Titel:
Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten, Unerlaubte Handlung, Schuldanerkenntnis, Elektronisches Dokument, Veräußerung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Basiszinssatz, Verkaufserlös, Gegenstandswert, Elektronischer Rechtsverkehr, Schadensberechnung, Streitwert, Schriftsätze, Feststellungsinteresse, Eigentumsverlust, Geschäftsbetrieb, Wert des Beschwerdegegenstandes, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Persönliche Haftung
Schlagworte:
Schadensersatzansprüche, unerlaubte Handlung, persönliche Haftung, Veruntreuung, Vermögensschaden, Treubruch, Missbrauchstatbestand
Rechtsmittelinstanzen:
OLG Bamberg, Beschluss vom 29.10.2024 – 10 U 42/24
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 01.07.2025 – VI ZB 59/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49180
Tenor
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 913.647,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2020 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 19.683,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.10.2021 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die der Klägerin dadurch entstanden sind oder zukünftig noch entstehen werden, dass
a) die … bei der … abgeholte Altmetalle für insgesamt 939.115,33 € an die … verkaufte, den Verkaufserlös vereinnahmte und der Beklagte dafür sorgte, dass die … diesen Verkaufserlös entgegen Ziff. 3.2 des Subcontractor Agreement nicht an die Klägerin weiterleitete;
b) die … bei der Faurecia … abgeholte sogenannte „Washcoat/Foil“-Metalle für insgesamt 659.515,97 € an die … verkaufte, den Verkaufserlös vereinnahmte und der Beklagte dafür sorgte, dass die … hiervon einen Betrag in Höhe von 46.223,89 € entgegen Ziff. 3.2 des Subcontractor Agreement nicht an die Klägerin weiterleitete;
c) die … Edelmetalle (Reingehalte: 642,28 Feinunzen Platin, 1.170,73 Feinunzen Palladium sowie 95,64 Feinunzen Rhodium) im Namen der … ohne vorherige Zustimmung der Klägerin, der es nach Ziff. 3.1 des Subcontractor Agreement bedurft hätte, an die … und andere Abnehmer verkaufte und der Beklagte dann dafür sorgte, dass die … die Verkaufserlöse entgegen Ziff. 3.2 des Subcontractor Agreement nicht an die Klägerin weiterleitete.
4. Es wird festgestellt, dass die in den Anträgen zu 1. bis 3. bezeichneten Ansprüche auf vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Beklagten beruhen.
5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
7. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
8. Der Streitwert wird auf 1.509.836,89 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Beklagte war der … mit Sitz in ….
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Die Klägerin betreibt ein auf Edelmetallrecycling spezialisiertes Unternehmen mit Sitz in ….
3
Im Jahr 2017 schloss die Klägerin mit der … einen Rahmenvertrag über die Lieferung von Altmaterialien mit Edelmetallen.
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Im Jahr 2018 beauftragte die Klägerin die …, solche Alt-Edelmetalle bei der … abzuholen, im Labor testen zu lassen und Kaufangebote einzuholen. Kaufangebote durfte die … zwar annehmen, allerdings nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der Klägerin. Den Kaufpreis sollte die … einziehen und sodann innerhalb von 30 Tagen an die Klägerin weiterleiten. Im Gegenzug sollte die … eine Vergütung auf Provisionsbasis erhalten.
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Die … verkaufte im Februar 2019 mit vorheriger Zustimmung der Klägerin
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Altmetalle, die sie zuvor bei der … abgeholt hatte, zum Preis von 939.115,33 € an das Verarbeitungsunternehmen …, leitete das Geld jedoch nicht an die Klägerin weiter;
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sog. „Washcoat/Foil“-Metalle, die sie zuvor bei der … abgeholt hatte, zum Preis von 659.515,97 € an die …, leitete hiervon jedoch nur 613.282,08 € an die Klägerin weiter.
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Ferner sammelte die … im Auftrag der Klägerin Edelschrott mit Reingehalten von 642,28 Feinunzen Platin, 1.170,73 Feinunzen Palladium sowie 95,64 Feinunzen Rhodium bei der … ein und verkaufte ihn ohne Zustimmung der Klägerin weiter. Die Verkaufserlöse im Gesamtwert von 2.389.804,17 € leitete sie auch nicht an die Klägerin weiter.
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Mit E-Mail vom 22.05.2019 erklärte der Beklagte gegenüber der heutigen Vorstandsvorsitzenden der Klägerin u.a.:
„In December 2018 we met with you and … in the … and explained our very tight and difficult monetary situation at this point. At that time we had to payback existing loans to our bank. Since that day we are fighting for investors and new creditlines from different banks.
We can see a light at the end of the tunnel regarding this point. But to get to that point we had to keep the company alive. In order to keep … in business I had to take a decision to use some of the money we received for the Faurecia business to pay off other customers for an interim period. At that time I really thought I could handle this very smartly due to the existing 30 day pament structure in our agreement and that we could set this off with the money we would get back from the smelters from our other shipments within that 30-day period.
As I am sure you have noticed, it didn't always work that way unfortunately”.
