Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 05.08.2024 – 4 U 1013/23
Titel:

Datenübermittlung, Streitgegenstand, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Angefochtene Entscheidung, Schmerzensgeldansprüche, Berufungskläger, Prüfungsumfang, Landgerichte, Rechtsmittelführer, Kostenentscheidung, Basiszinssatz, Berufungsinstanz, Unzulässigkeit der Berufung, Gerichtliche Hinweispflicht, Anspruch auf rechtliches Gehör, Generalstaatsanwaltschaft, BGH-Beschluss, Klageerhöhung, Datenschutzverletzung, Zurückverweisung

Schlagworte:
Schmerzensgeldanspruch, Datenübermittlung, Berufungsbegründung, Unzulässigkeit der Berufung, Datenschutzverletzung, Entscheidungsrelevanz, Kausalität
Vorinstanzen:
OLG Nürnberg, Verfügung vom 11.06.2024 – 4 U 1013/23
LG Regensburg, Urteil vom 04.04.2023 – 23 O 1078/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 31.07.2025 – III ZB 82/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48965

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Regensburg vom 04.04.2023 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger macht Schmerzensgeldansprüche wegen mehrerer aus seiner Sicht rechtswidriger Datenübermittlungen geltend.
2
Erstinstanzlich hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 25.000 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für 1.000 € ab Zustellung der Klage zu bezahlen und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für 24.000 € seit Zustellung der Klageerhöhung zu bezahlen.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
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In der Berufungsinstanz stellt der Kläger folgende Anträge:
1. Es wird beantragt das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 04.04.2023 Aktenzeichen 23 O 1078/21 gem. § 538 Abs. 2 Ziffer 1 aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Regensburg zurückzuverweisen.
2. Hilfsweise unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Regensburg vom 04.04.2023 Aktenzeichen 23 O 1078/21, die Beklagte zu verurteilen an den Kläger 25.000 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für 1.000 € ab Zustellung der Klage und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für 24.000 € seit Zustellung der Klageerhöhung zu bezahlen.
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Der Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
6
Mit Verfügung vom 11.06.2024 hat der Senat auf die Unzulässigkeit der Berufung hingewiesen.
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Der Kläger hat dazu mit Schriftsatz vom 31.07.2024 Stellung genommen.
II.
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Die Berufung ist nach § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen, weil sie unzulässig ist.
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A. Nach § 538 Abs. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen für ein Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorliegen, stellt es daher keinen Rechtsfehler dar, wenn der Senat in der Sache selbst entscheidet.
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B. Die Berufung ist unzulässig, weil sie nicht ausreichend i.S.d. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO begründet worden ist.
1. Urteil A. I. Nr. 2a-c
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Die Berufung ist insoweit nach § 522 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht ausreichend i.S.d. § 520 Abs. 3 Satz Nr. 2 ZPO begründet worden ist.
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Nr. 2a betrifft: Bestrittene Datenübermittlungen an die PI E. im Verfahren 1 F 459/15 am 27.07.2015 und am 30.07.2015, im Verfahren 26 UF 949/15 am 30.07.2015, im Verfahren 1 F 516/15 am 10.08.2015 und im Verfahren XIV 21/15 am 09.09.2015.
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Nr. 2b betrifft: Bestrittene Datenübermittlungen im Verfahren 1 F 280/16 an die Staatsanwaltschaft bzw. an die Generalstaatsanwaltschaft bzw. im Verfahren 1 F 680/19 an die Generalstaatsanwaltschaft im Jahr 2020.
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Nr. 2c betrifft: Bestrittene Übermittlung von Daten im Verfahren 1 F 529/15 im Jahr 2020 an die Generalstaatsanwaltschaft und eine Datenübermittlung in dem Verfahren XIV 22/15 vom 26.08.2015 an den Präsidenten des Landgerichts L.
15
Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser – zugeschnitten auf den konkreten Streitfall und aus sich heraus verständlich – diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung folgt. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsführers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2016 – III ZB 127/15 – NJW 2016, 2890 Rn. 10 mwN.).
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Hiernach muss die Berufungsbegründung, wenn sie die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) rügt, zur Entscheidungserheblichkeit des Verfahrensfehlers darlegen, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen ist, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung geführt hätte. Dieser Darlegung bedarf es nur dann nicht, wenn die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unmittelbar und zweifelsfrei aus dem bisherigen Prozessstoff ersichtlich ist (BGH, Beschluss vom 28. Juli 2016 – III ZB 127/15 – NJW 2016, 2890 Rn. 11 mwN; BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 – XII ZB 445/19 –, Rn. 13 – 14, juris).
