Inhalt

OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 08.08.2024 – 12 U 61/24 e
Titel:

Fehlerhafte Widerrufsbelehrung, Ausübung des Widerrufsrechts, Widerrufsentscheidung, Widerrufserklärung, Verlängerung der Widerrufsfrist, Widerrufsmöglichkeit, Widerrufsformular, Telefonischer Widerruf, Rechtsfolgen des Widerrufs, Form des Widerrufs, Beginn der Widerrufsfrist, Musterwiderrufsbelehrung, Vorvertragliche Informationspflichten, Verbraucherrechterichtlinie, Hohes Verbraucherschutzniveau, Verbraucherinformation, EU-Verbraucherrecht, Verbraucherrichtlinie, Verbraucherbauvertrag, Ware

Schlagworte:
Widerrufsrecht, Fernabsatzvertrag, Verbraucherinformation, Widerrufsbelehrung, Telefonnummerangabe, Rückabwicklung, Beweislast
Vorinstanz:
LG Würzburg, Urteil vom 12.04.2024 – 72 O 2300/23
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 12.09.2024 – 12 U 61/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49555

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 12.04.2024, Az. 72 O 2300/23, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Der Senat beabsichtigt weiterhin, den Streitwert auf 48.220 € festzusetzen und die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger aufzuerlegen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 30.08.2024.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Kläger verlangt Rückabwicklung eines Kaufvertrages nach erklärtem Widerruf.
2
1. Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft des Herstellers X., Inc., dessen Produkte sie als Direktvermarkterin vertreibt. Die Beklagte verkauft und vertreibt ihre Fahrzeuge in Deutschland über 36 physische sog. „…“ sowie diverse Auslieferungszentren. In diesen „…“ können (potenzielle) Kunden die Fahrzeuge der Beklagten ansehen und sich bei Mitarbeitern der Beklagten über die Fahrzeuge informieren.
3
Der Kläger erwarb unter ausschließlicher Nutzung des Onlineshops der Beklagten von dieser zur privaten Nutzung am 10.03.2022 ein Auto X. zu einem Kaufpreis in Höhe von 48.220,00 €.
4
Zu diesem Zeitpunkt enthielt das Impressum der Beklagten auf ihrer Internetseite folgende Angaben:
„Verantwortlicher Diensteanbieter gemäß § 5 TMG ist:
X.
Germany
Y-Straße Z.
Deutschland
Telefon: + 49 (0) … Telefax: + 49 … …@… Sitz der Gesellschaft: Z.
Registergericht: Amtsgericht …
Handelsregisternummer: …
Geschäftsführung: …
Umsatzsteuer-ID-Nr.: …
5
Die Beklagte übermittelte dem Kläger bei Vertragsschluss am 10.03.2022 eine Widerrufsbelehrung in Textform. Diese lautete wie folgt
„Widerrufsbelehrung
Widerrufsrecht
Wenn Sie ein Verbraucher sind und diesen Vertrag ausschließlich unter der Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (wie z.B. über das Internet, per Telefon, E-Mail o.ä.) geschlossen haben, haben Sie das Recht, binnen vierzehn Tagen ohne Angabe von Gründen diesen Vertrag nach den nachstehenden Regelungen zu widerrufen.
Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag, an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat.
Um Ihr Widerrufsrecht auszuüben, müssen Sie uns (X. Germany, Y-Straße, Z., …@…) mittels einer eindeutigen Erklärung (z.B. ein mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail) über Ihren Entschluss, diesen Vertrag zu widerrufen, informieren. Sie können dafür das beigefügte Muster-Widerrufsformular verwenden, das jedoch nicht vorgeschrieben ist.
Zur Wahrung der Widerrufsfrist reicht es aus, dass Sie die Mitteilung über die Ausübung des Widerrufsrechts vor Ablauf der Widerrufsfrist absenden.
Folgen des Widerrufs
Wenn Sie diesen Vertrag widerrufen, haben wir Ihnen alle Zahlungen, die wir von Ihnen erhalten haben, einschließlich der Lieferkosten (mit Ausnahme der zusätzlichen Kosten, die sich daraus ergeben, dass Sie eine andere Art der Lieferung als die von uns angebotene, günstigste Standardlieferung gewählt haben), unverzüglich und spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag zurückzuzahlen, an dem die Mitteilung über Ihren Widerruf dieses Vertrags bei uns eingegangen ist. Für diese Rückzahlung verwenden wir dasselbe Zahlungsmittel, das Sie bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt haben, es sei denn, mit Ihnen wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart; in keinem Fall werden Ihnen wegen dieser Rückzahlung Entgelte berechnet. Wir können die Rückzahlung verweigern, bis wir die Waren wieder zurückerhalten haben oder bis Sie den Nachweis erbracht haben, dass Sie die Waren zurückgesandt haben, je nachdem, welches der frühere Zeitpunkt ist.
Sie haben die Waren unverzüglich und in jedem Fall spätestens binnen vierzehn Tagen ab dem Tag, an dem Sie uns über den Widerruf dieses Vertrags unterrichten, an X. Germany, Y-Straße, Z. oder an Ihr örtliches X. Center zurückzusenden oder zu übergeben. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Waren vor Ablauf der Frist von vierzehn Tagen absenden.
Sie tragen die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.
Sie müssen für einen etwaigen Wertverlust der Waren nur aufkommen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise der Waren nicht notwendigen Umgang mit ihnen zurückzuführen ist.“
6
Es folgte das Muster-Widerrufsformular mit folgendem Wortlaut:
„(Wenn Sie den Vertrag widerrufen wollen, dann füllen Sie bitte dieses Formular aus und senden Sie es zurück.)