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Nachdem die … aufgrund der genannten Sachverhalte am 31.07.2019 bereits eine Zahlung in Höhe von 1.000.000,00 € auf eine Teilschuld von 2.028.98,02 € und am 05.08.2019 eine weitere Rate in Höhe von 400.000 € auf eine Teilschuld in Höhe von 985.349,22 € geleistet hatte, gab der Beklagte als einzelvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der … – die in der Urkunde als „Schuldner“ bezeichnet wurde – am 14.08.2019 eine Erklärung ab, die der Notar Dr. … mit dem Amtssitz in … protokollierte.
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In dieser heißt es u.a.:
„Unter anderem mit E-Mails vom 22.05.2019 sowie vom 20.06.2019 erklärte der Geschäftsführer des Schuldners, die Verkaufserlöse vereinnahmt und anderweitig genutzt zu haben. Insgesamt handelte es sich hierbei um einen Betrag in Höhe von 3.375.153,39 €…
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§ 2 Schuldanerkenntnis
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1.
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Der Schuldner erkennt an, dem Gläubiger einen Betrag in Höhe von EUR 1.975.153,39… zu schulden.
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Das vorstehende Schuldanerkenntnis erfolgt in der Weise, dass es die Verpflichtung des Schuldners selbstständig begründen soll“.
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Für die … sicherte der Beklagte zu, diese Summe nach einem festgelegten Zahlungsplan bis zum 29.02.2020 zurückzuführen.
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Auf die Teilschuld in Höhe von 985.349,22 € zahlte die … in der Folgezeit insgesamt weitere 350.000 €, auf die Teilschuld in Höhe von 2.028.298,05 € weitere 400.000 €.
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Im Anschluss kam die … mit den Zahlungen nach dem Zahlungsplan in Rückstand. Nachdem sich die Klägerin zunächst einverstanden erklärt hatte, die Forderung nicht fällig zu stellen, forderte die Klägerin die … und den Beklagten persönlich am 13.10.2020 auf, die ausstehenden Beträge in Höhe von 285.349,22 € und 989.804,17 € an die Klägerin zu zahlen.
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Über das Vermögen der … wurde mit Beschluss vom 01.06.2021 ein Insolvenzverfahren eröffnet.
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Die mit Beschluss vom 01.09.2021 vom Landgericht … eingesetzte Insolvenzverwalterin erklärte mit Schreiben vom 09.12.2021 gegenüber der Klägerin die Insolvenzanfechtung hinsichtlich der auf die Schuld in Höhe von 3.375.153, 39 € getätigten Zahlungen und forderte sie zur Rückzahlung von 2.100.000 € auf. Inwieweit die Anfechtung Erfolg haben wird, ist noch nicht absehbar.
15
Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe in einem Telefonat am 04.07.2019 mit dem Zeugen …, der heutigen Vorstandsvorsitzenden der Klägerin, …, und einem Mitarbeiter der …,
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dem Zeugen … und der heutigen Vorstandsvorsitzenden der Klägerin ein persönliches Versprechen („my personal word“) gegeben, dass er der Klägerin jeden einzelnen Euro („every single euro“) in der kürzestmöglichen Zeit zurückzahlen werde,
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ausdrücklich eingeräumt, der Klägerin das Geld und die Metalle „gestohlen“ zu haben.
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Die Klägerin beantragt
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den Beklagten zu verurteilen an die Klägerin 1.275.153,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.10.2020 zu zahlen;
- 2.
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den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die Kosten des vorgerichtlichen Vorgehens in Höhe von 19.683,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten;
- 3.
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festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden zu ersetzen, die der Klägerin dadurch entstanden sind oder zukünftig noch entstehen werden, dass
- 4.
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festzustellen, dass die in den Anträgen zu 1. bis 3. bezeichneten Ansprüche auf vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen des Beklagten beruhen.
17
Der Beklagte beantragt,
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Er behauptet, er habe die vereinnahmten Geldbeträge nicht außerhalb eines normalen Geschäftsbetriebes verwendet.
19
Er habe von den zugrunde liegenden Geschäftsbeziehungen bzw. – vorgängen weder Kenntnis noch habe er diese persönlich veranlasst.
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Die Klage wurde dem Beklagten am 28.10.2021 zugestellt.
21
Der Vorsitzende hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen …. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme nimmt der Vorsitzende Bezug auf das Sitzungsprotokoll vom 06.05.2024 (Bl. 1006 ff. d.A.).
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage erweist sich als überwiegend begründet, weil die Klägerin Ansprüche auf
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Zahlung in Höhe von 913.647,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2020 wegen der Veruntreuung von Geldern und Metallen,
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Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von19.683,50 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.10.2021
sowie
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die aus dem Tenor ersichtlichen Feststellungsansprüche
23
Im darüber hinausgehenden Umfang erweist sich die Klage als unbegründet.
24
I.Die Klage erweist sich als zulässig. Insbesondere stand der Umstand, dass Anlagen zur Klageschrift ursprünglich nur in englischer Sprache vorlagen, einer wirksamen Zustellung nicht entgegen, da es nach § 253 Absatz 1 ZPO allein auf die Zustellung der Klageschrift ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2012 – VIII ZR 307/11 –, NJW 2013, 387 [389, Rn. 28 ff.]).
