Inhalt

OLG München, Endurteil v. 28.10.2024 – 17 U 627/24 e
Titel:

Nichtigkeit von Vereinsbeschlüssen bei Verweigerung der Herausgabe der E-Mail-Adressen der übrigen Mitglieder im Vorfeld der Versammlung 

Normenketten:
BGB § 32
COVMG § 5 Abs. 2
Leitsätze:
1. Im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 COVMG bedurfte es zur Zulässigkeit einer virtuellen Mitgliederversammlung eines Vereins weder einer Satzungsgrundlage noch der Zustimmung sämtlicher Mitglieder. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Besteht ein berechtigtes Interesse für einzelne Vereinsmitglieder an der Herausgabe der E-Mail-Adressen der anderen Mitglieder, um im Vorfeld einer Mitgliederversammlung eine Opposition gegen beabsichtigte Beschlussfassungen zu organisieren, und wird ihnen die Herausgabe verweigert, liegt eine Verletzung der Chancengleichheit der Vereinsmitglieder vor, die zur Nichtigkeit aller in der Versammlung gefassten Beschlüsse führen kann. (Rn. 62 und 79 – 80) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verein, Mitgliederversammlung, Präsenz, virtuell, Satzung, Beschlüsse, Nichtigkeit, Einladungsmangel, Chancengleichheit, Einsichtsrecht, E-Mail-Adressen, Opposition, Relevanz
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 19.01.2024 – 2 O 2206/22
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 04.12.2024 – 17 U 627/24 e
BGH Karlsruhe vom -- – II ZR 132/24
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
BeckRS 2024, 48920
LSK 2024, 48920
NZG 2025, 1343

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München I vom 19.01.2024, Az. 2 O 2206/22, abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die unter TOP 7.2, 7.3, 8.0, 10.1, 10.2, 10.3, 11, 12.0, 13.0113.05 gefassten Beschlüsse der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 27.09.2021 (gemäß anliegender Anlage des Sitzungsprotokolls vom 27.09.2021) nichtig sind.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits sowie der Nebenintervention zweiter Instanz zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger bzw. den Streithelfer durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger bzw. der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen. Zuständig ist der Bundesgerichtshof.
- Beschluss
- Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 15.000,00 € festgesetzt.
-

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Kläger sowie der Streithelfer begehren die Feststellung, dass die in der Mitgliederversammlung des Beklagten am 27.09.2021 unter den Tagesordnungspunkten 7.2, 7.3, 8.0, 10.1, 10.2, 10.3, 11, 12.0 sowie 13.01 – 13.05 gefassten Beschlüsse (vgl. hierzu die diesem Urteil beigefügte Anlage) nichtig sind.
2
Die Klage vom 24.11.2021 (Bl. 1/27 d. LG-Akte) wurde zunächst nur vom Kläger erhoben.
3
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Feststellungen im Endurteil des Landgerichts München I vom 19.01.2024 (Bl. 179/194 d. LG-Akte) mit nachfolgenden Ergänzungen verwiesen.
4
Der Streithelfer ist ebenfalls ordentliches Mitglied des Beklagten.
5
Die Satzung des Beklagten enthält [auszugsweise] folgende Regelungen:
„§ 14 Abs. 1:
„Die ordentliche Mitgliederversammlung tritt einmal jährlich zwischen dem 1. März und dem 30. April zusammen […]“
§ 16 Abs. 1:
„Anträge zu einer Mitgliederversammlung müssen so rechtzeitig vor Versammlungstermin spätestens aber 3 Wochen nach Bekanntgabe des Termins der Mitgliederversammlung gemäß § 15 Abs. 1 schriftlich bei der Geschäftsstelle eingegangen sein, dass sie in die Einladung übernommen werden können […]“
§ 17 Abs. 5:
„Bei Beschlüssen über die Veräußerung von unbeweglichem Vereinsvermögen müssen mindestens 10% der stimmberechtigten Mitglieder anwesend sein. Zur Zustimmung sind drei Viertel der abgegebenen gültigen Stimmen notwendig […]“
Zum weiteren Inhalt der Satzung wird auf die Anlage CHP 1 verwiesen.“
6
Der notarielle Kaufvertrag über die an die B. GmbH & Co. KG verkauften Vereinsgrundstücke findet sich als Anlage CHP 3 in der erstinstanzlichen Akte, die beiden Nachträge sind dort als Anlagen CHP 4 und CHP 5 hinterlegt. Auf die Dokumente wird Bezug genommen.
7
Mit Endurteil vom 24.03.2022 (32 U 1218/21) stellte das OLG München inzident die Wirksamkeit des notariellen Kaufvertrags und den dort vorbehaltenen Bedingungseintritt fest (vgl. Gründe Ziffer II 2, Seiten 19 bis 25 der Urteilsurkunde). Auf die Anlage B 1 wird Bezug genommen.
