Titel:
Waffenrecht, Sprengstoffrecht, Widerruf zweier Waffenbesitzkarten, Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung der Sprengstofferlaubnis, waffenrechtliche Unzuverlässigkeit aufgrund Erwerbs einer Vereinswaffe ohne Voreintrag, gröblicher Verstoß (offen), waffen- und sprengstoffrechtliche Neben- bzw. Folgeentscheidungen
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 5
WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 2 lit. a
WaffG § 12 Abs. 1 Nr. 1
WaffG § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 und S. 2
SprengG § 8a Abs. 2 Nr. 5
Schlagworte:
Waffenrecht, Sprengstoffrecht, Widerruf zweier Waffenbesitzkarten, Ablehnung eines Antrags auf Verlängerung der Sprengstofferlaubnis, waffenrechtliche Unzuverlässigkeit aufgrund Erwerbs einer Vereinswaffe ohne Voreintrag, gröblicher Verstoß (offen), waffen- und sprengstoffrechtliche Neben- bzw. Folgeentscheidungen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49693
Tenor
I. Die Verfahren Au 8 S 24.2535 und Au 8 S 24.2536 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge werden abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten der Verfahren zu tragen.
IV. Der Streitwert wird im Verfahren Au 8 S 24.2535 auf 5.500,00 EUR und im Verfahren Au 8 S 24.2536 auf 2.500,00 EUR, nach der Verbindung auf insgesamt 8.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen den Widerruf der ihm ausgestellten Waffenbesitzkarten sowie hierzu ergangener Nebenentscheidungen (Au 8 S 24.2535). Zudem wendet sich der Antragsteller im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung seiner Sprengstofferlaubnis sowie hierzu ergangener Nebenentscheidungen (Au 8 S 24.2536).
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Am 15. Juli 1997 wurde dem Antragsteller die Waffenbesitzkarte Nr. ... ausgestellt. In dieser Waffenbesitzkarte sind vier Waffen eingetragen, darunter eine halbautomatische Pistole des Herstellers Colt, Kaliber .45Auto, Seriennummer ... . Am 7. Juli 2022 wurde dem Antragsteller zusätzlich die Waffenbesitzkarte Nr. ... ausgestellt, in welcher fünf Waffen eingetragen sind. Zudem wurde der Antragsteller als verantwortliche Person in den Waffenbesitzkarten Nrn.,,, ... und ... der Königlich privilegierten Schützengesellschaft W. (im Folgenden: Schützengesellschaft W.) eingetragen.
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Am 10. April 2019 wurde dem Antragsteller die Sprengstofferlaubnis Nr. ... ausgestellt; diese war bis zum 9. April 2024 gültig.
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Am 28. Januar 2024 wurde dem Antragsteller eine halbautomatische Pistole des Herstellers Colt, Kaliber .45 Auto, Seriennummer, im Beisein des Herrn Me. durch Herrn Mi. übergeben; diese Waffe ist in der Waffenbesitzkarte Nr. ... des Herrn Mi. eingetragen. Ein hierzu erstellter handschriftlicher Vermerk lautet „Überlassen einer Pistole am 28.01.2024 An W.L. Schützenmeister kgl. priv W. 45. Colt ... “ und wurde vom Antragsteller mit „erhalten“ sowie von Herrn Mi. mit „übergeben“ unterschrieben.
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Mit Antrag vom 28. Januar 2024, eingegangen beim Antragsgegner am 30. Januar 2024, beantragte der Antragsteller für die Schützengesellschaft W. die Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb (Voreintrag) der streitgegenständlichen Waffe mit der Begründung „Aufstockung der Vereinswaffen, da Zunahme der Sportschützen im Bereich Kurzwaffe“. Mit weiterem Antrag vom 28. Januar 2024, ebenfalls eingegangen am 30. Januar 2024, zeigte der Antragsteller den Erwerb bzw. die Überlassung der streitgegenständlichen Waffe von Herrn Mi. für die Eintragung in der Vereinswaffenbesitzkarte Nr. ... an und gab als Datum des Erwerbs bzw. des Überlassens den 28. Januar 2024 an.
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Des Weiteren beantragte der Antragsteller am 28. Januar 2024 die Verlängerung seiner Sprengstofferlaubnis zum Umgang mit Schwarzpulver (zum Vorladerschießen), Nitrocellulosepulver (zum Laden und Wiederladen von Patronenhülsen) und Böllerpulver (zur Brauchtumspflege).
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Mit Schreiben des Antragsgegners vom 22. Februar 2024 wurde der Antragsteller zum beabsichtigten Widerruf seiner Waffenbesitzkarten, zur Ablehnung der beantragten Verlängerung der Sprengstofferlaubnis sowie zum Widerruf der Berechtigung als verantwortliche Person für die Waffenbesitzkarten der Schützengesellschaft W. angehört. Hierzu ließ der Antragsteller mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 25. März 2024 dahingehend Stellung nehmen, dass der Kaufpreis noch nicht bezahlt worden sei. Der Antragsteller habe die Anträge noch am 28. Januar 2024 ausgefüllt und unterschrieben und am 29. Januar 2024 in den Briefkasten des Landratsamtes geworfen. Er sei der Auffassung gewesen, dass eine Ausnahme nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b sowie Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b des Waffengesetzes (WaffG) vorliege und er als Inhaber einer Waffenbesitzkarte von einem Berechtigten die Waffe vorübergehend zum Zweck der sicheren Verwahrung in Besitz nehmen dürfe. Der Kauf habe erst durch Zahlung des Kaufpreises an Herrn Mi. endgültig vollzogen werden sollen. Der Antragsteller habe mit den anderen Vereinsmitgliedern abklären wollen, ob Interesse an der Waffe bestehe. Nachdem dem Antragsteller mitgeteilt worden sei, dass in jedem Fall eine Voreintragung erforderlich sei, habe er die Waffe sofort wieder an Herrn Mi. ausgehändigt. Der Antragsteller sei äußerst bemüht, sich fortzubilden. Es handele sich um eine einmalige Verfehlung, die keinen Widerruf der Waffenbesitzkarte und der Sprengstofferlaubnis rechtfertige.
