Titel:
Hochschulprofessor, Wechsel aus dem Bayerischen, Beamtenverhältnis in den öffentlichen Dienst eines anderen EU-Mitgliedstaats, Zeitlicher Anwendungsbereich des Art. 99a BayBeamtVG, Unionsrechtlicher Anspruch auf Ergänzung der gesetzlichen Altersrente aus Art. 45, AEUV
Normenketten:
BayBeamtVG Art. 99a
AEUV Art. 45
Schlagworte:
Hochschulprofessor, Wechsel aus dem Bayerischen, Beamtenverhältnis in den öffentlichen Dienst eines anderen EU-Mitgliedstaats, Zeitlicher Anwendungsbereich des Art. 99a BayBeamtVG, Unionsrechtlicher Anspruch auf Ergänzung der gesetzlichen Altersrente aus Art. 45, AEUV
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 08.12.2020 – W 1 K 20.399
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 23.07.2025 – 2 B 52.24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49039
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 8. Dezember 2020 wird dahin abgeändert, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Klä- ger ab dem 1. April 2017 einen nach der Rechtsauffassung des Senats zu bestimmenden monatlichen Betrag für den Ausgleich der Einbußen in der Altersversorgung aufgrund seiner Entlassung aus dem Beam- tenverhältnis zum Beklagten zuzuerkennen.
II. Im Übrigen wird die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.
III. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
IV. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen trägt der Klä- ger 2/3 und der Beklagte 1/3. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
V. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jewei- lige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrags ab- wenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
VI. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Kläger beansprucht den Ausgleich der Einbußen in seiner Altersversorgung infolge seiner Entlassung aus dem Lebenszeitbeamtenverhältnis und seines Wechsels in den öffentlichen Dienst eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union.
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Der 1951 geborene Kläger stand zunächst ab dem 1. Oktober 1990 im Angestelltenverhältnis und ab 5. August 1991 als beamteter Professor an der Universität … im Dienst des Beklagten. Um einem Ruf der Universität … zu folgen, beantragte der Kläger die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis. Diesem Antrag wurde mit Ablauf des 31. März 2003 entsprochen. Der Kläger wurde in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert.
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Seinen Antrag vom 28. Mai 2017, ihm ergänzende Versorgungsleistungen im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 13. Juli 2016 in der Rechtssache „Pöpperl“ (Az. C-187/15) zu gewähren, lehnte das Landesamt für Finanzen mit Bescheid vom 23. August 2017 und Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2018 unter Hinweis darauf ab, dass zum Entlassungszeitpunkt keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nachversicherung bestanden hätten.
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Der Bayerische Gesetzgeber erließ am 18. Mai 2017 zur Umsetzung der „Pöpperl“Entscheidung Art. 99a BayBeamtVG, der rückwirkend zum 13. Juli 2016 in Kraft getreten ist.
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Das Verwaltungsgericht hob die Bescheide des Landesamts für Finanzen auf Klage vom 16. März 2018 mit Urteil vom 8. Dezember 2020 auf und verpflichtete den Beklagten unter Klageabweisung im Übrigen, dem Kläger eine ergänzende Versorgungsabfindung gemäß Art. 99a BayBeamtVG mit der Maßgabe zu gewähren, dass der Abschlag gemäß Art. 99a Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG zu unterbleiben habe und der Unterschiedsbetrag bezogen auf den Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze (1.4.2017) zu berechnen sei.
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Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Modifikationen des Art. 99a BayBeamtVG und beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2020 insoweit abzuändern, als der Beklagte zur Gewährung einer ergänzenden Versorgungsabfindung gemäß Art. 99a BayBeamtVG mit der Maßgabe verpflichtet wurde, dass der Abschlag gemäß Art. 99a Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG zu unterbleiben hat und der Unterschiedsbetrag auf den Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze zu berechnen ist.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er erhebt ferner Anschlussberufung und beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2020 abzuändern. Der Bescheid des Beklagten vom 25. August 2017 und dessen Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2018 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts einen Nachteilsausgleich für seinen Verlust in der Altersversorgung, der durch die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis zum 31. März 2003, 24 Uhr und seine Nachversicherung in der Deutschen Rentenversicherung entstanden ist, zu gewähren, mindestens einen monatlichen Betrag in Höhe von 3.498,62 Euro beginnend ab dem 1. April 2017. Der Beklagte hat dem Kläger hierauf Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB aus dem jeweils fälligen Betrag zu bezahlen beginnend ab 16. März 2018, dem Tag der Anhängigkeit der verwaltungsgerichtlichen Klage.
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Dem Kläger geht es im Wesentlichen darum, dass die ergänzenden Versorgungsleistungen (insbesondere aus steuerlichen Gründen) monatlich ausbezahlt werden und sich die Berechnung zum Nachteilsausgleich nicht ausschließlich auf die Zeiten beschränkt, in denen er Beamter des Beklagten war. Konkret geht es um Zeiten des Hochschulstudiums, der Promotion, der Habilitation und weitere förderliche Dienstzeiten. Soweit diese Zeiten bereits im Rahmen der österreichischen Pension berücksichtigt würden, beruhe dies darauf, dass der Kläger hierfür Pensionsversicherungsbeiträge entrichtet habe. Der Kläger müsse nach der Rechtsprechung des EuGH wie ein Beamter behandelt werden, der innerstaatlich zu einem anderen Dienstherrn wechsle; diesen Beamten würden die Vordienstzeiten von ihrem neuen Dienstherrn im Wesentlichen anerkannt.