8
Die vom Erstgericht im Tatbestand in Bezug genommene Erinnerung an die Mitgliederversammlung vom 27.07.2021 findet sich als Anlage CHP 8 in der Akte, Heft 1 der Vereinszeitung 2021 als Anlage CHP 9 (Einladung zur Mitgliederversammlung dort Seite 5), das Anschreiben zur Einladung, die Einladung zur Mitgliederversammlung selbst samt Tagesordnung mit Anträgen zur Mitgliederversammlung, die Abstimmungsunterlagen für die Briefwahl, ein Informationsschreiben der „Initiative für einen fairen Verkauf der […]grundstücke“ und die Abstimmungsempfehlung ergeben sich aus den Anlagen CHP 10 bis CHP 16, auf die ebenfalls jeweils Bezug genommen wird.
9
Das Protokoll der Mitgliederversammlung vom 27.09.2021 findet sich als Anlage CHP 24 in der Akte. Darauf wird Bezug genommen.
10
Der Zustimmungsbeschluss zum Kaufvertrag in der Mitgliederversammlung vom 28.05.2018 war Gegenstand eines Schiedsspruchs des Schiedsgerichts des Beklagten vom 22.02.2021. Das Schiedsgericht stellte fest, dass der Zustimmungsbeschluss unwirksam sei. Auf Anlage CHP 6 wird Bezug genommen. Der Schiedsspruch wurde mit Beschluss des BayObLG vom 23.03.2022 (Az. 101 Sch 96/21) aufgehoben (Anlage B 4). Zum vorangegangenen Hinweisbeschluss des BayObLG vom 02.09.2021 wird auf Anlage CHP 7 verwiesen.
11
Das Landgericht München I hat die Klage mit Endurteil vom 19.01.2024 abgewiesen. Das Urteil wurde dem Klägervertreter am 22.01.2024 zugestellt.
12
Die hiergegen gerichtete Berufung vom 15.02.2024 (eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag), begründet mit Schriftsatz vom 08.03.2024 (Bl. 6/39 d. OLG-Akte, eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag), verfolgt den erstinstanzlichen Klageantrag vollumfänglich weiter.
13
In der Berufungsschrift ist zur Stellung des Herrn Hö. ausgeführt (Bl. 1 d. OLG-Akte): „Berufungskläger ist auch Hö. Er ist im angegriffenen Urteil nicht angeführt. Er trat in beide Feststellungsverfahren (Az.: 2 O 2206/22 und Az.: 21 O 7097/22) gemäß § 70 ZPO als Nebenintervenient ein. Dies wurde beiden Kammern mehrfach mitgeteilt, zuletzt unter dem Datum des 26.09.2023.“
14
Der Kläger beantragt,
1.
das Urteil des Landgerichts München I vom 19.01.2024 Az.: 2 O 2206/22 abzuändern und festzustellen, dass die unter TOP 7.2, 7.3, 8.0, 10.1, 10.2, 10.3, 11, 12.0, 13.01-13.05 gefassten Beschlüsse der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 27.09.2021 nichtig bzw. unwirksam sind.
2.
Hilfsweise: Das Urteil des Landgerichts München I vom 19.01.2024 Az.: 2 O 2206/22 abzuändern und festzustellen, dass
- der unter TOP 10.1 gefasste Beschluss der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 27.09.2021 zur „Erteilung der Zustimmung der Mitgliederversammlung des Beklagte[n] zum Verkauf von Grundstücksflächen des Vereins von insgesamt 30.427 qm des Vereinsgrundstücks in F. an die B. GmbH & Co. KG auf der Grundlage des Kaufvertrages vom 04.04.2018 (Urkunde des Notars Ba., München, URNr B 1061/2018) mit der Maßgabe, dass die dortige Befristung der Zustimmung bis zum 30.06.2018 entfällt (§ 14 Nr. 3 Kaufvertrag)“, sowie der unter TOP 10.2 gefasste Beschluss der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 27.09.2021 zur „Erteilung der Zustimmung der Mitgliederversammlung des Beklagte[n] zum Nachtrag vom 23.05.2018 zum Kaufvertrag vom 04.04.2018 (Urkunde des Notars Ba., München, URNr B 1622/2018)“
- sowie der unter TOP 10.3 gefasste Beschluss der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 27.09.2021 zur „Erteilung der Zustimmung der Mitgliederversammlung der Beklagten zur Annahme des Angebots der B. GmbH & Co. KG über einen zweiten Nachtrag zum Kaufvertrag vom 04.04.2018 gem. Entwurf vom 16.08.2021, nach welchem der im Kaufvertrag vom 04.04.2018 vereinbarte Kaufpreis um 2,5 Millionen Euro erhöht wurde“ nichtig bzw. unwirksam ist.
15
Der Beklagte beantragt die Berufung zurückzuweisen.