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Nachdem dem Antragsteller mit Schreiben vom 25. April 2024 erneut Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. Abgabe der Waffenbesitzkarten gegeben wurde, ließ dieser seine Ausführungen mit Schreiben vom 16. Mai 2024 dahingehend ergänzen, dass er im Herbst 2023 mit einem Mitarbeiter des Landratsamtes telefoniert und sich erkundigt habe, was beim Kauf einer Vereinswaffe zu beachten sei. Auch dies zeige, dass der Antragsteller gewillt sei, sich rechtskonform zu verhalten. Er habe den Mitarbeiter aber dahingehend (miss) verstanden, dass „alles zusammen“ vorbeigebracht werden könne, um so Kosten zu sparen. Auf den weiteren Inhalt der Schreiben wird verwiesen.
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Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller wegen eines Vergehens nach § 52 Abs. 3 WaffG wurde mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 12. August 2024 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
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Mit Bescheid vom 11. September 2024, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 16. September 2024, wurden die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers – die Waffenbesitzkarte Nr. ... und die Waffenbesitzkarte Nr. ... – widerrufen (Ziffer 1 des Bescheids). Der Antrag auf Verlängerung der Sprengstofferlaubnis wurde abgelehnt und festgestellt, dass die erteilte Erlaubnis zum Erwerb, Umgang, zur Aufbewahrung und Beförderung von Nitrozellulosepulver mit dem Tag der Zustellung des Bescheids erlösche (Ziffer 2). Der Antragsteller wurde zur Abgabe der Waffenbesitzkarten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids aufgefordert und die Einziehung der Sprengstofferlaubnis angeordnet (Ziffer 3). Weiter wurde die Abgabe der Waffenbesitzkarten der Schützengesellschaft W. innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids zur Austragung des Antragstellers als verantwortliche Person angeordnet (Ziffer 4). Außerdem wurde angeordnet, dass die in den beiden Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen und Munition (Ziffern 5 und 6) sowie der noch im Besitz des Antragstellers befindliche Bestand an Nitrozellulosepulver (Ziffer 7) innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen sind; der Waffenbehörde sind entsprechende Nachweise vorzulegen. Hinsichtlich der Ziffern 1 bis 7 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer 8). Für den Fall der nicht fristgemäßen Rückgabe der Waffenbesitzkarten wurde ein Zwangsgeld i.H.v. 200,00 EUR pro Urkunde angedroht (Ziffer 9). Für den Fall, dass der Antragsteller den sich aus den Ziffern 5 und 6 des Bescheids ergebenden Verpflichtungen nicht rechtzeitig nachkommt, wurde zusätzlich ein Zwangsgeld i.H.v. 150,00 EUR je Schusswaffe angedroht (Ziffer 10). Schließlich enthält der Bescheid eine Kostenentscheidung und -festsetzung (Ziffer 11).
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt: Im Falle des Antragstellers liege ein gröblicher Verstoß gegen das Waffengesetz im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG vor. Der Antragsteller habe eine erlaubnispflichtige Waffe erworben, ohne dass eine hierfür zwingend notwendige Voreintragung oder Ausnahme hiervon vorgelegen habe. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass dem Antragsteller aufgrund diverser waffenrechtlicher Qualifikationen unterstellt werden könne, dass er die waffenrechtlichen Sorgfaltsvorschriften im Hinblick auf das verbotene Überlassen von Waffen an Nichtberechtigte gekannt und trotz dieser Kenntnis den Vorschriften bewusst zuwidergehandelt habe. Der Antragsteller sei leichtfertig und unvorsichtig mit Waffen umgegangen, weil er grundlegende Vorschriften des Waffengesetzes missachtet und die Schusswaffe ohne Voreintragung übernommen habe. Die Aussage des Antragstellers, er habe noch am selben Tag einen Antrag auf Erteilung einer Erwerbserlaubnis (Voreintrag) ausgefüllt und unterschrieben, sei eine reine Schutzbehauptung. Der Antragsteller habe bereits in der Vergangenheit Kurzwaffen erworben, weshalb ihm die korrekte Vorgehensweise bekannt gewesen sei. Nicht nachvollziehbar sei, dass der Antragsteller die Waffe lediglich zum Testen übernommen haben solle, da er in seinem Antrag auf Voreintrag ausdrücklich angegeben habe, dass er die Waffe zur Aufstockung des Vereinsbestands erwerben wolle. Es sei unerheblich, wann der Kaufpreis entrichtet werde; nach den waffenrechtlichen Regelungen sei auf den tatsächlichen Zeitpunkt der Waffenübergabe abzustellen. In sicherheitsrechtlicher Hinsicht komme es nicht darauf an, ob der Antragsteller den Verstoß bewusst begangen oder fahrlässig gehandelt habe. Die zentrale Bedeutung des Kriteriums der Zuverlässigkeit rechtfertige es, hier einen strengeren Maßstab anzulegen. Die Waffenbesitzkarten seien daher zu widerrufen. Von der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers könne auch auf dessen sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Sprengstoffgesetzes (SprengG) geschlossen werden. Der gröbliche Verstoß des Antragstellers gegen Vorschriften des Waffenrechts sei diesem aufgrund seiner waffenrechtlichen Kenntnisse auch vorwerfbar. Besondere Umstände, die ein Abweichen von der Regelvermutung des § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich. Eine Verlängerung der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis sei daher nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG abzulehnen. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG seien alle Ausfertigungen der Erlaubnisurkunden unverzüglich zurückzugeben. Die Frist zur Rückgabe sei angemessen. Da der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze, könne er auch nicht mehr als verantwortliche Person in den Waffenbesitzkarten der Schützengesellschaft W. eingetragen sein. Die weiteren waffenrechtlichen bzw. sprengstoffrechtlichen Folgeentscheidungen aus den Ziffern 5 und 6 bzw. 7 des Bescheids würden sich aus § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG bzw. § 32 Abs. 5 Satz 1 SprengG ergeben; die jeweiligen Fristen seien angemessen. Rechtsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Aufgrund des Vorfalls am 28. Januar 2024 müsse davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller erneut Schusswaffen erwerbe, ohne einen Antrag auf Voreintrag zu stellen. Die sofortige Vollziehung sei daher geeignet, sicherzustellen, dass der Antragsteller als derzeit waffenunzuverlässige Person keinen Umgang mit Waffen und Munition habe. Der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen und Munition ausgehenden Gefahren habe einen hohen Stellenwert; das private Interesse des Antragstellers am Behalten der waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse sowie dem Besitz an Waffen, Munition und Nitrozellulosepulver müsse dahinter zurückstehen. Die Androhung der Zwangsgelder stütze sich auf Art. 29, 30, 31, 36 und des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die Kostenentscheidung stütze sich auf Art. 1, 2, 5, 6, 10, 11 und 15 des Kostengesetzes (KG) sowie auf Tarif-Nr. 2.II.7/39 i.V.m. Tarif-Nr. 2.II.7/40 und Tarif-Nr. 7.I.3/1.18 des hierzu erlassenen Kostenverzeichnisses (KvZ).
