Titel:
Sonderumlage, Miteigentumsanteil, Gemeinschaftsordnung, Sondereigentümer, Sondereigentum, Gemeinschaftseigentum, Wohnungseigentümergemeinschaft, Kostenentscheidung, Abweichende Kostenverteilung, Aufhebung, Teilungserklärung, Zwischenfeststellungsklage, Finanzierungsbeschluss, Instandhaltung und Instandsetzung, Verteilungsmaßstab, Änderung der Wertfestsetzung, Abweichende Vereinbarung, Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung, Eigentümerversammlung, Lasten- und Kostentragung
Schlagworte:
Sonderumlage, Beschlussanfechtung, Gemeinschaftsordnung, Kostenverteilung, Wohnungseigentümergemeinschaft, Instandsetzungskosten, Sondereigentum
Vorinstanz:
AG München, Urteil vom 31.05.2023 – 1292 C 13926/21 WEG
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 23.05.2025 – V ZR 36/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49069
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 31.05.2023, Az. 1292 C 13926/21 WEG, abgeändert. Der Beschluss Nr. 90 – TOP 2.6 – Sonderumlage in Höhe von 875.000 € mit dem „Umlageschlüssel: Miteigentumsanteile (1.000/1.000stel)“ der außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlung vom 28.07.2021 – wird für ungültig erklärt.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsrechtszugs zu tragen. Von den Kosten erster Instanz trägt die Klägerin 24%, die Beklagte 76%.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und, in Abänderung des Beschlusses im Schlussurteil des Amtsgerichts München vom 31.05.2023 auch für die erste Instanz, auf € 876.553,14 festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin wendet sich, soweit noch Gegenstand der Berufungsinstanz, als Mitglied der Beklagten mit ihrer Anfechtungsklage gegen einen Beschluss aus der Eigentümerversammlung vom 28.07.2021 betreffend einer Sonderumlage mit folgenden Wortlaut:
„Sonderumlage Finanzierung der Maßnahmen zu den TOPs 2.1, 2.2, 2.3, 2.4 sowie 2.5 mithilfe einer Sonderumlage in Höhe von maximal 876.553,14 € zur Finanzierung der Maßnahmen, je nach Beschluss zu den einzelnen Punkten. […]
Antrag: Zur Finanzierung der beschlossenen Maßnahmen sowie zur Stärkung der Rücklage wird neben der Teilentnahme aus der Instandhaltungsrücklage eine Sonderumlage in Höhe von 875.000 € erhoben. […] Die Sonderumlage ist am 25.08.2021 fällig und wird automatisch im Wege des Lastschrifteinzugsverfahren ausgeglichen. Umlageschlüssel: Miteigentumsanteile (1000/1000stel). […].“
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Die Maßnahme 2.1 betraf „Mängelbeseitigungsmaßnahmen Fenster-, Jalousien- und Raffstoresanierung“. 2.2 betraf „Mängelbeseitigungsmaßnahmen Dachterrassen“. 2.3 betraf „Mängelbeseitigungsmaßnahmen Balkon und Fassadensanierung“. 2.4 betraf Chloriduntersuchungen in der Tiefgarage und 2.5 die Behebung von Hohlstellen und Rissen in den Wohnungen im Putz, welche aufgrund einer ursprünglich inkorrekten Bearbeitung der Betondecken mit Putzgewebe erfolgt seien. Hinsichtlich der Maßnahme der Tiefgarage fand keine Beschlussfassung statt.