- An X. Germany, Y-Straße, Z., …@…:
- Hiermit widerrufe(n) ich/wir (*) den von mir/uns (*) abgeschlossenen Vertrag über den Kauf der folgenden Waren (*)/die Erbringung der folgenden Dienstleistung (*)
- Bestellt am (*)/erhalten am (*)
- Name des/der Verbraucher(s)
- Datum
(*) Unzutreffendes streichen.“
7
Eine Telefon- oder Telefaxnummer war weder in der Widerrufsbelehrung noch in dem Muster-Widerrufsformular genannt.
8
Die gesamte Kommunikation zwischen dem Kläger und der Beklagten erfolgte elektronisch via E-Mail oder über die Internetseite der Beklagten. Die Beklagte übersandte dem Kläger zunächst die für die Fahrzeugzulassung erforderlichen Unterlagen. Der Bestellung wurde ein paar Wochen vor Auslieferung die Fahrzeugidentifikationsnummer („FIN“) … zugeordnet.
9
Der Kaufpreis wurde bezahlt. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 10.12.2022 übergeben. Der Kläger ließ das Fahrzeug vor der Übergabe zu und nutze es über elf Monate, bevor er am 25.11.2023 seine dem Vertrag zugrundliegende Erklärung widerrief (zunächst mündlich und sodann unter Einwurf eines entsprechenden Schreibens in den Briefkasten im X. Center, …). Außerdem versandte der Kläger sein Widerrufsschreiben per Einwurfeinschreiben (Anlage K2). Noch am 25.11.2023 erhielt der Kläger eine elektronische Nachricht der Beklagten (unter Nennung der auch im oben genannten Impressum angegebenen Telefonnummer) mit einer Bestätigung, dass der Kläger am 25.11.2023 den Widerruf angeboten hatte.
10
Am 29.11.2023 (Anlage K4) teilte die Beklagte dem Kläger per E-Mail mit, dass der Widerruf verfristet sei.
11
Mit Schreiben vom 01.12.2023 (Anlage K5) erklärten die Prozessbevollmächtigten des Klägers erneut den Widerruf und forderten die Beklagte durch anwaltlichen Schriftsatz unter Fristsetzung bis 11.12.2023 zur Rückzahlung des Kaufpreises auf. Eine Reaktion erfolgte nicht.
12
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, sowohl über das Faxgerät als auch über das Telefon sei es möglich gewesen, Bestellungen vorzunehmen und andere rechtsgeschäftliche Erklärungen abzugeben.
13
Er hat die Auffassung vertreten, dass ein Fernabsatzvertrag nach § 312c BGB vorliege und die 14-tägige Widerrufsfrist aufgrund einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung nicht in Gang gesetzt worden sei, sodass der Widerruf gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB auch mehr als zehn Monate nach Übergabe des Pkws möglich gewesen sei. Konkret verstoße die Widerrufsbelehrung der Beklagten gegen § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB und gegen das Muster in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EGBGB, da die Beklagte – entgegen der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 21.02.2021 – I ZR 17/18) und des EuGH (Urteil vom 14.05.2020 – C-266/19 „EIS vs. TO“) an der dafür vorgesehenen Stelle des Informationsformulars keine Telefonnummer (und Faxnummer) eingefügt habe, obwohl sie einen geschäftlich genutzten Telefonanschluss unterhalte. Hierbei handele es sich um eine unionsrechtliche Pflichtunterrichtung, die nach Art.7 Abs. 5 der RL 2005/29/EG i. V. m. der nicht erschöpfenden Liste in Anhang 11 gesetzlich als wesentlich definiert sei.
14
Jedenfalls fehle eine bei Teilsendungen gebotene angepasste Widerrufsbelehrung. Die Belehrung sei zudem im Hinblick auf die Rücksendekosten fehlerhaft.
15
Das Widerrufsrecht sei auch nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, da es sich um keine vorgefertigte und individuelle Auswahl gehandelt habe. Die Annahme einer „rechtlichen Individualisierung“ durch eine Zulassung und die Gleichsetzung mit einer Gravur sei absurd.
16
Ebenso sei das Widerrufsrecht auch nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. In der Weiternutzung des Fahrzeuges liege kein widersprüchliches Verhalten. Ein Wertersatz werde klägerseits mangels ordnungsgemäßer Information nicht geschuldet. Die Voraussetzungen des § 357a Abs. 1 BGB seien nicht erfüllt sind. Schließlich habe die Beklagte ihre Pflicht aus dem Rückgewährschuldverhältnis schuldhaft verletzt, indem sie sich geweigert habe, das ihr angebotene Fahrzeug zurückzunehmen. Das Angebot sei ordnungsgemäß gewesen.
17
Die Beklagte hat erstinstanzlich die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Würzburg gerügt und die Auffassung vertreten, das Widerrufsrecht des Klägers sei bereits nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen, da das Fahrzeug aufgrund einer individuellen Auswahl des Klägers hergestellt und auf seine persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten worden sei. Durch die Zulassung auf seinen Namen habe er das Fahrzeug auch rechtlich auf sich individualisiert.
18
Der Widerruf sei zudem verfristet erfolgt. Die Widerrufsfrist habe am 16.12.2022 um 24 Uhr geendet. Die Beklagte habe den Kläger über die Bedingungen, Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts korrekt und umfassend informiert. Es bei Vertragsschluss eine individuelle Widerrufsbelehrung übermittelt worden. In dieser individuellen Widerrufsbelehrung habe die Beklagte den Kläger gemäß ihrer Verpflichtung aus Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1  Nr. 1 EGBGB über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular nach Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB (nicht identisch mit der Muster-Widerrufsbelehrung nach Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB) informiert. Die Benutzung des Belehrungsmusters in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB sei nicht obligatorisch, so dass es der Beklagten aufgrund ihres diesbezüglichen Wahlrechts freigestanden habe, eine eigene Widerrufsbelehrung zu formulieren und sich dementsprechend nicht auf die Gesetzlichkeitsfunktion der Muster-Widerrufsbelehrung zu berufen.
