Titel:
Abnahme des Gemeinschaftseigentums, Streithelfer, Willenserklärungen, Übergabeprotokoll, Einzelner Erwerber, Hinweisbeschluss, Erklärungsbewusstsein, Schriftsätze, Unterzeichnung, Anschlußberufung, Konkludente Abnahme, Verkehrserforderliche Sorgfalt, Fehlendes Erklärungsbewußtsein, Auslegung von Erklärungen, Erklärungsempfänger, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kaufvertrag, Berufungsinstanz, Streitwertbeschlüsse, Kosten des Berufungsverfahrens
Schlagworte:
Abnahme Gemeinschaftseigentum, Mängelbeseitigung, Übergabeprotokolle, Erklärungsbewusstsein, Berufungszurückweisung, Gutachtenverwertung, Verjährung
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 15.11.2023 – 9 U 1803/23 Bau e
LG München I, Endurteil vom 30.03.2023 – 5 O 14646/20
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49081
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten und des Streithelfers gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.03.2023, Aktenzeichen 5 O 14646/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin ist wirkungslos, § 524 Abs. 4 ZPO.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Der Streithelfer trägt seine Kosten im Berufungsverfahren selbst.
4. Dieser Beschluss und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leisten.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 600.000,00 € festgesetzt. Der Streitwertbeschluss des Landgerichts München I vom 07.02.2023 wird dahingehend abgeändert, dass der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren ebenfalls auf bis zu 600.000,00 € festgesetzt wird.
Gründe
Tatsächliche Feststellungen
1
Die Parteien streiten um Kostenvorschuss für eine Mängelbeseitigung am Gemeinschaftseigentum.
2
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 15.11.2023 und den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 30.03.2022 Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO. Änderungen oder Ergänzungen haben sich in der Berufungsinstanz nicht ergeben.
3
Das Erstgericht hat der Klage unter Verwertung der Gutachten aus dem selbständigen Beweisverfahren und nach Erholung eines weiteren Gutachtens ganz überwiegend stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 554.607,12 € nebst Zinsen verurteilt. Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach §§ 634 Nr. 2, 637 BGB a.F. seien gegeben, insbesondere sei die Leistung der Beklagten betreffend das Gemeinschaftseigentum in zahlreichen Punkten mangelhaft. Verjährung sei nicht eingetreten, da eine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums nicht stattgefunden habe. Die der Abnahmeerklärung des T. S. zugrunde liegende Vertragsregelung sei nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Auch die von den einzelnen Erwerbern unterschriebenen Übergabeprotokolle enthielten keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Die Erwerber seien insoweit weder abnahmebefugt noch hätte sich ihr Abnahmewille und ihr Abnahmebewusstsein auf das Gemeinschaftseigentum erstreckt. Auch die Beklagte selbst sei nicht von einer Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Erwerber ausgegangen. Auch eine konkludente Abnahme komme mangels Erklärungsbewusstsein nicht in Betracht. Eine fiktive Abnahme scheitere an der Fristsetzung. Abzuweisen seien die Feststellungsanträge der Klägerin, da hierfür das Rechtsschutzbedürfnis fehle.
4
Hiergegen wenden sich die Beklagte mit ihrer Berufungsbegründung vom 29.05.2023 (Bl. 12/20, Bd. III) und der Streithelfer mit seiner Berufungsbegründung vom 29.06.2023 (Bl. 21/30, Bd. III), ergänzt durch Schriftsatz vom 11.09.2023 (Bl. 59/66, Bd. III). Sowohl die Beklagte als auch der Streithelfer rügen Rechtsverletzungen und verfolgen die erhobene Einrede der Verjährung weiter. Eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums habe stattgefunden. Die Beklagte verweist insbesondere auf die Abnahmebegehung mit den Wohnungseigentümern am 10.09.2010. Aus einer Gesamtwürdigung insbesondere unter Berücksichtigung der abgegebenen Erklärungen und der Tatsachen, dass die Erwerber den Kaufpreis ohne Vorbehalt beglichen hätten, gegen die Schlussrechnung keine Einwände erhoben hätten, die Immobilie bis heute nutzten und bis 2016 keine Mängelrügen erhoben hätten, ergebe sich die Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Der Streithelfer beruft sich auf eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums aufgrund der Übergabeprotokolle (Anlagenkonvolut SV1), die nach der objektiven Erklärungsbedeutung auszulegen seien. Ein angeblich fehlendes Erklärungsbewusstsein und ein angeblich mangelnder Geschäftswille führe ausschließlich zu einem Anfechtungsrecht, zumal hierzu die Klägerin erstinstanzlich nicht vorgetragen habe.