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Die zwischen den Parteien maßgebliche Gemeinschaftsordnung in der Teilungserklärung vom 22. 12. 2004 (Anlage K 1) enthält zur Kostenverteilung folgende im Auszug wiedergegebene Regelung:
1. Jeder Sondereigentümer trägt die Kosten für die Instandhaltung und Instandsetzung seines Sondereigentums sowie folgender Gebäudeteile, gleichgültig, ob es sich dabei um Sonder- oder Gemeinschaftseigentum handelt:
Nichttragende Innenwände, Bodenbeläge, Fensterstöcke, Fensterrahmen und Fensterscheiben, Wand- und Deckenverputz innerhalb des Sondereigentums, Eingangstür zur Sondereigentumseinheit, Jalousien, Jalousienkästen, Estriche und Innenseiten der Balkone, Zu- und Ableitungen, die sich im Innern eines Sondereigentums befinden und zum ausschließlichen und besonderen Gebrauch eines Sondereigentümers bestimmt sind, sowie Sanitär- und Heizungseinrichtungen einschließlich Thermostatventilen, Heiz-, Kalt- und Warmwassermeßgeräten.
Klargestellt wird, daß die Instandhaltung und Instandsetzung des konstruktiven Dachaufbaues mit allen Isolierungen, auch im Bereich der Dachterrassen und der Terrassen im 1.OG, Sache der Wohnungseigentümergemeinschaft ist.
2. Die Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums sowie die Kosten der Instandhaltung, Instandsetzung und eines gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums tragen die Sondereigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile, soweit nicht nachfolgend etwas anderes bestimmt ist. Eine angemessene Instandhaltungsrückstellung ist zu bilden, die nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile erhoben wird. Zu den Bewirtschaftungskosten des gemeinschaftlichen Eigentums gehören auch die Lasten und Kosten für diejenigen Anlagen und Einrichtungen, für welche die Wohnungseigentümergemeinschaft aufgrund von besonderen Nutzungsvereinbarungen (wie z. B. Grunddienstbarkeiten, Reallasten) aufzukommen hat.
Dabei sind jedoch die genannten Lasten und Kosten jeweils getrennt für die Einheiten Nm. 1 mit 38 und 40 sowie für die Einheit Nr. 39 zu ermitteln und jeweils getrennt auf die Eigentümer der beiden Kostengruppen aufzuteilen. Die Kostengruppe 1 mit 38 und 40 trägt die Lasten und Kosten entsprechend ihren Miteigentumsanteilen.
Die Kostenverteilung betrifft die Betriebs- und Unterhaltungskosten zum Beispiel für folgende Bereiche:
a) Die Einheiten Nrn. 1 mit 38 und 40 treffen die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Betrieb und dem Unterhalt der Personenaufzüge, der allgemeinen Müllentsorgung und der Hausreinigung entstehen.
b) Die Einheit Nr. 39 treffen die Kosten, die im Zusammenhang mit dem Betrieb und dem Unterhalt des Lastenaufzuges, der mit ihrem Betrieb entstehenden Müllentsorgung und der Reinigung entstehen.
Lediglich Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums, die nicht eindeutig für eine dieser Kostengruppe anfallen, sind von allen Wohnungs- und Teileigentümern entsprechend ihren Miteigentumsanteilen zu tragen. Dies gilt insbesondere für Lasten und Kosten für gemeinschaftliche Gebäudeteile, die nicht Sondereigentum sind.“
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Die Klägerin ist die Eigentümerin der Einheit Nr. 39.
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Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und des streitigen Vorbringens der Parteien wird im Übrigen Bezug genommen auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts München, § 540 I S.1 Nr. 1 ZPO.
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Mit Teilurteil des Amtsgerichts vom 25.01.2023 wurde eine Zwischenfeststellungsklage verworfen. Mit Schlussurteil des Amtsgerichts München vom 31.05.2023 wurde die Klage abgewiesen. Hinsichtlich der übereinstimmend für erledigt erklärten Beschlussanfechtungen legte das Amtsgericht der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auf.
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Gegen das der Klägerin am 13.06.2023 zugestellte Schlussurteil wendet sich diese mit ihrer Berufung, eingegangen am 10.07.2023 und begründet mit Schriftsatz vom 11.08.2023, eingegangen am selben Tag.
