Titel:
			Aufzehrung des Differenzschadens in Dieselfall durch Anrechnung der Nutzungsvorteile und des Restwertes
			Normenketten:
			BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826
			EGFGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
			FahrzeugemissionenVO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
			Leitsatz:
			 Auf den Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens in einem sogenannten Dieselfall aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (hier Schadensaufzehrung bejaht). (Rn. 5 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
			Schlagworte:
			Schadensersatz, sittenwidrige Schädigung, Schutzgesetz, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, EG-Typgenehmigung, Differenzschaden, Vorteilsausgleichung, Schadensaufzehrung
			Vorinstanz:
			LG München I, Endurteil vom 04.08.2023 – 10 O 13732/22
			Fundstelle:
			BeckRS 2024, 49041
		 
		 
		Tenor
		
			
			1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 04.08.2023, Az. 10 O 13732/22, wird zurückgewiesen.
		 
		
			
			2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
		 
		
			
			3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
		 
		
			
			4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
		 
		
		
			
			Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf … festgesetzt.
		 
		Entscheidungsgründe
		
		
			1
			Eines Tatbestands bedarf es nicht nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 S. 1, § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
		 
		
		
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			Die zulässige Berufung war insgesamt zurückzuweisen.
		 
		
			3
			Der Klagepartei steht kein Anspruch auf Ersatz des objektiven Minderwerts („Differenzschaden“) aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV zu, da ein etwaiger Schaden aufgezehrt ist. Der mit dem Hilfsantrag weiterverfolgte Anspruch der Klagepartei auf Rückabwicklung des Kaufvertrags („großer Schadensersatz“) ergibt sich weder aus §§ 826, 31 BGB noch aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB. Entsprechend besteht auch kein Schadenersatzanspruch in Höhe von 25 % des Kaufpreises oder auf Beseitigung von Abschalteinrichtungen.
		 
		
			4
			Im Einzelnen gilt Folgendes:
		 
		
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			1. Es kann dahinstehen, ob der Klagepartei ein Anspruch auf den Differenzschaden aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zusteht, da dieser jedenfalls durch Anrechnung der erzielten Vorteile auf 0 reduziert ist.
		 
		
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			a) Der Schutz der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV erstreckt sich nicht auf das Interesse der Klagepartei, nicht an dem Kaufvertrag über das Fahrzeug festgehalten zu werden. Vielmehr liegt der Schaden in dem Betrag, um den die Klägerin den Kaufgegenstand mit Rücksicht auf die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken zu teuer erworben hat. Die Höhe des Schadens unterliegt der gerichtlichen Schätzung nach § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO und bewegt sich nach der Rechtsprechung des BGH im Bereich von 5 % bis 15 % des gezahlten Kaufpreises (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rn. 72 ff.). Innerhalb dieses Rahmens hat der Tatrichter bei der Bestimmung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen, zu berücksichtigen. Weiter ist der Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf den Einzelfall in den Blick zu nehmen, wobei es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses ankommt. Über diese originär schadensrechtlichen Gesichtspunkte hinaus hat der Tatrichter das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie den Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen. Zur Erholung eines Sachverständigengutachtens ist der Tatrichter bei seiner Schätzung innerhalb des genannten Rahmens nicht gehalten (BGH, a.a.O., Rn. 76 ff.).
		 
		
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			b) Nutzungsvorteile und Restwert als anzurechnende Vorteile schließen diesen Anspruch aus, weil sie in der Summe den Kaufpreis übersteigen. Auszugehen ist dabei von einer unstreitigen Laufleistung des Fahrzeugs von 112.326 km einen Tag vor der mündlichen Verhandlung am 09.07.2024.
		 
		
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			Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs sind insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rn. 80; BGH, Urteil vom 18.12.2023 – VIa ZR 1248/22, Rn. 13). Dies ist hier der Fall:
		 
		
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			b.a) Die anzusetzende Nutzungsentschädigung hat der Senat im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO ermittelt, indem der Kaufpreis für das Fahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert mit den gefahrenen Kilometern multipliziert wird. Es wird die lineare Berechnungsmethode, die der Bundesgerichtshof gebilligt hat (Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rn. 79), zugrunde gelegt. Die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit dem streitgegenständlichen Motor veranschlagt der Senat mit 250.000 km. Ausgehend von einem Kaufpreis für das Fahrzeug in Höhe von … €, einem Kilometerstand von 112.326 km und unter Berücksichtigung des Kilometerstandes von 54.350 im Zeitpunkt des Erwerbs, also 57.976 gefahrenen Kilometern, errechnet sich damit eine Nutzungsentschädigung in Höhe von … €.
		 