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Hiergegen ließ der Antragsteller am 14. Oktober 2024 Klagen mit dem Ziel der Aufhebung des Bescheids sowie Neuverbescheidung seines Antrags auf Verlängerung der Sprengstofferlaubnis erheben (Au 8 K 24.2539 – Waffenrecht und Au 8 K 24.2540 – Sprengstoffrecht); über die Klagen ist noch nicht entschieden.
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Gleichzeitig begehrt er einstweiligen Rechtsschutz und ließ in beiden Verfahren Au 8 S 24.2535 (Waffenrecht) und Au 8 S 24.2536 (Sprengstoffrecht) beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage bzgl. Ziffer 1. bis 7. des Bescheids vom 11. September 2024 (Aktenzeichen: 24-1351) wird angeordnet bzw. wiederhergestellt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, es treffe zu, dass der Antragsteller am 28. Januar 2024 die halbautomatische Pistole mit Seriennummer ... von Herrn Mi. in Besitz genommen habe. Der Kaufpreis habe 300,00 EUR betragen sollen. Eine Zahlung sei bei Übergabe der Waffe nicht erfolgt, da der endgültige Erwerb davon habe abhängen sollen, dass sich die weiteren Vorstandsmitglieder mit dem Kauf der Waffe und dem Kaufpreis einverstanden erklärten. Unabhängig davon habe die Waffe auch noch getestet werden sollen. Aus Sicht der Beteiligten, der Herren Mi. und Me. sowie des Antragstellers, sei zum Zeitpunkt der Übergabe noch keine Voreintragung erforderlich gewesen, da aus ihrer Sicht noch kein endgültiger Erwerb stattgefunden habe. Sie seien davon ausgegangen, dass eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a WaffG vorliege. Der Antragsteller sei grundsätzlich berechtigt, eine halbautomatische Pistole zu führen; eine vergleichbare Waffe sei in seiner Waffenbesitzkarte eingetragen. Selbiges gelte für die Schützengesellschaft W. Es habe sich um den ersten vom Antragsteller angebahnten Erwerb einer Vereinswaffe gehandelt. Auch das Telefonat mit einem Mitarbeiter des Landratsamtes im Herbst 2023, welchen der Antragsteller so (miss) verstanden habe, dass aus Kostengründen „alles zusammen“ vorgelegt werden könne, habe dazu geführt, dass der Antragsteller den Voreintrag zusammen mit dem Antrag auf Eintragung in die Waffenbesitzkarte in den Briefkasten des Landratsamtes geworfen habe. Aus der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft folge, dass kein hinreichender Tatverdacht gegen den Antragsteller gegeben gewesen sei. Es sei auch kein Bußgeldbescheid ergangen. Es liege jedenfalls kein gröblicher Verstoß gegen das Waffengesetz vor. Es habe keine Gefahr des Missbrauchs bestanden, da sowohl der Antragsteller als auch der Verleiher Herr Mi. als Inhaber von Waffenbesitzkarten „Berechtigte“ seien. Die Überlassung der Waffe sei schriftlich festgehalten und bestätigt worden. Der Antragsteller habe noch am selben Tag die Anträge ausgefüllt und dabei vermerkt, dass ihm die Waffe am 28. Januar 2024 überlassen worden sei. Nach der Mitteilung, dass er die Waffe nicht haben dürfe, habe er diese unverzüglich an Herrn Mi. zurückgegeben. Ein möglicher Verstoß sei daher nur von kurzer Dauer gewesen. All dies sei ein eindeutiges Indiz dafür, dass sich der Antragsteller rechtskonform verhalten wolle. Der Antragsteller sei seit Jahrzehnten im Schießsport und Ehrenamt aktiv und übe seit drei Jahren die Position des ersten Schützenmeisters im Schützenverein W. aus. In dieser Zeit sei es zu keinen Verstößen gekommen. Er sei sehr bemüht, sich bestmöglich fortzubilden. Unabhängig davon falle eine Zuverlässigkeitsprognose zu Gunsten des Antragstellers aus.
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Der Antragsgegner beantragt,
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die Anträge abzulehnen.
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Er bezieht sich zur Begründung auf den streitgegenständlichen Bescheid und führt ergänzend aus: Die Voraussetzungen des § 12 WaffG lägen nicht vor. Der Antragsteller habe durch sein Handeln eine Straftat nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 WaffG verwirklicht. Der Antragsteller habe im Zeitpunkt der Entgegennahme der Waffe keinen Voreintrag eingetragen. Er habe die Waffe jedoch im waffenrechtlichen Sinne erworben, da hierfür nach Nr. 1 Abschnitt 2 Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG entscheidend sei, dass man die tatsächliche Gewalt, d.h. eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit, erlange. Die Norm des § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a WaffG, auf die sich der Antragsteller berufe, setze ebenfalle einen Erwerb voraus. Auch im Antrag vom 28. Januar 2024 habe der Antragsteller ausdrücklich den Erwerb der Waffe angegeben; selbst wenn er damit die kaufrechtliche Wendung habe gebrauchen wollen, ändere dies nichts am waffenrechtlichen Verstoß. Die Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens habe auf die von der Behörde zu prüfende Unzuverlässigkeit keinen Einfluss, da die Behörde nicht an die strafrechtliche Entscheidung gebunden sei. Es sei auch unerheblich, ob der Antragsteller mit seinen eigenen Waffen sorgfältig und zuverlässig umgegangen sei, da es vorliegend um ein Verhalten im Zusammenhang mit einer Vereinswaffe gehe. Eine Trennung der beiden Sphären sei für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nicht angezeigt. Selbst wenn sein Handeln dem Vereinswohl habe dienen sollen, hätte der Antragsteller aufgrund seiner waffenrechtlichen Erfahrung wissen müssen, dass er für den Erwerb einer Waffe einen Voreintrag oder zur Ausleihe zumindest einen Leihschein benötigt habe. Das Handeln des Antragstellers und die Auslegung der waffenrechtlichen Bestimmungen nach eigenen Vorstellungen stelle einen gröblichen Verstoß im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG dar. Zudem sei der Antragsteller bereits im Jahr 2022 aufgrund eines waffenrechtlichen Fehlverhaltens bezüglich der Nichteintragung eines Wechselsystems darauf hingewiesen worden, dass bei einem weiteren Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften ein Widerruf eingeleitet werde. Die Abwägung des öffentlichen Interesses an der umgehenden Erfüllung der Herausgabe und Nachweispflichten mit dem privaten Interesse des Antragstellers, erlaubnispflichtige Waffen und Munition sowie ungültig gewordene Erlaubnisurkunden bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides zu besitzen, ergebe einen eindeutigen Vorrang der öffentlichen Belange. Besondere Umstände, die ein weitergehendes Interesse am Besitz der erlaubnispflichtigen Waffen und Munition sowie der waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisdokumente bis zu einer abschließenden Entscheidung des Gerichts begründen und den Sofortvollzug ausnahmsweise entbehrlich erscheinen ließen, seien nicht ersichtlich.