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Die Klägerin beantragte im Berufungsrechtszug:
Unter Aufhebung des Schlussurteils des Amtsgerichts München vom 31.05.2023, Az. 1292 C 13926/21 WEG, wird der Beschluss Nr. 90 – TOP 2.6 – Sonderumlage in Höhe von 875.000 € mit dem „Umlageschlüssel: Miteigentumsanteile (1.000/1.000stel)“ der außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlung vom 28.07.2021 – für ungültig erklärt.
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Die Beklagte beantragte,
Zurückweisung der Berufung.
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Die Kammer verhandelte mündlich in der Sitzung vom 17.01.2024. Auf das Protokoll sowie auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
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Die zulässige Berufung der Klägerin erweist sich als begründet, was zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führt.
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Die Berufung wurde fristgemäß eingelegt und begründet. Hinsichtlich des Kostenantrags in der Berufungsinstanz mit Schriftsatz vom 11.08.2023 stellte der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2024 klar, dass sich dieser nicht auf eine Abänderung der Kostenentscheidung betreffend den in erster Instanz für erledigt erklärten Teil bezog. Dies ergab sich auch bereits aus der zur Auslegung des Antrags heranzuziehenden Berufungsbegründung, sodass eine teilweise Verwerfung der Berufung nach § 522 Abs. 1, § 520 Abs. 1 ZPO nicht zu erfolgen hatte.
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Zumindest für einen Teil der betroffenen Maßnahmen für welche der angegriffene Beschluss die Kostenverteilung regelt, wurde durch die Gemeinschaftsordnung wirksam eine vom gesetzlichen Verteilungsmaßstab abweichende Regelung getroffen. Nachdem die Beklagte in dem Beschluss nicht von der Möglichkeit des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG Gebrauch machte, konnte daher für diese Kostenpositionen keine Verteilung nach Miteigentumsanteilen erfolgen.
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1. Durch Vereinbarung können die Wohnungseigentümer den Verteilungsmaßstab allgemein oder für bestimmte Kostenarten abweichend von § 16 Abs. 2 S. 1 regeln. Regelmäßig bestimmt bereits der teilende Eigentümer bei der Begründung von Wohnungseigentum gem. §§ 8 Abs. 2, 5 Abs. 4 WEG für einzelne Kostenarten eine andere Kostenverteilung. Abweichende Vereinbarungen zur Kostenverteilung wirken dabei nur gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind, § 10 Abs. 3 WEG. Der Inhalt einer Vereinbarung zur Lasten- und Kostentragung ist durch objektive Auslegung zu ermitteln. Maßgebend ist der Wortlaut der Grundbucheintragung und ihr Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt. Unklare und undurchführbare Kostenregelungen ändern den gesetzlichen Verteilungsmaßstab nicht ab (Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 16 Rn. 60).
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Eine solche abweichende Vereinbarung enthält § 7 der Gemeinschaftsordnung (GO).
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1.1. Die Vereinbarung zur Lastentragung ist hinreichend bestimmt.
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Die Kostentragung hinsichtlich der Instandhaltung und Instandsetzung ist in § 7 GO unter Ziffer 1 und 2 geregelt. In Ziffer 1 wird zunächst der gesetzliche Grundsatz wiederholt, wonach Sondereigentümer die Kosten für Instandhaltung und Instandsetzung ihres Sondereigentums selbst tragen. Diese Kostenbelastung des Sondereigentümers wird sodann auch hinsichtlich einzelner Teile des Gemeinschaftseigentums im Bereich des Sondereigentums erweitert.