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II.Die Klage erweist sich hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche in dem aus dem Tenor ersichtlichen Ausmaß als begründet, da die Klägerin gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung hat.
26
1. Zwar stehen der Klägerin keine vertraglichen Ansprüche gegen den Beklagten zu, da zwischen den Parteien keine vertragliche Beziehung besteht.
27
a)Aus der notariellen Urkunde vom 14.08.2019 (Anlage DLA 4 = Bl. 40 ff. d.A.) ergibt sich ein solcher Anspruch nicht. Insbesondere handelte der Beklagte ausweislich des Inhalts der Urkunde „nicht im eigenen Namen, sondern als … Geschäftsführer für die …“.
28
b)Dass der Beklagte in irgendeiner Urkunde eine persönliche Haftung eingeräumt oder eine Haftungsübernahme hat, ist nicht ersichtlich. Entsprechende Ausführungen der Klägerin finden in den entsprechenden Urkunden keinerlei Stütze.
29
c)Eine vertragliche Beziehung ergibt sich – ungeachtet etwaiger Formfragen – auch nicht aus den persönlichen Gesprächen zwischen den Organen der Klägerin und dem Beklagten. Vor allem konnte sich der Vorsitzende keine Überzeugung davon bilden, dass der Beklagte in einem Telefonat am 04.07.2019 mit dem Zeugen …, der heutigen Vorstandsvorsitzenden der Klägerin, …, und einem Mitarbeiter der …,
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dem Zeugen … und der heutigen Vorstandsvorsitzenden der Klägerin ein persönliches Versprechen („my personal word“) gegeben habe, dass er der Klägerin jeden einzelnen Euro („every single euro“) in der kürzestmöglichen Zeit zurückzahlen werde,
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ausdrücklich eingeräumt habe, das Geld und die Metalle von der Klägerin „gestohlen“ zu haben,
sodass der Beklagte gewusst habe, dass er persönlich haftete und aufgrund der nachträglichen Bepreisung klar gewesen sei, dass diese Preise nicht nur für die …, sondern auch für den Beklagten persönlich gelten sollten (Schriftsatz vom 24.11.2023, S. 3 = Bl. 473 d.A.).
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aa)Schon die Behauptung, der Beklagte habe dem Zeugen … und der heutigen Vorstandsvorsitzenden der Klägerin ein persönliches Versprechen gegeben, jeden einzelnen Euro in der kürzestmöglichen Zeit zurückzuzahlen, hat die Klägerin nicht bewiesen.
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(1)Zwar hat die heutige Vorstandsvorsitzende der Klägerin im Termin vom 07.02.2024 – informatorisch befragt – angegeben, der Beklagte habe ihr im Telefonat vom 04.07.2019 sein persönliches Wort gegeben und gesagt „Ich werde jeden Euro“ zurückzahlen (Protokoll vom 07.02.2024, S. 3 = 840 d.A.).
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(2)Allerdings hat der Beklagte im Termin vom 07.02.2024 – informatorisch befragt – auf die Frage, ob das Gespräch vom 04.07.2019 bestritten werde, angegeben, er sei nicht bereit gewesen, ein persönliches Schuldanerkenntnis abzugeben. Er habe zwar um sein Lebenswerk gekämpft, jedoch sei er nicht in der Lage gewesen, ein solches Schuldanerkenntnis zu bezahlen (Protokoll vom 07.02.2024, S. 4 = Bl. 841 d.A.).
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(3)Auf die Angaben des Zeugen … im Rahmen seiner Zeugeneinvernahme vom 06.05.2024 (Protokoll vom 06.05.2024, S. 12 ff. = Bl. 1006 ff. d.A.) konnte der Vorsitzende keine Überzeugungsbildung stützen.
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(a)Zwar hat der Zeuge … angegeben, der Beklagte habe ihm in einem Telefonat gesagt, dass er das Geld gestohlen habe und er persönlich jeden Penny zurückzahlen werde.
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(b)Auf nähere Nachfrage konnte man jedoch erkennen, dass der Zeuge den eigentlichen Sachverhalt gar nicht rekapitulieren konnte. So berichtete er, es sei offensichtlich gewesen, dass das Geld auf dem Konto und anschließend weg gewesen sei. Erst auf Nachfrage des Klägervertreters erläuterte er, dass Geld für ihn das Gleiche wie Metalle sei, um schließlich auf Nachfrage des Beklagtenvertreters einräumen zu müssen, dass er nicht wisse, ob der Beklagte das für sich oder sein Unternehmen getan habe und keine Idee habe, was der Beklagte „damit“ getan und was er der Klägerin weggenommen habe. Auf die Frage, ob der Beklagte jemals gesagt habe, dass er persönlich aus seinem Vermögen den Schaden gutmachen werde oder er dafür sorgen werde, dass es zurückgezahlt werde, konnte der Zeuge keine konkrete Antwort geben, sondern äußerte, er habe in seiner Erinnerung keinen Zweifel daran, dass der Beklagte das Geld zurückzahlen würde. An die genauen Worte habe er aber keine Erinnerung.