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Hierauf replizierte der Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom 28. November 2024, dass mit dem handschriftlichen Vermerk über die Übergabe sehr wohl ein Beleg für den vorübergehenden Verleih vorliege. Es treffe zu, dass der Antragsteller im Besitz eines nicht eingetragenen Wechselsystems gewesen sei. Bei Besuch eines Lehrgangs zum Waffenrecht habe sich der Antragsteller an den Referenten gewandt und mitgeteilt, dass ihm erstmals in diesem Lehrgang bewusst geworden sei, dass er sich im Besitz eines nicht eingetragenen Wechselsystems befinde. Auf Anraten des Referenten habe der Antragsteller dies dann gegenüber dem Antragsgegner offengelegt. Dies zeige erneut, dass der Antragsteller keine rechtsfeindliche Gesinnung aufweise, sondern den Verstoß von sich aus der Waffenbehörde mitgeteilt habe. Das Wechselsystem habe der Antragsteller freiwillig zur Vernichtung überlassen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, auch in den Verfahren Au 8 K 24.2539 und Au 8 K 24.2540, und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Die Entscheidung über die Anträge war nach § 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
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Die Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sind überwiegend zulässig, bleiben in der Sache aber ohne Erfolg.
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1. Antragsgegenstand ist allein die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der erhobenen Klage gegen die Ziffern 1 bis 7 des streitgegenständlichen Bescheids vom 11. September 2024.
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Nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut beziehen sich die Anträge lediglich auf die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern 1 bis 7, für die der Antragsgegner in Ziffer 8 des Bescheids die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Nicht erfasst sind demnach die Zwangsgeldandrohungen (Ziffern 9 und 10) sowie die Kostenentscheidung und -festsetzung (Ziffern 11), für die jeweils ebenfalls ein gesetzlicher Sofortvollzug gilt (Art. 21a VwZVG bzw. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Der Wortlaut der Anträge des anwaltlich vertretenen Antragstellers ist jedoch, insbesondere mit Blick auf die Erläuterung unter Ziffer V. der Antragsbegründung, eindeutig und lässt keinen Raum für eine darüberhinausgehende Auslegung durch das Gericht (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), zumal der Antragsteller in der Hauptsache ohne eine solche Beschränkung auf bestimmte Ziffern den streitgegenständlichen Bescheid insgesamt angreift. Damit ist die durch den anwaltlich vertretenen Antragsteller vorgenommene ausdrückliche Beschränkung des Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO dahingehend zu beachten.
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2. Die Anträge auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung sind in Bezug auf die Ziffern 1 und 3 bis 7 des streitgegenständlichen Bescheids zulässig, hinsichtlich Ziffer 2 unzulässig.
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In Bezug auf den in Ziffer 1 des Bescheids verfügten Widerrufs der Waffenbesitzkarten ist – wie vom Bevollmächtigten des Antragstellers in der Antragsbegründung richtigerweise angemerkt – der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO zulässig und insbesondere statthaft. Denn der Widerruf der Waffenbesitzkarten ist gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 45 Abs. 5 WaffG kraft Gesetzes sofort vollziehbar, weil der Antragsgegner die Erlaubnis wegen des Nichtvorliegens einer Voraussetzung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, hier wegen angenommener Unzuverlässigkeit, widerrufen hat. Dass der Antragsgegner in Ziffer 8 des Bescheides die sofortige Vollziehung gleichsam zusätzlich angeordnet hat, ist unschädlich (vgl. VG Augsburg, B.v. 10.6.2009 – Au 4 S 09.698 – juris Rn. 29).
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Der hinsichtlich der Ziffer 2 des Bescheids gestellte Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO ist unzulässig. Denn soweit der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung seiner Sprengstofferlaubnis begehrt, wäre solcher allein durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu erlangen. In der Hauptsache ist mit Blick auf das Klagebegehren, den Antragsgegner zu verpflichten, über den Antrag auf Verlängerung der Sprengstofferlaubnis erneut zu entscheiden (Au 8 K 24.2540), keine Anfechtungsklage, sondern eine Verpflichtungsklage in der Form der Versagungsgegenklage statthaft (und auch erhoben). Einstweiliger Rechtsschutz ist demnach nur in Form eines Antrags nach § 123 VwGO auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu erreichen (vgl. §§ 123 Abs. 5, 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Ein solcher Antrag wurde vom anwaltlich vertretenen Antragsteller jedoch nicht gestellt. Der Wortlaut des ausdrücklich als „Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO“ bezeichneten Eilantrags ist insoweit eindeutig, sodass dem Gericht eine darüberhinausgehende Auslegung des Antragsbegehrens verwehrt ist (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO). Selbst wenn man jedoch zugunsten des Antragstellers davon ausginge, dass hinsichtlich der Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt sein soll, hätte dieser auch in der Sache keinen Erfolg (siehe hierzu unter 4.).
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Im Übrigen – nämlich hinsichtlich der Ziffern 3 bis 7 des Bescheids – ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zulässig und insbesondere statthaft, da der Antragsgegner in Ziffer 8 des streitgegenständlichen Bescheids den Sofortvollzug besonders angeordnet hat (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Den Anträgen würde auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn und soweit der Antragsteller seinen Verpflichtungen aus Ziffern 3 bis 7 des Bescheids zwischenzeitlich – was sich der Behördenakte jedoch nicht entnehmen lässt – nachgekommen sein sollte. Die „freiwillige“ Erfüllung des Verwaltungsaktes würde in diesem Fall nach Auffassung des Gerichts nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führen.
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3. Die Anträge sind jedoch unbegründet. Zwar sind die Erfolgsaussichten der Klagen gegen die Ziffern 1 und 3 bis 7 des streitgegenständlichen Bescheids nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als offen anzusehen. Eine reine Interessenabwägung fällt jedoch zu Ungunsten des Antragstellers aus.