19
Die Beklagte habe den Kläger zudem ausdrücklich auf die Rechtsfolgen des Widerrufs gemäß § 357a Abs. 1 BGB, also die Pflicht zur Zahlung von Wertersatz, hingewiesen. Wie sich aus dem Wortlaut und der historischen Auslegung des § 356 Abs. 2 BGB sowie der Gesetzessystematik ergebe, führe die Nichtangabe der Telefonnummer nicht zu einer Verlängerung der  Widerrufsfrist.
20
Auch nach Unionsrecht sei die Angabe der Telefonnummer für den Fristbeginn nicht erforderlich. In Art. 6 Abs. 1 der Verbraucherrichtlinie sei ebenfalls eine Information über die Form des Widerrufs nicht vorgesehen. Ein Verstoß gegen die allgemeine Informationspflicht löse nur Schadensersatzansprüche und wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche aus, habe aber keine Konsequenzen für das Widerrufsrecht. Durch die Nichtangabe einer Telefonnummer entstehe auch nicht der irreführende Eindruck, dass ein telefonischer Widerruf nicht möglich wäre, da für den Widerruf kein Formzwang bestehe.
21
Der Widerruf des Klägers sei schließlich rechtsmissbräuchlich.
22
Hilfsweise hat die Beklagte die Einrede der Vorleistungspflicht des Klägers (§ 357 Abs. 4 BGB) erhoben und mit einem Anspruch auf Wert-/Schadensersatz in Höhe von 23.620,00 € aufgerechnet.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
24
2. Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung ohne Beweisaufnahme mit Endurteil vom 12.04.2024 die Klage zwar als zulässig angesehen, jedoch mit der folgenden wesentlichen Argumentation als unbegründet abgewiesen:
25
Aufgrund ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerrufsrecht sei die 14-tägige Widerrufsfrist im Zeitpunkt der Erklärung des Widerrufs bereits abgelaufen und damit ein erfolgreicher Widerruf nicht mehr möglich gewesen. Nach Wortlaut und Systematik des §§ 312d Abs. 1, 356 Abs. 3 BGB i. V. m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 EGBGB sei die Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung nicht erforderlich. Aus dem Verweis auf das Muster-Widerrufsformular folge ebenfalls nicht, dass die Angabe der Telefonnummer zwingend sei. Soweit in den Gestaltungshinweisen zur Musterbelehrung die Angabe einer Telefonnummer erwähnt sei, führe dies zu keinem anderen Ergebnis; diese regele keinen Mindeststandard, der an eine Widerrufsbelehrung zu stellen sei, ihr komme keine normative Wirkung zu. Es genüge nach nationalem Recht und Art. 11 der Verbraucherrechterichtlinie eine Information über die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts. Dies erfordere nicht die Angabe einer Telefonnummer. Aus der Rechtsprechung des EuGH und des BGH könne nicht entnommen werden, dass die Angabe einer Telefonnummer notwendig sei. Die Entscheidungen seien nicht übertragbar. Durch die Nichtangabe der Telefonnummer sei den Verbrauchern auch nicht die Möglichkeit genommen worden, ihr Widerrufsrecht auszuüben.
26
Die Angabe der Rücksendekosten in der Widerrufsbelehrung sei für die Länge der Widerrufsfrist irrelevant. Zwar müsse der Unternehmer hierüber nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EGBGB informieren. Allerdings werde die Nr. 2 von § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB gerade nicht in Bezug genommen.
27
Eine modifizierte Widerrufserklärung sei auch nicht wegen einer evtl. Teillieferung geboten. Die nicht zeitgleiche Übersendung der Zulassungsbescheinigung Teil II begründe keine Teillieferung des Fahrzeugs, zumal analog § 952 BGB das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II dem Eigentum am Fahrzeug folge.
28
Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.
29
3. Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 16.04.2024 zugestellte Urteil richtet sich die am 13.05.2024 fristgerecht eingegangene und am 31.05.2024 rechtzeitig begründete Berufung des Klägers.
30
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt weiter vor:
31
Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB sei der Verbraucher über das „Verfahren“ für die Ausübung des Widerrufsrechts zu belehren. Dies erfordere nach herrschender Meinung die Angabe der konkreten Kontaktdaten des Unternehmers. Welche Angaben konkret erforderlich seien – z. B. die Angabe der Telefonnummer – könne nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift entnommen werden, sondern müsse durch Auslegung des Wortlauts ermittelt werden.
32
Die systematische Auslegung des Erstgerichts, wonach Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB nicht auf dessen Abs. 1 verweise, sodass die dortigen Angaben nicht Teil der Widerrufsbelehrung sein müssten, sei unzulässig. In Abs. 1 seien Informationspflichten z. B. hinsichtlich Handelsnamen, Anschrift, E-Mail-Adresse und Online-Kommunikationsmittel enthalten. Diese müssten nach herrschender Meinung auch in der Widerrufsbelehrung angegeben werden. Dies stellte ein Indiz dafür dar, dass erst recht auch die in Abs. 1 genannte Telefonnummer angegeben werden müsse.
33
Auch eine historische Auslegung ergebe nichts anderes. Zum einen habe der historische Gesetzgeber die Telefaxnummer ausdrücklich angegeben; auch diese habe die Beklagte jedoch in ihrer Widerrufsbelehrung nicht genannt. Zum anderen enthielten die Gesetzesmaterialein keine Anhaltspunkte dafür, dass ihre Aufzählung abschließend sein sollte.