		
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			b.b) Des Weiteren ist im Rahmen des Vorteilsausgleichs der Restwert des bei der Klägerin verbleibenden Fahrzeugs zu berücksichtigen. Die hierzu darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat den Restwert des konkreten streitgegenständlichen Fahrzeugs am 02.07.2024 anhand der Liste der Deutschen Automobil Treuhand („DAT“), für einen Kilometerstand von 108.000 in Höhe von … € vorgetragen. Die Klägerin hat am 04.07.2024 anhand des Portals schwackeNET unter Berücksichtigung der Laufleistung von 110.000 km, der Erstzulassung am …, der Ausstattung und aller weiteren individuellen Merkmale einen „Zeitwert inklusive Mehrwertsteuer“ von … EUR vorgetragen und am 09.07.2024 von … Euro. Die Klagepartei hat dabei darauf hingewiesen, sie sei nicht im Kfz-Handel tätig sei und daher keine Händlerverkaufspreise erzielen könne.
		 
		
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			Der Senat erachtet die von der Beklagten eingeholten DAT-Auskunft als geeignete Grundlage für die Schätzung des Restwerts eines Gebrauchtfahrzeugs gemäß § 287 Abs. 1 ZPO.
		 
		
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			Der Restwert eines Fahrzeugs entspricht dem marktüblichen Verkaufspreis. Nach dem insoweit unstreitigen Beklagtenvorbringen ermittelt die DAT GmbH anhand objektiver Kriterien wie dem Erstzulassungsdatum, dem Kilometerstand, der Anzahl der Halter und der Beliebtheit des konkreten Fahrzeugs auf den Markt einen Verkaufswert. Das Ergebnis stellt das Unternehmen – üblicherweise gegen Entgelt – sowohl gewerblichen Anbieters als auch Privatpersonen zur Verfügung. Gängige Fahrzeugbewertungen anhand von DAT-Auskünften oder anhand der sogenannten „Schwacke Liste“ werden von Fahrzeugkäufern aller Art auch in Anspruch genommen, um einen konkreten Anhaltspunkt für den Verkaufswert zu erhalten.
		 
		
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			Nach ständiger Rechtsprechung des Senats bestimmt sich der im Fahrzeug verkörperte Restwert durch den Händlerverkaufspreis. Die Klagepartei hat sich entschieden, das Fahrzeug nicht zu verkaufen, sondern zu behalten und weiter zu nutzen. Sie müsste für den Erwerb eines vergleichbaren Fahrzeugs bei einem Händler den Händlerverkaufspreis aufbringen.
		 
		
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			b.c) Addiert man Nutzungsentschädigung und Restwert ergeben sich bei Zugrundelegung des Vortrags der Beklagten Vorteile in Höhe von … € (…. Der Kaufpreis brutto des Fahrzeugs bei Kauf betrug … €, so dass es auf den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rn. 80) gar nicht mehr ankommt.
		 
		
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			Auch bei Zugrundelegung von der Klägerin vorgetragenen „Zeitwerts inklusive Mehrwertsteuer“ mit einem nur geringfügigen Aufschlag, der zur Ermittlung des Händlerverkaufspreises vorzunehmen wäre, ändert sich das Ergebnis nicht. Wenn man den niedrigsten von der Klägerin vorgetragenen „Zeitwert inklusive Mehrwertsteuer“ zugrunde legt, liegen die Vorteile so nahe am Bruttokaufpreis (…), dass mit einem jedenfalls aufgrund der Senatsrechtsprechung zur Restwertermittlung anhand des Händlerverkaufspreises vorzunehmenden Aufschlags die Vorteile über dem Kaufpreis in Höhe von … € liegen.
		 
		
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			2. Nachdem der Hauptanspruch auf Ersatz des objektiven Minderwerts („Differenzschaden“) nicht gegeben ist, ist über den Hilfsantrag auf Rückabwicklung des Kaufvertrages („großer Schadenersatz“) zu entscheiden.
		 
		
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			a) Das Erstgericht hat einen Schadenersatzanspruch der Klagepartei wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung aus §§ 826, 31 BGB zu Recht verneint.
		 
		
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			Ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten zum Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch die Klagepartei im Februar 2020 hat die Klagepartei nicht vorgetragen. Die Behauptung diverser Abschalteinrichtungen erfolgt ohne ausreichende Anhaltspunkte prozessual unwirksam ins Blaue. Hinsichtlich des Thermofensters und weiterer Funktionen, die die Abgasrückführung in Abhängigkeit von bestimmten Faktoren reduzieren, fehlt Vortrag zu Umständen, die eine Sittenwidrigkeit begründen könnten.
		 