16
Der Beklagte hat die Zulässigkeit der Berufung des Herrn Hö. gerügt, da dieser in dem angegriffenen Urteil nicht genannt werde, weil er an dem zugrunde liegenden Verfahren nicht beteiligt gewesen sei. Im Übrigen verteidigt er das landgerichtliche Urteil.
17
Hinsichtlich des Vortrags der Parteien im Berufungsrechtsstreit wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
18
Der Senat hat am 16.09.2024 mündlich verhandelt; auf das Verhandlungsprotokoll (Bl. 84/86 d. OLG-Akte) wird Bezug genommen.
B.
19
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
20
1. Die Berufung ist zulässig.
21
Zwar ist der Streithelfer als Nebenintervenient nicht in erster Instanz dem Rechtsstreit beigetreten. Der Schriftsatz vom 26.09.2023 befindet sich nicht in der Akte, zudem fehlt es an der Zustellung (§ 70 Abs. 1 S. 2 ZPO). Der Beitritt ist jedoch sowohl ausdrücklich (BAG Urteil vom 18.09.2014 – 8 AZR 733/13, NJW 2015, 973 Tz 16; OLGR Köln 2009, 599) als auch durch konkludente Erklärung etwa im Rechtsmittel- oder Einspruchsschriftsatz möglich (vgl. § 66 Abs. 2 ZPO), wie bei Einlegung „im eigenen Namen“ des Vorstandsmitglieds im Prozess des e.V. (BGH Urteil vom 15.03.2013 – V ZR 156/12, BGHZ 197, 61 Tz 7, 8, 10) oder bei Einlegung „namens des Streitverkündeten“ (BGH MDR 94, 1240; BGH Urteil vom 16.01.1997 – I ZR 208/94, NJW 1997, 2385; Althammer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 70 ZPO, Rn. 1). Dafür ist die Erklärung in der Berufungsbegründung (Bl. 8 d. OLG-Akte) ausreichend. Der Berufungsbeklagte wendet sich dagegen auch nicht mehr (28.07.2024, dort S. 2 = Bl. 46 d. OLG-Akte). Der Streithelfer hat insoweit im Termin vom 16.09.2024 klargestellt, dass er im Berufungsverfahren ebenfalls als Streithelfer beitritt (und nicht als Partei).
22
2. Die Berufung ist auch begründet.
23
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage wird auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils vom 19.01.2024, dort unter lit. B, Bezug genommen.
24
Grundsätzlich unterscheidet das Vereinsrecht bei Beschlussmängeln zwischen materiellen und formellen Fehlern. Formelle Beschlussmängel sind Verstöße gegen zwingende gesetzliche oder statutarische Regeln über das Verfahren bei der Einberufung und Durchführung der Mitgliederversammlung, insbesondere der Beschlussfassung (BeckOK BGB/Schöpflin, 69. Ed. 1.2.2024, BGB § 32 Rn. 32). Ein materieller Verstoß ist gegeben, wenn der Beschluss, der seinem Inhalt nach gegen zwingende gesetzliche oder statutarische Vorschriften oder gegen Grundsätze des Gesellschaftsrechts (z. B. Gleichbehandlungsgrundsatz) verstößt (BeckOK BGB/Schöpflin, 69. Ed. 1.2.2024, BGB § 32 Rn. 31).
25
Bei Verfahrensmängeln ist für die Nichtigkeit die Relevanz des Gesetzes- bzw. Satzungsverstoßes für das Beschlussergebnis erforderlich. Der BGH (NJW 2008, 69, 73) hat damit im Vereinsrecht erklärtermaßen die Änderung rezipiert, die er im Jahre 2001 für die aktienrechtliche Anfechtbarkeit entwickelt hat: Statt auf die bis dahin geforderte Kausalität des Beschlussmangels für das Beschlussergebnis kommt es nunmehr auf die Relevanz des Beschlussmangels an, d. h., entscheidend ist, ob es bei am Schutzzweck der verletzten Norm orientierter, wertender Betrachtung möglich ist, dass der Beschlussmangel sich auf das Beschlussergebnis ausgewirkt hat (MüKoBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, BGB § 32 Rn. 56).
26
Die angegriffenen Beschlüsse sind – entgegen der Auffassung des Erstgerichts – nichtig. Denn die Verweigerung der Überlassung der E-Mail-Adressen der Vereinsmitglieder an die Berufungsführer verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (siehe dazu unter 5 e)
27
1. Allerdings ist das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die im Rahmen der Briefwahl abgegebenen Stimmen zu Recht bei der Beschlussfassung mitgezählt wurden.
28
a. Entgegen der Auffassung der Berufungskläger regelt § 17 Abs. 5 der Satzung des Beklagten nicht die Frage, ob bei einer Abstimmung über die Veräußerung von Vereinsvermögen 10% der Mitglieder ausnahmslos in Präsenz vor Ort sein müssen.
