Titel:
behördliche Leistungsklage, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, zukünftige Unterlassung der Nutzung eines Schutzhafens außerhalb seiner Zweckbestimmung, widmungswidrige Nutzung eines Schutzhafens durch Erlass eines Verwaltungsakts abzuwenden, kein Wahlrecht zwischen Leistungsklage und Verwaltungsakt
Normenketten:
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1
WaStrG § 5
WaStrG § 24
WaStrG § 28
Schlagworte:
behördliche Leistungsklage, fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, zukünftige Unterlassung der Nutzung eines Schutzhafens außerhalb seiner Zweckbestimmung, widmungswidrige Nutzung eines Schutzhafens durch Erlass eines Verwaltungsakts abzuwenden, kein Wahlrecht zwischen Leistungsklage und Verwaltungsakt
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49184
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vorher in gleicher Höhe Sicherheit leisten.
Tatbestand
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Die Klägerin fordert von den Beklagten die zukünftige Unterlassung der zweckwidrigen Nutzung einer in ihrem Eigentum stehenden Schutzhafenanlage.
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1. Die Klägerin unterhält auf dem sich in ihrem Eigentum befindlichen Grundstück Fl.Nr. 2 der Gemarkung E. a* M. (Bundeswasser straße M. ; Flusskilometer …4) den Schutzhafen E. , dessen Errichtung mit Planfeststellungsbeschluss des Landratsamts O. vom … … 1966 zugelassen wurde.
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Auf einem Teil der von der klägerischen Hafenanlage umfassten Wasserfläche liegen Schiffe, die teilweise der Beklagten zu 1), einem im Bereich des Tief- und Wasserbaus tätigen Unternehmen, und teilweise der Beklagten zu 2), einem Unternehmen für die An- und Vermietung von Schiffen, zuzuordnen sind.
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Bis zum Ende des Jahres 2018 wurde die Nutzung dieser Wasserteilfläche als Anlegestelle mit Schiffsliegeplatz durch die Beklagten über das Hafengeld abgerechnet. Mit Bekanntmachung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zur Abschaffung der Schifffahrtsabgaben vom 21. Dezember 2018 (VkBl 2019 S. 97) wurde der Tarif für das Hafengeld in den bundeseigenen Häfen an den Bundeswasserstraßen im Binnenbereich mit Wirkung zum 1. Januar 2019 aufgehoben.
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Unter dem 6. Mai 2019 bot das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt … *er Beklagten zu 1) den Abschluss eines befristeten Vertrags zur Nutzung der Wasserfläche von Flusskilometer …2 bis …6 (Teilfläche von 3500 m²) als Anlegestelle mit Schiffsliegeplatz gegen die Zahlung eines Nutzungsentgelts in Höhe von 9.188,00 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2019 an. Die Beklagte zu 1) trat dem Angebot unter Hinweis auf §§ 5 und 6 WaStrG (Befahren der Bundeswasser straße mit Wasserfahrzeugen und Gemeingebrauch) entgegen und lehnte das Vertragsangebot ab.
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Mit Hinweis darauf, dass das dauerhafte Anlegen von Schiffen im Schutzhafen außerhalb seiner Zweckbestimmung liege, forderte die Klägerin die Beklagte zu 1) anschließend erfolglos zur Zahlung einer monatlichen Nutzungsentschädigung i.H.v. 765,67 EUR seit dem 1. Januar 2019 bis zur Räumung des Hafengrundstücks auf.
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2. Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 11. Oktober 2019 ließ die Klägerin sodann Klage vor dem Landgericht A. gegen die Beklagte zu 1) erheben, die mit Schriftsatz vom 13. Januar 2020 auf die Beklagte zu 2) erweitert wurde.
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Nachdem der Rechtsstreit mit Beschluss des Oberlandesgerichts B. vom … … 2020 (Az.: * . *) an das Verwaltungsgericht Würzburg verwiesen wurde, beantragt die Klägerin im vorliegenden Verfahren zuletzt:
1. Die Beklagten werden verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu unterlassen, das Grundstück der Klägerin Fl.Nr. …2 der Gemarkung E. , eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts O. a. M. , Bd. …, Blatt … (Beschrieb: M. , * Hafen E. a. M. , Gewässer … Ordnung – Bundeswasser straße), Gebäude- und Freifläche, Wasserfläche zu 520.396 m2) außerhalb seiner Zweckbestimmung zu benutzen.
