn. 13).
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Kann ein Betroffener in bestimmten Bereichen aufgrund einer Krankheit oder Behinderung seine Aufgaben nicht eigenständig erledigen, wird ihm deshalb nach § 1814 Abs. 1 ein rechtlicher Betreuer zur Seite gestellt.
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Dabei kommen aber nur solche Angelegenheiten in Betracht, bei denen der Betroffene auf entsprechende Hilfe angewiesen ist und die der Betroffene üblicherweise, ohne Krankheit/Behinderung, selbst wahrnehmen würde und nicht solche, für die üblicherweise fachliche Hilfe (Anwalt, Steuerberater, Arzt, Handwerker) in Anspruch genommen wird (vgl. Brosey, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 7. Aufl. 2023 Rn. 14 m.w.N.). Darauf hat das Amtsgericht Bayreuth in der Nichtabhilfeentscheidung bereits zutreffend hingewiesen.
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Soweit das Erstgericht annimmt, dass die Beschwerdeführerin durch ihre eigenen Tätigkeiten, wie die Mandatierung neuer Anwälte oder das Eröffnen eines Kontos bei einer litauischen Bank, belegt, dass sie selbst ausreichend in der Lage ist, ihre Angelegenheiten zu regeln, ist dies nicht zu beanstanden. So hat auch die Betreuungsstelle in ihrer Stellungnahme ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin den Betreuer oft erst im Nachgang informiere oder bei ihren Schreiben in „Cc“ setze.
22
Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführerin nach dem Gutachten des Sachverständigen … vom 08.04.2023 geschäftsfähig ist und einen freien Willen hat (vgl. Bl. 19 der Betreuungsakte) und der Betreuer nach § 1821 Abs. 2 Satz 3 BGB bei der Führung der Betreuung den Wünschen der Beschwerdeführerin zu entsprechen hat, soweit nicht eine Ausnahme gemäß Abs. 3 der Vorschrift vorliegt, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen.
23
Daher ist es im Ergebnis auch nicht zu beanstanden, dass das Amtsgericht Bayreuth die Voraussetzungen für die rechtliche Betreuung aufgrund fehlenden objektiven Betreuungsbedarfs nicht mehr als gegeben ansah und diese aufgehoben hat.
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Der Aufhebung der Betreuung mit der angegriffenen Entscheidung steht auch das mit der Beschwerdebegründung vorgelegte allgemeinärztliche Attest nicht entgegen, da dieses sich allein und ganz allgemein gefasst zur Betreuungsbedürftigkeit aus medizinischer Sicht verhält, nicht aber zum Betreuungsbedarf, der hier Grund für die Aufhebung gemäß § 1871 BGB ist.
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Ob auch für den Fall, dass man entgegen dem Dargelegten einen bestehenden Handlungsbedarf als gegeben ansehen würde, eine Betreuung deswegen nicht erforderlich ist, weil sie keinerlei Änderung der Situation des Betroffenen herbeizuführen geeignet ist (vgl. BGH, NJW 2019, 1153), kann damit dahinstehen.
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Im Ergebnis ist die Beschwerde unbegründet.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81, 84 FamFG.