30
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Verwaltungsakt auf Antrag eines Betroffenen im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen, in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a VwGO anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens maßgeblich, weil am sofortigen Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes ebenso wenig ein Interesse bestehen kann wie an der aufschiebenden Wirkung eines unbegründeten Rechtsbehelfs. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer allgemeinen Interessenabwägung (vgl. zum Ganzen BVerfG, B. v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – juris Rn. 18 ff.; BVerwG, B. v. 29.4.1974 – IV C 21.74 – juris Rn. 7ff.; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.8.2014 – 20 CS 14.1675 – juris Rn. 2).
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Soweit die Behörde – wie hier hinsichtlich der Ziffern 3 bis 7- die sofortige Vollziehung ausdrücklich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, d.h. die aufschiebende Wirkung der Klage nicht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist, insbesondere ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO nicht ausreichend erweist; ist dies der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (vgl. hierzu etwa Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 98 m.w.N.).
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a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 3 bis 7 des streitgegenständlichen Bescheids erfolgte formell rechtmäßig, insbesondere sind die sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Begründungserfordernisse gewahrt.
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Abgesehen davon, dass § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nur eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung normiert und es insoweit auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung nicht ankommt (stRspr, vgl. etwa BayVGH, B.v. 13.10.2022 – 11 CS 22.1897 – juris Rn. 11 m.w.N.), sind an die Begründung der Vollziehungsanordnung keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht jede Begründung, welche zu erkennen gibt, dass die Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet (vgl. BayVGH, B.v. 2.6.2020 – 22 CS 20.802 – juris Rn. 28; Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 55 m.w.N.). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde vorliegend im Wesentlichen mit der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers (aufgrund des Vorfalls am 28. Januar 2024) und dem besonderen Schutzbedürfnis im Bereich des Waffenrechts bei Unzuverlässigkeit gegenüber der Allgemeinheit begründet. Für den Bereich des Sprengstoffrechts kommt der Antragsgegner im Wege der Interessenabwägung ebenfalls zum Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schäden an hochrangigen Rechtsgütern Vorrang vor dem privaten Interesse des Antragstellers habe. Dies genügt den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil die Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend konkret und detailliert im Lichte der besonderen sicherheitsrechtlichen Gefährdungslage bei waffen- und sprengstoffrechtlichen Entscheidungen begründet wurde (vgl. auch BayVGH, B.v. 12.2.2007 – 19 CS 06.2210 – juris Rn. 28). Sonstige Gründe, die die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erscheinen lassen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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b) Die Erfolgsaussichten der Klage gegen den in Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Widerruf der Waffenbesitzkarten sind bei der gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung als offen zu beurteilen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist im Falle des Widerrufs waffenrechtlicher Erlaubnisse der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. hier des Bescheidserlasses (BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 6 C 24.06 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 13.4.2021 – 24 B 20.2220 – juris Rn. 14).
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Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis setzt unter anderem voraus, dass ein Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG besitzt (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG).
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Der Bescheid vom 11. September 2024 stützt sich zur Begründung des Widerrufs auf § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Danach besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG genannten Gesetze (Waffengesetz, Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, Sprengstoffgesetz, Bundesjagdgesetz) verstoßen haben.
37
Vorliegend stand im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ein Vergehen des Antragstellers nach § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG im Raum. Hiernach macht sich strafbar, wer ohne Erlaubnis nach § 2 Abs. 2 WaffG in Verbindung mit Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 eine Schusswaffe erwirbt, besitzt oder führt. Zwar wurde das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Daraus folgt aber noch nicht, dass kein gröblicher Verstoß im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG vorliegt. Denn ein gröblicher Verstoß kann auch bei einem Verstoß gegen die in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG genannten Gesetze angenommen werden kann, der zwar einerseits strafrechtlich nicht geahndet wurde, jedoch andererseits besonders schwer wiegt (vgl. hierzu auch Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 31). Die Verwaltungsbehörden und im Streitfall die Verwaltungsgerichte haben eigenständig festzustellen, welchen Gesetzesverstoß der Inhaber der waffenrechtlichen Erlaubnis begangen hat und rechtlich zu beurteilen, ob dieser Verstoß im Sinne des Waffengesetzes gröblich ist (BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12/95 – juris Rn. 24).
38
aa) Nach § 2 Abs. 2 WaffG bedarf der Umgang mit Waffen, die in der Anlage 2 (Waffenliste) Abschnitt 2 zum Waffengesetz genannt sind, der Erlaubnis. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG wird die Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen durch eine Waffenbesitzkarte oder durch Eintragung in eine bereits vorhandene Waffenbesitzkarte erteilt.
39
Es ist unstreitig, dass dem Antragsteller am 28. Januar 2024 eine halbautomatische Pistole des Herstellers Colt, Kaliber .45 Auto, Seriennummer ... ausgehändigt wurde. Diese ist eine erlaubnispflichte Schusswaffe (vgl. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.2.6, Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 Satz 1 zum Waffengesetz). Der Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb (Voreintrag) der vorgenannten Waffe ging erst nach deren Übergabe, nämlich am 30. Januar 2024, zusammen mit dem Antrag auf Eintragung in die Vereinswaffenbesitzkarte Nr., beim Antragsgegner ein.
40
Damit hat der Antragsteller eine erlaubnispflichtige Schusswaffe erworben, ohne dass die hierfür erforderliche Erlaubnis zum Erwerb (Voreintrag) nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG vorlag. Denn nach der waffenrechtlichen Begriffsbestimmung erwirbt eine Waffe oder Munition, wer die tatsächliche Gewalt darüber erlangt (vgl. Nr. 1 Abschnitt 2 der Anlage 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG). Entscheidend ist demnach allein der Übergang der tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit; auf den rechtsgeschäftlichen Erwerb kommt es hingegen nicht an (vgl. Gade, WaffG, Anlage 1 Rn. 169). Der Antragsteller hat am 28. Januar 2024 unstreitig die tatsächliche Gewalt über die halbautomatische Pistole erlangt. Dass der Abschluss eines rechtsverbindlichen Kaufvertrags von der Zustimmung der anderen Vereinsmitglieder habe abhängen sollen, steht dem Erwerb im waffenrechtlichen Sinne nicht entgegen. Ebenso ist der Vortrag des Antragstellers, er habe die Waffe zunächst noch testen wollen, insoweit unbeachtlich; denn auch wenn die tatsächliche Gewalt nur vorübergehend (zum Beispiel als Entleiher oder Verwahrer) ausgeübt wird, handelt es sich um einen Erwerb im waffenrechtlichen Sinne (vgl. Gade, WaffG, Anlage 1 Rn. 170).