		
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			a.a) Aus dem klägerischen Vortrag ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die diversen streitig vorgetragenen Funktionsweisen in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut sind.
		 
		
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			Der Vortrag ist teilweise widersprüchlich, auf Seite 11 und auf Seite 12 des Schriftsatzes vom 15.04.204 werden unterschiedliche 17 Abschalteinrichtungen behauptet. Es erschließt sich nicht, welcher Vortrag zugrunde zu legen sein soll. Beispielsweise ist die Lenkwinkel/Lenkwinkelgradient-Abgasrückführungs-Abschalteinrichtung auf Seite 11 genannt, auf Seite 12 jedoch nicht. Die Geschwindigkeitsmessungs-Abgasrückführungs-Abschalteinrichtung und die Geschwindigkeits- und Kühlwassertemperaturmessungs-Abgasrückführungs-Abschalteinrichtung sind hingegen auf Seite 12 genannt, auf Seite 11 jedoch nicht. Im Schriftsatz vom 04.07.2024 erwähnt die Klagepartei sodann erstmalig die Funktion Leerlaufbetriebsmessungs-Abgasrückführungs-Abschalteinrichtung.
		 
		
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			Etwa zu der vorgetragenen „Klimaadjustierung“ fehlt jeder über die bloße Behauptung hinausgehende Vortrag zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug. Die Beklagtenpartei hat mit Schriftsatz vom 02.07.2024 darauf hingewiesen, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine Software-Funktion verbaut ist, welche die Wirksamkeit der Abgasrückführung durch Einschalten der Klimaanlage reduziert. Auch der Verbau einer Abschalteinrichtung „NSC-Regeneration altersabhängig (Altersabhängige (km-Stand) Applikation Sollwertbildung NSC-Regeneration)“ und „SysB; FC-ARB; rba_SyC (Systemsteuerung incl. Timeout-Überwachung u. Benutzerabhängige Verkürzung/Verlängerung der Systemzustände)“ wird lediglich allgemein behauptet. Die Beklagtenpartei hat mit Schriftsatz vom 02.07.2024 darauf hingewiesen, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug keine Funktionalität verbaut ist, welche die Abgasrückführung laufzeitabhängig oder laufleistungsabhängig reduziert.
		 
		
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			a.b) Auch der umfangreiche Vortrag in der Berufungsbegründung vom 09.10.2023 und in der ergänzenden Stellungnahme vom 15.04.2024 zu diversen Abschalteinrichtungen nach Erklärungen der Firma B.  GmbH weist keinen konkreten Bezug zu dem streitgegenständlichen Fahrzeug auf. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug ist unstreitig kein SCR-Katalysator und kein AD-Blue Tank verbaut, worauf die Beklagtenpartei zuletzt mit Schriftsatz vom 02.07.2024 hingewiesen hat; dem ist die Klagepartei auch im Termin vom 10.07.2024 nicht entgegengetreten. Die Erklärungen der Firma B.  GmbH, auf denen der klägerische Vortrag beruht, beziehen sich jedoch auf SCR-Katalysatoren. Die behaupteten Abschalteinrichtungen ECLI:SCRFFC:Main; SCR online dosing; SCRLdG_Main; SCR-Füllstandsregler, Dosiermengenlimitierung bei teilweise eingefrorenem „AdBLue“ Tankinhalt und „DNOX-Ctrl; SCR-Ctrl; SCRPOD/SCRMon/UDC“ betreffen bereits dem Wortlaut nach SCR-Katalysatoren. Auch zu der Funktion „Kälteerkennung in DCU“ ergibt sich aus der Tabelle auf Seite 8 der Berufungsbegründung vom 09.10.2023, dass diese zu einer „Zyklusoptimierung: weniger Harnstoffverbrauch“ führen soll. Auch die Funktion „Abgasheizen (EGTCOND_HtgCON“ betrifft das Aufheizen SCR-Kat bei Kaltstart. Eine Übertragbarkeit von Erklärungen der B.  GmbH auf das streitgegenständliche Fahrzeug ist insoweit bereits ausgeschlossen und kann auch ansonsten nicht ohne weiteres angenommen werden.
		 
		
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			a.c) Soweit sich die Klagepartei darüber hinaus für ihre Behauptung des Vorliegens diverser Abschalteinrichtungen auf Messungen aus einem Gutachten von F. D.  aus dem November 2021 zu einer Einspritzmengen-Abgasrückführungs-Abschalteinrichtung, einer Drehmomentmessungs-Abgasrückführungs-Abschalteinrichtung, einer Geschwindigkeitsmessungs-Abgasrückführungs-Abschalteinrichtung, einer Kühlwassertemperaturmessungs-Abgasrückführungs-Abschalteinrichtung und einer Klimaanlagenbetriebsmessungs-Abgasrückführungs-Abschalteinrichtung zu einem BMW X3 bezieht, erschließt sich nicht, dass diese Messungen auf den streitgegenständlichen BMW Typ 318 D Touring Sportline Automatik übertragbar sein sollen.
		 
