Titel:
Hinweisbeschluss, Aussetzung des Verfahrens, Selbstbestimmungsrecht, Klagepartei, Nichtzulassungsbeschwerde, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Gegenerklärung, Prozeßbevollmächtigter, Schlussanträge des Generalanwaltes, Kosten des Berufungsverfahrens, Zurückweisung der Berufung, Abgasskandal, Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, Vorabentscheidungsersuchen, Prozeßförderungspflicht, Erstinstanzlicher Vortrag, Aussetzungsantrag, Abschalteinrichtung, Kostenentscheidung, Klagevortrag
Schlagworte:
Abgas-Skandal, Berufungszurückweisung, Hinweisbeschluss, Prüfstanderkennungssoftware, verspäteter Vortrag, deliktische Haftung
Vorinstanz:
LG Passau, Endurteil vom 24.09.2021 – 4 O 29/21
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49577
Tenor
1. Der Antrag der Klagepartei, das Verfahren bis zur Erledigung des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH, Rechtssache C-100/21, in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO auszusetzen, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 24.09.2021, Az. 4 O 29/21, wird zurückgewiesen.
3. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 2 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 50.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem sog. Abgas-Skandal geltend. Das Landgericht hat die Klage umfassend abgewiesen. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
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Weiter wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit vollumfänglich auf Ziffer I. des Hinweisbeschlusses des Senats vom 17.11.2022 verwiesen.
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Die Klagepartei hat in der Hauptsache beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 78.232,58 € nebst Zinsen zu zahlen.
4
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klagepartei ihre erstinstanzlichen Anträge mit der Maßgabe weiter, dass sie im Hauptantrag nur noch Zahlung von 45.821,27 € geltend macht.
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Die Beklagte hat Zurückweisung der Berufung beantragt.
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Mit Hinweisbeschluss vom 17.11.2022 wurde die Klagepartei darauf hingewiesen, dass und weshalb der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Es wurde ihr eine Frist zur Stellungnahme bis 13.12.2022 eingeräumt. Mit Schriftsatz vom 09.12.2022 haben die Klägervertreter Stellung genommen und die Aussetzung des Verfahrens beantragt.
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Bezüglich der näheren Einzelheiten wird nochmals auf den Inhalt des angegriffenen Urteils, die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 17.11.2022 sowie auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren verwiesen.
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Der Aussetzungsantrag ist zurückzuweisen.
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Der Bundesgerichtshof geht – wie im Hinweisbeschluss des Senats ausgeführt – in ständiger Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 Rn. 72 ff., BGHZ 225, 316; Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20 Rn. 10 ff., ZIP 2020, 1715; vgl. auch Beschluss vom 10. Februar 2022 – III ZR 87/21 Rn. 8 ff, juris) davon aus, dass die Rechtslage im Hinblick auf § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV von vornherein eindeutig („acte clair“, vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs 283/81, NJW 1983, 1257, 1258; BVerfG, NVwZ 2015, 52 Rn. 35) ist. Zuletzt hat er dies im Beschluss vom 4. Mai 2022 – VII ZR 656/21 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das den Gegenstand der Schlussanträge des Generalanwalts Rantos vom 02.06.2022 bildende Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg ausgesprochen. Selbst wenn die Verordnung (EG) 715/2007 dem Schutz der Käufer eines Fahrzeugs vor Verstößen des Herstellers gegen seine Verpflichtung, neue Fahrzeuge in Übereinstimmung mit ihrem genehmigten Typ bzw. den für ihren Typ geltenden Rechtsvorschriften in den Verkehr zu bringen, diente, besage dies nichts für die Frage, ob damit auch der Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts und damit der Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrages erfasst sein solle. Es seien keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den genannten Vorschriften (auch) einen Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit und speziell des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts der einzelnen Käufer bezweckt habe und an die (auch fahrlässige) Erteilung einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung einen gegen den Hersteller gerichteten Anspruch auf (Rück-)Abwicklung eines mit einem Dritten geschlossenen Kaufvertrags hätte knüpfen wollen (BGH, Beschluss vom 4. Mai 2022 – VII ZR 656/21 –, Rn. 3, juris).
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Die Schlussanträge des Generalanwalts Rantos vom 02.06.2022 in der Rechtssache C-100/21 (Celex-Nr. 62021CC0100) geben keine Veranlassung, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzuweichen oder nunmehr eine Vorlage an den EuGH gem. § 267 AEUV bzw. eine Aussetzung entsprechend § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des EuGH in dieser Sache in Erwägung zu ziehen.
