Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 24.10.2024 – Au 2 K 23.1429
Titel:

Entlassung eines Beamten auf Widerruf

Normenketten:
BeamtStG § 9, § 22 Abs. 4, § 23
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1, § 114
Leitsätze:
1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entlassung eines Widerrufsbeamten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (hier: Widerspruchsbescheid) maßgeblich; Umstände, die erst danach eintreten, sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entlassungsverfügung grundsätzlich unbeachtlich, es sei denn, sie lassen einen Rückschluss auf den im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorliegenden Sachverhalt zu (ebenso VGH München BeckRS 2014, 46385). (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der angestrebten Laufbahn nicht gerecht wird; bestehen ernstliche Zweifel daran, dass das Ziel des Vorbereitungsdienstes – der Erwerb der angestrebten Laufbahnbefähigung – erreicht wird, kann der Widerrufsbeamte entlassen werden. (Rn. 60) (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Recht der Landesbeamten, Entlassung, Beamter auf Widerruf (Polizeivollzugsdienst), fehlende fachliche Eignung, Ausbildungswiederholung (nicht genehmigt), Beamter, fachliche Eignung, Widerspruchsbescheid, Ausbildungswiederholung, Ermessensausübung, Leistungsnachweise, Prognoseentscheidung, persönliche Eignung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49645

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf im Polizeivollzugsdienst.
2
Der Kläger (geboren ... 1994) wurde am 1. März 2022 als Polizeimeisteranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf beim 56. Ausbildungsseminar (AS) der V. Bereitschaftspolizeiabteilung (BPA) ... eingestellt. Die von ihm zu durchlaufende Ausbildung der 2. Qualifikationsebene (QE) ist modular aufgebaut und dauert zwei Jahre und sechs Monate; sie gliedert sich in fünf Ausbildungsabschnitte, der fünfte Ausbildungsabschnitt schließt die Qualifikationsprüfung ein (§ 22 der Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz- FachV-Pol/VS).
3
Der Kläger erzielte im Rahmen des 1. Ausbildungsabschnitts folgende Ergebnisse:
4

