Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 11.03.2024 – AN 9 M 24.252
Titel:

Gerichtliche Festsetzung von Dolmetscherkosten

Normenkette:
JVEG § 4 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 2, § 9 Abs. 5
Leitsätze:
1. Bei der gerichtlichen Festsetzung gem. § 4 Abs. 1 S. 1 JVEG handelt es sich nicht um die Überprüfung einer vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Dolmetschervergütung, sondern um eine davon unabhängige, erstmalige und originäre Festsetzung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit die Mittagspause eine Stunde überschreitet, stellt sie keine vergütbare Wartezeit iSd § 8 Abs. 2 JVEG dar. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gerichtliche Festsetzung der Dolmetschervergütung, Mittagspause keine vergütbare Wartezeit, Vergütung, Dolmetscher, Festsetzung, Mittagspause, Wartezeit, Kosten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4973

Tenor

1. Die Dolmetschervergütung der Antragstellerin für die öffentliche Einzelrichtersitzung der 9.Kammer am 28. November 2023 wird auf 902,23 EUR festgesetzt.
2. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.
1
Mit gerichtlichem Ladungsschreiben vom 30. Oktober 2023 wurde die Antragstellerin für die mündliche Verhandlung am Dienstag, den 28. November 2023 ab 9:00 Uhr als Dolmetscherin für Russisch geladen. Mit weiterem Schreiben vom 9. November 2023 erhielt die Antragstellerin die (geänderte) Tagesordnung für den Sitzungstag. Diese wies folgende Termine aus: 9:00 Uhr AN 9 K 23.30418, 10:00 Uhr AN 9 K 23.31143, 10:00 Uhr AN 9 K 23.31183, 11:30 Uhr AN 9 K 23.31108 (jeweils Berichterstatter …*), 13:00 Uhr AN 9 K 23.30435, 14:00 Uhr AN 9 K 23.31342 sowie 15:00 Uhr AN 9 K 23.30828 (jeweils Berichterstatter …*).
2
Mit Schreiben vom 16. Dezember 2023 an das Verwaltungsgericht stellte die Antragstellerin unter der Rechnungsnummer … einen Betrag von insgesamt 986,72 EUR in Rechnung und legte dabei eine Sitzungsdauer von 9:00 bis 15:45 Uhr zugrunde zuzüglich je eine Stunde Anfahrt.
3
Mit Vergütungsabrechnung vom 8. Januar 2024 errechnete die Kostenbeamtin des Gerichts eine Entschädigungssumme i.H.v. 902,23 EUR und legte dabei eine Stundenentschädigung für acht Stunden i.H.v. jeweils 85,00 EUR zugrunde. Auf der Rechnung der Antragstellerin vermerkte sie: „Mittagspause v. 11.50 – 13.00“ und verwies auf ihre Vergleichsberechnung (Bl. 3 der Gerichtsakte).
4
Mit Schreiben an das Gericht vom 16. Januar 2024 unter dem Betreff „Einspruch gegen die Kürzung“ teilte die Antragstellerin mit, mit der Kürzung ihrer Rechnung nicht einverstanden zu sein. Laut der beigefügten Liste der Sitzungen sei keine Pause vorgesehen gewesen. Die Pause sei nur dadurch entstanden, dass die Sitzung um 12:00 Uhr aufgehoben worden sei. Diese Aufhebung habe sie nicht zu vertreten. Gemäß § 9 Abs. 5 JVEG erhalte der Dolmetscher im Falle der Aufhebung eines Termins eine Ausfallentschädigung, wenn 1. die Aufhebung nicht durch einen in seiner Person liegenden Grund veranlasst war, 2. ihm die Aufhebung am Terminstag mitgeteilt worden ist. Sie bitte daher, ihr die Differenz zu bezahlen.
5
Mit Schreiben vom 2. Februar 2024 an die 9. Kammer legte die stellvertretende Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den Vorgang vor und bat um gerichtliche Festsetzung der Dolmetschervergütung aufgrund des „Einspruches gegen die Kürzung“ durch die Antragstellerin.
II.
6
1. Über den zulässigen Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Dolmetschervergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG entscheidet gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG die Einzelrichterin.
7
2. Das Schreiben der Antragstellerin vom 16. Januar 2024 unter dem Betreff „Einspruch gegen die Kürzung“ ist sachgerecht als Antrag auf gerichtliche Festsetzung der Dolmetschervergütung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG zu werten.
8
Bei der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG handelt es sich nicht um die Überprüfung einer vom Kostenbeamten vorgenommenen Ermittlung der Dolmetschervergütung, sondern um eine davon unabhängige, erstmalige und originäre Festsetzung. Denn die Berechnung des Kostenbeamten stellt lediglich eine vorläufige Regelung dar, weshalb das Gericht eine umfassende Prüfung des Vergütungsanspruchs vorzunehmen hat, ohne dass es auf die gegen die Berechnung des Kostenbeamten vorgebrachten Einwendungen beschränkt wäre.
9
3. Rechtsgrundlage für die Festsetzung der Vergütung ist § 8 JVEG. Demnach erhält der Dolmetscher als Vergütung unter anderem ein Honorar für seine Leistungen (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG), welches gemäß § 9 Abs. 5 JVEG 85,00 EUR je Stunde beträgt.
10
Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG wird das nach Stundensätzen zu bemessende Honorar für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt.