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Nach Auffassung des Senats stünde es – wie im Hinweisbeschluss dargelegt – den Mitgliedstaaten weiterhin frei, einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen einer Verletzung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts zu verneinen, selbst wenn der Europäische Gerichtshof den Anträgen des Generalanwalts folgen sollte. Zudem bieten die Anträge auch in der Sache – wie ebenfalls bereits erläutert – keine ausreichenden Anhaltspunkte, um nunmehr von einer durch den EuGH klärungsbedürftigen Frage auszugehen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 29.09.2022 verwiesen.
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Die Pressemitteilung des BGH des VIa. Senats Nr. 104/2022 vom 01.07.2022 rechtfertigt, anders als die Berufung meint, keine andere Sichtweise. Auch insoweit wird auf die Darlegungen im Hinweisbeschluss Bezug genommen und darauf, dass eben der VIa. Senat auch nach den Schlussanträgen des Generalanwalts Rantos an seiner Rechtsprechung festhält.
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So führt der BGH in einem Urteil vom 13. Juni 2022 – VIa ZR 680/21 – folgendes aus:
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Entgegen der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geäußerten Rechtsauffassung ist allerdings nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht dem Zahlungsantrag des Klägers nicht auf der Grundlage des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 entsprochen hat. Auf diese Vorschriften kann der Kläger sein Begehren nicht stützen. Der Kläger macht als verletztes Schutzgut sein wirtschaftliches Selbstbestimmungsrecht und damit den Schutz des Käufers vor dem Abschluss eines ungewollten Vertrags geltend. Diese Interessen werden vom Schutzzweck der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht erfasst (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 72 ff.; Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 10 ff.; Beschluss vom 4. Mai 2022 – VII ZR 656/21, juris Rn. 1 ff.).
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Die Berufung der Klagepartei ist danach im Beschlussweg gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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Insoweit wird ebenfalls vollumfänglich auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss des Senats vom 17.11.2022 verwiesen. Die Gegenerklärung rechtfertigt keine andere Beurteilung.
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1. Insoweit sind folgende Vorbemerkungen veranlasst:
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a) Die Gegenerklärung enthält in großem Umfang neuen Vortrag.
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aa) Die Klagepartei macht im Wesentlichen allgemeine Ausführungen dazu, dass eine Abschalteinrichtung, die den überwiegenden Teil des Jahres unter normalen Betriebsbedingungen zur Anwendung komme, mit der eng auszulegenden Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 2 a. VO (EG) Nr. 715/2007 nicht zu rechtfertigen gewesen sei und daher zu keinem Zeitpunkt eine zulässige Auslegung der VO (EG) Nr. 715/2007 seitens der Beklagten dargestellt habe. Zum Vorhandensein einer offensichtlich unzulässigen Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug wird lediglich pauschal auf angeblich unbestritten gebliebenen erstinstanzlichen Klagevortrag (S. 24 der Klageschrift) verwiesen, wonach im Auftrag der Deutschen Umwelthilfe im Jahr 2017 durchgeführte Messungen des Emissionskontrollinstituts (EKI) im realen Fahrbetrieb bei einem dem streitgegenständlichen Fahrzeug entsprechenden Fahrzeug eine im Schnitt fast 18-fache Überschreitung des NOx-Grenzwerts der Emissionsstufe EU 6 von 80mg/km ergeben hätten. Unter Verweis auf die Rspr. des BGH (Urteil vom 18.06.1997 – VII ZR 52/96; Beschluss vom 08.05.2007 – VIII ZR 19/05) zur Wesentlichkeit einer 10%igen Abweichung des realen Kraftstoffverbrauchs gegenüber dem auf dem Prüfstand nachgewiesenen wird ausgeführt, dass die Beklagte angesichts einer im vorliegenden Fall fast 1.800%igen Überschreitung der geltenden Grenzwerte im Realbetrieb nicht zu der haltbaren Erkenntnis gelangt sein könne, dass die Einhaltung der Grenzwerte auf dem Prüfstand ausreiche.
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Unabhängig davon, dass die Klagepartei erstinstanzlichen Vortrag zu im Juni 2017 im Auftrag der DUH durchgeführten Messungen in der Berufungsbegründung bereits nicht als vom Erstgericht übergangen gerügt hat, stellt der Verweis auf einen als Anl. K 8 vorgelegten, umfangreichen Bericht „NOx- und CO₂-Messungen an einem Dieselö-PKW Audi A 8 L 4 4.2 TDI EU6 keinen prozessual zulässigen Klagevortrag dar, worauf der Senat bereits hingewiesen hat. Vorgelegte Anlagen dienen im Übrigen lediglich zur Erläuterung des schriftsätzlichen Vortrags, können diesen aber nie ersetzen (BGH, NJW 2008, 69, Rz. 25 mwN.). Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, um so die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren (z.B. BGH, NJW-RR 2004, 639 [640]; BGH, Urteil vom 17. März 2016, III ZR 200/15 Rn. 19 mwN.). Zumindest im Anwaltsprozess obliegt es daher dem Prozessbevollmächtigten, den Vortrag der Partei selbst zu ordnen, Anlagen auszuwerten und die Tatsachen nach Rechtsgesichtspunkten hervorzuheben und vorzutragen. Pauschale Verweisungen auf Anlagen sind unzulässig (z.B. Musielak/Voit. ZPO, 14. Auflage 2017, § 130 Rnr. 10 mwN.) und genügen ohne inhaltliche Auswertung der Anlage der Darlegungslast nicht (BGH NJW 2017, 2617 Rz. 33).