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Vereinbarungen, wonach jeder Wohnungseigentümer die Kosten der Erhaltung von Gebäudeteilen im Bereich seines Sondereigentums oder seines Sondernutzungsrechts, etwa Fenster oder Balkone, allein zu tragen hat, sind verbreitet (Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 16 Rn. 68). Für hinreichend klar und bestimmt hat die Rechtsprechung beispielsweise eine Regelung befunden, welche Teileigentümern Kosten und Lasten der Tiefgarage, der Zufahrt und der Zufahrtsrampe zur Tiefgarage auferlegt (BGH, Urt. v. 28.10.2016 – V ZR 91/16 ZWE 2017, 180 Rn. 3, beck-online) oder die Instandhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten an Fenstern, Balkonumkleidungen, Balkon- und Wohnungsabschlusstüren mit Ausnahme des Außenanstrichs (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23. November 1998 – 3 Wx 376/98 –, Rn. 11; s.a. BGH, Urteil v. 22.11.2013 − V ZR 46/13, ZWE 2014, 125) oder auch die Kosten für alle Maßnahmen an Balkonen (OLG München, Beschluss vom 27. 9. 2006 – 34 Wx 59/06, NJOZ 2007, 3029). Nach diesen Maßstäben kann an der ausreichenden Bestimmtheit der Regelung hinsichtlich der in Ziffer 1 von § 7 GO genannten Bauteile kein Zweifel bestehen.
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Auch aus der Verbindung mit der Ziffer 2 von § 7 GO ergibt sich nicht das Fehlen der Bestimmtheit. In diesem Abschnitt wird wiederum zunächst der gesetzliche Grundsatz wiederholt, wonach Lasten des gemeinschaftlichen Eigentums von den Sondereigentümern im Verhältnis der Miteigentumsanteile zu tragen sind. Zwar beginnt die Einschränkung dieses Grundsatzes, worauf die Berufung hinweist, mit der Formulierung „soweit nicht nachfolgend etwas anderes bestimmt ist“. Die Verwendung des Wortes „nachfolgend“ schließt aber vorangegangene Einschränkungen nicht aus. Die gesamte Regelung zur Kostentragung am Gemeinschaftseigentum setzt auf die vorangegangene Regelung der Kostenbelastung für Sondereigentümern auf. Die vorzunehmende nächstliegende Auslegung ergibt, dass alleine durch die Verwendung des Wortes „nachfolgend“ die vorangegangenen Einschränkungen nicht aufgehoben werden sollen. Ein Widerspruch ist hierdurch für die Kammer nicht zu erkennen.
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Eine Widersprüchlichkeit ergibt sich auch nicht dadurch, dass in der Ziffer 2 Kostengruppen für Positionen gebildet werden, deren Kosten bereits in Ziffer 1 den Sondereigentümern zugewiesen wurden. Der 3. Absatz von 2 stellt klar, dass die Kostenverteilung nach Kostengruppen nur Betriebs- und Unterhaltungskosten betrifft.
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1.2. Die beschlossene Kostenverteilung im angegriffenen Beschluss, welche mindestens für die Erhebung der Sonderumlage gelten sollte, widerspricht der Regelung in der Teilungserklärung.
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Die einzelnen genannten Maßnahmen, welche in derselben Eigentümerversammlung zuvor beschlossen worden waren, betrafen „Mängelbeseitigungsmaßnahmen Fenster, Jalousien und Raffstoresanierung“, „Mängelbeseitigungsmaßnahmen Dachterrassen“, „Mängelbeseitigungsmaßnahmen Balkon und Fassadensanierung“ und die Behebung von Hohlstellen und Rissen in den Wohnungen im Putz. Die Kostenlast zumindest für Teile dieser Maßnahmen ist nach § 7 Ziffer 1 GO den Sondereigentümern übertragen worden. Die Unzulässigkeit der Verteilung nach Miteigentumsanteilen für jedenfalls den ganz wesentlichen Teil dieser Positionen führt dazu, dass der Finanzierungsbeschluss insgesamt aufzuheben war. Ein Wille zur Geltungserhaltung möglicherweise einzelner Teile, § 139 BGB, ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil eine solche Aufteilung bei den Maßnahmen, deren Beauftragung durch Beschluss teilweise nur Preisspiegel und Angebote mehrerer Unternehmen zugrunde lagen, kaum möglich erscheint.
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2. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Erfordernis der Instandsetzungsmaßnahmen auf anfänglichen Baumängeln beruht oder nicht.