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Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz (Bl. 12, Bd. III):
1. Auf die Berufung der Beklagten hin, wird das Endurteil des Landgerichts München I, Az.: 5 O 14646/20 vom 30.03.2023, der Beklagten zugestellt am 31.03.2023, mit Ausnahme von Ziff 2. des Tenors, aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
6
Der Streithelfer beantragt in der Berufungsinstanz (Bl. 22, Bd. III),
das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.03.2023 (Az. 5 O 14646/20) aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Die Klägerin beantragt (Bl. 36, Bd. III),
die Berufungen der Beklagten und des Streithelfers zurückzuweisen.
8
Die Klägerin verteidigt das Ersturteil. Zudem hat die Klägerin Anschlussberufung eingelegt (Bl. 35/36, Bd. III).
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Mit Hinweisbeschluss des Senats vom 15.11.2023 (Bl. 72/81, Bd. III) wurden die Beklagte und der Streithelfer darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Hierzu wurde Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung gegeben. Mit Schriftsatz vom 07.12.2023 (Bl. 83/102, Bd. III) nahm der Streithelfer zum Hinweisbeschluss Stellung, mit Schriftsatz vom 27.12.2023 (Bl. 106/111, Bd. III) – nach entsprechender Fristverlängerung – äußerte sich die Beklagte.
10
Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren nebst Anlagen Bezug genommen.
11
Die Berufung der Beklagten und des Streithelfers ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Beschlusswege als unbegründet zurückzuweisen, da sämtliche Voraussetzungen hierfür vorliegen.
Offensichtliche Aussichtslosigkeit der Berufung, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO
12
Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, da das angefochtene Urteil des Landgerichts München I im Ergebnis richtig ist. Zur Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des Erstgerichts sowie auf seinen Hinweisbeschluss vom 15.11.2023 Bezug, in dem er seine leitenden Erwägungen zum Ausdruck gebracht hat. Die hierauf erwidernden Schriftsätze der Beklagten vom 27.12.2023 und des Streithelfers vom 07.12.2023 vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen.
13
Die Beklagte und der Streithelfer verfolgen unterschiedliche Ansätze zur Begründung einer Abnahme des Gemeinschaftseigentums. Während die Beklagte meint, aus den Gesamtumständen ergebe sich eine Billigung des Werkes durch die Erwerber, und dabei einräumt, dass es richtig sein mag, dass „eine Abnahmeerklärung selbst“ nicht vorliege (Schriftsatz vom 27.12.2023, S. 4), vertritt der Streithelfer weiterhin die Ansicht, dass sich die Abnahme des Gemeinschaftseigentums aus den Übergabeprotokollen (Anlagenkonvolut SV1) ergebe.
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Keine dieser Auffassungen ist jedoch zutreffend, wie der Senat in seinem Hinweisbeschluss vom 15.11.2023 bereits ausführlich dargelegt hat.
1. Keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums aufgrund Gesamtumstände
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Eine ausdrückliche Abnahme durch die Erwerber zeigt die Beklagte im Schriftsatz vom 27.12.2023 nicht auf. Auch konkludent haben die Erwerber keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums erklärt, auch nicht bei Betrachtung der Gesamtumstände.
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Der Senat hat bereits im Hinweisbeschluss (S. 8/9) ausgeführt, dass, wenn wie hier die Abnahme vermeintlich wirksam erfolgt, dies jedoch nicht der Fall ist, eine konkludente Abnahme im Regelfall nicht vorliegt. Da der Erwerber aufgrund der Vertragsklauseln davon ausgeht, dass eine Abnahme durch einen Dritten stattfinden wird bzw. bereits stattgefunden hat, fehlt es – auch für den Bauträger erkennbar – an einem Bewusstsein, konkludent eine Abnahme zu erklären.