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Darlegung und Nachweis von Anhaltspunkten für das Vorliegen einer Prüfstanderkennungssoftware oder sonst unzulässigen Abschalteinrichtung müssen nach st. Rspr. des Senats zudem grundsätzlich konkret motorbezogen sein; ein entsprechender Generalverdacht gegen eine ganze Motorenklasse – hier gegen alle 3-Liter-Motoren der Beklagten – besteht danach grundsätzlich nicht (Beschluss v, 29.08.2019, Az. 8 U 1449/19, WM 2019, 1937, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH mit Beschluss v. 15.09.2020, Gz. VI ZR 389/19, ohne weitere Begründung zurückgewiesen), sodass der Vortrag der Klagepartei, dass die Messungen bei einem „dem streitgegenständlichen Fahrzeug entsprechenden Fahrzeug“ eine 18-fache Überschreitung des NOx-Grenzwerts ergeben habe, einen so nicht zulässigen Generalverdacht darstellt.
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Schließlich verkennt die Klagepartei wohl nach wie vor grundlegend, dass die Euro-5- und Euro-6-Grenzwerte nach der früheren gesetzlichen Regelung ausschließlich auf den NEFZ-Rollenprüfstandtest bezogen waren. Ob der jeweilige Fahrzeugtyp sie einhielt, wurde nach den EU-Vorschriften ausschließlich unter NEFZ-Prüfbedingungen getestet. Dies erlaubte es den Pkw-Herstellern, ihre Emissionsstrategien auf das enge Prüfkorsett des NEFZ zuzuschneiden und entsprechend zu optimieren. Emissionen, die unter wechselnden Bedingungen im Realbetrieb der Fahrzeuge entstehen, waren nicht Prüfgegenstand im Typgenehmigungsverfahren (vgl. z.B. Weidemann, NVwZ 2020,9 (13f.), beck-online).
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Eine Software, die den NEFZ-Prüfbedingungen entspricht, war daher nach damaliger Rechtslage wohl rechtmäßig. Selbst wenn man dies nachträglich anders sehen wollte, wäre eine diesbezügliche vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte zur Zeit des Inverkehrbringens des streitgegenständlichen Fahrzeugs im Jahr 2013 (Erstzulassung 12.11.2013, K10) nicht ersichtlich. Denn dass die relevanten Umstände bereits damals eventuell erkennbar waren und die Beklagte sie vielleicht kennen hätte können oder müssen, würde für die Feststellung von Vorsatz nicht ausreichen, sondern nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit rechtfertigen (BGH, Urt. v. 06.11.2015 – VI ZR 78/14, Rz.25).
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bb) Ferner wird erstmals auf Protokolle über Treffen der Firmen Bosch, VW, DaimlerChrysler, BMW und der Beklagten, insbesondere ein Protokoll vom 20.09.2006 Bezug genommen (Anl. K 14), aus welchem hervorgehe, dass Bosch-Kunden eine Funktion gewünscht hätten, die in bestimmten Betriebsbereichen geringere Umsätze der Harnstoffdosierung erreiche; ferner werde darin explizit eine temperaturabhängige Umschaltung vom Prüfmodus in den realen Straßenmodus genannt, die der EuGH zuletzt in seiner Entscheidung als illegal bewertet habe.
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Unabhängig davon, dass der Vortrag in der Gegenerklärung nunmehr verspätet ist (s.u.), sind dem Protokoll schon keine konkreten Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass es sich bei den dort diskutierten Funktionen um evident unzulässige Abschalteinrichtungen handelt. Denn eine Funktion, die im Grundsatz auf dem Prüfstand in gleicher Weise wie im Fahrbetrieb auf der Straße arbeitet, wie zB eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems, ist nach höchstrichterlicher Rspr. nicht mit einer illegalen Prüfstanderkennung gleichzusetzen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19). Dies hat entgegen der Auffassung der Klagepartei auch der EuGH angenommen. Dass die Funktion, die in bestimmten Betriebsbereichen eine Reduzierung der Harnstoffdosierung vornehme, nicht im Grundsatz sowohl auf dem Prüfstand als auch im realen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeitet, ist aus dem Klagevortrag schon nicht ersichtlich, so dass sich konkrete Anhaltspunkte für die – geplante – Verwendung illegaler Funktionen in der Motorsteuerungssoftware aus den zitierten Protokollstellen nicht ergeben.