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(c)Unter diesen Umständen konnte der Zeuge nicht mehr beitragen als das Beweisthema zu bestätigen, ohne genauere Einzelheiten zu benennen. Berücksichtigt man insoweit, dass es damit an Glaubhaftigkeitsmerkmalen fehlt, aufgrund derer eine erlebnisbasierte Aussage von einer erfundenen Aussage abgegrenzt werden kann, kann die Glaubhaftigkeit seiner Angaben im Ergebnis jedenfalls nicht bestätigt werden und auf seine Aussage keine Überzeugung gestützt werden.
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(d)Dass die Klägerin bereits in dem Telefonat am 04.07.2019 deutlich gemacht habe, bei Nichterfüllung der Forderungen durch … beim Beklagten persönlich Rückgriff, haben weder die Vorstandsvorsitzende der Klägerin, …, in ihrer informatorischen Befragung noch der Zeuge … im Rahmen seiner Zeugenvernehmung behauptet.
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d)Soweit die Klägerin Ausführungen zu einem gesetzlichen Schuldverhältnis macht und daher Ansprüche aus §§ 280, 241 Absatz 2 BGB geltend machen möchte (Schriftsatz vom 24.11.2023, S. 4 = Bl. 474 d.A.), finden ihre Argumente im deutschen Recht keine Stütze. Der GmbH-Geschäftsführer haftet einem außenstehenden Dritten gegenüber grundsätzlich nicht (vgl. nur Brammsen/Sonnenburg, NZG 2019, 681 ff.). Tatsachen, die einen Ausnahmetatbestand begründen könnten, hat die Klägerin jedenfalls nicht bewiesen.
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2. Die Klägerin hat jedoch gegen den Beklagten einen Anspruch aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 266 Absatz 1 StGB.
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a)Es kann offenbleiben, ob der Beklagte durch den Verkauf der Altmetalle an die … (übergeordneten) Gewahrsam der Klägerin gebrochen hat und daher der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 242 Absatz 1 StGB entstanden ist, oder die … – vermittelt durch den Beklagten – mangels Einflussnahmemöglichkeit der Klägerin eigenen Gewahrsam begründet hatte, als sie die Altmetalle bei der … abholte (vgl. zur Problematik BGH, Beschluss vom 02.08.2000 – 3 StR 218/00 –, BeckRS 2000, 30125128; OLG Köln, Urteil vom 29.07.2004 – Ss 196-03/100 –, BeckRS 2010, 12861).
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b)Ebenso kann offenbleiben, ob der Beklagte durch den Verkauf der Altmetalle an die … der … die Altmetalle zueignete, sodass der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 242 Absatz 1 StGB entstanden ist, und ob die Subsidiaritätsklausel des § 246 Absatz 1 StGB im Zivilrecht zur Anwendung kommen muss oder ob es zur Begründung eines Anspruchs aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 246 Absatz 1 StGB ausreicht, dass § 246 Absatz 1 StGB Schutzgesetz im Sinne des § 823 Absatz 2 BGB ist.
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c)Denn die Klägerin hat gegen den Beklagten Ansprüche aus § 823 Absatz 2 in Verbindung mit § 266 Absatz 1 StGB, weil dieser sowohl die ihm kraft Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, als auch die ihm kraft eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzte und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hatte, Nachteil zufügte.
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aa)Soweit die … Gelder, die sie zu Recht aufgrund von im Februar 2021 getätigten Verkäufen von „Washcoat/Foil“-Metallen an die … und Altmetallen an die … eingezogen hatte, nicht weiterleitete, überschritt die … im Rahmen des im Außenverhältnis zu Dritten eingeräumten rechtlichen Könnens die ihr im Innenverhältnis zur Klägerin gezogenen Grenzen des rechtlichen Dürfens und erfüllte damit den Missbrauchstatbestand (vgl. zur Definition des Missbrauchs im Sinne des § 266 Absatz 1 StGB BGH, Urteil vom 12.03.1996 – VI ZR 90/95 –, NJW 1996, 1535 [1536]; BGH, Urteil vom 27.01.1988 – 3 StR 61/87 –, BeckRS 1988, 31098895; BGH, Urteil vom 05.07.1984 – 4 StR 255/84 –, NJW 1984, 2539 [2540]; BGH, Urteil vom 16.06.1953 – 1 StR 67/53 –, BeckRS 1953, 31198459).
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(1)Die … hatte sich in Ziffer 3.2 des Subunternehmervertrags vom verpflichtet, „innerhalb von dreißig (30) Tagen nach Empfang der Überweisung von dem Schmelzer… den vollen Verkaufspreis ohne Aufrechnung oder Abzug in irgendeiner Art an“ die Klägerin „zu übermitteln…“ (Anlage DLA 1 = Bl. 17 d.A. in englischer Sprache = Bl. 356 in deutscher Übersetzung).
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(2)Damit musste die Möglichkeit, den Verkaufspreis innerhalb der 30 Tage von der … zu zahlen, zwingend erhalten werden. Diese Pflicht stellt sich nicht nur als eine vertragliche Nebenpflicht, sondern als Hauptpflicht dar.