Leistungsnachweise

Klausur

Praktisch/Mündlich

Ergebnis

Allgemeines Polizeirecht

0

4

1

Strafrecht

2

1

2

Verkehrsrecht

4

1

3

Beamtenrecht

3

1

2

Politische Bildung/ Zeitgeschehen

2

3

2

Gesamtergebnis

2,00

5
Gemäß Nr. 8 der Allgemeinen Regelungen des Ausbildungsplans der 2. QE des Polizeivollzugsdienstes Bayern (im Folgenden: Ausbildungsplan) hat das Ausbildungsziel des ersten Ausbildungsabschnitts nicht erreicht, wer u.a. im Gesamtergebnis weniger als 5 Punkte oder in einem Leistungsbereich weniger als 2 Punkte oder in zwei Leistungsbereichen weniger als 5 Punkte erhalten hat.
6
Mit Schreiben vom 1. August 2022 beantragte der Kläger die Wiederholung des 1. Ausbildungsabschnitts. Dies wurde von Seiten des Ausbildungsseminars und des Präsidiums ... nicht befürwortet.
7
Mit Schreiben des Präsidiums ... vom 14. Oktober 2022 wurde der Kläger zur beabsichtigten Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf angehört und erhielt Gelegenheit zur Äußerung innerhalb von drei Wochen nach Erhalt des Schreibens, welches ihm am 21. Oktober 2022 ausgehändigt wurde. Die mit Schriftsatz der damaligen Bevollmächtigten am letzten Tag der Frist erbetene Schriftsatzverlängerung wurde nicht gewährt.
8
Mit Bescheid des Präsidiums ... vom 15. November 2022 wurde der Kläger mit Ablauf des 31. Dezember 2022 wegen fachlicher Nichteignung von Amts wegen aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen (Nr. 1). In Nr. 2 des Bescheides wurde die sofortige Vollziehung angeordnet.
9
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gem. § 23 Abs. 4 Satz 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) ein Beamter auf Widerruf jederzeit aus dem Beamtenverhältnis entlassen werden könne. Es genüge ein an den Erfordernissen des Einzelfalls gemessenes sachgerechtes Entlassungsinteresse. Dies sei jedenfalls dann gegeben, wenn sich der Beamte hinsichtlich seiner Eignung, Befähigung oder fachlichen Leistung nicht bewährt habe. Mangelnde Bewährung im Beamtenverhältnis auf Widerruf liege dabei nicht erst vor, wenn endgültig die fehlende Eignung erwiesen sei, sondern schon dann, wenn begründete Zweifel bestünden, ob der Beamte den an ihn gestellten Anforderungen werde genügen können. Die dazu erforderliche Prognose habe von den bereits eingetretenen Tatumständen auszugehen; von diesen sei auf eine künftige Entwicklung zu schließen. Die fachliche Eignung bilde einen Teilaspekt der persönlichen Eignung. Leistungsmängel könnten einen sachlichen Grund für die Entlassung bilden. Für die Ausbildung der Polizeivollzugsbeamten der 2. QE sei gem. § 23 FachV-Pol/VS die Bereitschaftspolizei zuständig. Die Inhalte der Ausbildung würden gem. § 23 Satz 3 FachV-Pol/VS in einem Ausbildungsplan geregelt. Wegen mangelnder fachlicher Leistungen hätte der Kläger das Ziel des ersten Ausbildungsabschnitts gem. Nr. 6.1 und 6.2 i.V.m. Nr. 8 des Ausbildungsplans nicht erreicht, da er in insgesamt zwei Leistungsbereichen sowie im Gesamtergebnis weniger als die 5 Punkte erzielt hätte. Die aktuelle Eignung, Befähigung und Leistung ließen nicht erwarten, dass er das Ziel der Ausbildung künftig erreichen werde; es lägen vielmehr erhebliche begründete Zweifel an der persönlichen, insbesondere der fachlichen Eignung für den Polizeiberuf vor. In Anwendung von Nr. 9.2 Abs. 1 der Allgemeinen Regelungen des Ausbildungsplans, wonach ein Ausbildungsabschnitt grundsätzlich nur wiederholt werden könne, wenn die Eignung, Befähigung und Leistung erwarten ließen, dass der Beamte das Ziel der Ausbildung künftig erreichen werde, sei die Gewährung einer Ausbildungswiederholung mangels entsprechender Erfolgsprognose nicht angezeigt. Gemäß Nr. 9.3 des Ausbildungsplans bestünden bei einem Nichterreichen des vorgeschriebenen Ausbildungsziels und einer entsprechenden Ablehnung der Ausbildungswiederholung regelmäßig Zweifel an der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung, sodass der Beamte nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu entlassen sei. Die Voraussetzungen für die Wiederholung des ersten Ausbildungsabschnitts seien in Ermangelung einer positiven Zukunftsprognose nicht gegeben. Eine Entlassung aus dem bestehenden Beamtenverhältnis sei die notwendige Folge, da der Kläger nicht die erforderlichen Voraussetzungen besitze, um weiterhin im Beamtenverhältnis auf Widerruf verbleiben und später ins Beamtenverhältnis auf Probe bzw. auf Lebenszeit übernommen werden zu können. Die negative Erfolgsprognose hinsichtlich des künftigen Bestehens des ersten Ausbildungsabschnitts stütze sich maßgeblich auf das Lernverhalten und die persönlichen Kompetenzen. Die schriftlichen und praktisch-mündlichen Leistungen lägen in allen Bereichen deutlich unter dem Durchschnitt. Die mangelhafte Einstellung zum Lernen führe zu erheblichen Wissenslücken, die den Kläger letztlich am Erreichen des Ausbildungsziels hätten scheitern lassen. Er weise in sämtlichen theoretischen Bereichen erhebliche Wissenslücken auf, wobei das nötige Interesse und ausreichende Motivation, die entstandenen Defizite auszugleichen, nur wenig vorhanden zu sein scheine. Auffällig sei u.a. gewesen, dass der Kläger offenbar nicht in der Lage gewesen sei, in der vorgegebenen Zeit Texte zu erfassen und die Aufgabenstellungen zu bearbeiten. So habe er beispielsweise bei einer Kurzarbeit im Fach Verkehrsrecht bei einer Bearbeitungszeit von 35 Minuten erst nach 20 Minuten mit der Bearbeitung begonnen. Auch bei anderen Leistungsabnahmen hätten erhebliche Defizite festgestellt werden können. So habe er u.a. die theoretische Prüfung bezüglich der Ersten Hilfe wiederholen müssen. Auch in praktischen Bereichen seien die Leistungen ungenügend. Im Fach PE hätte er mangelhafte Leistungen gezeigt, die das mangelnde Fachwissen widergespiegelt hätten. Auch bei sportlichen Leistungen seien erhebliche Defizite festgestellt worden. Diese Leistungsdefizite seien mehrfach mit ihm in persönlichen Gesprächen thematisiert worden. Bereits ab Mai seien durch die Klassenleitung intensive Gespräche geführt worden, in denen er auch auf die Folgen des Nichtbestehens des ersten Ausbildungsabschnitts hingewiesen worden sei. Dabei sei auch mitgeteilt worden, dass eine Wiederholung des Ausbildungsabschnitts nicht automatisch gewährt werde. Insgesamt sei der Kläger elf Mal schriftlich belehrt worden, dass die bisher erreichten Leistungen nicht ausreichend seien und das Erreichen der Ausbildungsziele gefährdet sei. Bei den Gesprächen habe er den Eindruck erweckt, die Tragweite des Lernverhaltens nicht zu erfassen. Die Gespräche hätten den Kläger offensichtlich überfordert, was er auch selbst in einem der Gespräche eingeräumt habe. Trotz mehrfacher Hinweise seien entsprechende Hilfsangebote und Möglichkeiten, die Wissenslücken auszugleichen, nicht in Anspruch genommen worden. Unterstützt werde die negative Erfolgsprognose außerdem durch das Persönlichkeitsbild, das sich ausschließlich im ausreichenden bzw. mangelhaften Bereich befinde. Insbesondere die mit „mangelhaft“ bewerteten Teilbereiche wie Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Selbstreflexion und Verantwortungsbewusstsein seien unabdingbar für ein erfolgreiches Bestehen der Ausbildung. Eine Steigerung der fachlichen Leistungen sei somit auch künftig nicht zu erwarten. Nach den Einschätzungen seitens des Seminars sei davon auszugehen, dass die innere Einstellung zum Lernen sich nicht ändern werde und das Leistungspotential ausgeschöpft sei. § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG sehe für Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst grundsätzlich vor, dass die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes unter Ablegung der Prüfung gegeben werden solle. Diese Einschränkung greife vorliegend jedoch nicht, weil ernsthafte Zweifel daran bestünden, dass das Ziel des Vorbereitungsdiensts, nämlich der Erwerb der angestrebten Qualifikation, erreicht werden könne. Die Entlassung sei die geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahme.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen.
11
Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seine damalige Bevollmächtigte am 14. Dezember 2022 Widerspruch einlegen. Mit Schreiben vom 13. März 2023 bestellte sich der Bevollmächtigte des Klägers und beantragte Akteneinsicht, die am 14. April 2023 gewährt wurde.
12