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Die Kammer teilt die früher von anderen Instanzgerichten vertretene Auffassung, wonach bei der Beurteilung der Wirksamkeit der abweichenden Kostenverteilung in der Gemeinschaftsordnung zwischen Maßnahmen wegen anfänglichen Baumängeln und erst später entstandenen Mängeln zu unterscheiden ist seit jeher nicht (LG München I, Urteil vom 27.06.2011, Az.: 1 S 1062/11 WEG; nicht rechtskräftig) und kann sich dabei mittlerweile auf die inzwischen als gefestigt geltende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berufen (BGH, Urteil vom 26. Juni 2020 – V ZR 199/19 –, Rn. 8, juris). Selbst bei einer Teilungserklärung, in welcher die Kostenzuweisung an die Sondereigentümer ausdrücklich spätere Instandsetzungsmaßnahmen betreffen sollte (BGH, a,a,O., Rn. 1, juris) erkannte der Bundesgerichtshof, dass die Kostenregelung sogar mit diesem Zusatz alleine die Zeit der Durchführung der Maßnahme betrifft und somit auch die Behebung anfänglicher Mängel umfasst. Begründet wird dies vor allem mit Abgrenzungsschwierigkeiten: Treten Mängel erst geraume Zeit nach einer Sanierung bzw. nach der Errichtung auf, kann zum einen unklar sein, ob die Ursache von Anfang an bestand oder erst nachträglich entstanden ist. Zum anderen hat eine Vielzahl von Baumängeln ihre Ursache in Fehlern bei der Errichtung oder Sanierung. Wenn in einer Teilungserklärung eine klare Trennung vorgegeben ist, auf die sich die Erwerber verlassen dürfen, würde dies in gravierender Weise ausgehöhlt, wenn anfängliche Mängel ausgenommen wären (BGH a.a.O. Rn. 12). Eine solche Trennung ist in § 7 Ziffer 1 GO auch klar vorgegeben. Die Kammer teilt zwar die Auffassung des Erstgerichts, wonach Ziffer 2 nur Betriebs- und Unterhaltungskosten zwischen der Einheit 39 und den übrigen Einheiten aufteilt. Darauf kommt es aber, da jedenfalls auch Maßnahmen betroffen sind, welche nach Ziffer 1 von den Sondereigentümern zu tragen und also nicht nach Miteigentumsanteilen zu verteilen wären, im Ergebnis nicht an.
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Eine unbillige Benachteiligung der somit die Kostenlast tragenden Sondereigentümer besteht hierin nicht. Diese haben beim Vorhandensein anfänglicher Mängel grundsätzlich Ansprüche gegen den Bauträger bzw. Veräußerer des Wohnungseigentums. Auch solche Ansprüche sind Ansprüche der Sondereigentümer und nicht der Gemeinschaft, welche diese nur zum Zwecke der gemeinsamen Verfolgung hätte an sich ziehen können (BGH, Urteil vom 12. April 2007 – VII ZR 236/05 –, BGHZ 172, 42-58, Rn. 20). Eine Vorstellung des von dem Mangel betroffenen Sondereigentümers, die Behebung sei grundsätzlich Aufgabe der Gemeinschaft, hätte damit ohnehin keine Grundlage. Es gibt keinen Grund, weshalb der Ausfall des Gewährleistungsträgers wegen Insolvenz oder Verjährung der Ansprüche hieran etwas ändern sollte. Andererseits besteht gerade in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem ein Eigentümer lange nach Errichtung des Gemeinschaftseigentums seine Einheit erwirbt und hinsichtlich der Kostentragung auf die Gemeinschaftsordnung vertraut, eine anerkennenswerte Erwartung, mit Kosten für die Instandsetzung im Bereich des Sondereigentums anderer Eigentümer nicht belastet zu werden.