41
Es liegt nach summarischer Prüfung auch keine Ausnahme von der Erlaubnispflicht nach § 12 WaffG vor. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 WaffG bedarf einer Erlaubnis zum Erwerb und Besitz einer Waffe nicht, wer diese als Inhaber einer Waffenbesitzkarte von einem Berechtigten lediglich vorübergehend, höchstens aber für einen Monat für einen von seinem Bedürfnis umfassten Zweck oder im Zusammenhang damit (Buchst. a), oder vorübergehend zum Zweck der sicheren Verwahrung oder Beförderung (Buchst. b) erwirbt. Im vorliegenden Fall geht die Kammer nach summarischer Prüfung davon aus, dass von den Beteiligten weder eine nur vorübergehende Ausleihe noch eine vorübergehende Verwahrung beabsichtigt, sondern von vornherein ein Erwerb der Waffe durch die Schützengesellschaft W. geplant war. So gab der Antragsteller im Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb zur Begründung für die Notwendigkeit der Anschaffung der Waffe an, dass diese zur Aufstockung der Vereinswaffen dienen solle. Gegenüber einer Mitarbeiterin des Antragsgegners äußerte sich der Antragsteller laut Aktenvermerk vom 30. Januar 2024 (Bl. 7 der Behördenakte) telefonisch dahingehend, dass der ehemalige Inhaber der Waffe, Herr Mi., ihm die Waffe vorbeigebracht habe, weil dieser „mit der Waffe nichts mehr zu tun haben wolle“. Aus dem handschriftlichen Vermerk geht ebenfalls nur hervor, dass die halbautomatische Pistole an den Antragsteller „überlassen“ werde. Nicht zuletzt hat der Antragsteller beim Antragsgegner einen Antrag auf Eintragung der Waffe in die Waffenbesitzkarte des Schützenvereins W. gestellt, der auf denselben Tag wie der Antrag auf Voreintrag datiert, und hier als Datum des Erwerbs bzw. Überlassens den 28. Januar 2024 angegeben. Es ist damit gerade nicht ersichtlich, dass die Waffe nur „vorübergehend“ zum Zwecke der Testung an den Antragsteller verliehen oder von diesem hätte verwahrt werden sollen. Aus der Formulierung „vorübergehend“ folgt, dass sich die Beteiligten bereits bei Übergabe der Waffe darüber hätten einig sein müssen, dass diese – nach Ablauf einer von vornherein vereinbarten oder jedenfalls absehbaren Ausleih- bzw. Verwahrzeit (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 60) – an Herrn Mi. zurückgegeben werden soll (vgl. VG Augsburg, U.v. 19.10.2012 – Au 4 K 12.508 – juris Rn. 32 ff.). Dass eine Rückgabe an den Überlassenden in jedem Fall – auch bei Zustimmung der Vereinsmitglieder zum Kauf – beabsichtigt war, ergibt sich aber weder aus dem handschriftlichen Vermerk noch folgt dies aus den vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der als Zeugen benannten Herrn Me. und Herrn Mi. Maßgeblicher Anlass für die Übergabe der Waffe war für alle Beteiligten vielmehr die vereinbarte Erwerbsmöglichkeit durch den Verein. Der Ausnahmetatbestand nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b WaffG liegt ebenfalls nicht vor, weil nichts dafür ersichtlich ist, dass der Antragsteller den Besitz über die Waffe nur nach den Weisungen des überlassenden Herrn Mi. hätte ausüben dürfen. Die Erlaubnistatbestände aus § 12 Abs. 1 Nr. 1 WaffG sollen gerade nicht missbräuchlich zur Umgehung der Voreintragungspflicht aus § 10 Abs. 1 Satz 1 WaffG herangezogen werden.
42
bb) Nach alldem hat der Antragsteller durch die Entgegennahme der Waffe ohne Voreintrag gegen § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG verstoßen. Die Strafbarkeit von fahrlässigem Handeln ergibt sich aus § 52 Abs. 4 WaffG. Allerdings ist bei summarischer Prüfung offen, ob das Verhalten des Antragstellers einen gröblichen Verstoß gegen waffenrechtliche Vorschriften im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG darstellt.
43
Ein gröblicher Verstoß im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG liegt vor, wenn sich in seiner Verwirklichung die fehlerhafte Einstellung des Begehenden unter anderem zu den waffenrechtlichen Ordnungsvorschriften widerspiegelt (Gade, WaffG, § 5 Rn. 31b). Maßgebend für die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG ist sein ordnungsrechtlicher Zweck. Das mit dem Waffenbesitz verbundene Sicherheitsrisiko soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe stets und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1996 – 1 C 12/95 – juris Rn. 25). Entscheidend ist, ob die Rechtsverletzung gemessen an den genannten Zielsetzungen objektiv schwer wiegt und in subjektiver Hinsicht im Besonderen dem Betreffenden als grobe Pflichtverletzung zuzurechnen ist, sei es weil er vorsätzlich gehandelt hat oder sich als besonders leichtsinnig, nachlässig oder gleichgültig gezeigt hat (VG München, U.v. 15.2.2017 – M 7 K 16.4911 – juris Rn. 18). Verstöße gegen das Waffenrecht, die vorsätzliche Straftaten darstellen, sind regelmäßig gröbliche Verstöße (BVerwG, a.a.O. – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 14.1.1999 – 19 ZS 99.6 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 9.3.2006 – 21 CS 06.25 – juris Rn. 6). Gleichwohl können auch fahrlässige Zuwiderhandlungen unter ordnungsrechtlichen Gesichtspunkten als schwerwiegender Verstoß angesehen werden (Papsthart, in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2011, § 5 WaffG Rn. 60 m.w.N.). Nach Nr. 5.4 Abs. 3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) meint „gröblich“ eine schuldhafte (vorsätzliche oder fahrlässige), nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegende, womöglich mit Nachdruck begangene Zuwiderhandlung. Dabei ist unerheblich, ob der Waffenbesitzer mit seinen eigenen Waffen sorgfältig und zuverlässig umgeht bzw. umgegangen ist. Eine Trennung der Sphären – Vereinswaffen einerseits, private Waffen andererseits – ist im Hinblick auf die Beurteilung der Zuverlässigkeit nicht angezeigt. Entscheidend ist allein, ob dem Antragsteller im Umgang mit Waffen ein gröblicher Verstoß vorzuwerfen ist oder nicht (vgl. VG Augsburg, U.v. 19.10.2012 – Au 4 K 12.508 – juris Rn. 29).