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(3)Indem die … allerdings keine Sorge dafür trug, dass der Verkaufspreis zum Zwecke der Überweisung erhalten wurde, sondern das Geld anderweitig verbrauchte, tat sie zwar das, was sie im Rechtsverkehr mit Dritten tun konnte, verletzte aber im Innenverhältnis zur Klägerin ihre Hauptvertragspflicht.
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bb)Soweit die … unberechtigt Altmetalle an die … und Dritte veräußerte, ist der Missbrauchstatbestand zwar nicht erfüllt, weil es hierfür nicht ausreicht, wenn jemand eine fremde Sache im Besitz hat und deshalb – wie die …, vermittelt durch den Kläger – in der Lage ist, nach § 932 BGB einem gutgläubigen Dritten Eigentum daran zu verschaffen (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.1996 – VI ZR 90/95 –, NJW 1996, 1535 [1536]; BGH, Urteil vom 16.06.1953 – 1 StR 67/53 –, BeckRS 1953, 31198459; Dierlamm/Becker, in: Münchener Kommentar, StGB, 4. Auflage, 2022, § 266, Rn. 35). Allerdings ist der Treubruchtatbestand erfüllt, da sie sich kraft Rechtsgeschäfts verpflichtet hatte, Vermögensinteressen der Klägerin wahrzunehmen und nur mit Zustimmung der Klägerin Metalle zu veräußern. Dabei handelte es sich um eine wesentliche und nicht nur um eine beiläufige Pflicht (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.1953 – 1 StR 67/53 –, BeckRS 1953, 31198459; vgl. auch BGH, Urteil vom 24.04.2018 – VI ZR 250/17 –, NJW 2018, 3093 [3094 f., Rn, 16]), die die … durch den Verkauf und den damit einhergehenden Eigentumsverlust der Klägerin verletzte.
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cc)Sowohl den Missbrauch als auch den Treubruch der … muss sich der Beklagte als eigene Handlung zurechnen lassen.
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(1)Gemäß § 14 Absatz 1 Nummer 1 StGB ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Strafbarkeit begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.
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(2)Die Pflicht traf den Beklagten als Geschäftsführer der …. Denn eine juristische Person ist nicht in der Lage, derartige Pflichten eigenständig zu erfüllen, sondern handelt durch ihre Organe.
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(3)Dass der Beklagte die Treupflicht bewusst brach, ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts aus der E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Beklagten und der damaligen Mitarbeiterin und heutigen Vorstandsvorsitzenden der Klägerin, ….
52
(a)In einer E-Mail vom 22.05.2019 schrieb der Beklagte nicht nur, dass er die Entscheidung getroffen hatte, die Gelder an andere Kunden zu zahlen:
„In order to keep affinia in business I had to take a decision to use some of the money we received for the … business to pay off other customers for an interim period“.
53
Vielmehr räumte er ein, dass er einen Mitarbeiter der …, nur Stunden zuvor in einem Gespräch, das er mit
umschrieb, in die tatsächliche finanzielle Situation der Gesellschaft eingeweiht hatte:
„The truth is that just a couple of hours earlier I gave … the full picture of the existing financial situation at …” (E-Mail vom 22.05.2019 = Bl. 180 d.A.)
54
(b)Zwar bezog sich die Erklärung in der E-Mail vom 22.05.2019 wahrscheinlich zunächst nur auf Beträge in Höhe von 114.150,11 € und 46.233,90 €, da der Beklagte weiter ausführte:
„The outstanding 2 payments for the metallics (114.150,11 EUR + 46.233,90 EUR) will be remitted this week (E-Mail vom 22.05.2019 = Bl. 180 d.A.).
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(c)Dass es aber von Anfang an um eine viel größere Summe ging, ergibt sich nicht zuletzt aus einer E-Mail vom 25.06.2019, in der er sich zunächst für ein angebliches Missverständnis entschuldigte und anschließend ausführte:
„We thought, that we had clearly communicated from the start, that we are talking about 1 million + on the table, that’s why … had also said in our initial phonecall, that if you would set them due now, we would either have to file insolvency or try to sell the company” (Anlage DLA 16 = Bl. 326 d.A. in englischer Sprache = Bl. 330 in Deutscher Übersetzung).
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(d)Berücksichtigt man, dass
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der Beklagte Geschäftsführer der … war,
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er selbst die finanzielle Situation der Gesellschaft so gut kannte, dass er seinen Mitarbeiter einweihen konnte,
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er auch tatsächlich die Rechtsmacht hatte, zu entscheiden, Gelder aus den Geschäften mit der … an andere Kunden zu leiten,
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es von Anfang an über eine Summe von mehr als 2 Mio. – ganz gleich, ob € oder $ – gegangen war
und
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offensichtlich die gesamte Summe, die zweckentfremdet wurde, sowie die Erlöse aus den ungenehmigten Geschäften benötigt wurde, um den Geschäftsbetrieb der … aufrechtzuerhalten,
kann kein berechtigter Zweifel bestehen, dass der Kläger selbst die Entscheidung traf, die Gelder zweckzuentfremden und unberechtigt zu vereinnahmen.