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Der Beklagte beantragt,
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die Anschlussberufung zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, durch eine (entsprechende) Anwendung des Art. 99a BayBeamtVG auch in Fällen, in denen der Beamte – wie der Kläger – bereits vor dem Inkrafttreten der Vorschrift aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden war, würde dem Willen des Gesetzgebers und dem von ihm gewählten Weg, die in Rede stehenden Sachverhalte gerade durch das Modell der Abfindung einer unionsrechtskonformen Regelung zuzuführen, soweit wie möglich entsprochen und zur Geltung verholfen. Richterliche Rechtsfortbildung sei mit Blick auf die Gewaltenteilung auf das erforderliche Maß zu begrenzen und der Geltungsbereich nationaler Vorschriften von den Gerichten bestmöglich zu erhalten. Eine Auslegung, nach der Art. 99a BayBeamtVG auf Altfälle wie den vorliegenden angewandt werde, sei nur contra legem, wenn sie dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufe. Bei Zweifeln sei zugunsten des Gesetzgebers davon auszugehen, dass dieser die Materie umfassend (unions) rechtmäßig regeln wollte. Für eine bewusst eingeschränkte Umsetzung des Urteils des EuGH in der Rechtssache „Pöpperl“ gebe es keine Anhaltspunkte. Angesichts dessen könne nicht angenommen werden, der Gesetzgeber habe bewusst seinen verfassungsrechtlichen Auftrag sowie den Auftrag des EuGH nicht vollständig erfüllen wollen. Wenn man davon ausgehe, dass der Gesetzgeber Altfälle bewusst nicht geregelt habe, würde ihm unterstellt, er hätte wissentlich einen rechtswidrigen Zustand aufrechterhalten wollen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Anschlussberufung des Klägers ist mit der Maßgabe begründet, dass der Beklagte verpflichtet wird, dem Kläger ab dem 1. April 2017 einen monatlichen Betrag für den Ausgleich der Einbußen in der Altersversorgung aufgrund seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis nach der Rechtsauffassung des Senats zuzuerkennen.
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Das Verwaltungsgericht hat zwar zutreffend angenommen, dass die Beschränkung der Altersversorgung des Klägers auf den aus der Nachversicherung resultierenden Rentenanspruch in der gesetzlichen Rentenversicherung diesen in seinem Recht aus Art. 45 AEUV verletzt. Der dem Kläger zustehende „Anspruch auf Ergänzung der gesetzlichen Altersrente“ errechnet sich jedoch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht nach einem „modifizierten“ Art. 99a BayBeamtVG. Dieser ist vorliegend weder unmittelbar noch analog anwendbar (1.). Grundlage des Anspruchs ist damit unmittelbar das Unionsrecht, hier Art. 45 AEUV (2.).
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1. Das Beamtenversorgungsrecht sah die Mitnahme beamtenrechtlicher Versorgungsanwartschaften bei einem Wechsel in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ursprünglich nicht vor. Mit Art. 99a BayBeamtVG führte der Bayerische Gesetzgeber für ausscheidende Beamte, die in den öffentlichen Dienst eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union wechseln, eine ergänzende Versorgungsabfindung ein. Die Regelung trat als § 8 Nr. 14 des Gesetzes zur Änderung personalaktenrechtlicher und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (GVBl. 2018 S. 286) nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 dieses Gesetzes rückwirkend zum 13. Juli 2016, dem Tag der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Pöpperl (C-187/15 – juris) in Kraft.
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1.1 Art. 99a BayBeamtVG ist in Fällen, in denen ein Beamter vor dem 13. Juli 2016 von der unionsrechtlichen Arbeitnehmerfreizügigkeit Gebrauch gemacht hat und deshalb aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden ist, nicht unmittelbar anwendbar. Dies ergibt sich eindeutig aus dem Inkrafttreten des Gesetzes (erst) zum 13. Juli 2016, dem Tag des genannten Urteils des Europäischen Gerichtshofs, sowie aus der Begründung des vom Landtag unverändert übernommenen Regierungsentwurfs (vgl. LTDrs. 17/20990, S. 36: „Die Einfügung des Art. 99a BayBeamtVG … tritt rückwirkend zum Zeitpunkt der Verkündung des ursächlichen Urteils des EuGH am 13.7.2016 in Kraft. Damit wird sichergestellt, dass alle ab dem Entscheidungszeitpunkt Betroffenen von der Rechtsänderung erfasst werden.“). Dieses Verständnis entspricht auch demjenigen des für den Erlass der Verwaltungsvorschrift nach Art. 99a Abs. 3 Satz 5 BayBeamtVG zuständigen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat, das in der Bekanntmachung vom 28. Mai 2019 (Berechnungsgrundlagen für die ergänzende Versorgungsabfindung nach Art. 99a BayBeamtVG – Ergänzungsabfindungsbekanntmachung; Az. 24-P 1624-1/1, BayMBl. Nr. 227) jährliche Anpassungs- und Diskontierungsfaktoren erst ab einem antragsbedingten Ausscheiden 2016 festgesetzt hat.
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1.2 Auch eine analoge Anwendung des Art. 99a BayBeamtVG scheidet aus.
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Eine solche begegnet bereits vor dem Hintergrund des in Art. 3 Abs. 1 BayBeamtVG statuierten Gesetzesvorbehalts Bedenken (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.2006 – 2 C 43.04 – BVerwGE 125, 79 Rn. 10 m.w.N.; U.v. 9.11.2006 – 2 C 4.06 – ZTR 2007, 410; U.v. 27.3.2014 – 2 C 2.13 – juris Rn. 22 f.). Im Übrigen kann eine Planwidrigkeit der bestehenden Gesetzeslücke nicht festgestellt werden. Wenngleich der Beklagte vorträgt, der Gesetzgeber habe die Frage der beamtenrechtlichen Versorgung beim Wechsel eines Beamten in ein Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union umfassend unionsrechtskonform regeln wollen, ist vor dem Hintergrund der unmissverständlichen Inkrafttretensregelung sowie der bereits referierten Gesetzesbegründung, der zufolge sichergestellt werden sollte, dass alle ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des EuGH vom 13. Juli 2016 Betroffenen von der Rechtsänderung erfasst werden, dennoch von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen.
