Titel:
Wasser- und Abwassergebühren, behaupteter Defekt des Wasserzählers, Vermutung der Richtigkeit des Messergebnisses
Normenketten:
KAG Art. 8 Abs. 1
Satzungsbestimmungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung (BGS-WAS) sowie der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung
BGS-EWS) der Beklagten
Schlagworte:
Wasser- und Abwassergebühren, behaupteter Defekt des Wasserzählers, Vermutung der Richtigkeit des Messergebnisses
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48972
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Bescheides der Beklagten über Benutzungsgebühren für die örtliche Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtung.
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Das Grundstück des Klägers Fl.Nr. … der Gemarkung … (…, …) ist an die Wasserversorgungs- und Entwässerungseinrichtung der Beklagten angeschlossen. Ausweislich der von Beklagtenseite vorgelegten Verbrauchsdiagramme lag der minimale Verbrauch im Gewerbegebiet … am 12. Juni 2019 (2 Uhr) bei 0,1 m³/h, ab dem Folgetag (3 Uhr) stieg er auf 0,4 m³/h an. Bei einer Nachschau auf dem klägerischen Grundstück am 1. August 2019 stellte der Wassermeister der Beklagten schließlich ein hängendes Schwimmerventil im Spülkasten der Toilette im Keller des Gebäudes fest. Nach Behebung des Defekts lag der minimale Verbrauch im Gewerbegebiet … am 2. August 2019 (1 Uhr) bei 0 m³/h. Der sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindliche Wasserzähler wurde vom Wassermeister der Beklagten am 2. Oktober 2019 turnusmäßig ausgewechselt.
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Mit Bescheid vom 31. Januar 2020 setzte die Beklagte gegenüber dem Kläger für den Abrechnungszeitraum vom 1. Januar 2019 bis zum 31. Dezember 2019 Wasser- und Kanalgebühren in Höhe von insgesamt 2.981,96 EUR fest. Für den Zähler … (1. Januar 2019 bis 2. Oktober 2019) wurde im Abrechnungsbereich Wasser eine Grundgebühr von 13,56 EUR und eine Verbrauchsgebühr von 1.080,20 EUR erhoben. Letzterer lag ein Verbrauch von 491 m³ und eine Gebühr von 2,20 EUR/m³ zugrunde. Für den Zähler 57812391 (3. Oktober 2019 bis 31. Dezember 2019) wurde eine Grundgebühr von 4,44 EUR und eine Verbrauchsgebühr von 72,60 EUR berechnet, die sich aus dem Verbrauch von 33 m³ und der Gebühr von 2,20 EUR/m³ ergab. Die angesetzte Mehrwertsteuer betrug 81,96 EUR. Für den Abrechnungsbereich Kanal wurden die 491 m³ und 33 m³ jeweils mit einer Gebühr von 3,30 EUR/m³ multipliziert, was zu einem Betrag in Höhe von 1.620,30 EUR bzw. 108,90 EUR führte. Insgesamt ergab sich damit ein Bruttobetrag in Höhe von 2.981,96 EUR, von dem die bisherigen Abschläge in Höhe von 231,00 EUR abgezogen wurden, so dass der Zahlbetrag mit 2.750,96 EUR ausgewiesen wurde.
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Bei einer Vorsprache am 20. Februar 2020 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten, die WC-Anlage sei im Jahr 2019 defekt gewesen. Mit Schreiben vom 6. Februar 2020 sowie vom 8. November 2020 legte er „Einspruch“ gegen die Wasser- und Kanalgebührenabrechnung vom 31. Januar 2020 ein und meldete Zweifel hinsichtlich der Funktionstüchtigkeit des Zählers an, da weder eine derartige Menge an Wasser verbraucht noch in dieser Größenordnung Abwasser in den Kanal eingeleitet worden sei. Als Vergleich könnten die in den Abrechnungen der letzten zehn Jahre sowie des Jahres 2020 zugrunde gelegten Verbrauchswerte herangezogen werden.