Mit Schreiben vom 1. Juni 2023 wurde der Widerspruch begründet. Gleichzeitig wurde für den Kläger die Wiederholung der geforderten Leistungsnachweise im Rahmen des ersten Ausbildungsabschnitts und die Fortsetzung der Ausbildung beantragt.
13
Mit Widerspruchsbescheid des Präsidiums ... vom 14. August 2023 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
14
Dagegen ließ der Kläger am 5. September 2023 Klage erheben.
15
Ein am 12. September 2023 gestellter Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 15. November 2022 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 26. Oktober 2023 ab (Au 2 S 23.1477). Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. Januar 2024 zurück (... ).
16
Auf gerichtliche Nachfrage teilte der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 12. Februar 2024 mit, dass eine Klagerücknahme nicht erfolge. Die Kernaussagen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs fänden sich in den Randnummern 7 bis 11 seiner Entscheidung. Soweit das Gericht auf „Mosaiksteine“ abstelle und dabei auf die Kommentierung in Eyermann verweise, sehe das die Rechtsprechung (VG Berlin, U.v. 25.2.2016 – 26 K 331.14) anders. Wenn die Begründung aus „Mosaiksteinen“ bestehe und diese zum Teil wegbrächen oder nicht gegeben seien, sei die Ermessensentscheidung nicht auf einen vollständig zutreffend ermittelten Sachverhalt gestützt. Wenn der Bescheid der Gegenseite unter Punkt II. korrekt inhaltlich erfasst werde, stütze sie die Bewertung, sie habe Zweifel an der persönlichen und fachlichen Eignung auf die Leistungsnachweise, denn unmittelbar räumlich und textlich danach komme eine Tabelle mit der Bewertung der einzelnen Leistungsnachweise, die der Kläger zu erbringen hatte. Nach IV.3 werde dann die angeblich fehlende fachliche Eignung auch genau damit begründet. Die Subsumtion unter IV. nenne dann die eigentlichen zulässigen drei „Mosaiksteine“: Eignung, Befähigung und Leistung. Dann sei die Begründung genauer zu betrachten. Bei Nichterreichen eines vorgeschriebenen Ausbildungsziels und Ablehnung einer Wiederholung bestünden regelmäßig Zweifel an der Eignung, Leistung und Befähigung. Sodann folge der Kern der Begründung: „Die Voraussetzungen für die Wiederholung…sind in Ermangelung einer positiven Zukunftsprognose nicht gegeben.“ Diese wiederum werde letztlich auf die schriftlichen und mündlichen Leistungen und damit auf Prüfungen zurückgeführt, so der Folgeabsatz. Anschließend beschäftige sich die Begründung nur noch mit der negativen Erfolgsprognose. Dass das die eigentliche Ermessenserwägung sei, ergebe sich aus IV.6 des Bescheids, denn darin heiße es: „Aus den oben genannten Gründen bestehen erhebliche Gründe an Ihrer fachlichen Eignung.“ Zu konstatieren sei, dass die Darstellung der Verhältnismäßigkeit die Herausarbeitung des legitimen Zwecks unterlasse, was das Bild (als „Mosaiksteinchen“) abrunde, denn selbst unter IV.1 fänden sich dazu keine Ausführungen. Ebenso sei nicht nachvollziehbar, warum eine Prüfung, wie die Sportprüfungen oder die Klausuren im Strafrecht, deren Bestehen jeweils dem Abschluss näherbringe und deren Nichtbestehen zum Ausbildungsabbruch führten, nicht dem Regime des Art. 12 Abs. 1 GG unterfielen.
17
Für den Beklagten beantragte das Präsidium ... mit Schriftsatz vom 22. Februar 2024,
18
die Klage abzuweisen.
19
Mit Schriftsatz vom 23. April 2024 wurde die Klage begründet.
20
Der Bescheid vom 15. November 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2023 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger habe einen Anspruch auf ordnungsgemäße Neubewertung der Prüfungsleistungen, hilfsweise auf Wiederholung der Prüfungsleistung und Bewertung durch jeweils neu zu bestellende Prüfende. Sowohl die Durchführung als auch die Bewertung der Leistungsnachweise sei rechtsfehlerhaft gewesen. Auf diesen Fehlern könne die Feststellung, der Kläger habe nicht die erforderliche fachliche Eignung für die Fortführung des Ausbildungsverhältnisses nachgewiesen, beruhen. Der Anspruch des Klägers auf Durchführung eines rechtsfehlerfreien Prüfungsverfahrens einschließlich einer objektiven und dem Gleichheitsgrundsatz entsprechenden Bewertung sei dabei verletzt worden. Das Gebot der Chancengleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG erfordere, erheblichen Fehlern im Prüfungsverfahren durch erneute Bewertung bzw. Durchführung des fehlerbehafteten Prüfungsteils Rechnung zu tragen.
21
Die Entlassungsverfügung sei bereits formell rechtswidrig. Die Durchführung und Bewertung der streitgegenständlichen Leistungsnachweise sei auf einer rechtswidrigen Prüfungsordnung zustande gekommen. § 9 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 der Verordnung über die Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz (FachV-Pol/VS) verstoße gegen geltendes Recht. Es gebe keine normative Regelung über die Festlegung der Prüferanzahl. Die Vorschriften träfen keine Aussage darüber und dazu, von wie vielen Prüfenden die schriftlichen und praktisch/mündlichen Leistungsnachweise im 1. Ausbildungsabschnitt durchgeführt und bewertet würden (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2019 – 6 C 19.18). Soweit die Gegenseite im Widerspruchsbescheid darauf verweise, dass die Regelungen der FachV-Pol/VS nicht einschlägig seien, sei zu konstatieren, dass die Leistungsnachweise innerhalb des 1. Ausbildungsabschnitts offenbar gänzlich ohne normative Grundlage abgenommen würden. Dies sei bereits aufgrund eines Verstoßes gegen den Vorbehalt des Gesetzes rechtswidrig. Die Ansicht der Gegenseite, dass es sich bei den streitgegenständlichen Prüfungsleistungen „lediglich um einfache Leistungsnachweise im Bereich des 1. Ausbildungsabschnitts“ handeln solle, verkenne in eklatanter Weise, dass das Bestehen der Leistungsnachweise in Form von Klausuren mit einer Mindestpunktzahl Voraussetzung für die Zulassung zur Qualifikationsprüfung sei. Mithin hätten diese Leistungsnachweise berufsbezogene Wirkungen, der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG sei eröffnet und betroffen. Die rechtliche Einschätzung des Verwaltungsgerichts als auch des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im einstweiligen Rechtschutzverfahren, dass es sich nicht um berufsbezogene Prüfungen handele, sei mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Prüfungsrecht nicht vereinbar. Aus dieser rechtlichen Fehleinschätzung ergäben sich tiefgreifende Bedenken gegen die Prüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung in Bezug auf nachfolgende rechtliche Gesichtspunkte, die umfangreich in der Antragsbegründung im einstweiligen Rechtschutzverfahren vorgebracht und verworfen worden seien:
22
Verstoß gegen den Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes bezüglich der Richtlinien für das Klausur- und Prüfungswesen (RiLiKP), Verstoß gegen die normative Festlegung der Prüferanzahl, fachliche Qualifikation der Prüfenden, keine normative Grundlage für Multiple-Choice Aufgaben im Rahmen der Kurzarbeit aus dem Verkehrsrecht vom 25. März 2022, kein durchgeführtes Überdenkensverfahren. Vorschriften, die für die Aufnahme eines Berufs eine bestimmte Vor- und Ausbildung sowie den Nachweis erworbener Fähigkeiten in Form einer Prüfung verlangten, griffen in die Freiheit der Berufswahl ein und müssten deshalb den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügen. Der Begriff „Beruf“ in Art. 12 Abs. 1 GG umfasse auch Berufe, die Tätigkeiten zum Inhalt hätten, welche dem Staat vorbehalten seien. Darüber hinaus beanspruche das Grundrecht der Berufsfreiheit auch Geltung für das Prüfungsverfahren. So sei auch eine Promotionsprüfung als berufsbezogene Prüfung an Art. 12 Abs. 1 GG zu messen, obwohl diese keinen Beruf an sich eröffne (vgl. OVG NW, B.v. 29.8.2008 – 14 A 1551/07 – juris). Zudem müssten Prüfungsordnungen zum einen dem auf Art. 3 Abs. 1 GG beruhenden Grundsatz der Chancengleichheit Rechnung tragen und es den Prüflingen ermöglichen, das Ergebnis einer Prüfung rechtlich effektiv überprüfen zu lassen und hierzu wirksam Einwände gegen die Prüfungsentscheidung zu erheben. Wie bereits im einstweiligen Rechtschutzverfahren vorgetragen, zähle zur Gewährleistung möglichst gleicher Prüfungsbedingungen auch die Zahl der Bewertenden und Prüfenden. Deren Anzahl müsse normativ bestimmt sein. Gleiches gelte im Falle von Bewertungsdifferenzen. Die vom Bundesverwaltungsgericht vorgesehene Übergangszeit, um rechtswidrige Prüfungsordnungen anzupassen, sei bereits lange abgelaufen