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(e)Bei dieser Beweislage hätte es dem Beklagten oblegen, Tatsachen vorzutragen, die widerlegen, dass er als Geschäftsführer der … von den zugrunde liegenden Geschäftsbeziehungen bzw. -vorgängen weder Kenntnis gehabt noch diese persönlich veranlasst habe. Das hat er jedoch noch nicht einmal durch Beweisangebote versucht.
58
(f)Soweit der Beklagte meint, ihn treffe keine Haftung, weil er mit dem Geld, das für die Klägerin bestimmt war bzw. durch unberechtigte Veräußerungen erlangt wurde, weitere laufende Verbindlichkeiten der … im Rahmen des normalen Geschäftsbetriebs ausgeglichen habe (vgl. Schriftsatz vom 21.07.2023, S. 3 f. = Bl. 462 f. d.A.), kann er hiermit nicht durchdringen. Die Notwendigkeit, den Geschäftsbetrieb einer GmbH aufrechtzuerhalten, rechtfertigt es nicht, die Pflichten gegenüber einem Dritten zu verletzen.
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dd)Der Klägerin sind durch die Veräußerung der Altmetalle ohne Erlaubnis sowie die Nichtweiterleitung von Veräußerungserlösen auch (Vermögens-)Schäden entstanden.
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(1)Ein dem betreuten Vermögen zugefügter Nachteil im Sinne des § 266 Absatz 1 StGB ist jede durch die Tathandlung verursachte Vermögenseinbuße, die exakt zu bestimmen und zu beziffern ist (BGH, Beschluss vom 22.09.2022 – 1 StR 171/22 –, NStZ 2023, 105 [106, Rn. 16]). Die Vermögensminderung ist dabei nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung festzustellen; maßgeblich ist der unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorzunehmende Vergleich der Vermögenswerte unmittelbar vor und nach der pflichtwidrigen Verhaltensweise zu Lasten des betroffenen Vermögens (BGH, Beschluss vom 22.09.2022 – 1 StR 171/22 –, NStZ 2023, 105 [106, Rn. 16]; BGH, Beschluss vom 09.02.2022 – 1 StR 384/21 –, NStZ-RR 2022, 184 [185]; BGH, Beschluss vom 08.02.2023 – 3 StR 167/22 –, BeckRS 2023, 6738, Rn. 8).
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(2)Soweit die … die Altmetalle eigenmächtig veräußerte, hat die Klägerin das Eigentum an den Altmetallen verloren, sodass ihr Vermögen um das Eigentum an den Altmetallen gemindert ist.
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(3)Soweit die … 46.223,89 € aus dem Verkauf von Altmetallen an die … und 939.115,33 € aus dem Verkauf von Altmetallen an die … unberechtigt einbehielt, wurde das Vermögen der Klägerin in Höhe dieser Beträge gemindert.
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(4)Der Verlust ist nicht durch einen entsprechenden Vermögenszufluss kompensiert worden.
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(a)Eine schadensausschließende Kompensation liegt vor, wenn und soweit der durch die Tathandlung verursachte Nachteil durch zugleich bzw. unmittelbar eintretende wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen wird (BGH, Beschluss vom 08.02.2023 – 3 StR 167/22 –, BeckRS 2023, 6738, Rn. 11; BGH, Urteil vom 23.10.2018 – 1 StR 234/17 –, BeckRS 2018, 37760, Rn. 42; BGH, Urteil vom 11.12.2014 – 3 StR 265/14 –, NJW 2015, 1618 [1621, Rn. 33]). Ein derartiger Vorteil ist allerdings nur dann als wirtschaftlich vollwertig und kompensationsfähig anzusehen, wenn seine Realisierung jederzeit ohne nennenswerte Schwierigkeiten, etwa ohne besonderen Zeit- und Kostenaufwand und ohne Mitwirkung des Schuldners, zu erwarten ist (BGH, Urteil vom 11.12.2014 – 3 StR 265/14 –, NJW 2015, 1618 [1621, Rn. 33]; Tiedemann in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, 2012, § 263, Rn. 166)
65
(b)Die deliktischen und bereicherungsrechtlichen Ersatzansprüche, die die Klägerin durch das Verhalten … und des Beklagten erlangte, stellen per se keinen kompensationsfähigen Vorteil dar (BGH, Urteil vom 29.08.2008 – 2 StR 587/07 –, NStZ 2009, 95 [98, Rn. 45]; Dierlamm/Becker, in: Münchener Kommentar, StGB, 4. Auflage, 2022, § 266, Rn. 239; Tiedemann in: Leipziger Kommentar, StGB, 12. Auflage, 2012, § 263, Rn. 166).
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(c)Aber selbst wenn man eine Kompensation durch Ersatzansprüche in Betracht ziehen würde, hatten diese keinen Wert. Denn die … war im Zeitpunkt des Schadenseintritts nicht in der Lage, die entsprechenden Beträge aufzubringen. Dass der Beklagte entsprechende Anstalten machte und über die Leistungen der … hinaus weitere Leistungen anbot, ist weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich.