34
Schließlich sei auch nicht einer am Zweck orientierten Auslegung zu entnehmen, dass eine Telefonnummer nicht angegeben werden müsse. Die unterlassene Angabe diene nicht dem Schutz des Verbrauchers vor Nachweisschwierigkeiten.
35
Die Begründung, die vom Gesetzgeber formulierten Musterwiderrufsbelehrung lasse nicht den gesetzgeberischen Willen erkennen, dass die dortigen Angaben auch in einer abweichend formulierten Widerrufsbelehrung zwingend enthalten sein müssen, da die Musterbelehrung lediglich der Privilegierung des Unternehmers durch die Gesetzlichkeitsfiktion diene, überzeuge nicht. Denn dieser Privilegierungsabsicht laufe es zuwider, wenn in die Musterbelehrung über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Anforderungen aufgenommen würden.
36
Auch nach der der Novelle der Verbraucherrechterichtlinie sei die Angabe der Faxnummer eine Pflichtangabe in der Widerrufsbelehrung. Zudem sei nach der Novelle in den Gestaltungshinweisen zur Musterwiderrufsbelehrung nunmehr vorgesehen, dass die Telefonnummer unbedingt angegeben werden müsse.
37
Die Aussagen der bereits erstinstanzlich zitierten Urteile des EuGH und BGH seien auf den vorliegenden Fall übertragbar. Auch das Wettbewerbsrecht diene dem Verbraucherschutz. Ein unterschiedliches Schutzniveau könne deshalb nicht angenommen werden.
38
Die Widerrufsbelehrung sei intransparent, da nicht mitgeteilt werde, auf den „Zugang welcher Ware“ (Fahrzeug oder bereits zuvor übersandte Zulassungsbescheinigung) es ankomme.
39
Telefon- und -faxnummer habe die Beklagte aus dem Impressum der Internetseite gelöscht. Diese sei für den Kläger während der laufenden Widerrufsfrist nicht mehr leicht zu ermitteln gewesen.
40
Der Kläger beantragt,
1.
Das Urteil des Landgerichts Würzburg, Az.: 72 O 2300/23, verkündet am 12.04.2024, wird insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen wurde.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, einen Betrag in Höhe von 48.220,00 € nach Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs X. 2022, 19-Zoll Sport-Felgen, Anhängerkupplung, … Metallic, FIN: … zu zahlen.
3.
Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des in Z. 1 genannten Fahrzeugs im Verzug befindet.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliches Anwaltshonorar in Höhe von 2.306,82 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
41
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
42
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und bringt ergänzend vor:
43
Auch die Angabe einer Telefaxnummer sei nicht erforderlich. Dies zeige auch die zwischenzeitlich erfolgte Streichung der Telefaxnummer aus Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB. Es genüge die Angabe eines zumutbaren Kontaktweges.
44
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
45
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier nicht der Fall.
46
Vielmehr hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
47
Der Kläger ist an seine auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung gebunden und kann von der Beklagten nicht die Rückzahlung des Kaufpreises gemäß §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1 BGB (hier und nachfolgend in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung) oder den Ersatz vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten verlangen.
48
Zwar hatte der Kläger gemäß § 312g Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 BGB ein Widerrufsrecht, denn der Verkauf erfolgte im Wege des Fernabsatzes im Sinne von §§ 312b ff. BGB. Dieses Widerrufsrecht konnte aber bei Erklärung des Widerrufs, die frühestens am 25.11.2023 erfolgte, nicht mehr ausgeübt werden. Denn die Widerrufsfrist von 14 Tagen nach § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB war bereits im Dezember 2022 abgelaufen.
49
Der Beginn der Widerrufsfrist hängt nach § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und c BGB (hier und nachfolgend in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung) von der Übergabe der Ware, bei mehreren Teilsendungen vom Erhalt der letzten Teilsendung, und nach § 356 Abs. 3 Satz 1 BGB von der Belehrung über das Widerrufsrecht gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB (hier und nachfolgend in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung) ab. Diese Voraussetzungen waren am 10.03.2022 erfüllt. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist die dem Kläger erteilte Widerrufsbelehrung nicht zu beanstanden.
50
Der Senat schließt sich den folgenden zutreffenden Ausführungen des Kammergerichts im Hinweisbeschluss vom 22.05.2024 (Az. 24 U 139/23, vorgelegt als Anlage B1) nach eigener Prüfung einstimmig an:
„1. Gemäß § 312d Abs. 1 S. 1 BGB muss bei Fernabsatzgeschäften der Unternehmer den Verbraucher nach Maßgabe des Art. 246a EGBGB informieren. Diese Regelung dient der Umsetzung von Art. 6 bis 8 RL 2011/83/EU (Verbraucherrechte-Richtlinie) (BeckOGK/Busch, 1.7.2023, BGB § 312d Rn. 3; MüKoBGB/Wendehorst, 8. Aufl. 2021, EGBGB Art. 246a § 1 Rn. 1).
1. Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB regelt allgemeine Informationspflichten. Unter anderem muss der Unternehmer den Verbraucher über seine Identität, die Anschrift des Ortes, an dem er niedergelassen ist, seine Telefonnummer und gegebenenfalls seine Telefaxnummer und E-Mail-Adresse informieren (Nr. 2). Das entspricht Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) RL 2011/83/EU (hier und nachfolgend in der bis zum 17.12.2023 geltenden Fassung). Die Angabe einer Telefonnummer ist danach – anders als nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. c) RL 2011/83/EU in der bis zum 06.01.2020 geltenden Fassung, in der es hieß, die Telefonnummer sei „gegebenenfalls“ anzugeben – verpflichtend. Diese vom Unternehmer bereitgestellten Kommunikationsmittel sollen sicherstellen, „dass der Verbraucher schnell Kontakt zum Unternehmer aufnehmen und effizient mit ihm kommunizieren kann“ (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Juli 2019 – C-649/17 –, Amazon EU, Rn. 44, juris).
2. Hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht, so muss der Unternehmer ihn gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB bzw. Art. 6 Abs. 1 Buchst. h) RL 2011/83/EU über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung eines ihm nach § 312g Abs. 1 BGB zustehenden Widerrufsrechts nach § 355 Abs. 1 BGB sowie das Muster-Widerrufsformular informieren. Durch die Widerrufsbelehrung soll der Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine überlegte Entscheidung für oder gegen den Abschluss des Vertrages (EuGH, Urteil vom 17. Mai 2023 – C-97/22 –, Rn. 26, juris; EuGH, Urteil vom 23. Januar 2019 – C-430/17 – Walbusch, Rn. 46, juris) bzw. anschließend die Ausübung des Widerrufsrechts (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312d Rn. 2)
zu treffen und das Widerrufsrecht ggf. wirksam auszuüben. Eine Belehrung, deren Inhalt oder Gestaltung die Gefahr begründet, dass der Verbraucher irregeführt und von einem rechtzeitigen Widerruf abgehalten wird, ist unzulässig (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 28/22 –, Rn. 40, juris).
2. Für den Beginn der Widerrufsfrist müssen gemäß § 356 Abs. 3 S. 1 BGB (nur) die Informationspflichten nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB erfüllt sein. Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Erfüllung der sonstigen Informationspflichten nach Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB keine Voraussetzung. Dass dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht, lässt sich bereits der Tatsache entnehmen, dass § 312d Abs. 2 BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung für den Beginn der Widerrufsfrist bei Fernabsatzgeschäften auch die Erfüllung der Informationspflichten nach Art. 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 EGBGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung und damit die Erteilung sämtlicher vertragsrelevanter Informationen erforderte. Mit den Änderungen im Zuge der Umsetzung der RL 2011/83/EU durch das am 13.06.2014 in Kraft getretene Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden, den Beginn der Widerrufsfrist bei allgemeinen Fernabsatzgeschäften nicht mehr von der Erfüllung der sonstigen Informationspflichten abhängig zu machen (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 17/12637, S. 61; Folge einer Nichterfüllung der sonstigen Informationspflichten ist danach (nur) ein Schadensersatzanspruch nach allgemeinen Grundsätzen aufgrund einer Pflichtverletzung nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB, S. 55; s. auch MüKoBGB/Fritsche, 9. Aufl. 2022, BGB § 356 Rn. 24; BeckOGK/Mörsdorf, 1.10.2023, BGB § 356 Rn. 38; Schmidt/Brönneke, VuR 2013, 448, 453). Etwas anderes gilt für Fernabsatzgeschäfte über Finanzdienstleistungen; hier ist gemäß § 356 Abs. 3 BGB in Verbindung mit Art. 246b § 2 Abs. 1 und § 1 Abs. 1 EGBGB weiterhin die Erfüllung sämtlicher vorvertraglicher Informationspflichten erforderlich. Das entspricht Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 RL 2002/65/EG (Finanzdienstleistungs-Fernabsatz-Richtlinie), wonach die Widerrufsfrist erst zu laufen beginnt, wenn der Verbraucher die Informationen gemäß Art. 5 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und Art.4 RL 2002/65/EG erhält, also sämtliche vorvertraglichen Informationen und zusätzlichen Auskünfte. Auch für den Verbraucherbauvertrag sieht Art. 249 § 3 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB vor, dass die Widerrufsbelehrung eine Telefonnummer enthalten muss.
3. Nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB bzw. Art. 6 Abs. 1 Buchst. h) RL 2011/83/EU muss der Unternehmer den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts und über das Muster-Widerrufsformular informieren. Dies hat die Beklagte hier getan.
a. Die Beklagte hat über die Bedingungen des Widerrufs informiert. Dies erfordert eine Aufklärung nicht nur über die Tatsache des Bestehens eines Widerrufsrechts an sich und dessen Voraussetzungen, sondern auch über seine Rechtsfolgen, wie sie sich aus §§ 355 Abs. 3, 357, 357a (hier und nachfolgend in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung) BGB ergeben (BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 – II ZR 1/11 –, Rn. 19, juris; BeckOGK/Busch, 1.7.2023, EGBGB Art. 246a § 1 Rn. 36; Schmidt/Brönneke VuR 2013, 448, 451).
Dem entspricht die Belehrung der Beklagten. Es wird über die beiderseitige Rückgabepflicht und die Frist hierfür informiert sowie den Umstand, dass der Verbraucher die Kosten der Rücksendung zu tragen und Wertersatz zu leisten hat. Der Rückgabeort – X. Germany in Z. oder das örtliche X. Center – ist angegeben. Auf die Frage, ob die Beklagte im Einzelfall eine Terminvereinbarung, eine Zustandsdokumentation und/oder die Unterzeichnung von Papieren verlangen kann und ob sie ggf. darauf hinweisen muss, kommt es für den Beginn der Widerrufsfrist nicht an. Die Kosten für die Rücksendung müssen dem Verbraucher zwar gemäß Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HS. 2 EGBGB mitgeteilt werden. Nach § 356 Abs. 3 BGB hängt der Beginn der Widerrufsfrist aber nur von der Belehrung nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ab.
Dasselbe gilt für die Höhe des Wertersatzes. Es reicht aus, wenn dem Verbraucher – wie hier – mitgeteilt wird, dass er den Wertverlust zu ersetzen hat, soweit er über dasjenige hinausgeht, was für die Prüfung der Ware erforderlich war. […]
b. Auch die Belehrung über die Fristen für den Widerruf entspricht den Anforderungen von Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB bzw. Art. 6 Abs. 1 Buchst. h RL 2011/83 EU.