29
Ersichtlich bestimmt diese Regelung ein doppeltes Quorum für die Wirksamkeit der Beschlussfassung, nämlich die Beteiligung einer Mindestanzahl von Mitgliedern und eine überwiegende Mehrheit bei einer etwaigen Beschlussfassung.
30
a. § 32 BGB (i.d.F. vom 24.09.2009) sah grundsätzlich die Mitgliederversammlung als Präsenzveranstaltung unter physischer Zusammenkunft der Mitglieder vor (BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 13; vgl. auch BT-Drs. 19/18110, S. 30). Zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Beschlussfassung war in § 5 Abs. 2 COVMG (i.d.F. vom 28.02.2021) geregelt, dass eine virtuelle Versammlung der Präsenzversammlung gleichgestellt ist und folglich in ihr wirksame Beschlüsse gefasst werden können. Aufgrund dieser Regelung bedurfte es hierfür weder einer Satzungsgrundlage noch der Zustimmung sämtlicher Mitglieder (MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2021, COVMG § 5 Rn. 6); ferner war es möglich, dass einzelne Mitglieder ihre Stimmen auch im Vorfeld einer Mitgliederversammlung schriftlich abgeben konnten. Es handelte sich dann um eine „gemischte“ Beschlussfassung, bei der ein Teil der Stimmen vor der Versammlung und ein anderer Teil der Stimmen in der Versammlung abgegeben wurde. Trotz der Verknüpfung von § 5 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 COVMG mit dem Begriff „oder“ ist nicht davon auszugehen, dass zwischen der Möglichkeit der virtuellen Mitgliederversammlung und der schriftlichen Stimmabgabe im Vorfeld ein Alternativverhältnis bestand. Folglich ist die schriftliche Stimmabgabe nicht nur im Vorfeld einer physischen, sondern auch einer virtuellen Mitgliederversammlung iSv § 5 Abs. 2 Nr. COVMG möglich gewesen (MüKoBGB/Leuschner, 8. Aufl. 2021, COVMG § 5 Rn. 9).
31
b. Nach § 5 Abs. 2 COVMG wäre zudem die ausschließlich schriftliche Abstimmung möglich gewesen. Die zusätzliche Anberaumung der virtuellen Mitgliederversammlung stellt jedenfalls keinen Ermessensfehlgebrauch dar. Im Übrigen besagt das Ergebnis der virtuellen Mitgliederversammlung nichts dazu aus, wie die Abstimmung ohne schriftliche Abstimmung verlaufen wäre, da unklar ist, ob nicht die Gegner bei der virtuellen Abstimmung überrepräsentiert waren. Zudem hätte es jedem Mitglied offen gestanden, virtuell an der Mitgliederversammlung teilzunehmen, sofern es noch Aufklärungsbedarf gegeben hätte.
32
c. Entgegen der Auffassung der Berufungsführer widerspricht dies auch nicht der Regelung in der Satzung – soweit dort in § 17 Abs. 5 die „Anwesenheit“ von mindestens 10% der stimmberechtigten Mitglieder gefordert wird. Denn der Sinn der Regelung des § 5 Abs. 2 COVMG war gerade, die Vereine in die Lage zu versetzen, auch bei weiterhin bestehenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten erforderliche Beschlüsse zu fassen und handlungsfähig zu bleiben (vgl. BT-Drs. 19/18110, S. 5; 17) durch eine vorübergehende Erleichterung für die Durchführung von Versammlungen ohne physische Präsenz oder die Beschlussfassung außerhalb von Versammlungen, auch ohne entsprechende Satzungsregelungen (BT-Drs. 19/18110, S. 19). Insoweit ersetzt die gesetzliche Regelung auch eine etwaige „Anwesenheitsklausel“ in der Satzung.
33
d. Daher ist vorliegend das Quorum des § 17 Abs. 5 der Satzung gewahrt.
34
b. Entgegen der Auffassung des Berufungsklägers bestand aufgrund der gewählten „gemischten“ Beschlussfassung auch keine „doppelte“ Mitwirkungsmöglichkeit für einzelne Mitglieder an der Briefwahl und nachfolgend noch einmal bei der virtuellen Mitgliederversammlung. Denn die schriftliche Stimmabgabe ist zeitlich nur bis zum Beginn der Mitgliederversammlung möglich. Sie muss dem Verein (Versammlungsleiter oder Vorstand) bis dahin zugehen, § 130 Abs. 1 BGB (Cymutta in: Fritz/Schmittmann, SanInsKG, § 5 GesRuaCOVBekG, Rn. 100; Schmidt, COVID-19, § 9 Vereins- und Genossenschaftsrecht Rn. 15, beck-online). Nach diesem Zeitpunkt abgegebene Stimmen sind jedenfalls unbeachtlich (Römermann COVInsAG/Römermann/Grupe, 2. Aufl. 2022, COVMG § 5 Rn. 327, 328; Schmidt, COVID-19, § 9 Vereins- und Genossenschaftsrecht Rn. 16, beck-online).