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Hieran hält der Senat fest. Auch die von der Beklagten aufgezählten Umstände, etwa die Abnahmebegehung am 10.09.2010, fehlende Einwände gegen die Schlussrechnung, die Bezahlung der Kaufpreise, die Nutzung der Wohnungen, die Unterzeichnung der Übergabeprotokolle, die Hinnahme der Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S. und die Erhebung von Mängelrügen nicht vor 2016, enthalten nicht die Billigung des Gemeinschaftseigentums als der Hauptsache nach vertragsgemäße Leistung, auch nicht bei einer Gesamtbetrachtung. Denn die Erwerber konnten und mussten aufgrund der vertraglichen Vereinbarung davon ausgehen, dass die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S. erfolgen wird, so dass ihr eigenes Verhalten – auch aus Sicht der Beklagten – nicht als Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu verstehen ist.
2. Keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch Unterzeichnung der Übergabeprotokolle
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Ebenfalls hält der Senat daran fest, dass sich aus den von den Erwerbern unterzeichneten Übergabeprotokollen keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums ergibt.
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a) Auf die hier in Betracht kommende rechtsgeschäftliche Abnahme finden jedenfalls die Regeln über die Willenserklärungen Anwendung (Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. 2023, § 640 Rn. 3); dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der rechtsgeschäftlichen Abnahme um eine Willenserklärung oder eine geschäftsähnliche Handlung handelt.
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Die Willenserklärung ist die Äußerung eines Willens, der unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichtet ist; sie bringt einen Rechtsfolgewillen zum Ausdruck, das heißt einen Willen, der auf die Begründung, inhaltliche Änderung oder Beendigung eines privaten Rechtsverhältnisses abzielt (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2000 – X ZR 97/99, BGHZ 145, 343/352, Rn. 17).
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Die Willenserklärung setzt sich damit – wie ihr Begriff selbst – aus zwei Elementen zusammen, nämlich aus dem von einer Person gebildeten, auf die Herbeiführung einer bestimmten Rechtsfolge gerichteten Willen, unterteilt in Handlungswille, Erklärungsbewusstsein und Geschäftswille (subjektives Element), und der Kundgabe bzw. Erklärung dieses Willens (objektives Element) (BeckOK BGB/Wendtland, 68. Ed. 1.11.2023, § 133 Rn. 4/9; Grüneberg/Ellenberger, aaO, Einf v § 116 Rn. 1).
22
Aber auch bei fehlendem Erklärungsbewusstsein oder fehlendem Geschäftswillen liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH, Urteil vom 2. November 1989 – IX ZR 197/88, BGHZ 109, 171/178, Rn. 17 mwN; Grüneberg/Ellenberger, aaO, Einf v § 116 Rn. 17).
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Unter den Begriff der Willenserklärung fallen somit sowohl die „volltypische“, finale Willenserklärung mit all ihren Voraussetzungen als auch – bei fehlendem Erklärungsbewusstsein oder fehlendem Geschäftswillen – die normativ zugerechnete Erklärung (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Auflage 2021, Vor § 116 Rn. 3; Grüneberg/Ellerberger, aaO, Einf v § 116 Rn. 2/3).
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Der Beklagten und dem Streithelfer, die sich auf das Vorliegen einer Abnahme berufen, stand es somit frei, die Voraussetzungen der einen oder anderen Variante einer Willenserklärung darzulegen und zu beweisen. Dies ist ihnen jedoch nicht gelungen. Die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Schriftsatz des Streithelfers vom 07.12.2023, S. 4) für die Tatsachen, die die Willenserklärung begründen, trifft dabei nach allgemeinen Grundsätzen denjenigen, der sich auf die Wirkungen der Willenserklärung beruft (vgl. Grüneberg/Ellenberger, aaO, Einf v § 116 Rn. 21). Nicht maßgeblich ist, wer die Voraussetzungen einer Anfechtung beweisen müsste.
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b) Der Streithelfer beruft sich insbesondere auf eine Auslegung der Übergabeprotokolle nach der objektiven Erklärungsbedeutung (vgl. Schriftsatz vom 07.12.2023, S. 5 ff.).
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Die Voraussetzungen einer normativen Zurechnung, nämlich dass auch bei fehlendem Erklärungsbewusstsein oder fehlendem Geschäftswillen eine Willenserklärung vorliegt, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat, liegen jedoch nicht vor, wenngleich auch der Streithelfer diese Anforderungen zugrundelegt (vgl. Schriftsatz vom 07.12.2023, S. 5).