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Mit Schreiben vom 9. Juni 2021 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die defekte WC-Anlage den hohen Verbrauch im Jahr 2019 erkläre. Da am 2. Oktober 2019 ein neuer Wasserzähler eingebaut worden sei, könne keine Überprüfung des Zählers mehr durchgeführt werden. Laut dem Leitsystem der Beklagten sei das Wasser nachweislich verbraucht worden. Am 1. August 2019, dem Tag der Feststellung des Defekts, seien zwei Wasserwarte der Beklagten vor Ort gewesen. Der Defekt habe ihrer Aussage zufolge im Spülkasten des WCs des Klägers gelegen. Mit Schreiben vom 17. Mai 2022 legte die Beklagte den Widerspruch schließlich dem Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) zur Entscheidung vor.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2023 wies das Landratsamt den Widerspruch des Klägers vom 6. Februar 2020 gegen den Wasser- und Kanalgebührenbescheid der Beklagten zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Wasserverbrauch sei durch die Beklagte korrekt ermittelt worden. Der „Zählerstand neu“ habe zum 2. Oktober 2019 nachweislich 860 m³ betragen, woraus sich der erhöhte Verbrauch von 491 m³ im Betrachtungszeitraum ergebe. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche auf einen Defekt des am 2. Oktober 2019 ausgetauschten Zählers hinwiesen. Ein solcher Defekt sei von Seiten des Klägers auch nicht nachgewiesen worden. Somit sei die Beklagte nicht befugt gewesen, den Wasserverbrauch stattdessen zu schätzen. Zudem lasse sich allein durch den geringeren Durchschnittsverbrauch der Vorjahre nicht widerlegen, dass im Betrachtungszeitraum ein erhöhter Wasserverbrauch vorgelegen habe. Anhand der Diagramme zur Wasserversorgung der Beklagten werde vielmehr ersichtlich, dass zwischen dem 12. Juni 2019 und dem 1. August 2019 tatsächlich ein erhöhter Verbrauch vorgelegen habe. Dieser habe am 1. August 2019 mit Feststellung der defekten Toilettenspülung durch die Wasserwarte der Beklagten geendet. Es liege daher nahe, dass der erhöhte Verbrauch auf den Defekt der Toilettenanlage zurückzuführen sei. Die Verbrauchsgebührenschuld entstehe mit dem Verbrauch. Hierbei komme es nicht darauf an, zu welchem Zweck das Wasser entnommen worden sei, wozu es tatsächlich Verwendung gefunden habe und ob es mit Wissen und Wollen des Gebührenschuldners, unbemerkt oder gar gegen seinen Willen aus der öffentlichen Anlage entnommen worden sei. Ausschlaggebend sei einzig die tatsächlich aus der öffentlichen Einrichtung entnommene Wassermenge. Die festgestellte Verbrauchsmenge sei korrekt ermittelt worden.
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Am 16. Februar 2023 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 31. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2023 zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth. Mit Schriftsatz vom 22. Februar 2023 zeigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Vertretung an. Er beantragte zuletzt,
den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes … vom 17. Januar 2023 insoweit aufzuheben, als darin insgesamt Gebühren von mehr als 584,66 EUR festgesetzt wurden.
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Zur Begründung der Klage führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter dem 30. Oktober 2023 im Wesentlichen aus, unter Berücksichtigung des Zeitraums, in dem nach den Ausführungen der Beklagten aufgrund der Fehlfunktion der Toilettenspülung ein permanenter Wasserlauf stattgefunden habe, komme man zu dem Ergebnis, dass täglich 10 m³ Wasser durch die Toilette abgeflossen seien. Dies sei technisch nicht möglich. Insbesondere wäre eine laufende Toilette bei Maximalverbrauch im gesamten Gebäude hörbar gewesen. Der von der Beklagten geltend gemachte Wasserverbrauch könne daher nur durch eine falsch messende Wasseruhr verursacht worden sein.