35
c. Die in § 15 Abs. 2 der Satzung geregelte (Vorlauf-)Frist für die Einladung zur Mitgliederversammlung betrifft nicht die Frage der schriftlichen Abstimmung nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 COVMG. Denn § 5 Abs. 2 Nr. 2 COVMG sieht eine schriftliche Stimmabgabe vor der Durchführung der Mitgliederversammlung vor, die schriftliche Stimmabgabe ist also gerade nicht Bestandteil der Mitgliederversammlung. Daher ist diese Fristenregelung im Hinblick auf die schriftliche Stimmabgabe nicht maßgeblich. Damit eintretende faktische Fristverkürzung für vorab schriftlich Abstimmende beeinträchtigt deren Rechte nicht und verletzt damit die Vorlauffrist nicht, da schriftliche Stimmabgabe nur eine zusätzliche Möglichkeit war, d. h. jedes Vereinsmitglied auch unter Ausschöpfung der Vorlauffrist sich Unterlagen hätte anschauen und an der Mitgliederversammlung teilnehmen können.
36
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsklägers war die Ladung zur Mitgliederversammlung auch nicht – wegen eines behaupteten Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 S. 2 BGB – fehlerhaft.
37
a. Die Tagesordnung wird von dem einberufenden Organ in pflichtgemäßem Ermessen festgelegt. Die Beschlussgegenstände müssen den Mitgliedern gem. § 32 Abs. 1 S. 2 BGB mitgeteilt werden (instruktiv BGH NJW 2008, 69). Die Mitteilung dient in erster Linie der Vorbereitung der Mitglieder, um in der Versammlung nicht überrascht zu sein, sowie der Entscheidung, ob eine Teilnahme ratsam ist (Individualschutz). Mittelbar wird daneben aber zugleich bezweckt, eine ordnungsgemäße Willensbildung im Interesse des Vereins zu sichern (Kollektivschutz). Wird § 32 Abs. 1 S. 2 BGB missachtet, aber dennoch Beschluss gefasst, liegt darin ein relevanter Verstoß gegen das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht der Mitglieder, denn die Entschließung eines Mitglieds, an der Versammlung teilzunehmen oder nicht, hängt maßgeblich vom Inhalt der Tagesordnung ab. Ankündigungszweck und Teilnahmerecht hängen untrennbar zusammen (BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 66). Die Frage, ob die Mitteilung der Tagesordnung grundsätzlich dispositiv ist (vgl. BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 75) kann vorliegend dahinstehen, da die Mitteilungspflicht in § 15 Abs. 2 der Satzung ausdrücklich angeordnet ist.
38
Die Tagesordnung muss daher inhaltlich hinreichend bestimmt sein; wann dies der Fall ist, kann nicht allgemeingültig gesagt werden, sondern bleibt eine Frage des Einzelfalls. Anträge müssen in der Tagesordnung nicht notwendig im Wortlaut bekannt gemacht sein, solange ihr Inhalt nicht nur (zu) vage umrissen wird. Beschlussvorschläge nach Art des § 124 Abs. 3 S. 1 AktG muss die Einberufung beim Verein von Gesetzes wegen nicht enthalten. Auch ist anzunehmen, dass die Mitglieder nicht deshalb, weil zu einem Tagesordnungspunkt nicht ausdrücklich mitgeteilt wird, dass über ihn Beschluss gefasst werden soll, davon ausgehen können, es finde lediglich eine beschlusslose Beratung hierzu statt, vielmehr müssen die Mitglieder zu jedem in der Einberufung mitgeteilten Tagesordnungspunkt damit rechnen, dass Beschlüsse gefasst werden (BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 67).
39
b. Gemessen daran ist die Ladung nicht zu beanstanden.
40
a. Soweit die Kläger vorbringen, der Gegenstand der Beschlussfassung sei die zweite Genehmigung des Grundstücksverkaufsvertrages gewesen, der Sachverhalt sei sehr komplex gewesen und es sei unklar gewesen, ob die Mitglieder nicht – wegen des im Außenverhältnis wirksam geschlossenen Vertrags – nur noch über den Preis abstimmen konnten, ist zuzugeben, dass eine Angabe in der Tagesordnung dann nicht ausreichend ist, wenn über einen konkret ausgehandelten Grundstückskaufvertrag abgestimmt werden soll, sich in der Tagesordnung aber z. B. nur die Angabe „Verkauf Clubhaus“ findet (vgl. BGH NJW 2008, 69, 73).