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Eine analoge Anwendung scheidet schließlich auch mangels Vergleichbarkeit des von der gesetzlichen Regelung erfassten Sachverhalts mit der streitgegenständlichen Fallgestaltung aus. Eine Anwendung des Art. 99a Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG auf den Fall des Klägers hätte eine Beeinträchtigung dessen Rechts auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV sowie eine Ungleichbehandlung gegenüber Beamten zur Folge, die (erst) ab dem Inkrafttreten des Gesetzes aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden. Während für den Kläger nach den Berechnungen des Landesamts für Finanzen – unter Zugrundelegung einer modifizierten Anwendung des Art. 99a BayBeamtVG – bei Erreichen der Altersgrenze (31.3.2017) für seine Altersversorgung ein Kapitalstock von 139.816 € notwendig wäre, reduziert sich dieser abgezinst auf den nach der gesetzlichen Vorschrift maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung des Beamtenverhältnisses auf 76.824 € und damit erheblich. Diese Reduzierung kann der Kläger anders als im „Normalfall“ der unmittelbaren Anwendung des Art. 99a BayBeamtVG nicht dadurch kompensieren, dass er den abgezinsten Betrag gewinnbringend am Kapitalmarkt anlegt. Das führt zum einen zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung und zum anderen zur eingangs bereits erwähnten Beeinträchtigung des Art. 45 AEUV, so dass vorliegend anders als in den von der gesetzlichen Regelung umfassten Fällen nicht auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Beamtenverhältnis abgestellt werden kann.
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1.3 Eine „modifizierte“ Anwendung des Art. 99a BayBeamtVG dergestalt, dass entgegen dessen Abs. 3 Satz 1 für die Berechnung der (fiktiven) Versorgungsanwartschaft nicht auf den Zeitpunkt der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, sondern auf den Zeitpunkt des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze abgestellt wird, scheidet ebenfalls aus.
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Der Grundsatz der unionsrechtskonformen ergänzenden Auslegung des nationalen Rechts unterliegt mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung der nationalen Gerichte, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und darf insbesondere nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, U.v. 15.4.2008 – C-268/06, Impact – juris Rn. 100 ff.; U.v. 15.1.2014 – C-176/12, Association de médiation sociale – juris Rn. 39; U.v. 13.7.2016 – C-187/15, Pöpperl – juris Rn. 44 f.; U.v. 18.1.2022 – C-261/20, Thelen Technopark Berlin – NJW 2022, 927 Rn. 28 m.w.N.). Deutlich erkennbare gesetzliche Entscheidungen dürfen daher auch im Wege unionsrechtskonformer Rechtsfortbildung nicht durch die Gerichte abgeändert und ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen geschaffen werden (BVerfG, B.v. 26.9.2011 – 2 BvR 2216/06 – NJW 2012, 669 Rn. 45 ff., 56). Vielmehr ist die Beachtung des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers Ausdruck demokratischer Verfassungsstaatlichkeit und trägt dem Grundsatz der Gewaltenteilung Rechnung (BVerfG, B.v. 6.6.2018 – 1 BvL 7/14 – NZA 2018, 774 Rn. 73 ff. m.w.N.). Die Gerichte dürfen sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck sowie der Regelungskonzeption des Gesetzes entziehen, wie sie in Wortlaut, Systematik und den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommen, sondern müssen die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren. Eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein. Wenn in Anwendung dieser Grundsätze eine unionsrechtskonforme Auslegung nicht möglich ist, ist das nationale Gericht verpflichtet, Unionsrecht in vollem Umfang unmittelbar anzuwenden und die Rechte, die dieses dem Einzelnen einräumt, zu schützen, indem es entgegenstehende Vorschriften des innerstaatlichen Rechts unangewendet lässt (EuGH, U.v. 18.12.2007 – C-357/06, Frigerio Luigi – juris Rn. 28 m.w.N.).
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Vorliegend bedeutete eine modifizierte Anwendung des Art. 99a BayBeamtVG im Wege richterlicher Rechtsfortbildung eine Anwendung contra legem. Denn vor dem Hintergrund des auf den 13. Juli 2016 beschränkten rückwirkenden Inkraftsetzens der Norm, ihrer Ausgestaltung sowie der Gesetzesbegründung muss von einer insoweit bewussten Entscheidung des Gesetzgebers ausgegangen werden. Dem Gesetzgeber muss bei Schaffung der Regelung klar vor Augen gestanden haben, dass auch Beamten, die bereits vor Ergehen des Urteils des EuGH in der Rechtssache „Pöpperl“ aus dem Beamtenverhältnis in den öffentlichen Dienst eines anderen EU Mitgliedstaats gewechselt waren, aufgrund des Art. 45 AEUV ein Anspruch auf eine ergänzende Versorgung zusteht. Dennoch hat er diese Fälle explizit aus der gesetzlichen Regelung ausgeklammert und darüber hinaus eine Regelung geschaffen, die inhaltlich ersichtlich auf Fälle zugeschnitten ist, in denen der Beamte den Antrag auf ergänzende Versorgungsabfindung mit oder in zeitlichem Zusammenhang zu seinem Ausscheiden aus dem bayerischen Beamtenverhältnis stellen kann, was sich sowohl in dem Abstellen der Vorschrift auf diesen Zeitpunkt als auch in der Wahl des Modells einer Abfindung zeigt. Durch das Abstellen auf einen anderen maßgeblichen Zeitpunkt als im Gesetz bestimmt würde der gesetzgeberische Wille verändert und eine Anwendung contra legem vorgenommen, weil insbesondere nicht feststeht, dass der Gesetzgeber für derartige „Altfälle“ das Abfindungsmodell ebenfalls als sachgerechte Lösung zur Schließung der Versorgungslücke erachtet hätte. Denn der wirtschaftliche Wert einer Kapitalabfindung wird neben ihrer Höhe maßgeblich von der jeweils zur Verfügung stehenden Dauer des Anlagezeitraums bis zum Eintritt in den Ruhestand beeinflusst. Das mit einem solchen Kapitalbetrag verbundene Anlage- bzw. Nutzungspotenzial ist umso gewichtiger, je länger das Kapital ohne Eingriff in seine Substanz genutzt werden kann. Eine derartige Abfindung bietet eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten, die allein von den Bedürfnissen und der Anlagestrategie ihres Empfängers abhängen und damit über eine verzinsliche Anlage in der Art einer kapitalbildenden Lebensversicherung (oder privaten Rentenversicherung) mit Einmaleinzahlung weit hinausgehen können und daher auch durch eine hieran orientierte pauschale Aufzinsung nicht in vergleichbarer Weise kompensiert werden können. Auch wenn man bei der Ermittlung des Werts der Versorgungsanwartschaft und deren Umrechnung in einen Barwert den Zeitpunkt des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze zugrunde legt und mithin keine Diskontierung vornimmt, bleibt Beamten wie dem Kläger, die den Antrag erst kurz vor oder bei Ruhestandseintritt stellen konnten, anders als Beamten, die den Antrag nach Art. 99a BayBeamtVG bereits im zeitlichen Zusammenhang mit ihrem Ausscheiden stellen und bis zum Ruhestandseintritt in freier Verantwortung mit dem Geld wirtschaften, also es so einsetzen können, wie es die Versorgung aus ihrer künftigen Tätigkeit bestmöglich ergänzt, aber kaum Zeit zur Anlage am Kapitalmarkt.