gewesen als der Kläger geprüft worden sei und die Leistungsnachweise zu erbringen hatte. Bei den zur erfolgreichen Beendigung des 1. Ausbildungsabschnitts erforderlichen Leistungsnachweisen handle es sich um berufsbezogene Prüfungen. Dieser Definition entsprächen die gegenständlichen Leistungsnachweise schon nach ihrer Bezeichnung. Sie dienten dazu, die durch die Lehrveranstaltungen erworbenen Kenntnisse und Befähigungen nachzuweisen. Die Auszubildenden sollten elementare fachtheoretische und fachpraktische Grundkenntnisse erlangen, die ihnen den Einstieg in die modulare Wissensvermittlung eröffne (Nr. III des Ausbildungsplans). Das Verwaltungsgericht gehe fehl in der rechtlichen Annahme, wenn es nur darauf abstelle, dass es bei den Leistungsnachweisen nicht um das Bestehen der Prüfung gehe, sondern um das Erreichen einer bestimmten Mindestpunktzahl, mithin würden die Richtlinien für das Klausur- und Prüfungswesen keine subjektive Berufszugangsregelung darstellen. Das Erreichen der Mindestpunktzahl bei den Leistungsnachweisen im 1. Ausbildungsabschnitt setze ein ordnungsgemäßes Bewertungsverfahren voraus, das mit Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein müsse, denn aus einem fehlerhaften Prüfungs- und Bewertungsverfahren ergebe sich wiederum die fehlerhafte Feststellung, dass die Leistungsnachweise nicht erbracht worden seien und der 1. Ausbildungsabschnitt nicht bestanden worden sei. Es sei zutreffend, dass auch die im Rahmen der berufsbegleitenden Studien für das Lehramt abzulegenden Leistungsnachweise berufsbezogene Prüfungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seien (VG Berlin, U.v. 20.12.2022 – 5 K 126/20 – juris). Dies gelte gleichermaßen für die hier in Streit stehenden Leistungsnachweise. Das erfolgreiche Erreichen der Mindestpunktzahl sei eine zwingende Voraussetzung für den Fortgang der Ausbildung, ob der Bewerber den geforderten Zielen des jeweiligen Ausbildungsabschnitts entspreche. Dies ergebe sich auch aus 7.4 des Ausbildungsplans für die Berechnung der Ergebnisse des in den Leistungsbereichen und des Gesamtergebnisses. Die Leistungsnachweise im 1. Ausbildungsabschnitt unterlägen einer Leistungsbewertung, die mit den Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein müsse. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die 2. Kammer des VG Augsburg im einstweiligen Rechtschutzverfahren zwischen den Leistungsnachweisen im 1. Ausbildungsabschnitt und den Qualifikationsprüfungen gemäß § 9 FachV-Pol/VS unterscheide. Das Bestehen beider Prüfungsabschnitte bzw. die jeweiligen zu erbringenden Leistungsnachweise seien zwingende Voraussetzung für die Fortsetzung der beruflichen Ausbildung als Polizeimeisteranwärter. In § 26 Abs. 1 FachV-Pol/VS heiße es: „Die Beamten und Beamtinnen in Ausbildung haben die im Ausbildungsplan für die Ausbildungsabschnitte geforderten Leistungsnachweise zu erbringen“. Entgegen der Auffassung der 2. Kammer führe zudem ein Gesamtergebnis mit weniger als 5 Punkten zum Nichterreichen der Ausbildungsziele (Nr. 8 Ausbildungsplan). Davon unabhängig stehe die Möglichkeit, dass der Prüfling eine Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts beantragen könne, der Einstufung der Leistungsnachweise als berufsbezogene Prüfungen nicht entgegen, denn einem Prüfling stehe ohnehin grundsätzlich mindestens ein Wiederholungsversuch bei Prüfungen zu. Die Regelung in Nr. 9.2 Abs. 1 des Ausbildungsplans spreche daher gerade dafür, dass es sich auch bei den Leistungsnachweisen um berufsbezogene Prüfungen handeln müsse. Andernfalls sei es – auch nach rechtsirriger Ansicht des Verwaltungsgerichts – mit dem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn das Nichterreichen der Leistungsnachweise des 1. Ausbildungsabschnitts unmittelbar die Beendigung der Ausbildung nach sich ziehe ohne Wiederholungsmöglichkeit, denn eine solche bestünde dann nur bei berufsbezogenen Prüfungen. Soweit die 2. Kammer in den Gründen im einstweiligen Rechtschutzverfahren auf die Eignung des Beamten abstelle (Rn. 63 des Beschlusses), sei verkannt worden, dass sich diese Anforderung wiederum an Art. 33 Abs. 2 GG messen lassen müsse und nicht unmittelbar mit dem Prüfungsverfahren und der Prüfungsbewertung der Leistungsnachweise in Zusammenhang stehe. Die 2. Kammer verkenne weiter in den Gründen, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung schon mehrfach den engen Zusammenhang zwischen Ausbildung und späterer Berufstätigkeit hervorgehoben und demgemäß Vorschriften, die für die Aufnahme eines Berufs eine bestimmte Vorbildung und Ausbildung verlangten, an Art. 12 Abs. 1 GG gemessen habe. Danach komme das Grundrecht als unmittelbarer Prüfungsmaßstab darüber hinaus auch für Regelungen über die Durchführung berufsrelevanter Prüfungen in Betracht (BVerfG, 25.6.1974 und 13.11.1979). Soweit der Beklagte auf die Regelungsweite des § 24 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG verweise, werde verkannt, dass der Begriff der fachlichen Eignung eng mit den Erkenntnissen zur Notenfindung der Prüfenden bezüglich der streitgegenständlichen Leistungsnachweise des 1. Ausbildungsabschnitts im Zusammenhang stehe. Es gebe keine Entscheidung über die Eignung, ohne festgestellt zu haben, ob der Anwärter den fachlichen Anforderungen aus dem 1. Ausbildungsabschnitt entspreche. Hierfür wiederum sei ein an rechtsstaatliche Grundsätze gebundenes Prüfungsverfahren erforderlich. Entgegen der Auffassung der Gegenseite sei das Bestehen der jeweiligen Leistungsnachweise Voraussetzung dafür, dass der Anwärter die nächste Stufe der vorgesehenen Ausbildungsphase erreiche. Fakt sei, dass der Anwärter eine bestimmte Mindestpunktzahl für die jeweiligen Ausbildungsziele erreichen müsse. Der dem Anwärter eingeräumte Wiederholungsversuch erfolge nur auf Antrag und weiter unter der Bedingung, dass Eignung, Befähigung und Leistung es erwarten ließen, dass das Ziel der Ausbildung künftig erreicht werde. Diese Regelung sei erstens zu unbestimmt und überlasse zweitens dem Dienstherrn eine derartig weite Einschätzungsprärogative, die mit dem Grundrecht aus Art. 33 Abs. 2 GG nicht in Einklang zu bringen sei. Unklar bleibe daher in diesem Zusammenhang, wie das Nichterreichen des Ausbildungsziels im 1. Ausbildungsabschnitt bei der Entscheidungsfindung im Rahmen des Punktes 9.2 des Ausbildungsplans berücksichtigt werde: Werde eine positive Prognose nur dann getroffen, wenn der Anwärter das Ausbildungsziel knapp nicht erreicht habe? Werde eine negative Prognose stets getroffen, wenn der Anwärter das Ausbildungsziel weit verfehlt habe? In beiden denkbaren Fallkonstellationen sei zu konstatieren, dass der Anwärter alle Leistungsnachweise neu erbringen müsse. Er durchlaufe also wieder das nicht hinreichend normativ geregelte Prüfungs- und Bewertungsverfahren. Dem Bewertungsverfahren für die jeweiligen Leistungsnachweise komme eine prägende Wirkung für den Fortgang der Ausbildung des Anwärters zu. In diesem Zusammenhang sei auch auf Punkt 6 der Allgemeinen Regelungen abzustellen in dem es heiße: „Das Persönlichkeitsbild diene der Feststellung der berufsbezogenen Anforderungen hinsichtlich der sozialen und persönlichen Kompetenzen“. Der Beklagte möge sich dazu erklären, warum die Begrifflichkeit „berufsbezogene Anforderungen“ Eingang in die Allgemeinen Regelungen unter der Überschrift „Leistungsnachweise, Leistungs- und Eignungsbild, Persönlichkeitsbild“ gefunden habe, wenn es sich doch nach seiner Rechtsauffassung um keine berufsbezogenen Prüfungen handeln solle. An welcher Stelle von einer „beamtenrechtlichen Bewährung“ in den Allgemeinen Regelungen die Rede sein solle – wie es der Beklagte ausführe – bleibe unklar. Weiter sei festzustellen, dass die Qualifikationsprüfungen kein „Mehr“ an berufsbezogenen Leistungen darstellten, denn die Teilnahme setze voraus, dass der Anwärter an der Ausbildung ordnungsgemäß teilgenommen und alle Ausbildungsziele erreicht habe (Nr. 10 Allgemeine Regelungen). Auch der Wortlaut der Richtlinien für das Klausur- und Prüfungswesen widerspreche der Rechtsauffassung des Beklagten (§ 2 RiLiKP). Alle fünf Ausbildungsabschnitte seien miteinander verknüpft. Unabhängig vom Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes genüge die Überlassung der Ausgestaltung des Prüfungsverfahrens an das Prüfungsamt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 10.4.2019 – 6 C 19.18) verlangten der prüfungsrechtliche Grundsatz der Chancengleichheit und der effektive Schutz der Berufswahlfreiheit, dass der zuständige Normgeber die Zahl der Prüfer bei berufsbezogenen Prüfungen rechtssatzmäßig festlege. Diese rechtlichen Grundsätze seien auf die streitbefangenen Leistungsnachweise der Prüfung anwendbar. § 9 Abs. 2 und § 26 Abs. 1 FachV-Pol/VS genügten diesen Anforderungen nicht. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei auf die Ausbildungsabschnitte für die Polizei und die streitgegenständlichen Leistungsnachweise übertragbar. Das Nichtbestehen der Leistungsnachweise führe nach Ansicht des Dienstherrn im vorliegenden Fall für die Wiederholung des 1. Ausbildungsabschnitts zu einer negativen Zukunftsprognose, eine Entlassung aus dem bestehenden Beamtenverhältnis sei die notwendige Folge und führe insgesamt dazu, dass dem Kläger der Zugang zum erstrebten Beruf verwehrt werde. Auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beziehe die Berufsausbildung in die berufsbezogenen Prüfungen ein. Dabei sei es erforderlich, die konkrete Zahl der Prüfer rechtssatzmäßig in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung festzulegen (BVerwG, U.v. 10.4.2019 – 6 C 19.18; U.v. 27.2.2019 – 6 C 3.18). Sofern in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten werden sollte, dass die Anzahl der Prüfer ggf. in der Allgemeinen Prüfungsordnung (APO) festgelegt sei, dann sei vorliegend gegen die Vorgabe des Zwei-Prüfer-Prinzips verstoßen worden und zwar in allen Leistungsnachweisen. Der Normgeber überlasse dem Prüfungsamt die Regelung der Anzahl der Prüfer, ohne dafür Maßstäbe festzulegen. Darüber hinaus werde mit Nichtwissen bestritten, dass die zum Einsatz gekommenen Prüfenden ordnungsgemäß vom Prüfungsausschuss bestellt worden seien. Ebenso müsse mit Nichtwissen bestritten werden, dass der Prüfungsausschuss ordnungsgemäß und auch paritätisch besetzt gewesen sei. Nach Art. 21 des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes müssten in Gremien Frauen gleichberechtigt vertreten sein. Daher hätte der hier in Rede stehende Ausschuss zu 50 Prozent mit Frauen besetzt sein müssen. Dieser Verfahrensfehler sei erheblich, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein Vorliegen ursächlich für die Leistungsbeurteilungen geworden sei. Eine Fehlerbeseitigung könne dann aber nicht mehr durch eine Neubewertung vorgenommen werden. In Fällen wie dem vorliegenden könne eine Fehlerbeseitigung nur in Gestalt neuer Prüfungsversuche erfolgen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei einer Auswahl aus einem geschlechtsparitätisch besetzten Prüfungsausschuss andere Prüfende bestimmt worden wären, welche ihren Beurteilungsspielraum bei der Bewertung der Leistungsnachweise anders ausgeübt hätten. Der Kläger dürfe sich auch jetzt noch auf diesen Mangel berufen, obwohl er ihn nicht gerügt habe. Zudem müsse mit Nichtwissen bestritten werden, dass die Prüfer die erforderliche Qualifikation im Sinne des § 2 Abs. 2 APO hätten. Der Beklagte habe ohne normative Grundlage Multiple-Choice Aufgaben mit einer Malus-Punkte-Regelung gestellt. Das Bewertungsverfahren sei insoweit fehlerhaft, als richtig beantwortete Antworten durch falsch angekreuzte Antworten entwertet würden (OVG Münster, U.v. 16.12.2008 – 14 A 2154/08). Die entsprechende Prüfungsordnung enthalte keine Regelungen, die auf diese besondere Prüfungsart des Antwort-Wahl-Verfahrens zugeschnitten seien.
23
Das Überdenkensverfahren sei verfahrensfehlerhaft nicht durchgeführt worden, obwohl der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 1. Juni 2023 konkrete Einwände sowohl gegen die Durchführung als auch gegen die Bewertung der Leistungsnachweise vorgebracht habe. Der Beklagte habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, Stellungnahmen der Prüfenden einzuholen.
24
Der Bescheid vom 5. November 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids sei aber auch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig. Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung sei § 23 Abs. 4 BeamtStG. Der in der Norm gebrauchte Begriff der „Bewährung“ stelle auf die Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ab. Der Feststellung komme hierbei auch der Charakter einer Prognose mit Blick auf die Voraussetzung für die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu. Die getroffene Prognose sei hier ermessensfehlerhaft erfolgt. Das Abstellen auf eine Durchschnittspunktzahl von 2 Punkten bei der Ermessensentscheidung sei nicht sachgerecht. Die vorgenommene Einschätzung des lern- und leistungsbezogenen Verhaltens des Klägers sowie dessen fehlende Fähigkeit, Unterstützungsbedarf zu erkennen, sei keine Tatsache und eigne sich nicht als Grundlage für eine Prognoseentscheidung.
25
Die streitbefangenen Leistungsnachweise des Klägers seien fehlerhaft bewertet worden. Sowohl bei den Kurzarbeiten als auch bei den Klausuraufgaben bleibe vollkommen unklar, ob der jeweilige Schwierigkeitsgrad bei den Bewertungen berücksichtigt worden sei. Zudem bleibe unklar, ob die Prüfer bei ihren Bewertungen auch die relative Bewertung aus dem jeweiligen Prüfungsdurchgang berücksichtigt hätten. Ferner sei nicht ersichtlich, ob die Bewertungen auch unter dem Blickwinkel überprüft worden seien, ob bei der Bewertung ein zu strenger Bewertungsmaßstab angelegt worden sei. Es bestehe ein auf prüfungsspezifische Wertungen bezogener Bewertungsspielraum der Prüfungsbehörden, der die gerichtliche Kontrolle einschränke. Die Gerichte hätten nur zu prüfen, ob Verfahrensfehler begangen oder anzuwendendes Recht verkannt worden sei, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde oder ob allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt seien oder sich der Prüfer von sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen. Eine weitergehende gerichtliche Kontrolle finde dagegen hingegen fachspezifischer Wertungen statt. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung dürfe nicht als falsch bewertet werden. Gemessen an diesen Grundsätzen erwiesen sich die Bewertungen der Prüfungsleistungen stellenweise als nicht nachvollziehbar.
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Kurzarbeit Allgemeines Polizeirecht vom 4. April 2022:
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Die Aufgabe 1 sei mit 0 Punkten bewertet worden. Die mangelnde Punktevergabe sei fehlerhaft. POM Hans sei sachlich zur Aufforderung zum Verlassen der Baustelle zuständig gewesen (Gefahrenabwehr).
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Kurzarbeit Allgemeines Polizeirecht vom 19. Mai 2022:
29
Die Kritik „Gesetzestext fehlt“ sei fehlerhaft. Im 1. Ausbildungsabschnitt dürfe das Gesetzbuch in Prüfungen nicht verwendet werden. Warum der Prüfer den Randvermerk sowie die geringe Bewertung von 3 Punkten vorgenommen habe, bleibe unklar.
30
Klausuraufgabe aus dem Allgemeinen Polizeirecht:
31
Soweit sich Randbemerkungen „Gesetzestext fehlt“ finden lassen, sei zu konstatieren, dass diese vermeintliche Vorgabe des Prüfers gemäß der Korrekturhilfe von den Prüflingen auch nicht erwartet worden sei. Die Bemerkungen des Prüfers erwiesen sich daher als sachfremd. Warum es sodann als Fehler angestrichen werde, dass PHM Matthias für die Identitätsfeststellung gemäß StPO zuständig war (Bl. 90 der Akte) bleibe unklar, zumal sich über der Begrifflichkeit „StPO“ ein Haken finden lasse. Ebenso hätte der Kläger als Synonym „befugt“ verwenden können. Die Bemerkung mit „f“ sei jedenfalls beurteilungsfehlerhaft, zumal im weiteren Verlauf der Bearbeitung die Begrifflichkeit „zuständig“ nicht moniert werde (siehe beispielsweise Bl. 94 der Akte). Es werde der Antwortspielraum des Klägers missachtet. Die Randbemerkung auf Bl. 95 der Akte sei nicht lesbar. Das Votum des PHK Baumgartner vom 24. Juni 2022 sei willkürlich, unsachlich und unfair. So heiße es bereits unzutreffend im Votum, dass lediglich der Sachverhalt wiedergegeben werde. Dies sei fehlerhaft, da der Kläger nicht nur den Sachverhalt wiedergebe, sondern prüfe und entsprechend Ergebnisse präsentiere. Weiter heiße es: Die Arbeit ist unbrauchbar bzw. verdient nicht diese Bezeichnung. Vorliegend seien die Gründe der Besorgnis der Befangenheit begründet und gegeben.
32
Kurzarbeit Beamtenrecht vom 14. April 2022:
33
Die Bewertung mit einem Punkt sei nicht nachvollziehbar. Die Aufgaben 4 und 7 seien jeweils durch den Prüfer als zutreffend abgehakt. Ob es auf die Aufgaben 5 und 6 überhaupt Punkte gegeben habe, lasse sich anhand des Votums nicht erkennen.