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Klagebegründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin, die vorliegend nicht als Behörde, sondern als private Eigentümerin handele, stehe der geltend gemachte Anspruch nach § 1004 BGB zu. Die betreffende Fläche stehe im Eigentum der Klägerin. Die Nutzung der Hafenanlage durch die Beklagten sei angesichts des in § 2 Abs. 1 Nr. 1 der Wasserstraßen-Betriebsanlagenverordnung (WaStrBAV) normierten Verbots der Benutzung von Schutzhäfen außerhalb ihrer Zweckbestimmung sowie des Umstands, dass das dauerhafte Anlegen von Schifffahrzeugen in einem Schutzhafen, der anderen Schiffen in Notfällen zur Verfügung stehen müsse, nicht vom Gemeingebrauch gedeckt. Den Beklagten stehe daher kein Recht zum Besitz an den Hafenteilflächen zu. Die Befugnis, Schiffahrzeuge dauerhaft im Schutzhafen anzulegen, würde nach Wegfall der Hafengebühren einen Nutzungsvertrag voraussetzen, an dem es hier fehle. Es sei schließlich auch von einer den Unterlassungsanspruch begründenden Wiederholungsgefahr auszugehen.
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3. Die Beklagte zu 1) beantragt,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Nutzung des Schutzhafens als Teil einer Bundeswasser straße nach §§ 5 ff. WaStrG jedermann gestattet sei. Für den geltend gemachten Anspruch existiere weder eine öffentlich-rechtliche noch eine zivilrechtliche Rechtsgrundlage. Eine Flucht ins Privatrecht sei vor dem Hintergrund des Vorliegens einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit nicht möglich. Da der geltend gemachte Anspruch jeder öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage entbehre, bliebe die Klage ohne Erfolg.
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4. Auch die Beklagte zu 2) beantragt,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, der Hafen E. sei nicht als Schutzhafen gewidmet worden. Das Anlegen der Schifffahrzeuge sei daher vom uneingeschränkten Gemeingebrauch erfasst. Darüber hinaus seien Überschreitungen des Gemeingebrauchs mit Ordnungsverfügungen zu ahnden, wogegen dann mit Rechtsbehelfen vorgegangen werden könne. Dieses gesetzliche Rechtsmittelsystem dürfe die Verwaltung nicht mit der Erhebung einer Leistungsklage unterlaufen.
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6. Mit Beschluss vom 7. Juli 2022 ist auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens zur Erzielung einer gütlichen Einigung zwischenzeitlich angeordnet worden. Die Vergleichsverhandlungen zwischen den Beteiligten sind allerdings ohne Erfolg geblieben.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte im hiesigen Verfahren und in den Verfahren W 4 K 23.497 und W 4 K 23.499, auf die beigezogene Behördenakte sowie auf das Protokoll über den Erörterungstermin am 18. Juni 2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten im Erörterungstermin am 18. Juni 2024 hierzu übereinstimmend ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin, die Beklagten zu verurteilen, es künftig zu unterlassen, das klägerische Grundstück mit der Fl.Nr. …2 der Gemarkung E. (Schutzhafen E. *) außerhalb seiner Zweckbestimmung zu benutzen.
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Die aus diesem Grund erhobene Klage, für die der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht Würzburg gegeben ist (1.), bleibt ohne Erfolg. Sie ist bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig (2.).
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1. Der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht Würzburg ist vorliegend gegeben.
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Ungeachtet der jedenfalls bestehenden Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Oberlandesgerichts B. vom … … 2020 (Az.: * . *) (vgl. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG) geht die erkennende Kammer im Einklang mit der im vorgenannten Beschluss dargestellten Rechtsauffassung davon aus, dass es sich bei dem im hiesigen Verfahren geltend gemachten Anspruch um eine den Verwaltungsrechtsweg eröffnende öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt, § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Ob eine Rechtsstreitigkeit öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, richtet sich nach der wahren Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Nicht entscheidend ist hingegen, ob sich die Klägerin auf eine zivilrechtliche oder auf eine öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (vgl. BGH, B.v. 29.4.2008 – VIII ZB 61/07 – BGHZ 176, 222-234 = juris Rn. 8 m.w.N.). Auch wenn ein Anspruch mit bürgerlich-rechtlichen Gesichtspunkten begründet wird, kann es sich um einen Anspruch aus öffentlich-rechtlichen Beziehungen handeln, für den der Zivilrechtsweg verschlossen ist. Deshalb ist entscheidend darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivilrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2022 – 8 C 21.1411 – juris Rn. 15).
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Für die Prüfung, ob der Klägerin der im hiesigen Verfahren geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht, kommt es ausschlaggebend auf den Inhalt und den Umfang der Befugnis zur Nutzung der Bundeswasserstraßen an. Entscheidend ist, ob sich aus den Bestimmungen des Bundeswasserstraßengesetzes (WaStrG) ergibt, dass sich die streitbefangene Nutzung der Schutzhafenanlage durch die Beklagten im Rahmen der zulässigen Benutzung der Bundeswasserstraßen bewegt. Im Kern geht es also um die Frage, ob das dauerhafte Liegen von Wasserfahrzeugen auf einer Wasserteilfläche im Schutzhafen von der gesetzlichen Widmung der Bundeswasser straße zum Befahren mit Wasserfahrzeugen gedeckt ist oder einen außerhalb der Widmung liegenden Zustand darstellt, und welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben. Da diese Frage allein durch den Rückgriff auf Normen des WaStrG, welches als Wasserwegrecht die Rechtsverhältnisse an den Bundeswasserstraßen regelt und damit dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist (vgl. Friesecke, Bundeswasserstraßengesetz, 7. Aufl. 2019, Einleitung Rn. 15), geklärt werden kann, handelt es sich vorliegend um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Der Auffassung der Klägerseite, die den Verweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts B. im Erörterungstermin kritisierte, ist daher nicht zu folgen.