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2. Der Anspruch des Klägers auf eine der erdienten beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaft gleichwertige Versorgung ergibt sich daher mangels anwendbarer gesetzlicher Regelung unmittelbar aus Art. 45 AEUV. Gültiges Bezugssystem, an dem sich der Anspruch des Klägers zum Ausgleich der Nachteile in der Altersversorgung zu orientieren hat, ist nach dem Urteil des EuGH vom 13. Juli 2016 (a.a.O. Rn. 47) die Rechtsstellung eines Beamten, der innerstaatlich den Dienstherrn gewechselt hat und damit Beamter geblieben ist (BVerwG, U.v. 4.5.2022 – 2 C 3.21 – BVerwGE 175, 298 = BeckRS 2022, 16258 Rn. 13).
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Der Kläger erfüllt die unionsrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen. Er hat den Antrag auf Entlassung aus dem zum Beklagten bestehenden Lebenszeitbeamtenverhältnis gestellt, weil er nur auf diese Weise seinen Wunsch realisieren konnte, in Österreich beruflich tätig zu sein; ein grenzüberschreitender Dienstherrenwechsel unter Wahrung der beamtenrechtlichen Versorgung war nicht möglich.
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Zwar ergibt sich aus dem nationalen Verfassungsrecht kein Anspruch auf eine über die Nachversicherung nach § 8 SGB VI hinausgehende Altersversorgung (BVerwG, U.v. 4.5.2022 a.a.O. Rn. 15 m.w.N.), allerdings behindern die wirtschaftlichen Nachteile der Entlassung aus dem zum Beklagten bestehenden Beamtenverhältnis die Ausübung der Grundfreiheit aus Art. 45 AEUV (2.1). Diese Einschränkung ist nicht durch öffentliche Interessen gerechtfertigt (2.2). Dem Kläger müssen im Ergebnis solche Altersversorgungsansprüche zustehen, die insgesamt jenen vergleichbar sind, die er im Beamtenverhältnis zum Beklagten erworben hatte (2.3). Der Ausgleichsanspruch des Klägers ist nicht verjährt (2.4). Für die Berechnung des Ausgleichsanspruchs ist der Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils zu der fiktiven Gesamtversorgung zum 1. April 2017 in Bezug zu setzen. Von diesem Betrag ist der Anteil der Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung abzuziehen, der auf die Nachversicherung im Anschluss an die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis entfällt (2.5).
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2.1 Die wirtschaftlichen Folgen der antragsgemäßen Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit im Hinblick auf seine Altersversorgung beeinträchtigen das Recht des Klägers auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nach Art. 45 AEUV, weil er infolge der Ausübung seiner Arbeitnehmerfreizügigkeit hinsichtlich seiner Altersversorgung bezogen auf seine Dienstzeit beim Beklagten wirtschaftlich schlechter gestellt wird als ein vergleichbarer Beamter, der nach einem innerstaatlichen Dienstherrenwechsel bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand Beamter geblieben ist. Denn der auf der Nachversicherung nach § 8 SGB VI beruhende Anteil an der gesetzlichen Altersrente ist niedriger als der Wert des Anteils an der Gesamtversorgung, die der bis März 2003 im Beamtenverhältnis tätige Kläger bei seinem Verbleib bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand zum 1. April 2017 erhalten hätte.
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2.2 Nach den Maßstäben des Urteils des EuGH vom 13. Juli 2016 ist diese Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit des Klägers aus Art. 45 AEUV nicht gerechtfertigt.
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Als zwingender Grund des Allgemeininteresses, der die Beeinträchtigung der Grundfreiheit aus Art. 45 AEUV zu rechtfertigen vermag, kommt grundsätzlich der Gesichtspunkt der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung in Betracht. Jedoch wird das Ziel der Gewährleistung der Loyalität der Beamten und damit der Kontinuität und Beständigkeit des öffentlichen Dienstes nicht in kohärenter und systematischer Weise erreicht. Denn bei einem innerstaatlichen Wechsel des Dienstherrn mit Zustimmung des Beklagten als abgebendem Dienstherrn wird der betroffene Beamte nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert, sondern bei seinem Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand vom aufnehmenden Dienstherrn nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgt. Diese Versorgung ist mit jener vergleichbar, die er beim bisherigen Dienstherrn erhalten hätte und geht über den Wert der aus der Nachversicherung resultierenden Altersrente hinaus. Zudem ist, wie das Altersgeldgesetz des Bundes und auch landesrechtliche Regelungen zur Portabilität von erworbenen beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften belegen, eine weniger beschränkende Regelung als der Verweis des Beamten auf die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung möglich (BVerwG, U.v. 4.5.2022 a.a.O. Rn. 21).