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Zwar spricht vorliegend viel dafür, dass die Kammer in der Hauptsache zum Ergebnis kommen wird, dass ein gröblicher Verstoß vorliegt. Bei dem Verhalten des Antragstellers handelt es sich nicht nur um eine Ordnungswidrigkeit, sondern um eine Straftat. Als erfahrener und langjähriger Waffenbesitzer, noch dazu als erster Schützenmeister und Gausportleiter, und aufgrund seiner vielfachen waffenrechtlichen Fortbildungen hätte dem Antragsteller die korrekte Vorgehensweise beim Erwerb einer Waffe bewusst sein müssen. Sofern sich der Antragsteller insoweit auf ein Missverständnis aufgrund eines Telefonats mit einem Mitarbeiter des Antragsgegners beruft, hätte er sich im Zweifel noch einmal darüber informieren müssen, ob bzw. wann ein Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb einer Vereinswaffe zu stellen ist. Selbst wenn dem Antragsteller, wie er selbst vorträgt, unterstellt werden muss, dass seine Handlungsmotive dem Vereinswohl dienen sollten, ist – bei der waffenrechtlichen Erfahrung des Antragstellers – klarzustellen, dass sich dieser vorab nochmal über die maßgeblichen waffenrechtlichen Vorschriften hätte erkundigen und gegebenenfalls beim Antragsgegner rückversichern müssen, statt eigenmächtig unter Auslegung der waffenrechtlichen Bestimmungen nach eigenen Vorstellungen zu handeln.
45
Andererseits sieht die Kammer durchaus Anhaltspunkte, die im Fall des Antragstellers ausnahmsweise Veranlassung dafür bieten könnten, von der Regelvermutung abzusehen. Der Antragsteller zeigt durch sein Verhalten, dass er bemüht und gewillt ist, die waffenrechtlichen Bestimmungen einzuhalten. So suchte er bereits in der Vergangenheit telefonisch den Kontakt zum Antragsgegner, um sich über die einschlägigen waffenrechtlichen Bestimmungen zu informieren. Im Jahr 2022 meldete der Antragsteller von sich aus den Besitz eines nicht eingetragenen Wechselsystems, obwohl dessen Anschaffung bereits 25 Jahre zurücklag und der Antragsgegner andernfalls wohl keine Kenntnis von einem etwaigen waffenrechtlichen Verstoß erlangt hätte. Das Wechselsystem hat der Antragsteller dem Antragsgegner freiwillig zur Vernichtung überlassen. Auch über den hier streitgegenständlichen Erwerb einer Vereinswaffe setzte der Antragsteller den Antragsgegner zeitnah von sich aus in Kenntnis, indem er diesem die Anträge auf Voreintragung bzw. Eintragung innerhalb von zwei Werktagen nach Überlassung zukommen ließ. Die Überlassung der Waffe erfolgte nicht „heimlich“, sondern wurde handschriftlich dokumentiert. All dies spricht dafür, dass der Antragsteller – wohl auch unter dem Eindruck der „Bestätigung“ durch die weiteren Beteiligten – tatsächlich irrtümlich vom Vorliegen eines Ausnahmetatbestands bei einer Überlassung unter Berechtigten ausgegangen sein könnte. Die regelmäßige Teilnahme an waffenrechtlichen Fortbildungen, auch anlässlich seines ehrenamtlichen Engagements im Schützenverein, spricht ebenfalls dafür, dass der Antragsteller bemüht ist, sich rechtskonform zu verhalten, und die durch den vorliegenden Verstoß in der Regel begründeten Zweifel an seiner Vertrauenswürdigkeit bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition damit ausnahmsweise nicht gerechtfertigt sein könnten.
46
cc) Damit bleibt bei summarischer Prüfung offen, ob der Antragsteller weiterhin die erforderliche Zuverlässigkeit nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 WaffG besitzt oder ob diese aufgrund eines gröblichen Verstoßes im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG entfallen ist (und sich der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse somit voraussichtlich als rechtmäßig erweisen würde).
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c) Die Erfolgsaussichten der Klage gegen die in Ziffern 3 bis 6 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten waffenrechtlichen Neben- bzw. Folgeentscheidungen sind bei summarischer Prüfung ebenfalls offen, da hier bereits die Erfolgsaussichten der Klage gegen die zugrundeliegende Widerrufsentscheidung als offen zu beurteilen sind.
48
Die in den Ziffern 3, 5 und 6 des Bescheids getroffenen Anordnungen wurden auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG (Rückgabeverpflichtung) und § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG (Unbrauchbarmachung/Überlassung samt Nachweisverpflichtung) gestützt und dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse (vgl. zur Rückgabeverpflichtung BayVGH, B.v. 3.12.2014 – 21 CS 14.2330 – juris Rn. 13).
49
Die Abgabeverpflichtung der Vereinswaffenbesitzkarten zur Austragung des Antragstellers als verantwortliche Person dürfte sich als Annex zur Mitteilungspflicht aus § 10 Abs. 2 Satz 4 WaffG ergeben.
50
Da aber offen ist, ob sich der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse in der Hauptsache als rechtmäßig erweist (vgl. unter 3. b)), gilt dies auch hinsichtlich der getroffenen waffenrechtlichen Neben- bzw. Folgeentscheidungen.
51
d) Die Erfolgsaussichten der Klage gegen die in Ziffern 3 und 7 verfügten sprengstoffrechtlichen Neben- bzw. Folgeentscheidungen sind ebenfalls als offen zu beurteilen.
52
Der Antragsgegner hat den Antrag des Antragstellers auf Verlängerung seiner Erlaubnis nach § 27 SprengG zum Erwerb, Umgang und Verbringen explosionsgefährlicher Stoffe im nicht gewerblichen Bereich unter Verweis auf dessen sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit abgelehnt (Ziffer 2 des Bescheides). Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SprengG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller oder eine der mit der Leitung des Betriebes, einer Zweigniederlassung oder einer unselbständigen Zweigstelle beauftragten Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Nach § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in § 8a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG genannten Gesetze (Sprengstoffgesetz, Waffengesetz, Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, Bundesjagdgesetz) verstoßen haben. Fraglich ist demnach, ob der Verstoß des Antragstellers gegen § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG ein gröblicher Verstoß im Sinne von § 8a Abs. 2 Nr. 5 SprengG ist. Dies ist bei summarischer Prüfung offen; hierzu wird zur Vermeidung von Wiederholungen umfassend auf die Ausführungen zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit unter 3. b) verwiesen, die auf das Sprengstoffrecht übertragbar sind (vgl. etwa SächsOVG, B.v. 13.9.2022 – 6 B 183/22 – juris Rn. 12 ff.; VG Ansbach, B.v. 28.6.2021 – AN 16 E 21.00537 – juris Rn. 48).