Der Beginn der Widerrufsfrist hängt zwar – anders als in der Belehrung der Beklagten angegeben – nicht (nur) von der Inbesitznahme der Waren durch den Verbraucher ab, sondern gemäß § 356 Abs. 3 S. 1 BGB auch von der ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB und zwar gemäß Art. 246a § 4 Abs. 3 S. 1 EGBGB in einer den benutzten Fernkommunikationsmitteln angepassten Weise. Dass dies in der Belehrung der Beklagten keine Erwähnung findet, schadet aber nicht. Im konkreten Fall nicht relevante Regelungen über die Widerrufsfrist können im Interesse der Verständlichkeit weggelassen werden. Wenn die Informationspflichten erfüllt sind, muss der Unternehmer den Verbraucher nicht darauf hinweisen, dass nach § 356 Abs. 3 S. 1 BGB die Frist erst mit Erfüllung der Informationspflichten beginnt (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312d Rn. 54), zumal dann über einen Umstand zu unterrichten wäre, der keine Bedeutung hat (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 2019 – XI ZR 650/18 –, BGHZ 224, 1-20, Rn. 36; KG, Beschluss vom 19. Oktober 2020 – 8 U 38/19 –, Rn. 64, juris).
Die Beklagte weist in ihrer Belehrung zutreffend darauf hin, dass die Frist bei Teillieferungen nach § 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c BGB erst mit der letzten Teillieferung beginnt. Der Ausdruck „die Waren in Besitz genommen“ lässt sich nach dem oben angeführten Maßstab des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers nur so verstehen, dass die Widerrufsfrist erst dann beginnt, wenn der Käufer „sämtliche“ Waren, also alles erhalten hat; dazu gehören auch die Fahrzeugpapiere.
Über das Ende der Widerrufsfrist spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach dem in § 356 Abs. 2 BGB genannten Zeitpunkt, § 356 Abs. 3 S. 2 BGB, muss nicht belehrt werden. Unter „Fristen“ im Sinne von Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB sind der Fristbeginn und die Widerrufsfrist von 14 Tagen zu verstehen, nicht aber die Höchstdauer (Spindler/Schuster/Schirmbacher, 4. Aufl. 2019, EGBGB Art. 246a Rn. 115; BeckOK BGB/Martens, 69. Ed. 1.2.2024, EGBGB Art. 246a § 1 Rn. 29).
c. Auch die Belehrung über das Verfahren für die Ausübung des Widerrufs durch die Beklagte entspricht den Anforderungen. Gemäß § 355 Abs. 1 S. 3 und 4 BGB muss der Verbraucher gegenüber dem Unternehmer eine Erklärung abgeben, aus der sein Entschluss zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgeht, die aber keine Begründung enthalten muss. Nach Art. 11 Abs. 1 RL 2011/83/EU erfolgt der Widerruf in der Weise, dass der Verbraucher den Unternehmer über seinen Entschluss informiert, den Vertrag zu widerrufen. Eine Form ist für die Erklärung nicht vorgesehen. Der Verbraucher kann das Muster-Widerrufsformular verwenden oder aber eine entsprechende Erklärung in beliebiger anderer Form abgeben, aus der sein Entschluss zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgeht. Die Erklärung muss rechtzeitig innerhalb der Widerrufsfrist abgesandt werden. Auf diese Anforderungen hat die Beklagte hingewiesen.
Die Mitteilung, dass der Widerruf auch telefonisch möglich ist und die Angabe einer Telefonnummer, unter der der Widerruf erklärt werden kann, waren nicht geboten.
Anders als der Kläger meint, liegt darin, dass nicht angegeben wird, dass der Widerruf auch telefonisch möglich ist, keine Irreführung des Verbrauchers. Da eine bestimmte Form nicht vorgegeben ist, muss auch nicht darüber informiert werden, dass der Rücktritt formfrei erklärt werden kann (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2019 – C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18 –, Rn. 74, ju-ris). Die Widerrufsbelehrung ist nach dem bereits erwähnten Maßstab des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers auch nicht so zu verstehen, dass ein telefonischer Widerruf nicht möglich wäre. Dass eine „eindeutige Erklärung“ mündlich oder schriftlich abgegeben werden kann, versteht sich von selbst. Auch der Zusatz „z. B.“ macht deutlich, dass nicht ausschließlich eine Erklärung in Textform möglich ist. Die Formulierung entspricht zudem derjenigen in der Musterwiderrufsbelehrung in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB in der bis zum 27.05.2022 geltenden Fassung.
Eine Pflicht des Unternehmers, es dem Verbraucher durch eine Angabe der Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung zu erleichtern, den Widerruf telefonisch auszuüben, lässt sich den verbraucherschutzrechtlichen Regelungen nicht entnehmen.