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(d)All dies wusste der Beklagte und handelte damit vorsätzlich. Dass er möglicherweise die Hoffnung hatte, die … werde in der Lage sein, die entsprechenden Beträge in Zukunft auszugleichen,
„At that time I really thought I could handle this very smartly due tot he existing 30 day payment structure in our agreement and that we could set this off with the money we could get back from the smeltes from our other shipments within that 30-day period“ (E-Mail vom 22.05.2019 = Bl. 180 d.A.),
ist ohne Bedeutung, da der Beklagte keine hinreichende Tatsachengrundlage geliefert hat, die eine derartige Hoffnung – ohne auf ein Schneeballsystem oder eine Loch-auf-Loch-Technik zurückgreifen zu müssen – objektiv rechtfertigten.
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III. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs bemisst sich nach §§ 249 ff. BGB.
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1. Aus § 249 Absatz 1 BGB ergeben sich
- --
-
ein Anspruch in Höhe von 985.339,22 €
und
- -
-
ein Anspruch in Höhe von 19.683,50 €.
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a)Gemäß § 249 Absatz 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
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b)Daher umfasst der Anspruch zum einen
- --
-
einen Betrag in Höhe von 939.115,33 € wegen Nichtweiterleitung von Erlösen aus Verkäufen von Altmetalle an die …
und
- -
-
einen Betrag in Höhe von 46.223,89 € wegen Nichtweiterleitung von Erlösen aus Verkäufen von sog. „Washcoat/Foil“-Metallen an die ….
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Den wenn die entsprechenden Beträge nicht zweckentfremdet worden und dafür Sorge getragen worden wäre, dass sie an die Klägerin geleitet worden wären, wäre ihr Vermögen um diese Beträge gemehrt gewesen.
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c)Der Anspruch umfasst auch die Kosten des vorgerichtlichen Vorgehens der Klägervertreter in Höhe von 19.683,50 €, da diese nicht entstanden wären, wenn der Beklagte die pflichtwidrigen Handlungen nicht vorgenommen hätte.
74
aa)Die Einschaltung der Klägervertreter war notwendig geworden, um für die Klägerin den finanziellen Verlust auszugleichen, der durch die Veruntreuung von Geldern und Metallen herbeigeführt worden war.
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bb)Der zugrunde zulegende Gegenstandswert ergibt sich aus der Höhe des Schuldanerkenntnisses.
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cc)Angesichts der Komplexität des Sachverhalts und der Notwendigkeit, Dokumente in englischer Sprache zu sichten und – jedenfalls zum Teil – die Korrespondenz in englischer Sprache zu führen, erscheint eine 1,5er-Geschäftsgebühr angemessen.
77
IV. Soweit die Klägerin Zahlungsansprüche wegen der Veräußerung von Altmetallen mit Reingehalten in Höhe von 642,28 Feinunzen Platin, 1.170,73 Feinunzen Palladium sowie 95,64 Feinunzen Rhodium geltend macht, ergibt sich ein Anspruch in Höhe von aus § 250 BGB.
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1. Zwar hat gemäß § 249 Absatz 1 BGB derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
79
2. Bei vertretbaren Sachen – wie hier Altmetallen mit bestimmten Reingehalten – ist Schadensersatz grundsätzlich in Form der Naturalherstellung durch Beschaffung gleichwertiger Sachen oder durch Zahlung des Geldbetrags zu leisten, den der Geschädigte für die Beschaffung aufwenden muss (BGH, Urteil vom 03.07.2008 – I ZR 218/05 –, NJW-RR 2009, 103 [104, Rn. 16]; BGH, Urteil vom 15.05.2008 – III ZR 170/07 –, NJW 2008, 2430 [2431, Rn. 11]).
80
3. Die Schadenshöhe schätzt der Vorsitzende in Anwendung von § 287 ZPO auf 2.028.298,02 €.
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a)Da der konkrete Schaden, der durch den Eigentumsverlust eingetreten ist, zu bestimmen war, war für die Schadensberechnung auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen (vgl. nur BGH, Urteil vom 12.07,1996 – V ZR 117/95 – NJW 1996, 2652 [2654]).
82
b)Dabei hat das Gericht – entsprechend dem klägerischen Vortrag im Schriftsatz vom 06.05.2024 (Bl. 1011 ff. d.A.) – den Kurs der London Bullion Market Association zugrunde, die den Handel auf dem London Bullion Market koordiniert, welcher der wichtigste außerbörsliche Handelsplatz für Gold und Silber sowie einer der global bedeutendsten Rohstoffhandelsplätze ist.
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aa)Da am 06.05.2024 in England ein Feiertag („banking holiday“) wa, mithin kein Handel stattfand und keine Kurse veröffentlicht wurden, war der Nachmittagspreis vom 03.05.2024 in Höhe von 892,91 € pro Feinunze Platin maßgeblich.
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bb)Da am 06.05.2024 in England ein Feiertag („banking holiday“) war, mithin kein Handel stattfand und keine Kurse veröffentlicht wurden, war der Nachmittagspreis vom 03.05.2024 in Höhe von 884,56 € pro Feinunze Palladium maßgeblich.