		
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			a.d) Das Vorliegen von Abschalteinrichtungen ergibt sich auch nicht aus einem Rückruf des Kraftfahrbundesamtes. Das streitgegenständliche Fahrzeug unterlag und unterliegt keinem emissionsrelevanten Rückruf. Das Erstgericht hat hierzu vielmehr zutreffend ausgeführt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt wiederholt bestätigt hat, dass in dem streitgegenständlichen Motortyp keine unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut sind (amtliche Auskunft des KBA an das LG Erfurt vom 30.07.2021, Anlage B 4a und amtliche Auskunft des KBA an das LG Bonn vom 22.11.2021, Anlage B 4b).
		 
		
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			a.e) Zu den vorgetragenen Funktionen „Rollenmodus in DCU (Erkennung Rollenmodus in DCU – für Ersatzwertbildung Fahrgeschwindigkeitssignal erforderlich)“ und „Mo, COM, SW-sharing (Der vom ESP (über CAN) erkannte Rollenstatus wird von der Motorsteuerung empfangen und per SW-sharing an die BMW-SW (obj) weitergegeben)“ ist nicht hinreichend schlüssig vorgetragen, dass diese Funktionalitäten eine Auswirkung auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs haben.
		 
		
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			Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, enthalten Fahrzeuge unbestritten einen Rollenmodus, also eine Prüfstanderkennung, um eine Fahrt auf dem Rollenprüfstand überhaupt erst zu ermöglichen, da einige Fahrzeugsysteme auf dem Prüfstand nicht so arbeiten können wie im Straßenbetrieb. Eine Auswirkung auf das Emissionsverhalten des Fahrzeugs ist damit nicht belegt.
		 
		
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			Der bloße Verbau einer Fahrkurven-, Zyklus- oder Prüfstanderkennung stellt für sich genommen noch keine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Erst wenn die Ermittlung von Parametern genutzt wird, um die Funktion eines Teils des Emissionskontrollsystems so zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, dass die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems im normalen Fahrzeugbetrieb verringert wird, liegt eine (grundsätzlich unzulässige) Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Abs. 10 VO (EG) Nr. 715/2007 vor.
		 
		
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			a.f) Die vorgetragenen Funktionen „Sammelfehlerpfade für Bosch-Nox-Sensoren“ und „DNOX-Ctrl; SCR-Ctrl; SCRPOD/SCRMon/UDC“, „Fehlerspeichereintrag im Nachlauf“ betreffen ausweislich der Tabelle, a.a.O., das OBD-System. Das On-Board-Diagnose-System (OBD-System) stellt bereits begrifflich keine Abschalteinrichtung im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) Nr. 715/2007 dar. Nach insoweit unstreitigem Beklagtenvortrag überwacht das OBD-System die abgasbeeinflussenden Systeme während des Fahrbetriebs, wirkt auf diese aber nicht ein.
		 
		
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			a.g) Es kann daneben dahingestellt bleiben, ob das unstreitig verbaute Thermofenster sowie die unstreitig verbauten Funktionen, welche die AGR-Rate in kumulativer Abhängigkeit der Fahrzeuggeschwindigkeit und Motortemperatur, sowie daneben in Abhängigkeit bestimmter Lenkvorgänge, des Luftdrucks und des langen Leerlaufs jeweils eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen, da ihr Einsatz jedenfalls nicht sittenwidrig ist.
		 
		
			30
			Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagten handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung dieser Funktionen – deren Unzulässigkeit unterstellt – in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, zeigt die Klagepartei auch in der Berufungsbegründung nicht auf.
		 
		
			31
			Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten wäre nur gerechtfertigt, wenn zu dem etwaigen Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007/EG weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme von Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der emissionsbeeinflussenden Einrichtungen in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen die Klagepartei als Anspruchstellerin. Entscheidend ist das Vorstellungsbild der Beklagten zum maßgeblichen Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung – spätestens dem Eintritt des behaupteten Schadens in Form des Vertragsschlusses (vgl. BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rn. 19; BGH, Beschluss vom 21.03.2022 – VIa ZR 334/21, Rn. 19, jeweils zitiert nach juris).
		 