41
So liegt der Fall hier aber nicht. Die Tagesordnung (Anlage CHP 12) enthält in den Punkten 10.1 – 10.3 nicht nur den Wortlaut der zu fassenden Beschlüsse, vielmehr wurde mit der Tagesordnung (dort Anlage 2a) auch der „Entwurf des 2. Nachtrags zum Kaufvertrag vom 04.04.2018“ übersandt sowie darauf hingewiesen, dass der Kaufvertrag vom 04.04.2018 und der Nachtrag vom 23.05.2018 auf der Homepage www.t[…].de unter „Downloads“ veröffentlicht seien. Dem einzelnen Vereinsmitglied war daher möglich, sich über die geplanten Beschlüsse ausreichend zu informieren. Ob das einzelne Mitglied auch in der Lage ist, den Inhalt der Notarverträge vollumfänglich zu überblicken, ist keine Frage der ordnungsgemäßen Ladung.
42
b. Hinsichtlich des Vorbringens, der Antrag von Herrn Bra zur Information über das Schiedsverfahren sei bei der zeitlichen Verschiebung vom Juni bis August/September in die Tagesordnung nicht übernommen, obwohl dieser deutlich für die nächste Mitgliederversammlung gestellt worden sei, ist schon unklar, welche Relevanz für die hier streitgegenständlichen Beschlüsse die Aufnahme des Antrags in die Tagesordnung hätte haben können. Zudem hätte dann wohl auch über den Beschluss des BayObLG vom 02.09.2021 berichtet werden müssen, wonach das Schiedsverfahren unzulässig war.
43
Insoweit kann dahinstehen, ob der Vortrag nach § 531 ZPO noch zuzulassen war, und ob für den Antragsteller Bra. eine Rügeobliegenheit nach Versendung der Tagesordnung – aus der er das Fehlen seines Antrags ersehen konnte – bestand.
44
c. Auch soweit die Kläger vorbringen, die Ladung habe keinen Hinweis auf eine ungesicherte Vorleistung des Vereins bei Genehmigung der Verträge enthalten, greift dies nicht durch.
45
Zunächst ist anzumerken, dass entgegen der Auffassung der Kläger kein „Beurkundungsverbot“ für einen Notar bei Vorliegen einer ungesicherten Vorleistung existiert. Vielmehr trifft den Notar in einem solchen Fall eine doppelte Belehrungspflicht (vgl. BGH Urteil vom 6. Oktober 2011 – III ZR 34/11 –, juris).
46
Ein Hinweis in der Ladung ist nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall schon deshalb entbehrlich, weil sämtliche Verträge für die Mitglieder bei Ladung einsehbar waren.
47
d. Ebensowenig führt die Übersendung der „Informationsbroschüre“ zur Unwirksamkeit der Ladung. Diese war schon nicht Bestandteil der Tagesordnung. Im übrigen war auch die „Informationsschrift“ der Gegner der Beschlussfassung mit der Ladung mitübersandt worden. Soweit die Kläger vorbringen, die „Informationsbroschüre“ enthalte Falschinformationen, trifft dies auf die „Informationsschrift“ in gleicher Weise zu.
48
3. Die Beschlüsse leiden auch nicht an materiellen Mängeln.
49
Ein Vereinsbeschluss ist nichtig, wenn die Beschlussfassung gegen das Gesetz, die guten Sitten oder zwingende Vorschriften der Satzung verstößt (BGHZ 59, 369 [372] = NJW 1973, 235; BGH NZG 2016, 1315 Rn. 37, beck-online).
50
Dafür ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Kläger behaupten im Wesentlichen, durch die Gestaltung der aufschiebenden Bedingung würde die Wahrnehmung der Mitgliedschaftsrechte verhindert, da die Mitglieder keinerlei Gestaltungsspielraum mehr hätten, somit quasi vor „vollendete Tatsachen“ gestellt würden. Die Gestaltung der Bedingung verstoße gegen alle Gepflogenheiten, gegen Wortlaut und Sinn der Satzung und auch gegen alle vereinsrechtlichen Sicherungen Dies ist nicht nachvollziehbar. Die Mitglieder hatten die Möglichkeit, die Genehmigung der Verträge zu versagen. Dies hätte zwar u. U. zu einer Schadensersatzpflicht des vertretungsberechtigten Organs führen können (was allerdings fern liegt, da dem Vertragspartner das satzungsmäßige Zustimmungserfordernis bekannt war). Warum die Gestaltung der Bedingung gegen Gesetze, die guten Sitten oder zwingende Vorschriften der Satzung verstoßen sollte, legen die Kläger selbst nicht dar.
51
4. Es ist im Hinblick auf die Wirksamkeit der Beschlüsse nicht erkennbar, welche Relevanz das Vorbringen unter Ziffer IV. der Berufungsbegründung (dort S. 33f = Bl. 38/39 d. OLGAkte) haben könnte.
52
a. Selbst unterstellt, das Vorbringen zu den technischen Problemen bei Abhaltung der virtuellen Mitgliederversammlung wären zutreffend, so hätten sie am Abstimmungsergebnis nichts geändert.