34
Klausuraufgabe aus dem Fach Beamtenrecht:
35
Die Bewertung unter dem 4. Juli 2022 sei nicht nachvollziehbar. Es seien durch den Kläger fünf Dienstpflichtverletzungen geprüft worden. Der Prüfer moniere, dass von den geforderten acht Dienstpflichtverletzungen fünf nicht erkannt worden seien. Dabei sei nicht klar, ob die vom Kläger fünf geprüften Dienstpflichtverletzungen entsprechend erkannt und bewertet worden seien. Vorbedingung einer verfahrensfehlerfreien Bewertung sei, dass der Prüfer sämtliche bewertungsrelevanten Leistungen richtig und vollständig zur Kenntnis nehme. Dies sei hier offenkundig nicht der Fall. Zudem sei es vertretbar, wenn der Kläger bestimmte Verhaltensweisen des Beamten mehrfach unter verschiedenen rechtlichen Aspekten prüfe. Es sei den Prüflingen nicht vorgegeben gewesen, das gesamte Fehlverhalten in einer Subsumtion zu begründen. Insoweit werde der Antwortspielraum des Klägers verkannt. Ferner liege ein Bewertungsausfall insoweit vor, dass der Kläger – trotz Zeitknappheit – auch die Aufgabe 2 bearbeitet habe und seine Ausführungen stellenweise mit dem abstrakten Erwartungshorizont übereinstimmten. Dies sei nicht bewertet worden. Daneben sei die Punktevergabe intransparent. Es bleibe unklar, für welche Ausführungen es Punkte gegeben habe und weshalb die Prüfungsleistung des Klägers „so nicht mehr brauchbar“ sei. Gemessen an diesen Grundsätzen erweise sich die Punktevergabe als willkürlich und intransparent. In Aufgabe 1 unter 1.5 beschreibe der Prüfer, dass dies unter 1.3 hätte geprüft werden können. An dieser Stelle lasse sich nicht erkennen, ob es auf die 1.5 überhaupt Punkte gegeben habe. Bei allen anderen Aufgaben sei abgehakt worden, unter 1.5 nicht. Ob dies in einer Aufgabe oder getrennt geprüft werde, spiele keine Rolle. Selbiges gelte für die Bewertung der Kurzarbeit aus dem Beamtenrecht. Es bleibe vollkommen unklar welche Punkte es für den Teil A und den Teil B sowie die jeweiligen Unteraufgaben gegeben habe. Die Vergabe von lediglich einem Punkt sei daher nicht nachvollziehbar und intransparent.
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Erste Kurzarbeit und Klausuraufgabe aus Politischer Bildung/Zeitgeschehen:
37
Bei der Bewertung der Kurzarbeit mit 3 Punkten sei die Punktevergabe nicht nachvollziehbar. Es ließen sich mehrfach Haken und Unterstreichungen finden, dennoch solle die Prüfungsleistung des Klägers „mangelhaft“ sein. Die Bewertung der Klausuraufgabe vom 1. August 2022 stehe diametral zur konkreten Prüfungsleistung des Klägers. So ließen sich etliche Haken, die für zutreffende Ausführungen des Klägers sprächen, finden. Es bleibe daher vollkommen unklar, an welchen konkreten Stellen der Kläger dem abstrakten Erwartungshorizont bei den fünf Prüfungsabschnitten der Klausuraufgabe nicht gerecht geworden sein solle. Die Kritik, dass die Fragestellung nicht klar gewesen sei, sei unsachlich, wenn hierfür angeführt würde, dass statt zwei geforderter Argumente nur ein Argument angeführt worden sei und daher die nötige Sorgfalt gefehlt habe. Ebenso bleibe die konkrete Bewertung des Prüfenden unklar. Trotz vieler Haken, die für zutreffende Ausführungen und Antworten sprächen, solle eine „mangelhafte“ Prüfungsleistung vorliegen.
38
Zettelarbeit Strafrecht:
39
Die Bewertung mit 1 Punkt sei unklar und nicht nachvollziehbar. Es fehle eine konkrete Subsumtionsleistung des Prüfenden.
40
Klausuraufgabe im Strafrecht:
41
Die Bewertung mit 2 Punkten sei nicht nachvollziehbar. Bereits die Bearbeitung der Prüfung wegen der Strafbarkeit wegen Beleidigung durch den Kläger sei entsprechend zu bewerten. Es bleibe jedoch vollkommen unklar, ob und wie die Prüfungsleistung konkret bewertet worden ist. Im Übrigen werde vom Kläger auch erkannt, dass es sich um ein absolutes Antragsdelikt handelt, was dem abstrakten Erwartungshorizont entspräche. Auch hierzu lasse sich keine konkrete Bewertung finden. Vorbedingung einer verfahrensfehlerfreien Bewertung sei, dass der Prüfer sämtliche bewertungsrelevanten Leistungen richtig und vollständig zur Kenntnis nehme. Dies sei hier offenkundig nicht der Fall. Ebenso werde die Strafbarkeit wegen Verleumdung durch den Kläger erkannt und geprüft. Gleiches gelte für die Prüfung der Strafbarkeit wegen versuchter Sachbeschädigung und Körperverletzung. Auch dabei bleibe vollkommen unklar, ob und wie diese im Rahmen der Gesamtbewertung berücksichtigt worden ist. Zu einer ausgewogenen Prüfungsbewertung gehöre vor allem, das Vorhandene und auch das richtig Bearbeitete mit dem Fehlenden und Fehlerhaften ernsthaft abzuwägen, zumal sich gleich an mehreren Stellen Übereinstimmungen mit der Korrekturhilfe finden ließen.
42
Erste Kurzarbeit aus dem Verkehrsrecht:
43
Zur rechtswidrigen Aufgabenstellung in Form von Multiple-Choice Aufgaben sei bereits ausgeführt worden. Aber auch die Punktevergabe mit lediglich 1 Punkt bleibe inkonsistent und mangele an einer hinreichenden Begründung, insbesondere bei den Textaufgaben. Es fehle, ausgehend vom abstrakten Anforderungsprofil, die erforderliche Subsumtionsleistung in Bezug auf die konkrete Prüfungsleistung. Die konkrete Einschätzung der Stärken und Schwächen der Prüfungsleistung obliege dem Prüfer und nicht dem Prüfling oder dem Gericht.
44
Klausuraufgabe aus dem Fach Verkehrsrecht:
45
Die Bewertung sei stellenweise beurteilungsfehlerhaft. Dies gelte insbesondere für die Kritik, dass die Begründungen für den subjektiven Tatbestand „keinerlei“ Grundlage entsprechen würden. Diese fehlerhafte Einschätzung könne bereits durch mehrere exemplarische Aussagen des Klägers widerlegt werden. Der Prüfer verkenne offenbar die konkreten Anforderungen an die Begründungstiefe. Der abstrakte Erwartungshorizont sei zweifelsfrei sehr knapp gehalten, zumeist handle es sich um einen zusammenfassenden Satz im Urteilsstil. Ebenso durfte und musste vom Kläger auch nicht mehr erwartet werden, sodass das Monitum des Prüfers erheblich beurteilungsfehlerhaft und daher zwingend zu überdenken sei. Zudem lasse sich auf Seite 192 sogar ein Haken des Prüfenden finden soweit der Kläger ausführe: „Anton übersah Bert komplett und handelte somit fahrlässig“. Der Haken stehe diametral zur Bewertung. Es bleibe unklar, warum der Prüfer moniere, dass ein „Großteil der zu prüfenden VOWIS“ gar nicht bearbeitet worden sei, obwohl der Kläger mehrere VOWIS prüfe. Der Kläger prüfe insgesamt acht VOWIS, laut dem abstrakten Erwartungshorizont seien elf VOWIS zu prüfen gewesen. Woran mache der Prüfer diese negative Kritik fest und habe der Prüfer insoweit die geprüften VOWIS ins Verhältnis zum abstrakten Erwartungshorizont gesetzt? Es sei zweifelsfrei ersichtlich, dass die Bewertung vollkommen überhöhte Anforderungen an die Prüfungsleistung des Klägers gestellt habe und dabei auch die relative Bewertung unberücksichtigt lasse. Eine „mangelhafte“ Leistung sei jedenfalls nicht ersichtlich.
46
Insgesamt seien die Bewertungen der jeweiligen Leistungsnachweise inkonsistent und beurteilungsfehlerhaft. Vor diesem Hintergrund erweise sich die negative Prognose, dass auch bei nochmaligem Wiederholen der Leistungsnachweise keine hinreichende Verbesserung der Leistungen eintreten werde, als rechts- und ermessensfehlerhaft. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger noch bestehende Leistungsmängel in absehbarer Zeit beheben könne. Es könne angenommen werden, dass der Kläger das Ziel des Vorbereitungsdienstes, den Erwerb der Laufbahnbefähigung, erreichen werde.
47
Für den Beklagten nahm das Präsidium ... mit Schreiben vom 5. Juni 2024 Stellung zur Klagebegründung. Es werde auf die im Verfahren Au 2 S 23.1477 getätigten Ausführungen sowie die gerichtlichen Entscheidungen verwiesen.
48
Am 24. Oktober 2024 fand mündliche Verhandlung statt. Der Klägerbevollmächtigte nahm daran im Wege der Videoverhandlung teil. Er beantragte zuletzt,
49
I. den Bescheid vom 15. November 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2023 aufzuheben,
50
II. die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen,
51
III. die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
52
Die Vertreterin des Beklagten beantragte,
53
die Klage abzuweisen.
54
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, auch zum Eilverfahren Au 2 S 23.1477, die vorgelegten Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