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Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19. Dezember 2023 ließ die Beklagte beantragen,
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Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend eine Stellungnahme des Wassermeisters der Beklagten vom 2. Dezember 2023 nebst Anlagen vorgelegt. Daraus sei ersichtlich, dass es ab dem 13. Juni 2019 zu einem Mehrverbrauch im Versorgungsgebiet gekommen sei. Bis zur Schadensfeststellung durch den Wassermeister der Beklagten am 1. August 2019 seien nach seiner Berechnung ohne Weiteres mehr als 400 m³ an schadensbedingtem Verbrauch entstanden. Er habe im Anwesen des Klägers ein hängendes Schwimmerventil festgestellt, welches zu einem sog. Dauerläufer geführt habe. In diesem Fall sei der vom Kläger bestrittene Mehrverbrauch für einen Zeitraum von 49 Tagen möglich. Ferner ergebe sich aus den übermittelten Unterlagen, dass die Wasseruhr am 2. Oktober 2019 turnusgemäß gewechselt worden sei. Technische Defizite der geeichten Wasseruhr seien nicht festgestellt worden. Insbesondere hätten sich auch nach der Beseitigung des Schadens der Toilettenspülung zum 1. August 2019 bis zur Auswechslung der Wasseruhr keine ungewöhnlichen Messergebnisse eingestellt, woraus man auf ihre einwandfreie Funktion schließen könne. Die Behauptung des Klägers, der angefallene Verbrauch sei technisch nicht möglich gewesen, sei mithin unrichtig. Ob die laufende Toilette im Gebäude des Klägers hörbar gewesen sei, könne die Beklagte nicht beurteilen, hierauf komme es jedoch auch nicht an. Es sei Sache des Klägers, einen Defekt des Wasserzählers darzulegen und zu beweisen. Gelinge ihm dies nicht, habe er die von ihm verlangten Gebühren zu bezahlen. Denn selbst wenn die Beklagte die materielle Beweislast für den Wasserbezug treffe, komme dem Messergebnis der Wasseruhr grundsätzlich ein hoher, nicht durch bloße Behauptungen widerlegbarer Beweiswert zu, auf den sich die Beklagte berufen könne. Hinzu komme vorliegend, dass der Mehrverbrauch im Versorgungsgebiet nach der Feststellung des Schadens zum 1. August 2019 geendet und der Kläger selbst einen Schaden der Toilettenspülung angegeben habe. Damit sei der aus der Messung des Wasserverbrauchs resultierende Beweiswert vom Kläger durch seine reine Behauptung, ein Mehrverbrauch könne nicht entstanden sein, weder widerlegt noch erschüttert.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers replizierte mit Schriftsatz vom 21. Februar 2024, die Beklagte gehe in ihrer Klageerwiderung nicht darauf ein, dass es technisch nicht möglich sei, dass eine einzelne Toilette den behaupteten Verbrauch überhaupt verursache. Des Weiteren zeigten die vorgelegten Wasserverbräuche jeweils Spitzenentnahmen, nicht aber – unterstellt die Ursache wäre ein hängendes Schwimmerventil gewesen – einen dauerhaften gleichmäßig hohen Verbrauch. Schon hieraus sei ersichtlich, dass der behauptete Defekt für den im Durchschnitt angefallenen Verbrauch von 8 m³ Wasser pro Tag nicht ursächlich sein könne. Soweit die Beklagte angebe, der im Anwesen des Klägers verbaute Wasserzähler sei in Ordnung gewesen, hätte dieser nicht ausgebaut werden müssen. Die Beklagte möge den von ihr ausgebauten Zähler dem Kläger zur Überprüfung zur Verfügung stellen.
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Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2024 nahm der Prozessbevollmächtigte der Beklagten dahingehend Stellung, dass die Beklagte in der Klageerwiderung explizit darauf eingegangen sei, dass es technisch durchaus möglich sei, dass der Verbrauch durch ein hängendes Schwimmerventil verursacht worden sei. In rechtlicher Hinsicht sei darauf zu verweisen, dass der Nachweis der verbrauchten Wassermengen nach § 10 Abs. 3 Satz 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Beklagten vom 3. Dezember 1996, zuletzt geändert durch Satzung vom 18. Dezember 2016 (BGS-EWS) dem Gebührenpflichtigen, hier also dem Kläger, obliege. Einen Antrag nach § 21 der Satzung für die öffentliche Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten vom 19. November 1996 (Wasserabgabesatzung – WAS) auf Überprüfung des ausgebauten Wasserzählers durch eine Eichbehörde oder eine staatlich anerkannte Prüfstelle im Sinne des Eichgesetzes habe der Kläger nicht gestellt. Er sei deshalb mit dem Einwand einer von ihm behaupteten fehlerhaften Funktion des Wasserzählers ausgeschlossen. Der Kläger habe auch die vorgelegten Diagramme zu den Wasserverbräuchen nicht verstanden. Natürlich seien dem Kläger die Spitzenentnahmewerte nicht zuzuordnen, da diese aus den schwankenden Verbräuchen während des Tages resultierten. Aus den Diagrammen sei aber ersichtlich, dass es offensichtlich im Zeitraum vom 12. Juni 2019 bis zum 1. August 2019 einen sog. Dauerläufer im Verbrauchsgebiet gegeben habe, der im Spülkasten des Klägers habe aufgefunden werden können.