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2. Die auf die zukünftige Unterlassung der zweckwidrigen Nutzung des bundeseigenen Schutzhafens Erlenbach gerichtete Klage ist unzulässig.
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Der vorliegenden Leistungsklage in Form der (vorbeugenden) Unterlassungsklage fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis.
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2.1. Ungeschriebene Voraussetzung für die Zulässigkeit einer jeden Inanspruchnahme des Gerichts ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Denn nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung; fehlt es hieran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen (vgl. BVerfG, B.v. 27.10.1998 – 2 BvR 2662/95 – juris Rn. 16; Schenke in Kopp/Schenke, 28. Aufl. 2022, Vorb § 40 Rn. 30).
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Im hier gegeben Fall einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage sind die Anforderungen an die Bejahung des Rechtsschutzinteresses zudem ungleich höher, da dargelegt werden muss, dass ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes besteht (vgl. hierzu nur BVerwG, U.v. 9.11.2023 – 10 A 3/23; U.v. 13.12.2017 – 6 A 6/16; BayVGH, B.v.15.12.2022 – 22 ZB 22.1405 – alle in juris; Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, VwGO, 45.EL, Stand: 1/2024, § 42 Abs. 1 Rn. 163; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 66 f.). Anhaltspunkte hierfür sind jedoch weder dargetan noch ersichtlich.
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2.2. Unabhängig hiervon fehlt das bei Vorliegen der sonstigen Sachentscheidungsvoraussetzungen grundsätzlich indizierte Rechtsschutzbedürfnis auch in den Fällen, in denen der Kläger sein mit der Klage verfolgtes Ziel auf anderem Wege einfacher und schneller erreichen kann (vgl. Wöckel in Eyermann, 16. Aufl. 2022, Vorb § 40 Rn. 11). Bei öffentlichen Rechtsträgern kommt für die Geltendmachung und Durchsetzung von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen im Über- und Unterordnungsverhältnis gegenüber dem Bürger grundsätzlich der Erlass eines Verwaltungsakts als ein einfacherer und effektiverer Weg in Betracht (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 28.6.1965 – VIII C 10.65 – juris Rn. 9). Einer Leistungsklage des Staats gegen den Bürger kann es daher am Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn die Behörde die begehrte Entscheidung selbst durch den Erlass eines vollstreckbaren Verwaltungsakts herbeiführen kann (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, Vorb § 40 Rn. 50).
28
So liegt der Fall hier.
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Die Klägerin ist gehalten, der widmungswidrigen Nutzung des bundeseigenen Schutzhafens Erlenbach, die sich in der dauerhaften Inanspruchnahme von Wasserflächen durch die den Beklagten zuzuordnenden Wasserfahrzeuge ohne das Bestehen einer Notlage zeigt, durch den Erlass eines auf §§ 24, 28 WaStrG gestützten Verwaltungsakts zu begegnen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich vollumfänglich auf die Ausführungen unter 2.2.und 2.3. in den Entscheidungsgründen des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. September 2024 (Az.: W 4 K 23.497) verwiesen.
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Gleichermaßen verhält es sich im vorliegenden Fall. Aus den Erwägungen im vorgenannten Urteil ergibt sich, dass die Klägerin auch ihr hiesiges Klagebegehren schneller und effektiver durch den Erlass einer entsprechenden Nutzungsuntersagungsverfügung erreichen kann. Auch die Anordnung zur Untersagung der Nutzung des Schutzhafens E. (Fl.Nr. 2 der Gemarkung E. *) außerhalb seiner Zweckbestimmung stellt sich als eine Maßnahme „zur Gefahrenabwehr“ im Sinne der §§ 24, 28 WaStrG und als „nötig [dar], um die Bundeswasser straße(n) in einem für die Schifffahrt erforderlichen Zustand zu erhalten“ (vgl. § 24 Abs. 1 WaStrG).
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Ein Wahlrecht zwischen Leistungsklage und Erlass eines Verwaltungsakts steht der Klägerin auch hier nicht zu. Um Wiederholungen zu vermeiden, macht sich das Gericht insoweit die Ausführungen unter 2.4. in den Entscheidungsgründen des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts Würzburg vom 10. September 2024 (Az.: W 4 K 23.497) zu Eigen und verweist hierauf. Die dort ausgeführten Erwägungen sind auf die vorliegende Klage ausnahmslos übertragbar.
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Somit fehlt es der vorliegenden Klage an dem für ihre Zulässigkeit erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
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3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit fußt auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.