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2.3 Will ein Beamter von der Grundfreiheit aus Art. 45 AEUV Gebrauch machen, verlangt das Unionsrecht, dass er nicht durch eine für ihn nachteilige Regelung seiner Altersversorgung im Verhältnis zu Fällen des Verbleibs im Mitgliedstaat von einem Wechsel in einen anderen Mitgliedstaat abgehalten wird. Da die nationale Regelung des Art. 99a BayBeamtVG vorliegend nicht anwendbar ist, hat der Kläger Anspruch auf die Anwendung der für die bevorzugte Gruppe – nämlich die Gruppe der Beamten, die innerhalb des Bundesgebiets den Dienstherrn wechseln – geltenden Regelungen.
Dem Kläger steht danach unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Nachversicherung eine Altersversorgung zu, die jener vergleichbar ist, die er bei seinem ursprünglichen Dienstherrn erworben hat (EuGH, U.v. 13.7.2016 a.a.O. Rn. 48).
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2.4 Der Anspruch des Klägers auf Ergänzung der gesetzlichen Altersrente aus der Deutschen Rentenversicherung ist nicht verjährt.
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Fehlen, wie hier, unionsrechtliche Vorgaben zur Verjährung, gelten für die aus dem Unionsrecht abgeleiteten Ansprüche die Verjährungsregeln des nationalen Rechts. Maßgeblich ist daher die dreijährige Verjährungsfrist ab Entstehung des Anspruchs gemäß Art. 8 Satz 1 BayBeamtVG (vgl. BVerwG, U.v. 4.5.2022 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.).
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Ausgehend von Art. 8 Satz 3 BayBeamtVG, § 199 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Ergänzung der Nachversicherung nicht verjährt. Der Anspruch auf Ausgleich der Differenz zwischen der Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung und dem Wert der „erworbenen Versorgungsansprüche für die Zeit im Beamtenverhältnis“ lässt sich erst ab April 2017 berechnen, weil der Kläger beim Verbleib im Dienst des Beklagten zu diesem Zeitpunkt in den Ruhestand getreten wäre (a.A. Pflaum, ZBR 2019, 151, 158, wonach der Anspruch schon bei Entlassung, hier also März 2003, gemäß Art. 8 Satz 2 BeamtVG entstanden und daher verjährt wäre). Die Höhe der fiktiven Gesamtversorgung eines Beamten – und damit auch der „versorgungsrechtliche Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils“ – hängt von der Rechtslage zum Zeitpunkt des Eintritts in den gesetzlichen Ruhestand ab (BVerwG, U.v. 4.5.2022 a.a.O. Rn. 26 m.w.N.). Den Anspruch auf Zahlung eines Ausgleichsbetrags ab dem 1. April 2017 hat der Kläger mit dem im Oktober 2017 eingelegten Widerspruch und der am 16. März 2018 erhobenen Klage verfolgt.
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2.5 Dem Kläger müssen in der Gesamtheit solche Ruhegehalts- und Altersrentenansprüche zustehen, die jenen vergleichbar sind, die er beim beklagten Land als seinem ursprünglichen Dienstherrn erworben hatte (EuGH, U.v. 13.7.2016 a.a.O. Rn. 48). Danach bemisst sich der Anspruch auf Ergänzung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Unterschied zwischen dem Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils an der fiktiven Gesamtversorgung des Klägers zum 1. April 2017 und dem Wert des auf die Nachversicherung entfallenden Anteils an der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Senat schließt sich hinsichtlich der Berechnung dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 4.5.2022 a.a.O. Rn. 33 bis 45) an.
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2.5.1 Danach ist Bezugspunkt für die Berechnung die Stellung eines Beamten, der nach einem inländischen Dienstherrenwechsel wegen des Erreichens der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand versetzt wird. Der dem Kläger zustehende „versorgungsrechtliche Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils“ ist nach dem Prinzip der zeitratierlichen Berechnung zu ermitteln.
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Zunächst ist der Versorgungsanspruch zu berechnen, der dem Kläger zugestanden hätte, wenn er bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze – Ablauf des 31. März 2017 – im Dienst des Beklagten geblieben wäre (fiktive Gesamtversorgung). Maßgeblich ist das am 1. April 2017 geltende Recht, d.h. das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz vom 5. August 2010 (GVBl. S. 410, 764) in der Fassung vom 20. Dezember 2016 (GVBl. S. 399).
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Bei der Berechnung des fiktiven Versorgungsanspruchs zum 1. April 2017 ist aus Gründen der Handhabbarkeit der Berechnung hinsichtlich der für die Bestimmung maßgeblichen Faktoren von den zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis bestehenden Umständen auszugehen. Dies gilt etwa für das erreichte Statusamt, aber auch für die Stufe der Besoldung, für die an den Familienstand anknüpfenden Leistungen oder auch für den etwaigen Bezug einer ruhegehaltfähigen Zulage.
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Zu beachten sind dabei auch die Vorschriften über die Berücksichtigung von Ausbildungs- und sonstigen Vordienstzeiten; soweit ein Ermessen eröffnet ist, ist von der üblichen Praxis des Beklagten auszugehen. Entgegen der Ansicht des Beklagten sind die im Rahmen eines ausländischen Versorgungs- oder Rentensystems – wie hier der österreichischen Rente – berücksichtigten Vordienstzeiten nicht außer Betracht zu lassen (wenngleich dies vorliegend zum selben Ergebnis führen würde), weil auf dieser Ebene allein maßgeblich ist, wie das Ruhegehalt fiktiv ausgefallen wäre, wenn der Kläger die gesamte Dienstzeit bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in einem Beamtenverhältnis zum Beklagten verbracht hätte. An dieser Stelle kommt es daher auf die Höchstgrenzen des Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG nicht an.
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Wenn – wie im Fall des Klägers – das Beamtenverhältnis bereits zum 31. Dezember 1991 bestanden hat, ist auch zu prüfen, ob eine Berechnung nach Maßgabe des Art. 103 Abs. 5 bis Abs. 8 BayBeamtVG zu einem höheren Ruhegehaltssatz führt. Bei der Vergleichsberechnung ist es allerdings ausgeschlossen, lediglich bestimmte, für den Kläger günstige Regelungen des Art. 103 Abs. 5 bis Abs. 8 BayBeamtVG herauszugreifen. Für die nach Art. 103 Abs. 5 BayBeamtVG maßgebliche Vergleichsberechnung ist jeweils der Ruhegehaltssatz bei Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit Ablauf des 31. März 2017 zu bestimmen.