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Gleiches gilt für einen Rechtsmittelführer, der die Verletzung einer gerichtlichen Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO geltend macht. Er muss darlegen, wie er auf einen entsprechenden Hinweis reagiert, insbesondere was er hierauf im Einzelnen vorgetragen hätte und wie er weiter vorgegangen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 2016 – VI ZB 4/16, juris Rn. 14 mwN). Nur hierdurch wird das Rechtsmittelgericht in die Lage versetzt zu beurteilen, ob die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verstoß gegen die Hinweispflicht beruht (BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 – I ZR 243/16 –, Rn. 13, juris).
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Es reicht nicht aus, die Auffassung des Landgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in der ersten Instanz zu verweisen (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 – VI ZB 68/19, NJW-RR 2020, 1187 Rn. 10; Beschluss vom 5. August 2021 – III ZB 46/20, NJW-RR 2021, 1438 Rn. 7; jeweils mwN).
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Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung des Klägers nicht gerecht. Der Kläger hat bezogen auf die jeweiligen Streitgegenstände, die das Landgericht unter A.I.2. des angegriffenen Urteils beurteilt hat, keine konkreten Angaben dazu gemacht, welche Daten übermittelt wurden, bzw. auf welchen Seiten der jeweiligen Verfahrensakten sich entsprechende Hinweise auf eine Datenübermittlung befinden (Urteil 2a). Auch hinsichtlich der Datenübermittlungen (Urteil Nr. 2b) wurde in der Berufung nicht vorgetragen, wann genau die entsprechende Datenübermittlung stattgefunden hat bzw. um welche Daten es sich konkret gehandelt haben soll. Gleiches gilt für die klägerseits nicht ausreichend substantiiert geltend gemachten und unter Beweis gestellten Datenschutzverletzungen (Urteil 2c). Der Kläger macht vielmehr nur einen Verstoß gegen § 139 ZPO und Art. 103 GG geltend, ohne vorzutragen, was er auf den vermissten Hinweis vorgetragen hätte. Der Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz beschränkt sich insoweit auf die Formulierung, er hätte „entsprechend reagiert und es wäre der Klage stattgegeben worden“ (vgl. Seite 3 der Berufungsbegründung).
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Auch der pauschale Hinweis auf beizuziehende Verfahrensakten ohne Angabe der Blattzahlen genügt nicht, denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus beizuziehenden Akten erst den verfahrensrelevanten Sachvortrag und dann ggf. das richtige Beweismittel, also das konkrete Schriftstück herauszusuchen.
2. Urteil A. I. Nr. 4.3, 4.4, 4.5, 4.6, 4.7, 4.8, 4.9, Urteil A. II (Rechtsanwalt Dr. R.), sowie Urteil A. III (Presse- und Informationsstab im B.)
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Die Berufung ist auch unzulässig, soweit sie geltend macht, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft auch für die vor dem Inkrafttreten des BayDSG neuer Fassung am 25.05.2018 eingetretenen Fälle Art. 5 BayDSG angewandt hat. Streitgegenständliche Sachverhalte vor dem 25.05.2018 wären nach Art. 18 Abs. 1 BayDSG a. F. auf ihre Rechtswidrigkeit zu prüfen gewesen.
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Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben. Zur Bezeichnung des Umstands, aus dem sich die Entscheidungserheblichkeit der Verletzung materiellen Rechts ergibt, genügt regelmäßig die Darlegung einer Rechtsansicht, die dem Berufungskläger zufolge zu einem anderen Ergebnis als dem des angefochtenen Urteils führt (BGH, Beschluss vom 13. September 2022 – XI ZB 7/22 –, Rn. 5, juris).
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Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung nicht gerecht. Die Berufung zeigt nicht auf, was sich ergeben hätte, wenn die nach Auffassung des Klägers zutreffenden gesetzlichen Grundlagen herangezogen worden wären. Damit ist die Erheblichkeit der geltend gemachten Rechtsverletzung für die Entscheidung nicht dargelegt. Es wird nur moniert, dass nicht die richtige Vorschrift geprüft worden sei.
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Auf dieser Grundlage ist es auch ohne Bedeutung, dass die vormalige datenschutzrechtliche Vorschrift (Art. 18 Abs. 1 BayDSG a. F.) wie auch Art. 5 BayDSG n. F. hinsichtlich der Zulässigkeit der Datenübermittlung im Wesentlichen darauf abstellt, ob diese zur Erfüllung der in der Zuständigkeit der übermittelnden oder der empfangenden Stelle liegenden Aufgaben erforderlich ist. Hinzu kommt hier Folgendes: Ungeachtet des Umstands, dass auch eine Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Sachvortrag den Anforderungen an eine Berufungsbegründung nicht genügen würde (vgl. Saenger, Zivilprozessordnung, ZPO § 520 Rn. 22, beck-online), hat die Klagepartei auch dort nichts dazu ausgeführt, weswegen eine Anwendung des Art. 18 BayDSG zu einem anderen Ergebnis führen würde.