Vielmehr ist zu berücksichtigen, dass die mit der Verbraucherrechte-Richtlinie angestrebte Harmonisierung der Verbraucherinformation und des Widerrufsrechts in Fernabsatzverträgen nicht nur dem Verbraucherschutz dienen, sondern es auch kleineren und mittleren Unternehmen bzw. einzelnen Unternehmern erleichtern soll, in anderen Mitgliedstaaten Geschäfte zu machen, um so zum besseren Funktionieren des Binnenmarkts für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern beizutragen. Es soll ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei gleichzeitiger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips gewährleistet werden (Erwägungsgründe 4 und 5 der RL 2011/83/EU). Bei der Auslegung der Richtlinie ist daher ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen und die unternehmerische Freiheit des Unternehmers, wie sie in Art. 16 der Charta gewährleistet wird, zu wahren (EuGH, Urteil vom 5. Mai 2022 – C-179/21 –, Victorinox, Rn. 39, juris; EuGH, Urteil vom 10. Juli 2019 – C-649/17 –, Amazon, Rn. 44, juris). Es reicht daher aus, wenn dem Verbraucher in der Widerrufsbelehrung eine zumutbare Möglichkeit der Kontaktaufnahme genannt wird und er im Übrigen die Telefonnummer unschwer ermitteln kann. Es sollte auch nichts dagegen sprechen, den Verbraucher, der die Beweislast für den rechtzeitigen Widerruf trägt, in seinem eigenen Interesse durch eine beispielhafte Aufzählung sanft dahin zu lenken, sich für den Widerruf eines dauerhaften Datenträgers zu bedienen (MüKoBGB/Wendehorst, 9. Aufl. 2022, BGB § 312d Rn. 55; s. auch Erwägungsgrund 44 der RL 2011/83/EU und BT-Drs. 17/12637 S. 60), wie es im Übrigen auch in der Musterwiderrufsbelehrung geschieht.
Etwas anderes folgt auch nicht aus den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 14.05.2020, C-266/19, EIS.de, Celex-Nr. 62019CJ0266), des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 24.09.2020, I ZR 169/17, und Urteil vom 21.01.2021, I ZR 17/18), des OLG Hamm (Beschluss vom 03.05.2015, 4 U 171/14), des OLG Frankfurt (Beschluss vom 04.02.2016, 6 W 10/16) und des OLG Schleswig (Urteil vom 10.01.2019, 6 U 37/17). Danach soll bei Verwendung der – vom Unternehmer auszufüllenden – Musterwiderrufsbelehrung in Anhang I Teil A zu Art. 6 Abs. 4 S. 1 RL 2011/83/EU bzw. in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB die Telefonnummer eingetragen werden, die der Unternehmer auf seiner Webseite als „Kontakt“ angibt, weil sie dann als „verfügbar“ anzusehen ist.
Zum einen sind diese Entscheidungen in wettbewerbsrechtlichen und nicht in verbraucherschutz-rechtlichen Streitigkeiten ergangen; es lagen also abweichende Prüfungsmaßstäbe zugrunde und es wurden auch keine Feststellungen dazu getroffen, wie sich ein Verstoß auf das Widerrufsrecht des Verbrauchers auswirkt.
Zum anderen betreffen die Entscheidungen ausschließlich die Musterwiderrufsbelehrung. Diese ist aber den gesetzlichen Vorgaben nachgelagert. Sie hat vorrangig den Zweck, die Geschäftspraxis für den Unternehmer zu vereinfachen und ihn durch die Gesetzlichkeitsfiktion in Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB vor den mit den Anforderungen an die Widerrufsbelehrung verbundenen Unsicherheiten zu schützen. Außerdem soll Rechtssicherheit hergestellt und in der Folge die Rechtspraxis entlastet werden (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 28/22 –, Rn. 34, juris; BeckOGK/Busch, 1.7.2023, EGBGB Art. 246a § 1 Rn. 43). Im Interesse der unternehmerischen Freiheit ist die Verwendung der Musterwiderrufsbelehrung aber gerade nicht verpflichtend und sie definiert auch nicht die Anforderungen an die Belehrung (Schmidt-Kessel, ZIP 2024, 272, 275; Tamm/Tonner/Brönneke, Verbraucherrecht, § 12 Widerrufsrecht Rn. 23, beck-online). Nach dem Willen des Gesetzgebers kann der Unternehmer seinen Informationspflichten auch durch eine Belehrung nachkommen, die von der Musterbelehrung abweicht, aber inhaltlich den in § 356 Abs. 3 S. 1 BGB, Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB geregelten Anforderungen genügt. Er trägt dann bloß das Risiko, dass die Anforderungen an eine korrekte Belehrung nicht erfüllt sind (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – I ZR 28/22 –, Rn. 28, juris). Die genannten Vorschriften sehen die Angabe einer Telefonnummer gerade nicht vor, sondern überlassen es dem Unternehmer selbst, wie er den Verbraucher über das Verfahren des Widerrufs aufklärt.“
51
Nichts anderes gilt für die bemängelte unterlassene Angabe der Telefaxnummer. Eine Pflicht des Unternehmers, als Teil seiner Kontaktinformation gegenüber Verbrauchern auch eine Telefaxnummer anzugeben, ist zudem in der seit dem 28.05.2022 geltenden Neufassung der Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB auch nicht mehr vorgesehen, wie auch die Klagepartei richtig vorträgt. Zwar ist die Muster-Widerrufsbelehrung erst zum 28.05.2022, also nach dem hier streitgegenständlichen Vertragsschluss, geändert worden. Sie beruht aber auf der bereits am 07.01.2020 in Kraft getretenen RL 2019/2161/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.11.2019 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union, die das bisherige Muster der Widerrufsbelehrung dahingehend verändert hat, dass die Angabe einer E-Mail-Adresse verpflichtend und die Angabe der Telefaxnummer gestrichen wurde. Damit hat der europäische Gesetzgeber bereits zum Zeitpunkt des hiesigen Vertragsschlusses die Angabe einer Faxnummer nicht mehr als wesentlich eingestuft und verdeutlicht, dass ihm die Angabe einer Faxnummer neben der E-Mail-Adresse nicht mehr erforderlich erschien, um einen effektiven Verbraucherschutz zu gewährleisten (OLG Hamm Urteil vom 10.08.2023 – 18 U 34/22 = BeckRS 2023, 23300 Rn. 64).