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2.5.2 In einem weiteren Schritt ist nach der zeitratierlichen Methode der Wert des Anteils der vom Kläger im Beamtenverhältnis verbrachten Zeit an dieser fiktiven Gesamtversorgung zu ermitteln (ähnlich § 40 Abs. 2 VersAusglG).
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Der Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils an der fiktiven Gesamtversorgung ergibt sich, wenn das Verhältnis der im Beamtenverhältnis verbrachten Zeit (11 Jahre, 239 Tage) und der gesamten fiktiven Dienstzeit unter Berücksichtigung der Vordienstzeiten mit dem fiktiven Ruhegehalt zum 1. April 2017 multipliziert wird.
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Auch bei der Ermittlung der gesamten fiktiven Dienstzeit sind – wie bei der fiktiven Gesamtversorgung – die im Rahmen eines ausländischen Versorgungs- oder Rentensystems – wie hier der österreichischen Rente – berücksichtigten Vordienstzeiten einzubeziehen, weil auch hier die Verhältnisse zugrunde zu legen sind, wie sie sich bei einem Verbleib des Klägers im Beamtenverhältnis zum Beklagten dargestellt hätten; zugrunde zu legen ist wiederum die übliche Ermessenspraxis des Beklagten.
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Der Kläger meint, die Vordienstzeiten müssten auch im Zähler dieses Bruchs stehen, also bei der im Beamtenverhältnis verbrachten Zeit berücksichtigt werden (so auch Knorr, DÖV 2023, 284; dagegen BVerwG, U.v. 4.5.2022 a.a.O. Rn. 41). Alternativ dürften die Vordienstzeiten zumindest nicht im Nenner dieses Bruchs stehen, weil sie nur für die Bemessung des aufzuteilenden Gesamtbetrags des fiktiven Ruhegehalts relevant sein dürften, nicht aber für dessen Aufteilung. Dies vermag nicht zu überzeugen.
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Die maßgebliche Vergleichsgruppe ist die Gruppe der (ehemaligen) Beamten des Freistaats Bayern, die innerhalb Deutschlands den Dienstherrn gewechselt haben (EuGH, U.v. 13.7.2016 a.a.O. Rn. 36, 46 f., 49). Bei der Berechnung der für diese Vergleichsgruppe an den aufnehmenden Dienstherrn zu zahlenden Abfindung (§ 4 des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrags vom 6.5.2010, GVBl. S. 206) finden gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1, § 6 des Versorgungslastenteilungs-Staatsvertrags nur die Zeiten Berücksichtigung, die beim abgebenden Dienstherrn und bei früheren Dienstherren in einem Beamtenverhältnis zurückgelegt wurden. Die Anrechnung von Vordienstzeiten liegt hingegen in der Verantwortung des aufnehmenden Dienstherrn und kann, da das Beamtenversorgungsrecht seit der Föderalismusreform I 2006 in der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes und der Länder liegt (Art. 73 Abs. 1 Nr. 8, Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG), anderen Regelungen und, soweit es sich um Ermessensvorschriften handelt, einer abweichenden Ermessenspraxis unterworfen sein als beim abgebenden Dienstherrn. Auch der in den öffentlichen Dienst eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union eintretende Beamte wechselt in ein anderes Versorgungssystem, in dem förderliche Vordienstzeiten zumindest potentiell anerkannt werden können. So sieht etwa die Republik Österreich in §§ 6, 53 Pensionsgesetz 1965 (PG) ruhegenussfähige Bundesdienstzeiten und zusätzlich Ruhegenussvordienstzeiten vor; zu letzteren zählen u.a. Zeiten des Studiums (§ 53 Abs. 2 lit. h) bis j) PG), Zeiten selbständiger Erwerbstätigkeit und Zeiten, die im Ausland im öffentlichen oder privaten Dienst zurückgelegt werden (§ 53 Abs. 3 lit. a) und b) PG)). Unter welchen Voraussetzungen diese Zeiten im Rahmen des österreichischen Pensionsgesetzes bzw. generell im Versorgungssystem des aufnehmenden ausländischen Dienstherrn berücksichtigt werden, kann im Einzelfall keine Rolle spielen, da der abgebende deutsche Dienstherr die jeweiligen ausländischen Regeln ebenso wenig nachvollziehen muss wie er dies hinsichtlich der Regelungen anderer Bundesländer tut, in deren öffentlichen Dienst ein bayerischer Beamter wechselt. Art. 45 AEUV verlangt nach der Rechtsprechung des EuGH nur, dass ein Beamter, der ins europäische Ausland wechselt, nicht schlechter gestellt wird als derjenige, der innerhalb Deutschlands zu einem anderen Dienstherrn wechselt.
48
Die Betrachtungsweise des Klägers, wonach der Gesamtbetrag des fiktiven Ruhegehalts in einen zuzusprechenden und einen nicht zuzusprechenden Teil aufzuteilen sei, so dass sämtliche Vordienstzeiten, die beim Verbleib im Beamtenverhältnis zum Beklagten zu berücksichtigen wären, würde in seinem Fall zu einer Besserstellung im Vergleich zu einem innerhalb des Bundesgebiets wechselnden Beamten führen, weil ihm Vordienstzeiten teilweise doppelt zugutekämen. Der Kläger geht von einer insgesamt anzurechnenden Dienstzeit von 28 Jahren und einem Monat aus (im Unterschied zu den 11 Jahren 239 Tagen, die er im Beamtenverhältnis verbracht hat). Er möchte dabei drei Jahre Hochschulstudium, zwei Jahre für die Promotion und drei Jahre für die Habilitation, sieben Jahre sieben Monate förderliche hauptberufliche Tätigkeiten sowie zehn Monate als Professor im Angestelltenverhältnis anerkannt haben. Dazu ist festzustellen, dass dem Kläger laut dem Bescheid der Universität … vom 31. August 2007 bzw. dem Bescheid der Versicherungsanstalt vom 7. März 2018 insgesamt 27 Jahre vier Monate Ruhegenussvordienstzeit angerechnet wurden, die sich zumindest teilweise mit den Zeiten decken, die er vorliegend geltend macht. Dass sich diese Vordienstzeiten im Ergebnis der Höhe nach im Fall des Klägers nicht auf das Ruhegehalt auswirken, ist unerheblich.