53
b. Ferner ist nicht erkennbar, warum die Verschiebung der Mitgliederversammlung auf einen Zeitpunkt, der entgegen der Regelung in § 14 Abs. 1 der Satzung nicht im Zeitraum 1. März und 30. April liegt, sich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt haben sollte. Zudem wäre eine Abstimmung über den 2. Nachtrag (Entwurf vom 16.08.2021) dann erst im Frühjahr 2022 möglich gewesen (sofern keine außerordentliche Mitgliederversammlung nach § 14 Abs. 2 der Satzung einberufen worden wäre).
54
c. Soweit die Kläger vorbringen, die farbliche Gestaltung der „Wahlhilfe“ sei eine unzulässige Beeinflussung, kann ihnen nicht gefolgt werden. Unabhängig davon, dass die Kläger hier nur Vermutungen anstellen, wie diese Gestaltung sich auf das Abstimmungsverhalten ausgewirkt haben soll, kann von einem interessierten Mitglied erwartet werden, dass es vor einer Entscheidung die für und gegen die Entscheidung sprechenden Umstände prüft und abwägt. Dass hierbei eine farbliche Gestaltung in der Wahlhilfe einen relevanten Ausschlag gegeben hätte, ist fernliegend.
55
d. Die Frage der Wahlleitung ist jedenfalls für die Frage der Wirksamkeit der Beschlüsse Nr. 7.2, 7.3, 8.0, 10.1, 10.2, 10.3, 11, 12.0 sowie 13.01 offensichtlich irrelevant.
56
5. Die Beschlüsse sind jedoch nichtig, weil sie die Chancengleichheit der Mitglieder verletzen (zur Einordnung dieses Beschlussmangels vgl. BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 215, beck-online).
57
a. Zwar sieht der Senat keine Verletzung der Rechte darin, dass die Kritiker des Vorstandes nur einmalig eine „Informationsschrift“ vorlegen konnten, eine Veröffentlichung in der Vereinszeitung aber nicht ermöglicht wurde. Insbesondere erschließt sich nicht, warum dies – neben der Übersendung mit der Ladung – noch erforderlich gewesen sein sollte.
58
b. Ebensowenig vermag der Senat eine Verletzung der Chancengleichheit darin erkennen, dass der Vorstand umfangreich für seinen Beschlussentwurf geworben hat.
59
c. Soweit die Kläger vorbringen, der Versammlungsleiter habe dagegen verstoßen, dass er sich mit Beginn der Abstimmung jeder Äußerung zu enthalten habe, die objektiv die Abstimmung und deren Ergebnis beeinflussen könnte, ist unklar, was die Kläger dem Versammlungsleiter vorwerfen. Sofern damit die E-Mail vom 03.09.2021 (Anlage CHP 21) gemeint sein sollte, ist schon nicht klar, inwieweit sie gerade vom Versammlungsleiter verfasst sein soll.
60
d. Unklar ist auch, was die Kläger meinen, soweit sie vorbringen, ein „grundsätzliches Rechtsproblem lieg[e] in der allein vom Präsidium ausnutzbaren Möglichkeit, auf drei bis vier Monate vor der MV zu stellende Anträge ebenso in der Tagesordnung wie in der Ladung reagieren und antworten zu können, ebenso auf Kritik bis zu einer Abstimmung“.
61
Dies sieht § 16 der Satzung ausdrücklich so vor.
62
e. Die Chancengleichheit der Kläger ist aber dadurch verletzt, dass ihnen die Möglichkeit verwehrt wurde, andere Vereinsmitglieder persönlich anzuschreiben, da der Beklagte sich zu Unrecht geweigert hat, die E-Mail-Adressen der Mitglieder zur Kontaktaufnahme mitzuteilen.
63
da. Nach ganz h.M. in der Literatur und in der Rechtsprechung steht einem Vereinsmitglied kraft seines Mitgliedschaftsrechts ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereins zu, wenn und soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 – II ZR 219/09 –, juris Rn. 4 f.; Soergel/Hadding, BGB 13. Aufl., § 38 Rdnr. 17; MünchHdbGesR/Schöpflin, Band 5: Verein/Stiftung, 5. Aufl. 2021, § 34 Rn. 21; Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 10. Aufl., Rdnr. 1380; 7; ders., Vereins- und Verbandsrecht, 14. Aufl. 2018, Rn. 1422; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 38 Rdnr. 1a; MünchKommBGB/Leuschner, 9. Aufl. 2021, § 38 Rn. 23 a.E.)
64
Sind die Informationen, die sich das Mitglied durch Einsicht in die Unterlagen des Vereins beschaffen kann, in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann es zum Zwecke der Unterrichtung einen Ausdruck der geforderten Informationen oder auch deren Übermittlung in elektronischer Form verlangen (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 – II ZR 219/09 –, juris Rn. 4; MünchKommBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 716 Rn. 8 [zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts]).