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Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Datenübermittlung an den Presse- und Informationsstab im B. rügt, das erstinstanzliche Gericht habe für die Legitimation der Datenübermittlung des Beklagten vom 14.09.2015 Sachverhalte herangezogen, die erst am 17.09.2015 angeblich stattgefunden hätten, kommt es schon nicht darauf an, ob sich die Vorfälle vom 17.09.2015 tatsächlich ereignet haben. Das Landgericht hat die Entscheidung in seiner nicht in zulässiger Weise angegriffenen Begründung ersichtlich hierauf nicht gestützt und die angeblichen Vorfälle vom 17.09.2015 nur im Rahmen überschießender Erwägungen angeführt. Der Kläger zeigt auch hier nicht zugeschnitten auf den vorliegenden Einzelfall auf, weswegen die die Entscheidung tragende Begründung des Landgerichts rechtsfehlerhaft sein soll.
3. Urteil A. I. Nr. 4.1, 4.2, 4.10 und 4.11
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Die Berufung ist auch unzulässig, soweit sie geltend macht, dass für die Sachverhalte, die nach dem 25.05.2018 eingetreten sind, die wesentlichen Leitsätze des Beschlusses des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 06.08.2020 (1 VA 33/20) bei der Prüfung der vom Kläger behaupteten Datenschutzverletzungen nicht angewandt worden wären.
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Obwohl es sich um vier verschiedene Sachverhalte und daher selbständig zu prüfende und berufungsrechtlich zu bewertende Streitgegenstände handelt, geht aus der Berufungsbegründung nicht hervor, inwieweit der Prüfungsumfang vom Landgericht jeweils verkannt worden sein soll und wie sich dies jeweils auf die Entscheidung auswirkt.
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Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass das Landgericht seiner Prüfung den zutreffenden rechtlichen Maßstab vorangestellt hat und anhand der Umstände des jeweiligen Streitgegenstands ersichtlich auch jeweils die Erforderlichkeit der jeweiligen Datenübermittlung geprüft hat.
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Zur weiteren pauschalen Berufungsrüge, dass sich der Prüfungsumfang des erstinstanzlichen Gerichts, ob hier Datenschutzverletzungen des Beklagten vorliegen, offensichtlich auf den unvollständigen Sachvortrag des Beklagten stütze, wird nicht vorgetragen, was unvollständig sein soll und auf welche Fälle sich dies jeweils bezieht.
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Die Berufungsbegründung muss aber auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein. Es reicht nicht aus, die Auffassung des Erstgerichts mit formularmäßigen Sätzen oder allgemeinen Redewendungen zu rügen oder lediglich auf das Vorbringen in erster Instanz zu verweisen (BGH, Beschluss vom 13. September 2022 – XI ZB 7/22 –, Rn. 5, juris). Der Hinweis auf beizuziehende Verfahrensakten genügt nicht.
4. Urteil IV (Datenschutzverletzung durch telefonische Auskunft des OLG München)
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Die Berufung ist auch insoweit unzulässig, weil sich die Berufungsbegründung nicht mit den Gründen des landgerichtlichen Urteils auseinandersetzt. Das Landgericht hatte einen Anspruch wegen fehlender Kausalität einer Schadensverursachung abgelehnt. Mit diesem Argument setzt sich die Berufung überhaupt nicht auseinander.
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Auf die weitere Frage, ob ein Anspruch auch („im Übrigen“) deswegen ausscheidet, weil es an einer Erheblichkeit der Rechtsverletzung fehlt, kommt es vorliegend nicht mehr an. Unabhängig davon hätte die Klagepartei auch insoweit wegen des Erfordernisses der Entscheidungsrelevanz einer Berufungsrüge vortragen müssen, aus welchem Datenverstoß der Beklagten sich bezogen auf den jeweiligen Streitgegenstand jeweils ein Schaden ergeben haben soll.
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Der Senat hat die Stellungnahme des Berufungsklägers vom 31.07.2024 zur Kenntnis genommen und erwogen. Ein Vorbringen, das sich in entscheidungsrelevanter Weise mit dem Senatshinweis vom 11.06.2024 auseinandersetzen würde, war darin nicht enthalten. Bei der dort enthaltenen Auffassung des Senats musste es daher sein Bewenden haben.
III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.