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Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom 7. November 2024 Bezug genommen. Ergänzend wird nach § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2020 über die Erhebung von Wasser- und Kanalgebühren für den Zeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes vom 17. Januar 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage des Bescheides ist Art. 8 Abs. 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.V.m. den Satzungsbestimmungen der Beitrags- und Gebührensatzung zur Wasserabgabesatzung der Beklagten vom 3. Dezember 1996 (BGS-WAS) und der BGS-EWS. Gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG können die Gemeinden Benutzungsgebühren für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen erheben. Die Beklagte hat mit der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses gültigen BGS-WAS und der BGS-EWS gemäß Art. 2 Abs. 1 KAG von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
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Der streitgegenständliche Gebührenbescheid ist sowohl mit Blick auf die Erhebung der Wassergebühren (dazu unter 1.) als auch der Kanalgebühren (dazu unter 2.) für das Jahr 2019 rechtmäßig.
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1. Die Heranziehung des Klägers zu Wassergebühren für das Jahr 2019 in Höhe von 1.252,76 EUR (brutto) ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung der Wassergebühren ist § 9 BGS-WAS. Nach dieser Vorschrift erhebt die Beklagte für die Benutzung der Wasserversorgungseinrichtung Grund- und Verbrauchsgebühren. Als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks war der Kläger Gebührenschuldner im Sinne des § 12 BGS-WAS. Nach § 9a Abs. 1 BGS-WAS wird die Grundgebühr nach dem Nenndurchfluss der verwendeten Wasserzähler berechnet. Hier wurden zutreffend gemäß § 9a Abs. 2 Buchst. a BGS-WAS 18,00 EUR/Jahr, also 1,50 EUR/Monat angesetzt.
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Die Verbrauchsgebühr wird nach § 10 BGS-WAS nach der Menge des aus der Wasserversorgungseinrichtung entnommenen Wassers berechnet und betrug für das Jahr 2019 pro Kubikmeter 2,20 EUR (§ 10 Abs. 3 BGS-WAS). Der Wasserverbrauch wird gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 BGS-WAS durch Wasserzähler festgehalten. Er ist durch die Gemeinde nach § 10 Abs. 2 Satz 2 BGS-WAS zu schätzen, wenn ein Wasserzähler nicht vorhanden ist (Nr. 1), der Zutritt zum Wasserzähler oder dessen Ablesung nicht ermöglicht wird (Nr. 2), oder sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Wasserzähler den wirklichen Wasserverbrauch nicht angibt (Nr. 3).
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Wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach entschieden hat, fällt unter den satzungsrechtlichen Begriff des Wasserzählers nicht jedes Gerät zur Erfassung des durchgeflossenen Wasservolumens. Ein Wasserzähler im Sinne einer Abgabesatzung muss grundsätzlich geeicht und verplombt sein, um eine Korrektheit der Messwerte zu gewährleisten (vgl. BayVGH, U.v. 16.3.2009 – 20 B 08.3295 – juris Rn. 28; U.v. 18.2.1998 – 23 B 94.1973 – juris Rn. 28). Bei geeichten Wasserzählern wird die Richtigkeit der Messung vermutet (vgl. BayVGH, U.v. 15.6.2023 – 20 B 21.2421 – juris Rn. 20; OVG NW, B.v. 24.10.2013 – 9 A 2553.11 – juris Rn. 31; VG Gießen, B.v. 26.6.2013 – 8 L 807/13.GI – juris Rn. 26; Ruff, WuM 2016, 255/260 f.; jeweils m.w.N). Hat der Benutzer trotz Verwendung eines geeichten Wasserzählers Bedenken bezüglich der Genauigkeit der Messwerte, muss er den Nachweis führen, dass der Wasserzähler defekt ist. Hierbei kann er nach § 21 Abs. 1 WAS einen Antrag auf Nachprüfung des Wasserzählers durch eine Eichbehörde oder eine staatlich anerkannte Prüfstelle stellen.
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b) Gemessen an diesen Maßstäben sind die hier allein in Streit stehenden Verbrauchsgebühren für das Jahr 2019 rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere durfte die Beklagte zur Berechnung unter anderem die vom Wasserzähler mit der Zählernummer … angezeigte Wassermenge von 491 m³ zugrunde legen.