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Dieser Befund entspricht auch den Wertungen aus von anderen nationalen Gesetzgebern im Hinblick auf die Portabilität von beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaften getroffenen Regelungen. So sehen § 6 des Altersgeldgesetzes des Bundes, § 77 Abs. 4 des Hessischen Beamtenversorgungsgesetzes, § 89 Abs. 2 i.V.m. §§ 21, 22 und 24 des Beamtenversorgungsgesetzes Baden-Württemberg, § 84 Abs. 3 des Bremischen Beamtenversorgungsgesetzes, § 89c Abs. 3 des Hamburgischen Beamtenversorgungsgesetzes und § 82 Abs. 3 des Niedersächsischen Beamtenversorgungsgesetzes die Anerkennung von Vordienstzeiten als altersgeldfähige Dienstzeiten nur in äußerst eingeschränktem Maße vor. Auch nach Art. 99a Abs. 3 Satz 2, Art. 97 Abs. 2 BayBeamtVG finden nur die Zeiten Berücksichtigung, die beim abgebenden Dienstherrn, bei früheren Dienstherren und bei Dienstherren außerhalb des Geltungsbereichs des BayBeamtVG in einem Beamten-, Richter- oder Soldatenverhältnis zurückgelegt wurden.
50
Auch im Übrigen ist die Anerkennung von Vordienstzeiten als fiktive, im Beamtenverhältnis verbrachte Zeiten weder verfassungs- noch unionsrechtlich geboten.
51
Art. 45 AEUV, der einerseits das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit (Art. 45 Abs. 2 AEUV) als auch andererseits das Verbot, die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu beschränken, umfasst, verleiht dem Beamten lediglich einen Anspruch auf eine der bei seinem ursprünglichen Dienstherrn erdienten beamtenrechtlichen Versorgungsanwartschaft gleichwertige Versorgung (EuGH, U.v. 13.7.2016 a.a.O. Rn. 36). Das Unionsrecht gibt nicht zwingend vor, dass sich der Umzug in einen anderen Mitgliedstaat im Hinblick auf die soziale Sicherheit der betreffenden Person neutral auswirkt (EuGH, U.v. 13.7.2016 a.a.O. Rn. 24). Eine die Freizügigkeit beschränkende Wirkung kommt der zu erwartenden Einbuße allerdings zu, wenn sie erheblich über das hinausgeht, was im engeren Sinne auf den Verzicht auf den Beamtenstatus zurückzuführen ist. Der Beamte darf nicht durch den Verlust seiner erworbenen Ruhegehaltsansprüche aus der Beamtenversorgung an der Wahrnehmung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gehindert werden. Vorschriften, die geeignet sind, die Beamten zu hindern oder davon abzuhalten, ihren Herkunftsmitgliedstaat zu verlassen, um eine Stelle in einem anderen Mitgliedstaat anzunehmen, und die dadurch unmittelbar den Zugang der Beamten zum Arbeitsmarkt in anderen Mitgliedstaaten beeinflussen, sind daher unangewendet zu lassen (EuGH, U.v. 13.7.2016 a.a.O. Rn. 28). Die Anwendung nationaler Regelungen darf nicht dazu führen, dass Beitragsleistungen erbracht werden, denen kein Anspruch auf Gegenleistungen gegenübersteht (vgl. EuGH, U.v. 21.1.2016 – C-515/14, Kommission/Zypern – juris Rn. 40 m.w.N.). Letzteres gilt für Beamte, die keine Beiträge leisten, aber eine Versorgungsanwartschaft erworben haben können, entsprechend (vgl. BVerfG, U.v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99 – BVerfGE 105, 73, juris Rn. 196).
52
Durch die Vordienstzeiten, die – wie im Fall des Klägers – auch in einem anderen Alterssicherungssystem zurückgelegt werden können, hat sich der Kläger allerdings gerade noch keine Versorgungsanwartschaft erdient. Der im Kernbestand durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Anspruch des Beamten auf Versorgung resultiert aus seiner Dienstleistung gegenüber dem Dienstherrn (vgl. BVerfG, U.v. 27.9.2005 – 2 BvR 1387/02 – NVwZ 2005, 1294/1298 m.w.N.). Nach dem Dienstrecht des Bundes und der Länder wird die Versorgung des Ruhestandsbeamten von diesem durch die Dienstleistung während der Dienstzeit erdient. Der Dienstherr behält nicht ausdrücklich Beiträge für die Versorgung ein; vielmehr sind die Brutto-Dienstbezüge der aktiven Beamten im Hinblick auf die künftigen Versorgungsansprüche von vornherein niedriger festgesetzt und der Dienstherr behält einen fiktiven Anteil ein, um die Versorgung zu finanzieren, so dass sich der Beamte hierdurch mittelbar an der Finanzierung der Versorgung beteiligt (BVerfG, U.v. 6.3.2002 a.a.O. juris Rn. 166; U.v. 27.9.2005 a.a.O. – NVwZ 2005, 1294/1300 = juris Rn. 143; B.v. 21.4.2015 – 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 – BVerfGE 139, 19 Rn. 80). Hieraus resultiert die Versorgungsanwartschaft, derer der Kläger durch die Ausübung seines Rechts auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht verlustig gehen darf. Der Anspruch des Klägers auf eine gleichwertige Versorgung erfordert daher (lediglich), dass sich neben den Bezügen des letzten Amtes die gesamte im deutschen Beamtenverhältnis verbrachte aktive Dienstzeit in ihrer späteren – „erdienten“ – Versorgung niederschlägt (vgl. auch BVerfG, B.v. 23.5.2017 – 2 BvL 10/11, 2 BvL 28/14 – juris Rn. 50 m.w.N., Rn. 78). Das Vertrauen eines Beamten, der sich ursprünglich für den Eintritt in ein Beamtenverhältnis auf Lebenszeit entschieden hat und dieses Verhältnis freiwillig verlässt, um in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union tätig zu sein, auf unveränderte Anerkennung sämtlicher Vordienstzeiten im Rahmen der Versorgung durch den bisherigen Dienstherrn ist weder verfassungs- noch unionsrechtlich geschützt. Der Beamte wechselt in ein neues Versorgungssystem, das – wie bereits ausgeführt – ebenfalls die Anrechnung förderlicher Vordienstzeiten vorsehen kann. Im Übrigen sind auch beitragsfreie, nicht bei der Beamtenversorgung berücksichtigte (deutsche) Ausbildungs- und Vordienstzeiten nicht „verloren“, sondern können als solche bei der Bemessung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden (§ 71 Abs. 4 SGB VI).