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aa) Dies scheitert schon daran, dass der Erklärungsempfänger, hier die Beklagte, die in den Übergabeprotokollen enthaltene Erklärung der Erwerber selbst nicht als Abnahme des Gemeinschaftseigentums verstanden hat. Eine Abnahme auf Basis einer Auslegung nach der objektiven Erklärungsbedeutung liegt damit nicht vor. Hierauf hat der Senat hingewiesen (Hinweisbeschluss S. 7, 8).
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Das hierzu nunmehr erfolgte Angebot des Streithelfers als Zeugen (Schriftsatz vom 07.12.2023, S. 12) ist neu in der Berufungsinstanz und nicht mehr gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Dass diese Feststellung des Verständnisses der Beklagten erstmals im Urteil des Erstgerichts aufgestellt worden sei, ist unzutreffend, denn die Klägerin hat bereits im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 18.01.2023, S. 7, unter Bezugnahme auf die Schreiben vom 03.12.2010 (Anlage K12) und vom 06.05.2015 (Anlage K16) ausgeführt, dass die Beklagte die Annahme der Erwerber, die Abnahme des Gemeinschaftseigentums würde durch den T. erfolgen, bestätigt habe. Im Schreiben vom 03.12.2010, also nach Unterzeichnung der Übergabeprotokolle, führte die Beklagte aus, dass das Gemeinschaftseigentum durch den T. S. am 10.09.2010 abgenommen worden sei. Auch im Schreiben vom 06.05.2015 nahm die Beklagte Bezug auf die Abnahme durch den T. S. Damit hat die Klägerin bereits erstinstanzlich zur Thematik vorgetragen, das neue Beweisangebot ist verspätet und nicht zuzulassen.
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Der Senat ist wie das Erstgericht davon überzeugt, dass aus diesen Schreiben folgt, dass die Beklagte selbst die in den Übergabeprotokollen enthaltene Erklärung der Erwerber nicht als Abnahme des Gemeinschaftseigentums verstanden hat. Die Beklagte erwähnt im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum nur die Abnahme durch den T. S., was dafürspricht, dass es aus Sicht der Beklagten nur diese eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums gab. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb im Jahr 2010 für die Beklagte Anlass bestanden hätte, vorsorglich eine doppelte Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu veranlassen. Zudem führt das Erstgericht zutreffend aus (Ersturteil, S. 18), dass die Abnahme durch den T. S. mit Bericht vom 15.02.2011 (Anlage K14) nicht mehr erforderlich gewesen wäre, wenn die Beklagte schon von einer bereits vorliegenden Abnahme des Gemeinschaftseigentums ausgegangen wäre. All dies zeigt, dass die Beklagte die in den Übergabeprotokollen enthaltene Erklärung der Erwerber nicht als Abnahme des Gemeinschaftseigentums verstanden hat.
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bb) Ergänzend und unabhängig hiervon hält der Senat auch daran fest, dass der Empfänger einer Erklärung nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen darf, sondern unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen muss, was der Erklärende gemeint hat und dass bei Vornahme einer solchen Prüfung sich aus den Übergabeprotokollen keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums ergibt (Hinweisbeschluss, S. 7).
31
(1) Weiterhin zutreffend ist, dass gemäß den abgeschlossenen Kaufverträgen eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S. vorgesehen war und daher kein Anlass für die Beklagte bestand anzunehmen, dass die Erwerber einen anderen Weg zur Abnahme des Gemeinschaftseigentums einschlagen wollten, zumal die Beklagte die Abnahme durch den T. S. in die Wege leitete und die Erwerber zu einem Begehungstermin mit dem T. S. einlud (vgl. Hinweisbeschluss, S. 7).
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Der Streithelfer verkennt hierzu im Schriftsatz vom 07.12.2023 (S. 5 ff.) schon, dass es sich nicht um eine „reine Unterstellung“ handelt, vielmehr hat die Klägerin entsprechend vorgetragen. Der Senat hat auch nicht behauptet, dass den Beklagten eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums untersagt sei, vielmehr hat der Senat ausgeführt, dass für die Beklagte kein Anlass bestand anzunehmen, dass die Erwerber selbst das Gemeinschaftseigentum abnehmen wollen. Der Senat hat auch nicht den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Unterzeichnung der Übergabeprotokolle und der Begehung durch den T. S. am 10.09.2020 übersehen. Dieser spielt jedoch keine Rolle, da sich bereits aus den abgeschlossenen Kaufverträgen ergibt, dass für die Beklagte kein Anlass bestand anzunehmen, dass die Erwerber selbst das Gemeinschaftseigentum abnehmen wollen.