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b) Die der Klagepartei eingeräumte Frist zur Stellungnahme gem. § 522 II S.2 ZPO ermöglichte keine Art „zweite Berufungsbegründung“. Die in der Gegenerklärung enthaltenen und im Berufungsverfahren neuen Angriffsmittel sind deshalb schon gemäß §§ 530, 296 I ZPO zwingend zurückzuweisen (vgl. z.B. Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 530 Rnr. 4; Rimmelspacher in: Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Auflage 2012, § 522 Rnr. 28) und werden zurückgewiesen.
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Deren Zulassung würde, eine Entscheidungsrelevanz unterstellt, die Erledigung des Rechtsstreits, die hier sogleich durch eine Zurückweisung der Berufung gemäß § 522 II ZPO erfolgen kann, nämlich verzögern.
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Außerdem wurde die Verspätung nicht entschuldigt. Es ist nicht dargetan und nicht ersichtlich, weshalb der nunmehr gemachte Vortrag erst jetzt gehalten werden konnte.
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2. Dessen ungeachtet ist für eine deliktische Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB und § 831 BGB kein Raum.
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Abgesehen davon, dass der Senat bereits den Vortrag zu einer evident unzulässigen Prüfstanderkennungssoftware für unzureichend erachtet hat, bleibt es dabei, dass zur Überzeugung des Senats jedenfalls keine unstreitigen oder nachgewiesenen Anhaltspunkte für den Verbau einer solchen aufgezeigt worden sind. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss wird insoweit verwiesen.
31
Soweit die Gegenerklärung rügt, dass der über den erstinstanzlichen Vortrag hinausgehende Vortrag in der Berufungsbegründung ausdrücklich unter Verweis auf § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO darauf eingeführt worden sei, dass es sich um „neue Erkenntnisse“ handele, so dass der Vortrag daher nicht verspätet sei, ist dieser Einwand nicht zielführend.
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Nach § 531 II S.1 Nr. 3 ZPO kommt eine Zulassung neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel nur in Betracht, wenn sie im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht. Nachlässigkeit fällt einer Partei insbesondere zur Last, wenn sie gegen die ihr gem. § 282 ZPO obliegende Prozessförderungspflicht verstoßen hat. Mithin hat jede Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel, insbesondere Behauptungen, Bestreiten, Einwendungen, Einreden, Beweismittel und Beweiseinreden, so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Dabei hat die Partei auch leichte Fahrlässigkeit zu vertreten (z.B. Zöller/Heßler, ZPO, 32. A. 2018, § 531 Rn. 30). Behauptet der Berufungsführer, neue Tatsachen oder Beweismittel seien ihm erst nach Schluss der ersten Instanz bekannt geworden, hat er zur Vermeidung des Vorwurfs der Nachlässigkeit darzulegen, warum er sich nicht früher um entsprechende Kenntnis bemüht hat (KG, MDR 2003, 471). Diese Anforderungen sind auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Entsprechend der allgemeinen Prozessförderungspflicht des Zivilprozesses ist die Partei danach gehalten, ihr günstigen Vortrag in gesammelter Form und zeitnah so bald als möglich in den Rechtsstreit einzuführen, um diesen einer möglichst umfassenden und sachlich richtigen Entscheidung zuzuführen. Dazu gehört auch die Darlegung, warum das neue Beweismittel nicht vorher hätte ermittelt werden können (BVerfG NJW 2005, 1768). Im Übrigen kann fehlende Nachlässigkeit nicht damit begründet werden, die Recherche sei erst in der Berufungsinstanz durchgeführt worden. Darzulegen ist vielmehr, warum diese Recherche auch bei sorgfältiger Prozessführung in erster Instanz (noch) nicht veranlasst war (BGH, Urteil vom 27. August 2013 – X ZR 19/12, Rz. 30). Hierzu fehlt indes jeglicher Vortrag der Klagepartei; es wurde vielmehr lediglich pauschal auf neue Erkenntnisse hingewiesen (BB S. 6).
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Der Senat hat entgegen der Auffassung der Klagepartei den – verspäteten – Vortrag gleichwohl im Hinweisbeschluss ausführlich gewürdigt (dort S. 6 ff.). Auf die dortigen Ausführungen wird vollumfänglich Bezug genommen.
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Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist letztlich nicht ersichtlich. Auch liegt keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage vor, über deren Umfang und Bedeutung Unklarheiten bestehen (BGH, Beschluss vom 22.09.2015 – II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 3 mwN). Vielmehr lassen sich die aufgeworfenen Fragen auf der Grundlage der bisherigen und zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des BGH zweifelsfrei beantworten.
35
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde entsprechend dem erteilten Hinweis festgesetzt.