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cc)Da die London Bullion Market Association für Rhodium keinen täglichen Referenzkurs veröffentlicht, hat der Vorsitzende – entsprechend dem klägerischen Vortrag im Schriftsatz vom 06.05.2024 – die vom Johnson Matthey Inc. Precious Metals Management veröffentlichten Übersichten zu den Edelmetallkursen an den Märkten HongKong, London und New York herangezogen. Auch hier war aufgrund des Feiertags („banking holiday“) in England der Referenzkurs vom 03.05.2024 maßgeblich. Dieser betrug auf Grundlage des Wechselkurses zwischen $ und € am 06.05.2024 umgerechnet 4.387,00 € pro Feinunze.
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c)Unter Berücksichtigung der veruntreuten Mengen ergab sich somit folgende Berechnung:
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Metall
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Menge
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Tageskurs
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Gesamtwert
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Platin
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642,28 Feinunzen
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892,91 €
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573.498,23 €
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Palladium
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1170,33 Feinunzen
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884,56 €
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1.035.227,10 €
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Rhodium
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95,64 Feinunzen
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4.387,00 €
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419.572,68 €
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2.028.298,02 €
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Insgesamt hat die Klägerin somit – ohne außergerichtliche Rechtsanwaltskosten – folgende Schäden erlitten:
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Verkäufe
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Schaden
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…
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46.223,89 €
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…
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939.115,33 €
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Ohne Zustimmung
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2.028.298,02 €
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- -
-
einen Betrag in Höhe von 985.339,22 €, der sich aus den Teilbeträgen in Höhe von 46.223,89 € und 939.115,33 € ergibt, muss sich die Klägerin Zahlungen in Höhe von 400.000 €, 200.000 € und 100.000 € anrechnen lassen,
- -
-
den Betrag in Höhe von 2.028.298,02 € muss sich die Klägerin Beträge in Höhe von 1.000.000 € und 400.000 € anrechnen lassen,
die die … auf ihre Schuld gezahlt hat, wobei offenbleiben kann, ob dies aufgrund einer bestehenden Gesamtschuld oder im Wege der Vorteilsausgleichung erfolgen muss.
89
Letztlich verbleiben somit Ansprüche in Höhe von 285.349,22 € und 628.298,02 €, die sich insgesamt auf 913.647,24 € summieren, sowie ein Anspruch auf Ersatz von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 19.683,50 €.
90
VI. Zudem hat die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
- -
-
aus 913.647,24 € seit dem 14.10.2020 und
- -
-
aus 19.683,50 € seit dem 29.10.2021.
91
1. Gemäß § 288 Absatz 1 BGB ist eine Geldschuld während des Verzugs mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verzinsen, wobei der Schuldner gemäß § 286 Absatz 1 Satz 1 BGB durch eine fruchtlose Mahnung in Verzug kommt.
92
2. Soweit die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der veruntreuten Gelder hat, wurde dieser gemäß § 271 Absatz 1 BGB mit der Veruntreuung als Geldschuld fällig. Die Klägerin mahnte, indem sie den Beklagten in der Besprechung vom 13.10.2020 zur Zahlung der Restschuld in Höhe von 285.349,22 € aufforderte, diesen Betrag an, sodass der Zinslauf in entsprechender Anwendung des § 187 Absatz 1 BGB mit dem 14.10.2020 begann.
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3. Soweit die Klägerin gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen der veruntreuten Metalle hat, gilt nichts anderes, weil die Klägerin ein Wahlrecht zwischen den Ansprüchen aus § 249 Absatz 1 BGB und § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB hat, sodass der Anspruch auf Schadensersatz in Geld bereits mit der Veruntreuung fällig wurde.
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4. Soweit die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend macht, ergibt sich der Zinsanspruch aus §§ 291 Satz 1, 288 BGB.
95
Der Feststellungsantrag in Bezug auf weitere Schäden erweist sich ebenfalls als begründet, weil sich die Klägerin Anfechtungsansprüchen der Insolvenzverwalterin in Höhe von 2.100.000 € ausgesetzt sieht (Schreiben vom 09.12.2021, S. 1 = Bl. 198 d.A.), bei denen unklar ist, ob sie erfolgreich geltend gemacht werden kann.
96
Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Ansprüche aus unerlaubter Handlung herrühren, hat die Klage – deren Feststellungsinteresse sich aus § 850 f ZPO ergibt – ebenfalls Erfolg, weil die Ansprüche der Klägerin aus vorsätzlich begangenen, unerlaubten Handlungen resultieren.
97
I.Die Kostenentscheidung ergibt sich aus einer – zumindest – entsprechenden Anwendung des § 92 Absatz 2 Nummer 2 ZPO. Die Klägerin war – außer mit Blick auf Zinsforderungen – lediglich unterlegen, weil ihre Forderung von den aktuellen Metallpreisen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abhängig war.
98
II.Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
99
III.Der Gegenstandswert war gemäß § 45 GKG auf 1.509.836,89 € festzusetzen (Antrag zu 1.: 1.275.153,39 €; Antrag zu 2.: 19.683,50 €; Antrag zu 3.: 1/10 von 2.100.000 € = 210.000 €; Antrag zu 4.: 5.000 €).