11
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin stellt eine Mittagspause, soweit sie eine Stunde nicht überschreitet, keine vergütbare Wartezeit im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG dar. Dies entspricht der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, wonach eine gerichtlich angeordnete Sitzungsunterbrechung zur Mittagszeit von einer Dauer bis zu einer Stunde, die zur freien Verfügung der an der mündlichen Verhandlung mitwirkenden Personen steht, bei Dolmetschern in der Regel nicht nach § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG zu vergüten ist (so VG Stuttgart B.v. 10.8.2021 – 11 K 29.51/21 – Beckonline Rn. 7 unter Hinweis unter anderem auf OLG Celle B.v. 14.6.2018, 4 OJS 2/17 – juris; Bleutge in BeckOK Kostenrecht, Dörndorfer/ Wendtland/Gerlach/Diehn 34. Edition, Stand 1.7.2021, § 8 JVEG – Beckonline Rn. 34).
12
So entspricht die Gewährleistung einer Pause um die Mittagszeit nicht nur den üblichen Gepflogenheiten. Vielmehr dient sie der Erholung, der Nahrungsaufnahme und auch der geistigen Erfrischung der an der Sitzung beteiligten Personen. Darüber hinaus hat die Wahrnehmung einer Mittagspause sogar als verpflichtende Regelung Eingang in entsprechende arbeitszeitrechtliche Bestimmungen gefunden, welche hier zwar nicht unmittelbar zur Anwendung kommen, aber zeigen, welchen Stellenwert der Gesetzgeber dem Grundbedürfnis nach regelmäßigen Pausenzeiten einräumt.
13
Zwar mag es sein, dass die Antragstellerin eine solche Mittagspause als „aufgedrängt“ empfindet und ihre Arbeitskraft bzw. die ihrer angestellten Dolmetscherin auch während der Mittagspause zur Verfügung stellen würde. Allerdings liegt es im genuinen Interesse der Verfahrensbeteiligten, dass gerade die als Dolmetscher fungierenden Personen auch am Nachmittag noch geistig und körperlich in der Lage sind, ihrer Aufgabe gewissenhaft nachzukommen. Das Interesse der Antragstellerin, keine Mittagspause aufgezwungen zu bekommen, muss dahinter zurückstehen.
14
Dass am 28. November 2023 zwischen 12:00 Uhr und 13:00 Uhr tatsächlich keine mündliche Verhandlung und damit keine vergütbare Tätigkeit stattgefunden hat, ergibt sich aus dem von der Kostenbeamtin vorgelegten „Dolmetscherzettel“. Darauf haben die an der mündlichen Verhandlung am 28. November 2023 beteiligten Einzelrichter der Kammer die Stunden, in denen die Dolmetscherin mit Dolmetschertätigkeit tatsächlich beschäftigt gewesen ist, ausgewiesen.
15
Der Einwand der Antragstellerin, dass laut der Tagesordnung keine Pause vorgesehen gewesen, sondern diese nur dadurch entstanden sei, dass die Sitzung um 12:00 Uhr aufgehoben worden sei, ist hingegen nicht plausibel. Denn für 12:00 Uhr war bereits ausweislich der Tagesordnung keine Sitzung vorgesehen. Soweit sich die Antragstellerin auf die für 11:30 Uhr geladene Sitzung in dem Verfahren AN 9 K 23.31108 beziehen sollte, ist ihr ausweislich des beigezogenen Protokolls des Einzelrichters entgegenzuhalten, dass die für diese Zeit geladene Verwaltungsstreitsache durch den Einzelrichter um 11:46 Uhr aufgerufen und festgestellt wurde, dass von den Beteiligten niemand erschienen ist. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Einzelrichter die Sitzung um 11:48 Uhr unterbrochen. Es liegt daher bereits von vornherein kein Fall von § 8 Abs. 5 Satz 2 JVEG vor, wonach der Dolmetscher im Fall der Aufhebung eines Termins unter Vorliegen der dort genannten Voraussetzung eine Ausfallentschädigung erhalten würde. Vorliegend handelt es sich letztlich um einen Fall einer Mittagspause, hinsichtlich derer auf die oben genannten Ausführungen Bezug genommen wird.
16
Da die Kostenbeamtin nur eine Stunde Mittagspause abgezogen hat, sind die angesetzten acht Stunden einschließlich notwendiger Reisezeiten (zwei Stunden) nicht zu beanstanden.
17
Die Kostenbeamtin hat zudem ein Tagegeld i.H.v. 14,00 EUR gemäß § 6 JVEG festgesetzt, obwohl dies von der Dolmetscherin nicht geltend gemacht wurde. Zwar darf die gerichtliche Festsetzung nicht über das hinausgehen, was die Dolmetscherin beantragt hat. Jedoch bleibt der sich zuzüglich der Aufwandsentschädigung errechnende Betrag unterhalb der geltend gemachten 986,72 EUR.
18
Nach alledem ist für die im Rahmen der öffentlichen Einzelrichtersitzung der 9. Kammer am 28. November 2023 übernommene Dolmetschertätigkeit ein Betrag von 902,23 EUR festzusetzen. Die einzelnen Positionen ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle:

Tagegeld, § 6 Abs. 1 JVEG

14,00 EUR

Honorar für acht Stunden mit einem Stundensatz von 85,00 EUR, § 8 Abs. 1 Nr. 1, 2 JVEG

680,00 EUR

Fahrkosten Kfz, 144 km á 0,42 EUR

60,48 EUR

Auslagen für Parkgebühren

3,70 EUR

MwSt. 19% auf Entschädigung netto 758,18 EUR

144,05 EUR

Entschädigung

902,23 EUR

19
Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).