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Fernliegend ist die Argumentation des Streithelfers, aus der Abwesenheit von Erwerbern bei der Begehung durch den T. S. folge, dass die Erwerber von einer Notwendigkeit einer (weiteren) Abnahme durch den T. S. nicht mehr ausgegangen seien. Vielmehr verhielten sich die Erwerber nur vertragsgerecht, denn die Abnahme des Gemeinschaftseigentums sollte durch den T. S. erfolgen, wozu die Anwesenheit der Erwerber nicht erforderlich war. Wenig nachvollziehbar sind auch die Ausführungen des Streithelfers in seinen Schriftsatz vom 07.12.2023 auf S. 6 unten / S. 7 oben zum Erklärungsbewusstsein einiger Erwerber. Unabhängig davon, dass ein Erklärungsbewusstsein bei einer Auslegung nach der objektiven Erklärungsbedeutung gar nicht erforderlich ist, kann der Senat diesen Ausführungen nicht beitreten, denn eine Bestätigung der Abnahme des T. S. durch die Erwerber ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Übergabeprotokolle nicht und erst recht nicht – wie vom Streithelfer behauptet – „nach Ansicht des Gerichts und dem Vortrag der Klägerin“.
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(2) Auch die Ausführungen des Senats zum Begriff „Vertragsobjekt“ (Hinweisbeschluss, S. 7) gelten fort.
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Der Streithelfer verkennt im Schriftsatz vom 07.12.2023 (S. 7/12) die Argumentation des Senats. Der Senat misst dem Begriff „Vertragsobjekt“ im Übergabeprotokoll keine andere Bedeutung bei als im Kaufvertrag. Es ist auch nicht „schädlich“, dass der Begriff „Vertragsobjekt“ nur in Verbindung mit dem Kaufvertrag zu verstehen ist.
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Vielmehr hat der Senat ausgeführt, dass der Empfänger einer Erklärung nicht einfach den für ihn günstigsten Sinn beilegen darf, sondern unter Berücksichtigung aller ihm bekannten Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit prüfen muss, was der Erklärende gemeint hat. Da die Bedeutung des verwendeten Begriffs „Vertragsobjekt“ nicht aus sich selbst heraus verständlich ist, sondern nur in Zusammenschau mit § 2 der Kaufverträge, musste die Beklagte in Betracht ziehen, dass die Erwerber die Bedeutung der Erklärung gar nicht erkennen, zumal diese von der Beklagten formuliert worden war. In Zusammenschau mit dem Umstand, dass in den abgeschlossenen Kaufverträgen eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch den T. S. vorgesehen war, hatte die Beklagte gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerber bei der Unterzeichnung der Abnahmeprotokolle nicht die Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums erklären wollten.
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Soweit der Streithelfer meint, die Beklagte habe ein entsprechendes Verständnis von den Erwerbern erwarten können (Schriftsatz vom 07.12.2023, S. 11/12), überzeugt dies nicht. Aus der jahrelangen beanstandungslosen Ingebrauchnahme kann nicht geschlossen werden, welche Erwartungen die Beklagte an das Verständnis der Erwerber bei Unterzeichnung der Übergabeprotokolle haben durfte. Ob die Unterzeichnung der Übergabeprotokolle vor oder nach der Begehung durch den T. S. erfolgt ist, spielt auch insoweit keine Rolle, da sich hieraus die Erwägungen, die die Beklagte in Betracht ziehen musste, nicht ergeben. Der Senat argumentiert auch nicht widersprüchlich und berücksichtigt nicht einseitig Vertragsinhalte zu Lasten der Beklagten (vgl. Schriftsatz vom 07.12.2023, S. 10/11). Vielmehr konnte und musste die Beklagte anhand des Inhalts der Übergabeprotokolle und der Kaufverträge die angeführten Erwägungen in Betracht ziehen.
38
Im Übrigen ist die Beklagte ohnehin selbst nicht davon ausgegangen, dass die Erwerber die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erklären wollten (vgl. oben Ziff. I. 2. b. aa).
39
c) Soweit der Streithelfer zum Erklärungsbewusstsein ausführt (Schriftsatz vom 07.12.2023, S. 18/19), ergibt sich hieraus keine Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch die Erwerber.