53
Aus den dargelegten Gründen besteht kein Anlass, der Frage der Berücksichtigung von Vordienstzeiten im Wege des vom Kläger angeregten Vorabentscheidungsersuchens nachzugehen.
54
2.5.3 Der auf diese Weise errechnete Betrag kennzeichnet den Wert des im Beamtenverhältnis verbrachten Zeitanteils an der fiktiven Gesamtversorgung des Beamten zum 1. April 2017. Von diesem Betrag ist der Anteil der Altersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung abzuziehen, der auf die Nachversicherung nach § 8 SGB VI zurückgeht. Bei der Berechnung ist im Fall des Klägers zu beachten, dass dessen gesetzliche Altersrente nicht ausschließlich auf der Nachversicherung nach § 8 SGB VI beruht.
55
Die dargelegte Berechnung ist monatlich vorzunehmen; ihr Ergebnis hängt insbesondere von der Entwicklung der Versorgungsbezüge ab.
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3. Ein Anspruch auf Prozesszinsen besteht nicht.
57
Nach § 291 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hat der Schuldner eine Geldschuld von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschrift ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im öffentlichen Recht entsprechend anzuwenden, wenn das einschlägige Fachgesetz keine abweichende, die Anwendung der Norm ausschließende Regelung trifft (stRspr., BVerwG, U.v. 23.3.2017 – 9 C 1.16 – NVwZ 2017, 1142, 1143 m.w.N.).
58
Das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz enthält keine Regelung, nach der die Zahlung von Prozesszinsen ausgeschlossen ist. Art. 5 Abs. 2 BayBeamtVG regelt nur den Ausschluss eines Anspruchs auf Verzugszinsen; der Anspruch auf Prozesszinsen bleibt hiervon indessen unberührt. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der vorgenannten Vorschrift, der sich ausdrücklich auf Verzugszinsen beschränkt. Diese umfassen nicht gleichsam als „Unterfall“ die Prozesszinsen (BVerwG, U.v. 28.5.1998 – 2 C 28.97 – juris Rn. 11 m.w.N.).
59
Da im Verwaltungsprozess anders als in zivilgerichtlichen Verfahren vielfach nicht unmittelbar auf Leistung des Geldbetrags, sondern mittels der Verpflichtungsklage auf Erlass eines Verwaltungsakts (§ 42 Abs. 1 VwGO) geklagt werden muss, der seinerseits die Auszahlung eines Geldbetrags anordnet, können Prozesszinsen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch verlangt werden, wenn die Verwaltung – wie bei der Festsetzung von Versorgungsbezügen eines Beamten – zum Erlass eines die Zahlung unmittelbar auslösenden Verwaltungsakts verpflichtet worden ist. Die Verpflichtung muss allerdings in der Weise konkretisiert sein, dass der Umfang der zugesprochenen Geldforderung feststeht, die Geldforderung also eindeutig bestimmt ist. Ausreichend ist jedoch, dass die Geldschuld rein rechnerisch eindeutig ermittelt werden kann. Die Geldforderung braucht nach Klageantrag und Urteilsausspruch nicht in jedem Fall der Höhe nach beziffert zu sein (BVerwG, U.v. 28.5.1998 a.a.O. Rn. 12 f. m.w.N.).
60
In Anwendung dieser Grundsätze sind Prozesszinsen vorliegend nicht geschuldet, weil im Hinblick auf die Ermessensvorschriften der Art. 19, Art. 20 und Art. 22 Satz 2 und Satz 4 BayBeamtVG, die bei der Berücksichtigung von Vordienstzeiten ein Ermessen des Dienstherrn vorsehen und sich auf den Prozentsatz des anzusetzenden fiktiven Ruhegehalts auswirken, nach dem Verpflichtungsausspruch eine weitere Rechtsanwendung erforderlich ist, um die exakte Höhe des monatlichen Ausgleichsbetrags zu ermitteln (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.1995 – 11 C 22.94 – BVerwGE 99, 53, 54 = NJW 1995, 3135). Im Hinblick auf die Prozesszinsen wäre das Gericht zu einer Prüfung veranlasst, die nicht unmittelbar an die Entscheidung zur Hauptforderung anknüpfte, sondern darüber hinausginge.
61
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und bestimmt sich nach dem Verhältnis des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.
62
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO notwendig, weil hinsichtlich des Verbescheidungsbegehrens ein Vorverfahren geschwebt hat und es dem Kläger wegen der Schwierigkeit der Sache (vgl. BVerwG, B.v. 21.9.1982 – 8 B 10.82 – NVwZ 1983, 346) nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen. Der klägerseits erforderliche Antrag für diese nicht die gerichtliche Kostengrundentscheidung, sondern das Kostenfestsetzungsverfahren betreffende Entscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2006 – 7 C 14.05 – NVwZ 2006, 1294 Rn. 16) wurde gestellt.
63
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
64
5. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2, § 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG nicht vorliegen.