55
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 15. November 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO); die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist zu Recht erfolgt.
56
1. Die Entlassungsverfügung ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Der Kläger ist gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor deren Erlass angehört worden. Trotz entsprechendem Hinweis im Anhörungsschreiben vom 14. Oktober 2022 hat der Kläger eine Beteiligung der zuständigen Personalvertretung am Entlassungsverfahren nicht beantragt (Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 3 BayPVG). Der streitgegenständliche Bescheid wurde der damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 15. November 2022 per Fernkopie zugestellt (Art. 56 Abs. 3 BayBG i.V.m. Art. 5 Abs. 4 BayVwZVG. Die Zustellung wurde mit Empfangsbestätigung vom 15. November 2022 bestätigt (Art. 5 Abs. 7 BayVwZVG). Damit wurde die gemäß Art. 56 Abs. 5 BayBG bei einer mehr als drei Monaten dauernden Beschäftigung zu beachtende Schutzfrist von sechs Wochen zum Schluss eines Kalendervierteljahres eingehalten; der Kläger wurde mit Ablauf des 31. Dezember 2022 entlassen.
57
2. Die Entlassung ist auch materiell rechtmäßig.
58
a) Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Entlassung ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2023. Umstände, die erst danach eintreten, sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Entlassungsverfügung grundsätzlich unbeachtlich, es sei denn, sie lassen einen Rückschluss auf den im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung vorliegenden Sachverhalt zu (BayVGH, B.v. 15.1.2014 – 3 ZB 13.1074 – juris Rn. 13).
59
b) Rechtsgrundlage für die Entlassung ist § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG. Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ besitzt nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Zur Rechtfertigung der Entlassung genügt jeder sachliche, d.h. nicht willkürliche Grund. Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf eingeräumte weite Entlassungsermessen ist dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen (§ 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG). Die Sollvorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern Bd. I, Stand: Juni 2024, BeamtStG § 23 Rn. 193 ff.).
60
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der angestrebten Laufbahn nicht gerecht wird. Bestehen ernstliche Zweifel daran, dass das Ziel des Vorbereitungsdienstes – der Erwerb der angestrebten Laufbahnbefähigung – erreicht wird, kann der Widerrufsbeamte entlassen werden. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 BeamtStG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemein gültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (BayVGH, B.v. 30.3.2022 – 3 CS 22.281 – juris Rn. 7 f. m.w.N.).
61
aa) Anknüpfungspunkt für die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist die Einschätzung des Dienstherrn, dass die Eignung, Befähigung und Leistung des Beamten nicht erwarten lassen, dass er das Ziel der Ausbildung künftig erreichen wird. Die Rechtmäßigkeit der einzelnen Leistungsnachweise ist nicht Voraussetzung für die auf der Grundlage des § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG bestimmte Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf im Vorbereitungsdienst weder nach dem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Zweck des Beamtenverhältnisses auf Widerruf im Vorbereitungsdienst besteht in erster Linie darin, dass der Beamte auf Widerruf für den Beruf, zu dem ihm die Prüfung den Zugang eröffnet, ausgebildet wird und dass deshalb der Vorbereitungsdienst effektiv geleistet wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2024 – 3 CS 23.1948 – juris Rn. 6). Die vom Kläger vertretene Ansicht, bei allen zur erfolgreichen Beendigung des ersten Ausbildungsabschnitts erforderlichen Leistungsnachweisen handele es sich um berufsbezogene Prüfungen (S. 11 der Klagebegründung) trifft daher nicht zu. Der Beklagte hat die fehlende fachliche Eignung auch nicht auf das Ergebnis einzelner schriftlicher Prüfungen, sondern auf die Bewertungen ganzer Leistungsbereiche gestützt, in die praktische und mündliche Leistungsnachweise miteinfließen (Nrn. 6.1 und 6.2 sowie Nr. 7.3 des Ausbildungsplans).
62
Dem steht § 27 Abs. 2 FachV-Pol/VS nicht entgegen. Danach wird zur Qualifikationsprüfung (nur) zugelassen, wer am Vorbereitungsdienst ordnungsgemäß teilgenommen und alle Ausbildungsziele erreicht hat (so auch Nr. 10 des Ausbildungsplans).
63
Allerdings führt nicht bereits das Nichtbestehen des ersten Ausbildungsabschnitts bzw. einzelner Leistungsnachweise zur Beendigung der Ausbildung, sondern erst die Versagung der Ausbildungswiederholung. Berufsbezogene Prüfungen werden aber dadurch gekennzeichnet, dass ihr Bestehen Voraussetzung für die Aufnahme einer Berufstätigkeit oder doch für Fortsetzung einer beruflichen Ausbildung ist, deren erfolgreicher Abschluss die Ausübung des Ausbildungsberufs erst ermöglicht oder doch erleichtert (vgl. BayVGH, B.v. 26.1.2024, a.a.O., Rn 9; BVerwG, B.v. 20.11.2015 – 6 B 32.15 – juris Rn. 7). Der Vorbereitungsdienst endet hier mit der Qualifikationsprüfung. Bereits diese Regelung spricht dagegen, das Erreichen von Ausbildungszielen während des Vorbereitungsdienstes selbst als prüfungsgleich zu betrachten. Insoweit ist auch der Unterschied von § 23 Abs. 4 BeamtStG im Vergleich zu § 22 Abs. 4 BeamtStG zu beachten. Danach endet das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit dem endgültigen Nichtbestehen der für die Laufbahn vorgeschriebenen Prüfung. Vorliegend endet das Beamtenverhältnis auf Widerruf gemäß § 23 Abs. 4 BeamtStG aber durch Entlassung und nicht bereits mit dem Nichterreichen eines vorgeschriebenen Ausbildungszieles, sondern erst dann, wenn eine Ausbildungswiederholung nicht gewährt wird und begründete Zweifel an der Eignung, Befähigung oder fachlichen Leistung des Beamten bestehen (Nr. 9.3 des Ausbildungsplans). Damit ist die vom Kläger angeführte Entscheidung des VG Berlin vom 20. Dezember 2022 hier nicht einschlägig. Sie hatte Verwaltungsakte zum Gegenstand, die ein Nichtbestehen der erforderlichen Prüfung mitgeteilt hatten (VG Berlin, U.v. 20.12.2022 – VG 5 K 126/20 – juris Rn. 40). Insoweit hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch darauf hingewiesen, dass die erheblichen Unterschiede beachtet werden müssten, die zwischen einer zeitlich begrenzten punktuellen Prüfung, nämlich der Qualifikationsprüfung und dem Ergebnis des jeweiligen Leistungsbereichs während eines Ausbildungsabschnitts im Vorbereitungsdienst (§ 22 Abs. 2 Satz 1 u. 3 FachV-Pol/VS) bestehen. Danach ist der Vorbereitungsdienst eine praxisorientierte Ausbildung, die den Beamten die zur Erfüllung der Aufgaben der Ämter ab der 2. Qualifikationsebene des Polizeivollzugsdienstes erforderlichen Schlüsselqualifikationen vermitteln soll. Durch die Vermittlung fachlicher Kenntnisse, praktischer Fertigkeiten sowie der Förderung und Steigerung persönlicher und sozialer Kompetenzen werden die Beamten für ihre Tätigkeit im Streifendienst und im geschlossenen Einsatz qualifiziert (§ 21 FachV-Pol/VS). Dabei gehe es nicht um verfassungsrechtlich gebotene formale Anforderungen an ein Prüfungsverfahren, sondern um die Eignung des Klägers als Polizeivollzugsbeamter. Der dem Dienstherrn beim Antrag auf Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts regelmäßig gegebene Beurteilungsspielraum sei bei der Wiederholung berufsbezogener Prüfungen gerade nicht gegeben (BayVGH, a.a.O., Rn. 10).
64
bb) Wenn aber das Erreichen von Ausbildungszielen nicht als prüfungsgleich zu betrachten ist, dann sind die Bewertungen der einzelnen Leistungsnachweise (Klausuren/praktisch-mündliche Leistungsnachweise wie Zettelarbeit bzw. Stehgreifaufgaben) auch nicht am Gesetzesvorbehalt von Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen. Damit ist eine normative Festlegung der Anzahl der Prüfer und deren fachlicher Qualifikation nicht erforderlich. Art. 21 des Bayerischen Gesetzes zur Gleichstellung von Frauen und Männern (Bayerisches Gleichstellungsgesetz – BayGlG) ist ohnehin nicht einschlägig. Vorliegend geht es nicht um ein Besetzungsverfahren für Gremien, sondern um die Bewertung von Leistungsnachweisen. Da es sich bei den Leistungsnachweisen nicht um berufsbezogene Prüfungen im Sinne von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 handelt, kommt es auch nicht auf die behauptete fehlende fachliche Qualifikation der Prüfer gemäß § 8 Abs. 2 APO an und sind die vorhandenen Richtlinien für das Klausur- und Prüfungswesen ausreichend, um die Anforderungen an die Leistungsnachweise zu regeln. Nach § 1 Abs. 3 RiLiKP hat das Lehr- und Ausbildungspersonal, das für Leistungsfeststellungen verantwortlich ist, einen Nachweis über Eignung und Befähigung zu erbringen. Nr. 4 des Ausbildungsplans enthält Anforderungen an deren fachliche Eignung. Die Multiple-Choice-Aufgaben im Rahmen der Kurzarbeit aus dem Verkehrsrecht am 25. März 2022 waren nicht rechtswidrig. Die vom Klägerbevollmächtigten zitierte Rechtsprechung zur Erforderlichkeit einer normativen Grundlage für diese Prüfungsart bezieht sich wiederum auf – hier nicht vorliegende – berufsbezogene Prüfungen.
65
Der Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil kein Überdenkensverfahren durchgeführt wurde, d.h. Stellungnahmen der Korrektoren der verschiedenen Leistungsnachweise im Widerspruchsverfahren nicht eingeholt wurden. Dies ist bereits deswegen nicht erforderlich, weil es sich, wie bereits mehrfach ausgeführt, nicht um eine berufsbezogene Prüfung handelt (vgl. Riese in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, § 114 VwGO Rn. 118).
66
cc) Eine das Sachlichkeitsgebot verletzende Befangenheit des Korrektors PHK Baumgartner vom 24. Juni 2022 betreffend die Klausuraufgabe aus dem Allgemeinen Polizeirecht vom 14. Juni 2022 liegt nicht vor. Zwar ist es erforderlich, dass Prüfungsleistungen mit innerer Distanz und frei von Emotionen zur Kenntnis genommen werden, dies schließt allerdings nicht aus, auf schlechte schriftliche Leistungen mit deutlichen Bemerkungen zu reagieren, sofern diese sachlich bleiben (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35.92 – juris Rn. 19). Insoweit ist die Bemerkung des Korrektors „Die Arbeit ist unbrauchbar bzw. verdient nicht diese Bezeichnung“ (noch) im Rahmen des Vertretbaren, da sie eine nach dem Urteil des Prüfers schlechte Leistung als solche kennzeichnen soll. Aus der Bewertung ist nicht ersichtlich, dass PHK ... die erforderliche emotionale Distanz gegenüber der Person des Klägers verloren hätte. Mit den vom Klägerbevollmächtigten zitierten Randbemerkungen wie „vollkommen absurd“, „abseitig“ und „sinnentleerte Ausführungen“ ist die streitgegenständliche Anmerkung nicht vergleichbar. Soweit argumentiert wird, die Besorgnis der Befangenheit manifestiere sich auch aus der Stellungnahme von PHK ... wegen einer zum Unterricht am 2. August 2022 seitens des Klägers nicht mitgebrachten Gesetzessammlung, ist dies für die Korrekturbewertung irrelevant. Diese Stellungnahme wurde erst unter dem 3. August 2022 verfasst.