		
			32
			Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 02.07.2024 nachvollziehbar dargelegt, dass der Einsatz des Thermofensters aus Motorschutzgründen erfolgt ist und nach ihrer Kenntnis Thermofenster in allen in der EU hergestellten Dieselfahrzeugen zum Einsatz kommen. Ein besonders verwerfliches Verhalten der Beklagten im Hinblick auf das Thermofenster zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist nicht ersichtlich (vgl. hierzu etwa BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rn. 15 ff).
		 
		
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			Zu der Modulation der Abgasrückführung in Abhängigkeit von Geschwindigkeit und Motortemperatur, sowie während bestimmter Lenkvorgänge, bei abnehmendem Luftdruck und im langen Leerlauf hat die Beklagte im Schriftsatz vom 02.07.2024 ebenfalls nachvollziehbar vorgetragen, dass es sich um zulässige Emissionsstrategien handle, da der Einsatz dieser Funktionen aus Motorschutzgründen erfolgt sei. Bei kumulativem Vorliegen einer bestimmten Motortemperatur und niedriger bzw. hoher Geschwindigkeit werde die Abgasrückführungsrate wegen des Rußaufbaus um wenige Prozent reduziert, in keinem Fall werde die Abgasrückführungsrate komplett ausgeschaltet. Der Lenkwinkel-/Lenkwinkelgradienterkennung führe nur bei schnellen Lenkeinschlägen, die bei plötzlichem Ausweichen auftreten, zu einer kurzzeitigen Reduzierung der Abgasrückführungsrate, um ein Abschnappen des Motors zu verhindern. Die Anpassung der Abgasrückführungsrate über den Luftdruck berücksichtige die abnehmende Dichte der Luft, welche zu verschlechterten Brennbedingungen führe. Der lange Leerlauf führe nach 300 Sekunden zu einer Abschaltung. Insoweit lägen bereits keine normalen Bedingungen im Straßenverkehr vor.
		 
		
			34
			Anhaltspunkte dafür, dass die für die Beklagten handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung des Thermofensters sowie der weiteren Funktionen – deren Unzulässigkeit unterstellt – in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen, zeigt die Klagepartei auch in der Berufungsbegründung nicht auf, insbesondere da hinsichtlich keiner der Funktionen ersichtlich ist, dass eine mit einer Prüfstanderkennung verbundene Umschaltlogik vorliegt.
		 
		
			35
			b) Den geltend gemachten Anspruch auf Rückabwicklung kann die Klagepartei auch nicht aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB herleiten.
		 
		
			36
			Hierfür mangelt es jedenfalls an der Bereicherungsabsicht und der in diesem Zusammenhang erforderlichen Stoffgleichheit des auf Seiten der Beklagten erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit einem etwaigen Vermögensschaden der Klagepartei (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20 –, juris Rn. 17 ff.).
		 
		
			37
			c) Nachdem ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB oder §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB nicht ersichtlich ist, kommt auch ein Anspruch auf Feststellung von Annahmeverzug bei der Rückabwicklung nicht Betracht.
		 
		
			38
			d) Auch der weitere Feststellungsantrag hinsichtlich weiterer Schäden war mangels Anspruchsgrundlage abzuweisen.
		 
		
			39
			3. Der weitere hilfsweise gestellte Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 25 % bezogen auf den Kaufpreis ist nicht gegeben. Es gelten die Ausführungen unter 2.a) und b). Darüber hinaus wäre auch dieser Schaden aufgezehrt, es gelten auch insoweit die Ausführungen unter 1..
		 
		
			40
			4. Der in dem weiteren Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch auf Beseitigung diverser behaupteter Abschalteinrichtungen ist ebenfalls nicht gegeben.
		 
		
			41
			Zum einen ist der aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 I, 27 I EG-FGV folgende und der Höhe nach auf 15 % des gezahlten Kaufpreises begrenzte Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens nicht auf die begehrte Beseitigung gerichtet. Der BGH hat entschieden, dass die Bestimmungen der §§ 6 I, 27 I EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsschuss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, BGH, NJW 2023, 2259 Rn. 29-32. Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf Ersatz weiterer Vermögensnachteile, BGH NJW 2024, 49.
		 
		
			42
			Zum anderen besteht kein Anspruch aus § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB aus dem der geltend gemachte Beseitigungsanspruch folgen könnte.
		 
		
		
			43
			Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
		 
		
			44
			Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
		 
		
			45
			Die Revision war nicht zuzulassen. Die entscheidenden Rechtsfragen sind sämtlich höchstrichterlich geklärt.
		 
		
			46
			Der Streitwert für das Berufungsverfahren ergibt sich aus der Addition der ursprünglich gestellten Berufungsanträge.