52
Nach alledem genügt es unter dem Gesichtspunkt der Widerrufsmöglichkeiten für eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung, wenn dem Vertragspartner zumindest ein zumutbarer Weg aufgezeigt wird, wie der Widerruf erklärt werden kann. Dies war hier in Anbetracht des ohne Verwendung von Telefon und Telefax abgeschlossenen Vertrags im Online-Handel der Fall, da neben mehreren Arten, die Widerrufserklärung zu übermitteln, auch zutreffende Kontaktdaten der Beklagten, nämlich deren Anschrift und E-Mail-Adresse, in der Widerrufsbelehrung angegeben waren. Die Beklagte wies auf eine analoge und eine digitale Möglichkeit der Übermittlung der Widerrufserklärung hin und bezeichnete die entsprechenden Empfangsadressen. Die aufgezeigten Wege sind bei einem über einen Online-Shop abgeschlossenen Vertrag zumutbare Arten, die Widerrufserklärung zu übermitteln. Die Nennung weiterer Übermittlungswege, insbesondere der hierzu erforderlichen Kontaktdaten (z. B. Fax- oder Telefonnummer), ist zwar unschädlich, aber nicht erforderlich (Schirmbacher, in:  Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien (2019), Art. 246a EGBGB Rn. 120; Föhlisch/Stariradeff, CR 2019, 511 [Rn. 26 ff.]; Schmidt-Kessel, ZIP 2024, 272 [282, unter Ziff. V. 4.]). Der unsubstantiierte, da zeitlich nicht näher bestimmte Vortrag des Klägers, die Beklagte habe ihre Telefon- und -faxnummer aus dem Impressum der Internetseite gelöscht und die Telefonnummer erst später wieder aufgenommen, ist deshalb unerheblich.
53
Hätte der Richtlinienverfasser und Gesetzgeber die Angabe einer Telefon- oder Faxnummer als zwingend angesehen, hätte er dieses Erfordernis nicht erst in den „Gestaltungshinweisen“ zur Musterwiderrufsbelehrung niedergelegt, zumal diese den gesetzlichen Vorgaben nachgelagert sind und nicht den Inhalt der Belehrungspflicht definieren können (Föhlisch/Stariradeff, CR 2019, 511 [Rn. 28 f.]). Der Privilegierungsabsicht des Gesetzgebers durch die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung läuft es auch nicht zuwider, wenn dort über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehende Informationen enthalten sind. Denn derjenige Unternehmer, der die ordnungsgemäß ausgefüllte Musterwiderrufsbelehrung verwendet, profitiert aufgrund der Gesetzlichkeitsfiktion und muss sich keine weiteren Gedanken über die Ordnungsgemäßheit der Belehrung machen. Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass der Normgeber hierfür den „Preis“ ergänzender verbraucherschützender Angaben in der Belehrung verlangt.
54
Schließlich übersieht der Senat nicht, dass die Musterwiderrufsbelehrung nicht dafür herangezogen werden kann, die Vorgaben des Gesetzes bzw. der ihm zugrunde liegenden Richtlinie zu konkretisieren (überzeugend Schmidt-Kessel, in: ZIP 2024, 272 [274 f.]). Das vom Senat gefundene Verständnis der Regelungen des Normgebers und die hieran zu knüpfenden Rechtsfolgen deckt sich aber mit dem Erwägungsgrund 44 der RL 2011/83/EU. Dieser lautet auszugsweise (Hervorhebung durch den Senat):
„Dem Verbraucher sollte es jedoch nach wie vor freistehen, den Vertrag mit seinen eigenen Worten zu widerrufen, vorausgesetzt, seine an den Unternehmer gerichtete Erklärung, aus der seine Widerrufsentscheidung hervorgeht, ist unmissverständlich. Diese Anforderung könnte durch einen Brief, einen Telefonanruf oder durch die Rücksendung der Waren, begleitet von einer deutlichen Erklärung, erfüllt sein; die Beweislast, dass der Widerruf innerhalb der in der Richtlinie festgelegten Fristen erfolgt ist, sollte jedoch dem Verbraucher obliegen. Aus diesem Grund ist es im Interesse des Verbrauchers, für die Mitteilung des Widerrufs an den Unternehmer einen dauerhaften Datenträger zu verwenden.“
55
In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/12637, dort S. 60) wird noch deutlicher formuliert:
„Vor dem Hintergrund, dass dem Verbraucher die Beweislast für einen rechtzeitigen Widerruf obliegt, ist es für ihn jedoch weiterhin ratsam, in Textform zu widerrufen.“
56
Dem Willen des Norm- und Gesetzgebers entsprach es damit, für die Ausübung des Widerrufsrechts einen beweiskräftigen Zustand zugunsten des Verbrauchers zu schaffen. Die Beklagte erfüllte diesen Willen des Normgebers durch den unter Angabe ihrer Post- und E-Mail-Adresse erteilten Hinweis darauf, dass die Widerrufserklärung als „z.B. mit der Post versandter Brief, Telefax oder E-Mail“ übermittelt werden kann. An die Nichtaufnahme der Telefonnummer in die Widerrufsbelehrung können deshalb nicht die Rechtsfolgen einer nicht ausreichenden Widerrufsbelehrung geknüpft werden. Nach Ansicht des Senats dient es dem Zweck des Verbraucherschutzes, wenn in der Widerrufsbelehrung keine Telefonnummer angegeben wird, um von den zumutbaren beweiskräftigen alternativen Widerrufsmöglichkeiten nicht abzulenken.
III.
57
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht (§ 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten, weil auszuschließen ist, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
58
Die beabsichtigte Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
59
Die angekündigte Festsetzung des Streitwerts entspricht dem Betrag der weiterverfolgten Klageforderung ohne die Nebenforderungen.
IV.
60
Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an.
61
Auf die bei Berufungsrücknahme in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung von 4,0 auf 2,0 (vgl. KV Nr. 1220, 1222) wird vorsorglich hingewiesen.