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3. Eine abweichende Kostenverteilung nach § 16 Abs. 2 S. 2 WEG haben die Eigentümer mit dem angegriffenen Beschluss nicht beschlossen. Dies ist zum einen zwischen den Parteien ohnehin unstreitig, ergibt sich aber auch daraus, dass im Protokoll keine Anhaltspunkte für einen solchen Willen der Eigentümer vorhanden sind. Ein irgendwie geartetes „Erklärungsbewusstsein“ (BeckOGK/Falkner, 1.5.2023, WEG § 16 Rn. 185) hinsichtlich einer abweichenden Kostenverteilung ist nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Dabei obsiegte die Klägerin in der Berufungsinstanz mit ihrem verbliebenen Antrag vollumfänglich, während es in erster Instanz – mit den aus nachfolgenden Gründen korrigierten Einzelstreitwerten – bei der insoweit rechtskräftigen Kostenentscheidung hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils und des Zwischenfeststellungsurteils verblieb. Für den Wert der Anfechtung des Finanzierungsbeschlusses kann dabei auf die Ausführungen zur Wertfestsetzung unter Ziffer IV verwiesen werden. Hinsichtlich der Einzelstreitwerte wurde für die Zwischenfeststellungsklage in der Sache übereinstimmend mit dem Amtsgericht ein fiktiver Wert von 10.000 € angesetzt und für die Anfechtung der Beschlüsse über die Maßnahmen selbst, bei denen eine günstigere Ausführung erstrebt war (vgl. Hierzu MüKoBGB/Hogenschurz, 9. Aufl. 2023, WEG § 44 Rn. 88 „Erhaltungsmaßnahmen“; Hügel/Elzer § 44 Rn. 138 „Erhaltungsmaßnahmen“; Bärmann/Pick/Dötsch Anh. § 50 Rn. 27B „Baumaßnahmen“), ein Wert in Höhe von 200.000 €. Somit ergab sich für die Klägerin in erster Instanz ein Obsiegen hinsichtlich 76% des Werts ihrer Anträge mit einer entsprechenden auszusprechenden Kostenbelastung für die Beklagte.
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Der Wert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von § 47 GKG, § 49 GKG ermittelt, wobei nach § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG auch Anlass für eine Änderung der Wertfestsetzung in erster Instanz bestand.
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Das Einzelinteresse der Klägerin bemisst sich bei Beschlüssen über Wirtschaftspläne und Sonderumlagen im Regelfall nach ihrer durch den Wirtschaftsplan oder Sonderumlage begründeten Zahlungspflicht (Bärmann/Göbel, 15. Aufl. 2023, GKG § 49 Rn. 27). Für das Gesamtinteresse ist auf die Summe der Vorschüsse abzustellen (Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 44 Rn. 138). Der siebeneinhalbfache Wert des Interesses der Klägerin von € 167.527,50 überstieg dabei das Gesamtinteresse von € 876.553,14 an der Sonderumlage, so dass dieses maßgeblich war. Anhaltspunkte dafür, dass hierdurch der Verkehrswert ihres Wohnungseigentums überstiegen würde, bestanden nicht.
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Das in erster Instanz verfolgte Interesse der Klägerin an der Aufhebung der Beschlüsse zur Durchführung der Sanierungsmaßnahmen war mit dem Interesse an der Aufhebung des Finanzierungsbeschlusses wirtschaftlich identisch (vgl. Toussaint/Elzer, 53. Aufl. 2023, GKG § 39 Rn. 17), so dass im Rahmen der Wertfestsetzung hierdurch keine Erhöhung eintreten konnte.
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Auch an der Zwischenfeststellungsklage bestand kein über das Anfechtungsinteresse am Finanzierungsbeschluss hinausgehendes wirtschaftliches Interesse der Klägerin, nachdem es sich dabei um eine bloße Vorfrage gehandelt hatte. Diese Einzelwerte waren damit alleine als fiktiver Ansatz für die Kostenentscheidung, nicht aber für die Höhe des Werts von Bedeutung.