53
Ausgehend von der möglicherweise fortbestehenden sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit sind auch die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Einziehung der Sprengstofferlaubnis (Ziffer 3 des Bescheids) und die Verpflichtung, das im Besitz des Antragstellers befindlichen Nitrozellulosepulver an einen Berechtigten zu übergeben oder unbrauchbar (Ziffer 7 des Bescheids), als offen zu beurteilen (ähnlich auch SächsOVG, B.v. 13.9.2022 – 6 B 183/22 – juris Rn. 12 ff.).
54
e) Doch auch wenn man die Erfolgsaussichten der Klagen gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarten sowie die getroffenen waffen- und sprengstoffrechtlichen Neben- bzw. Folgeentscheidungen nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage zumindest als offen beurteilt, fällt eine reine Interessensabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus.
55
§ 45 Abs. 5 WaffG beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges, legitimes, privates Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könne in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-)Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (vgl. BT-Drs. 16/7717 S. 33; vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 23; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 18). Im Falle der sprengstoffrechtlichen Unzuverlässigkeit gilt diese Wertung in Bezug auf den Besitz und Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen entsprechend (vgl. VG München, B.v. 19.2.2021 – M 7 S 20.6281 – juris Rn. 41).
56
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 3a VwGO) unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Denn insoweit hat der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet und es bedarf deshalb besonderer Umstände, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur hinsichtlich solcher Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der dargelegten gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 24; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 20).
57
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht aber regelmäßig ebenso für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten, mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 WaffG. Diese Neben- bzw. Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellen dadurch die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe von Waffen oder Munition und Erlaubnisurkunden sicher. Nachdem der Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass auch im Hinblick auf die Neben- bzw. Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. dazu BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 26; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 22).
58
Auch im Hinblick auf die getroffenen sprengstoffrechtlichen Nebenentscheidungen besteht angesichts des notwendigen Schutzes überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung regelmäßig kein Anlass für ein weiteres Zuwarten der Behörde (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2021 – 24 CS 21.880 – juris Rn. 14). Es besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, das mit dem Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen verbundene erhebliche Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten (VGH BW, B.v. 20.2.2008 – 1 S 2814/07 – juris Rn. 15). Damit überwiegt grundsätzlich das öffentliche Interesse, das mit dem Zugriff auf explosionsgefährliche Stoffe verbundene Sicherheitsrisiko mit sofort wirksamen Mitteln zu unterbinden, das private Interesse des Betroffenen, von den Wirkungen der Rücknahme der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis bis zur Entscheidung in der Hauptsache verschont zu bleiben (vgl. VG München, B.v. 19.2.2021 – M 7 S 20.6281 – juris Rn. 42 m.w.N.).
59
Gesichtspunkte, die zu einer gegenläufigen Beurteilung führen könnten, sind hier weder substantiiert dargetan noch ersichtlich. Der Vortrag des Antragstellers beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass er (weiterhin) waffen- und sprengstoffrechtlich zuverlässig sei. Inwieweit die waffenrechtlichen Erlaubnisse bzw. der weitere Besitz von Waffen, Munition und Sprengstoff für ihn etwa (beruflich oder privat) existenziell notwendig sind, sodass er sie bis zu einer (rechtskräftigen) Entscheidung im Hauptsacheverfahren weiter besitzen müsse, hat der Antragsteller dagegen nicht hinreichend substantiiert dargelegt (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 25; B.v. 12.12.2017 – 21 CS 17.1332 – juris Rn. 21).
60
4. Der nur im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO geltend zu machende Anspruch auf Verlängerung der Sprengstofferlaubnis bliebe jedenfalls auch in der Sache erfolglos.
61
Eine einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO setzt sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes aufgrund Eilbedürftigkeit (den Anordnungsgrund) als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in einem (etwaigen) Hauptsacheverfahren. Das Vorliegen eines derartigen Anordnungsgrunds und Anordnungsanspruchs ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V. m. § 920 Abs. 2 ZPO).
62
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Antrag unbegründet, da der Antragsteller schon keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Der Vortrag des Antragstellers beschränkt darauf, dass er waffen- und sprengstoffrechtlich zuverlässig sei und deshalb einen Anspruch auf Erteilung einer Sprengstofferlaubnis habe. Umstände, die eine von § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO verlangte Eilbedürftigkeit begründen bzw. ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache für den Antragsteller nicht zumutbar erscheinen lassen könnten, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
63
Zudem stellt die begehrte einstweilige Regelungsanordnung auch eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache dar. Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfang das gewähren, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Grundsätzlich ausgeschlossen ist es daher, eine Regelung zu treffen, die rechtlich oder zumindest faktisch auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinausläuft (vgl. zum Ganzen Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 123 Rn. 13 f.). Bei der im vorliegenden Falle begehrten Verlängerung der Sprengstofferlaubnis geht die Kammer nach den vorstehenden Maßgaben von einer solchen unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache aus. Die Vorwegnahme der Hauptsache wäre nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft machen könnte, dass ihm ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BVerfG, B.v. 25.10.1988 – 2 BvR 745/88 – BVerfGE 79, 69). Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich.
64
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert war nach §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG zu bestimmen. Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nrn. 1.5, 50.2). Für die Anwendung von Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs kommt es nicht auf die Anzahl der widerrufenen Waffenbesitzkarten an. Denn für die Prüfung, ob die in §§ 4 ff. WaffG genannten Voraussetzungen noch vorliegen, ist es in der Regel unerheblich, ob der Betroffene über eine oder mehrere solcher Karten verfügt. Demnach ist der Auffangstreitwert anzusetzen, wobei hierin zugleich die erste eingetragene Waffe mit enthalten ist. Für jede weitere Waffe ist nach Nr. 50.2 des Streitwertkatalogs eine Erhöhung um 750,00 EUR vorzunehmen (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 12.6.2023 – 6 B 37.22 – juris Rn. 7). Der in der Hauptsache Au 8 K 24.2539 demnach anzusetzende Streitwert i.H.v. 11.000,00 EUR war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren. Für das Verfahren Au 8 S 24.2536 war der halbierte Auffangstreitwert anzusetzen.