40
Der Versuch des Streithelfers, aufgrund des Urteils des Senats vom 13.12.2011 – 9 U 2533/11 Bau – ein Erklärungsbewusstsein der Erwerber bei Unterzeichnung der Übergabeprotokolle in Bezug auf die Abnahme des Gemeinschaftseigentums zu begründen, geht fehl. Die Klägerin hat das Erklärungsbewusstsein bestritten. Der Senat hat erläutert (Hinweisbeschluss, S. 6 unten / S. 7 oben), dass die Berufung auf die Übergabeprotokolle hier als Beweismittel nicht ausreicht. Hieran ändert auch die Entscheidung des Senats vom 13.12.2011 nichts, zumal dort die hiesige Problematik, ob eine Erklärung im Übergabeprotokoll nur das Sondereigentum oder auch das Gemeinschaftseigentum erfasst, nicht streitgegenständlich war. Weitergehende Beweismittel zeigt der Streithelfer nicht auf. Weder der Wortlaut des von der Beklagten formulierten Textes noch der Umstand, dass die Erwerber während oder nach Unterzeichnung die Problematik nicht erwähnten und auch bis heute keine Anfechtung erklärten, lässt auf das Erklärungsbewusstsein in Bezug auf die Abnahme des Gemeinschaftseigentums schließen.
41
d) Auch die übrigen Ausführungen des Streithelfers zum Urteil des Senats vom 13.12.2011 (Schriftsatz vom 07.12.2023, S. 12 ff.) sind nicht zielführend.
42
Es handelt sich nicht um vergleichbare Sachverhalte. Im damaligen Verfahren war über eine Abnahme zu entscheiden, die trotz nicht vorliegender Abnahmereife aufgrund von Mängeln und fehlenden Leistungen erfolgt war. Hier soll nach Ansicht des Streithelfers in Übergabeprotokollen eine Abnahme auch des Gemeinschaftseigentums liegen, obwohl nach der vertraglichen Vereinbarung diese vom T. S. hätte erfolgen sollen. Hinzu kommt, dass im hiesigen Verfahren die Beklagte selbst nicht davon ausgegangen ist, dass die Erwerber die Abnahme des Gemeinschaftseigentums erklären wollten. Letzteres ist nicht Gegenstand des Urteils des Senats vom 13.12.2011.
43
Entgegen der Ansicht des Streithelfers können nicht ohne Weiteres Bewertungen des Sachverhalts und Auslegungen von Erklärungen von einem Fall auf den anderen übertragen werden, maßgeblich bleiben vielmehr stets die Besonderheiten des Einzelfalls. Der Streithelfer verkennt zudem, dass maßgeblich für die Entscheidung stets der Parteivortrag ist. Wenn etwa im Urteil vom 13.12.2011 formuliert ist, dass nichts dafür ersichtlich sei, dass das Abnahmeprotokoll anders auszulegen sei oder dass der Abnahmewille eindeutig aus den Formulierungen des Abnahmeprotokolls folge (vgl. Schriftsatz vom 07.12.2023, S. 15, 18), so bedeutet das nicht, dass in einem anderen Rechtsstreit nicht Parteivortrag vorhanden sein kann, der eine andere Entscheidung rechtfertigt.
44
Soweit der Streithelfer in diesem Zusammenhang zur Vorwegabnahme ausführt, hat der Senat eine solche in Betracht gezogen, allerdings ergibt sich aus den Übergabeprotokollen und auch sonst eine solche nicht, so dass keine weiteren Ausführungen veranlasst sind.
Weitere Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 bis 4 ZPO
45
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO, vielmehr entscheidet der Senat auf Basis der höchstrichterlichen Rechtsprechung und weicht auch nicht von seinen eigenen Entscheidungen ab. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO.
46
Die Anschlussberufung der Klägerin ist damit wirkungslos, § 524 Abs. 4 ZPO.
47
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
48
Der Streitwert für das Berufungsverfahren war in Anwendung der § 3 ZPO, §§ 47, 48 GKG in der Gebührenstufe bis zu 600.000,00 € festzusetzen.
49
Die Abänderung des erstinstanzlichen Streitwerts auf bis zu 600.000,00 € basiert auf § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG (vgl. Hinweisbeschluss S. 9/10). Einwendungen hiergegen wurden von den Parteien und dem Streithelfer nicht erhoben.