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Der Wasserzähler mit der Zählernummer … war bis zu seinem Austausch am 2. Oktober 2019 geeicht und verplombt. Letzteres wurde vom Wassermeister, der den Austausch vorgenommen hatte, in der mündlichen Verhandlung glaubhaft bestätigt. Die Eichfrist von sechs Jahren (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Verordnung über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt sowie über ihre Verwendung und Eichung (Mess- und Eichverordnung – MessEV) i.V.m. Anlage 7 Nr. 5.5.1) endete erst mit Ende des Jahres 2019 (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1 MessEV).
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Zwar zweifelt die Klägerseite die Funktionstüchtigkeit des ausgetauschten Wasserzählers an, allerdings wird dessen Defekt lediglich unsubstantiiert behauptet. Konkrete Anhaltspunkte für eine unrichtige Messung liegen nicht vor. Nach dem turnusmäßigen Austausch des Wasserzählers im Oktober 2019 kann diesbezüglich auch nicht mehr ermittelt werden. Den Ausführungen der Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung zufolge habe es beim Austausch des Wasserzählers keine Auffälligkeiten gegeben. Zudem hatte der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt keine Beanstandungen erhoben, so dass folglich nicht der vollständige Wasserzähler, sondern lediglich die Kapsel mit der Messmechanik ausgetauscht wurde. Diese ist nach den Angaben des Wassermeisters der Beklagten nach wie vor vorhanden, jedoch setze eine Überprüfung des Wasserzählers voraus, dass dieser vollständig ausgebaut und geprüft werde. Im jetzigen Zustand könne eine solche Prüfung zwar durchgeführt werden, lasse aber keinen Rückschluss mehr auf die Genauigkeit des Wasserzählers im ursprünglichen Einbauzustand zu. Letztlich hat der Kläger versäumt, den entsprechenden Antrag auf Nachprüfung des Wasserzählers nach § 21 Abs. 1 WAS zu stellen.
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Die Vermutung der Richtigkeit des Messergebnisses wird auch nicht durch den geringeren Durchschnittsverbrauch der Vorjahre widerlegt. Angesichts der Vielzahl von Möglichkeiten, die einen erhöhten Wasserverbrauch verursachen können, kann nicht schon dann eine Schätzung der verbrauchten Wassermenge beansprucht werden, wenn eine über dem Durchschnittsverbrauch liegende Wassermenge bezogen wurde (VG München, U.v. 16.7.2009 – M 10 K 08.5007 – juris Rn. 31; vgl. VG Gießen, B.v. 26.6.2013 – 8 L 807/13.GI – juris Rn. 28). Vielmehr bestätigen alle vorliegenden Indizien, dass ein defektes Schwimmerventil der Toilette auf dem Grundstück des Klägers zum erhöhten Wasserverbrauch geführt hat. Ausweislich der Verbrauchsdiagramme für das Gewerbegebiet … lag der minimale Verbrauch am 12. Juni 2019 (2 Uhr) bei 0,1 m³/h, ab dem Folgetag (3 Uhr) stieg er auf 0,4 m³/h an. Bei einer Nachschau auf dem klägerischen Grundstück am 1. August 2019 stellte der Wassermeister der Beklagten schließlich ein hängendes Schwimmerventil im Spülkasten der Toilette im Keller des Gebäudes fest und der Defekt wurde behoben. Am Folgetag (1 Uhr) lag der minimale Verbrauch im Gewerbegebiet … wieder bei 0 m³/h, was für einen Zusammenhang zwischen dem Defekt und dem erhöhten Verbrauch auf dem klägerischen Grundstück spricht. Weiter zeigt die vom Wassermeister der Beklagten vorgelegte Vergleichsberechnung, der die Daten eines handelsüblichen Schwimmerventils zugrunde liegen, die grundsätzliche Möglichkeit, dass der gemessene Verbrauch von einer defekten Toilettenspülung herrühren kann. Demnach lässt ein solches Schwimmerventil im geöffneten Zustand 0,11 l/s Wasser durch. Hochgerechnet ergibt dies einen Wasserverbrauch von 0,396 m³/h bzw. 9,5 m³/d, was 465,5 m³ an 49 Tagen entspricht. Hinsichtlich der Behauptung der Klägerseite, ein sog. Dauerläufer hätte im gesamten Gebäude hörbar gewesen sein müssen, hält der Wassermeister dies nach seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung für eher unwahrscheinlich, da sich die WC-Anlage im Bunker eines ehemaligen Kasernengebäudes befinde. Allenfalls dürfte ein schwaches Rauschen wahrnehmbar gewesen sein. Angesichts des Umstands, dass laut der Beklagtenseite im Obergeschoss des klägerischen Gebäudes eine gewerbliche Nutzung und im Untergeschoss eine „Eventnutzung“ stattfinde, ihr jedoch nicht bekannt sei, dass im fraglichen Zeitraum eine entsprechende Veranstaltung auf dem klägerischen Grundstück stattgefunden habe, geht auch das Gericht nicht davon aus, dass der Defekt der Toilettenspülung zwingend hätte auffallen müssen. Letztlich wurde ein solcher Defekt von Klägerseite nicht bestritten, sondern bereits bei einer Vorsprache gegenüber der Beklagten am 20. Februar 2020 sogar bestätigt.