67
dd) Unabhängig davon liegen die vom Kläger erzielten Leistungen jeweils so erheblich unter der erforderlichen Punktzahl, dass nicht davon auszugehen ist, dass dieser bei einer nochmaligen Befassung der Korrektoren insgesamt die Bestehensgrenze erreicht hätte. Erforderlich wären insgesamt weitere 15 Punkte, um im Gesamtergebnis die mindestens erforderlichen 5 Punkte (vgl. Nr. 8 Ausbildungsplan) zu erreichen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass das Ergebnis von 1 Punkt im Bereich „Allgemeines Polizeirecht“ sich um 1 Punkt verbessern würde, sodass der Kläger in diesem Leistungsbereich nicht mehr weniger als 2 Punkte hätte, wäre weitere Voraussetzung, dass er in den verbleibenden vier weiteren Leistungsbereichen „Strafrecht“, „Verkehrsrecht“, „Beamtenrecht“ sowie „Politische Bildung/ Zeitgeschehen“ auch jeweils im Ergebnis 5 Punkte erzielt hätte und damit in drei Leistungsbereichen jeweils drei zusätzliche Punkte und in einem Leistungsbereich (Verkehrsrecht) zwei weitere Punkte.
68
c) Der Beklagte hat sein Ermessen gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 FachV-Pol/VS, wonach die Einstellungsbehörde eine Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts genehmigen kann, wenn geforderte Leistungsnachweise nicht erbracht werden, zutreffend ausgeübt. Dieses Ermessen wird mit der Vorgabe in Nr. 9.1 Abs. 1 der „Allgemeinen Regelungen des Ausbildungsplans“ sachgerecht ausgefüllt (vgl. BayVGH, B.v. 2.7.2012 – 3 CE 12.1032 – juris Rn. 19). Danach wird die Wiederholung eines Ausbildungsabschnitts genehmigt, wenn Eignung, Befähigung und Leistung des Beamten erwarten lassen, dass er das Ziel der Ausbildung künftig erreichen wird. Die Fortsetzung der Ausbildung ist dann sinnvoll, wenn eine günstige Prognose dahingehend gestellt werden kann, dass mit Hilfe der Wiederholung die Ausbildung letztlich erfolgreich abgeschlossen werden wird (BayVGH a.a.O.).
69
Zentraler Gesichtspunkt im Rahmen der Entscheidung ist damit die Einschätzung, ob der Beamte das Ausbildungsziel im Falle einer unterstellten Wiederholung des Ausbildungsabschnitts künftig erreichen wird. In diese von der Einstellungsbehörde anzustellende bewertende Prognose, die letztlich auch ein Bewährungsurteil darstellt, sind Art und Gewicht der unzulänglichen Leistungen, der Verlauf der bisherigen Ausbildung sowie persönlichkeitsbezogene Gründe des Versagens auch im Hinblick auf die angestrebte Laufbahn im Polizeivollzugsdienst einzustellen (vgl. VG München, U.v. 21.6.2022 – M 5 K 21.4711 – juris Rn. 36). Dabei genügen für eine solche Prognoseentscheidung begründete Zweifel; diese müssen jedoch auf tatsächlichen Erkenntnissen beruhen und dürfen sich nicht im Bereich bloßer Mutmaßungen bewegen (vgl. BayVGH, B.v. 2.7.2012 – 3 CE 12. 1032 – juris Rn. 23).
70
Die vom Beklagten seiner negativen Prognose zugrunde gelegten Erkenntnisse sind sachgerecht und rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat dies neben einer mangelnden fachlichen Eignung auch mit der fehlenden persönlichen Eignung begründet. Er hat dazu ausführlich im streitgegenständlichen Bescheid (ab Seite 4 unten) auf das Lernverhalten und die persönlichen Kompetenzen des Klägers Bezug genommen und insbesondere auch die mangelhafte Einstellung zum Lernen hervorgehoben. Soweit ausgeführt wird, dass der Kläger nicht in der Lage war, in der vorgegebenen Zeit Texte zu erfassen und die Aufgabenstellung zu bearbeiten, geht dies zurück auf die Stellungnahme des zuständigen Klassenlehrers (PHK ... ) vom 1. August 2022. Aus dieser Stellungnahme (Bl. 27 bis 29 Verwaltungsakte) ergibt sich, dass der Kläger Angebote des Klassenleiters, bearbeitete Übungsfälle bei den Fachlehrern abgeben zu können und ein zusätzliches Feedback zum Leistungsstand zu erhalten, ungenutzt gelassen hat. Der Klassenlehrer verweist auch darauf, dass bereits ab Mai 2022 intensive Gespräche mit dem Kläger dahingehend geführt worden seien, dass bei einem Nichtbestehen eine Wiederholung des ersten Ausbildungsabschnittes auch abgelehnt werden könne. Insgesamt kam der Klassenleiter zu dem Ergebnis, dass aus dessen Sicht keine Aussicht besteht, dass der Kläger im Fall einer Ausbildungswiederholung die gravierenden fachlichen Defizite werde ausgleichen können. Aus der Behördenakte ergibt sich im Übrigen, dass bereits ab März 2022 Belehrungen zum Leistungsstand in verschiedenen Fächern stattgefunden haben. Diese Belehrungen betreffen auch die Waffen- und Schießausbildung (WSA) und mangelhafte Leistungen im Bereich Schwimmen, was das Erreichen des Ausbildungsziels im Fach Sport stark gefährde. Beide Bereiche gehören zu den Leistungsnachweisen besonderer Fähigkeiten (Nr. 6.3 Ausbildungsplan). Der Kläger hat unter anderem jeweils erklärt, dass er durch intensiviertes Lernen, z.B. auch mit Kollegen, seine Leistungen verbessern wolle. Dies ist offensichtlich nicht gelungen. Letztmals im Juli 2022 erfolgten solche Belehrungen zum Leistungsstand. Zu Recht hat der Beklagte bei seiner Prognoseentscheidung auch abgestellt auf das Persönlichkeitsbild bzw. verhaltensbezogene Aspekte. Der vom Bevollmächtigten des Klägers in Bezug genommene Beschluss des Verwaltungsgerichts ... vom 17. März 2023 (... ) steht dem nicht entgegen. Dieser betraf Art. 27 Abs. 5 Leistungslaufbahngesetz (LlbG). Danach kann auf Antrag die für die Ernennung zuständige Behörde bei erstmaligem Nichtbestehen der Qualifikationsprüfung den Beamten zu einem ergänzenden Vorbereitungsdienst zulassen, wenn die bisherigen Leistungen erwarten lassen, dass der Beamte die Wiederholungsprüfung bestehen werde. Maßgeblich für die Ablehnung der Wiederholung des Ausbildungsabschnitts ist hier eben nicht allein die „bisherige Leistung“, sondern auch die Eignung und Befähigung im Sinne von § 9 BeamtStG. Damit hat der Beklagten zu Recht auch auf die einzelnen Merkmale des Persönlichkeitsbilds (Bl. 9 Verwaltungsakte) abgestellt, insbesondere die Leistungsbereitschaft, Selbständigkeit und Eigeninitiative sowie Arbeitsorganisation, die jeweils nur mit 2 Punkten bewertet wurden. Das Persönlichkeitsbild enthält eine detaillierte Bewertung von 14 Persönlichkeitsmerkmalen, die bis auf drei Ausnahmen (Selbstbewusstsein/Selbstvertrauen, Einfühlungsvermögen und Teamfähigkeit/Kollegialität) alle im Bereich „Ungenügend“ oder „Mangelhaft“ angesiedelt sind (vgl. BayVGH, B.v. 2.7.2020 – 3 CE 12.1032 – juris Rn. 20).
71
d) Nach 9.3. des Ausbildungsplans bestehen bei Beamten, die ein vorgeschriebenes Ausbildungsziel nicht erreicht haben und denen eine Ausbildungswiederholung versagt wird, regelmäßig Zweifel an der Eignung, Befähigung oder fachlichen Leistung. Bei begründeten Zweifeln wird ein Beamter in Ausbildung nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften entlassen. Solche begründeten Zweifel liegen hier gemäß den obigen Ausführungen vor. Damit hat der Beklagte auch zu Recht dem Kläger nicht die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben (§ 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG). Die Entscheidung, den Kläger zu entlassen, ist hier ausnahmsweise aus einem Grund zulässig, der mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes in Einklang steht, nämlich dem prognostisch begründeten Fehlen der Erwartung, der Kläger werde die Befähigung für die angestrebte Laufbahn erreichen (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2022 - 3 CS 22.281 – juris 11; Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern I, Stand: Juni 2024, § 23 BeamtStG Rn. 192). Dabei genügt es für die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung, dass zumindest ein Teil der Gründe, auf die sie gestützt ist, in tatsächlicher Hinsicht zutreffend ermittelt wurde, da diese hier in einer Gesamtbetrachtung gleichsam als „Mosaiksteine“ geeignet sind, die Ermessensentscheidung zu tragen. Daher führt es auch nicht zur Rechtswidrigkeit der Ermessensentscheidung des Beklagten, dass die Rechtmäßigkeit der Leistungsnachweise zwischen den Beteiligten streitig ist (so BayVGH, B.v. 26. Januar 2024 a.a.O. Rn. 7). Zwar trifft es zu, dass es im Grundsatz keine Entscheidung über die Eignung gibt, ohne dass festgestellt wird, ob der Anwärter den fachlichen Anforderungen des ersten Ausbildungsabschnitts entspricht. Die Entlassung erfolgt aber nur bei begründeten Zweifeln an der Eignung, Befähigung oder fachlichen Leistung und unter der Voraussetzung, dass eine Ausbildungswiederholung versagt wurde. Diese Wiederholung wird nur dann genehmigt, wenn Eignung und Befähigung und Leistung erwarten lassen, dass das Ziel der Ausbildung künftig erreicht wird. Dabei handelt es sich gerade um die dem Grundrecht des Art. 33 Abs. 2 GG sowie § 9 BeamtStG entsprechenden Kriterien, sodass entgegen der klägerischen Auffassung nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Regelung in Bezug auf die Ausbildungswiederholung zu unbestimmt ist und dem Dienstherrn eine zu weite Entscheidungsprärogative überlassen würde. Der Beklagte durfte auch das aus seiner Sicht mangelhafte Lernverhalten des Klägers berücksichtigten, zumal diesbezügliche Mängel mit dem Kläger wiederholt erörtert wurden (s.o.).
72
Damit ist die Entlassung ermessensgerecht erfolgt und hat der Beklagte das Vorliegen eines Regelfalles im Sinne von § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG verneint und dem Kläger die Weiterführung des Vorbereitungsdienstes verwehrt. Die in dem Erfordernis eines sachlichen Grundes begründete Ermessensschranke des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG (Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Juni 2024, § 23 BeamtStG Rn. 195) ist gewahrt.
73
Die Entlassung ist hier ausnahmsweise aus einem Grund zulässig, der mit Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang steht, nämlich dem prognostisch begründeten Fehlen der Erwartung, der Kläger werde die Befähigung für die angestrebte Laufbahn erreichen. Der Umstand, dass hier die auf eine Vielzahl von Gesichtspunkten gestützte negative Eignungsprognose zur Entlassung des Klägers geführt hat, stellt den Unterschied zu den Prüfungen in den vom Kläger zitierten Entscheidungen (z.B. VG Berlin, U.v. 20.12.2022 – 5 K 126/20 – juris Rn. 52) dar (BayVGH, B.v. 26.1.2024, a.a.O. Rn. 11). Auch im Übrigen sind die Ermessenserwägungen nicht zu beanstanden.
74
Die Klage war daher abzuweisen.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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3. Die Berufung war zuzulassen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die Erforderlichkeit normativer Regelungen für die Bewertung einzelner schriftlicher Leistungsnachweise im ersten Ausbildungsabschnitt für die Ausbildung zur Erfüllung der Aufgaben der Ämter ab der 2. Qualifikationsebene des Polizeivollzugsdienstes war bislang nicht Gegenstand der Rechtsprechung in einem Hauptsacheverfahren und ist potentiell für eine Vielzahl vergleichbarer Fälle entscheidend.