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Auf die defekte Toilettenspülung kann sich der Kläger bei der Gebührenerhebung nicht berufen, weil für Letztere einzig die tatsächlich entnommene Wassermenge ausschlaggebend ist. Gemäß § 11 BGS-WAS entsteht die Verbrauchsgebührenschuld mit dem Verbrauch. Hierbei kommt es nicht darauf an, zu welchem Zweck das Wasser entnommen wurde, wozu es tatsächlich Verwendung gefunden hat und ob es mit Wissen und Wollen des Gebührenschuldners oder unbemerkt oder gar gegen seinen Willen aus der öffentlichen Anlage entnommen wurde (BayVGH, U.v. 27.11.2003 – 23 B 03.2369 – juris; VG München, B.v. 12.2.2007 – M 10 S 07.251 – juris Rn. 23). Da die Toilettenanlage auf dem klägerischen Grundstück der Sphäre des Klägers zuzurechnen ist, geht ein diesbezüglicher Defekt zu seinen Lasten. Dabei ist es den Anstrengungen der Beklagten, die Ursache für den erhöhten Wasserverbrauch im Gewerbegebiet … zu ermitteln, zu verdanken, dass es nicht sogar zu einem noch höheren Verbrauch gekommen ist.
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2. Gleichermaßen ist auch die Heranziehung des Klägers zu Kanalgebühren in Höhe von 1.729,20 EUR nicht zu beanstanden.
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Rechtsgrundlage hierfür ist § 9 BGS-EWS. Demnach erhebt die Gemeinde für die Benutzung der Entwässerungseinrichtung Einleitungsgebühren. Als Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks war der Kläger Gebührenschuldner im Sinne des § 14 BGS-EWS. Die Einleitungsgebühr wird gemäß § 10 Abs. 1 BGS-EWS nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze nach der Menge der Abwässer berechnet, die der Entwässerungseinrichtung von den angeschlossenen Grundstücken zugeführt werden. Die Gebühr beträgt 3,30 EUR pro Kubikmeter Abwasser. Als Abwassermenge gelten die dem Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung und aus der Eigengewinnungsanlage zugeführten Wassermengen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen, soweit der Abzug nicht nach Abs. 4 ausgeschlossen ist. Die Wassermengen werden durch geeichten Wasserzähler ermittelt (§ 10 Abs. 2 BGS-EWS). Sie sind von der Gemeinde nach § 10 Abs. 2 Satz 3 BGS-EWS zu schätzen, wenn ein Wasserzähler nicht vorhanden ist (Nr. 1), der Zutritt zum Wasserzähler oder dessen Ablesung nicht ermöglicht wird (Nr. 2), oder sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Wasserzähler den wirklichen Wasserverbrauch nicht angibt (Nr. 3).
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Da die Abwassermenge vorliegend der dem klägerischen Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung zugeführten, durch geeichten Wasserzähler ermittelten Wassermenge entspricht und alleine diese streitig ist, wird hier vollumfänglich auf die diesbezüglichen obigen Ausführungen verwiesen. Auf dem Grundstück verbrauchte oder zurückgehaltene Wassermengen wurden von Klägerseite nicht nachgewiesen. Demnach bestehen auch hinsichtlich der Einleitungsgebühren keinerlei rechtliche Bedenken.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).