65
Rechtsprechung und Literatur billigen dem einzelnen Vereinsmitglied insbesondere auch einen Anspruch auf Einsicht bzw. Herausgabe der Mitgliederliste jedenfalls dann zu, wenn es ein berechtigtes Interesse geltend machen kann (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 – II ZR 219/09 –, juris Rn. 5 f.; OLG Saarbrücken NZG 2008, 677 f.; OLG München, U. v. 15.11.1990 – 19 U 3483/90; vgl. auch BVerfG, B. v. 18.2.1991 – 1 BvR 185/91).
66
Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse des einzelnen Vereinsmitglieds anzunehmen ist, Kenntnis von Namen und Anschriften der anderen Vereinsmitglieder zu erhalten, ist keiner abstrakt-generellen Klärung zugänglich, sondern auf Grund der konkreten Umstände des einzelnen Falls zu beurteilen. Ein solches Interesse ist jedenfalls gegeben, wenn es darum geht, das nach der Satzung oder nach § 37 BGB erforderliche Stimmenquorum zu erreichen, um von dem in dieser Vorschrift geregelten Minderheitenrecht, die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu verlangen, Gebrauch zu machen (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 – II ZR 219/09 –, juris Rn. 6). Als berechtigtes Interesse hat der BGH ferner anerkannt, mit der Vielzahl von Mitgliedern, von denen regelmäßig nur ein kleiner Teil an der Mitgliederversammlung teilnimmt, in Kontakt zu treten, um eine Opposition gegen die vom Vorstand eingeschlagene Richtung der Vereinsführung zu organisieren (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 – II ZR 219/09 –, juris Rn. 12). Dabei müssen sich die auskunftbegehrenden Mitglieder nicht auf die Möglichkeit der Kontaktaufnahme über eine Vereinszeitschrift oder ein vom Verein eingerichtetes Internetforum verweisen lassen (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 – II ZR 219/09 –, juris Rn. 13; OLG Hamm, Urteil vom 26. April 2023 – I-8 U 94/22 –, Rn. 26 – 29, juris).
67
db. Gemessen daran hatten die Kläger ein berechtigtes Interesse auf Herausgabe der E-MailAdressen. Sie wollten eine Opposition gegen die beabsichtigte Beschlussfassung über die Vorschläge des Präsidiums organisieren. Auch mussten sich die Kläger nicht auf andere Kommunikationswege verweisen lassen. Insoweit schließt sich der Senat der Rechtsauffassung des OLG Hamm (Urteil vom 26. April 2023 – I-8 U 94/22 –, Rn. 26 – 29, juris) an.
68
Entgegenstehende Interesse des Beklagten sind nicht erkennbar. Allenfalls käme das Interesse der übrigen Vereinsmitglieder in Betracht, nicht von anderen Mitgliedern in Vereinsangelegenheiten „belästigt“ zu werden.
69
Die Vereinsmitglieder sind mit ihrem Beitritt zum Beklagten, der einen bestimmten Zweck verfolgt – insoweit vergleichbar mit dem Beitritt zu einer Publikumspersonengesellschaft (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 21. September 2009 – II ZR 264/08, ZIP 2010, 27 Tz. 3) – in eine gewollte Rechtsgemeinschaft zu den anderen, ihnen weitgehend unbekannten Mitgliedern des Beklagten getreten, zu denen auch die Kläger zählen (Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts Vereins- und Verbandsrecht 12. Aufl. Rdn. 657; OLG Saarbrücken NZG 2008, 677 f; vgl. auch BayVGH, Urt. v. 5. Oktober 1998 – 21 ZE 98.2707 juris Tz. 13). Sie haben es deshalb jedenfalls hinzunehmen, dass die Kläger in berechtigter Verfolgung vereinspolitischer Ziele an sie herantreten (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Juni 2010 – II ZR 219/09 –, Rn. 14, juris). Dass die Übermittlung in der Satzung ausgeschlossen wäre, ist nicht erkennbar (vgl. zu dieser Frage OLG Hamm, Urteil vom 26. April 2023 – I-8 U 94/22 –, Rn. 75 ff., juris).
70
dc. Entgegen der Auffassung des Beklagten stehen dem auch nicht datenschutzrechtliche Vorbehalte entgegen, denn die Verarbeitung der Daten ist vorliegend zur Vertragserfüllung erforderlich (Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 b) der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG [Datenschutz-Grundverordnung; künftig: DSGVO] in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 2, § 1 Abs. 8 BDSG, vgl. dazu auch im Fall einer Publikums KG BGH, Beschluss vom 19. November 2019 – II ZR 263/18 –, juris).
71
Insoweit wird auf die überzeugenden Ausführungen des OLG Hamm (Urteil vom 26. April 2023 – I-8 U 94/22 –, Rn. 78 ff., juris), denen sich der Senat anschließt, verwiesen.
72
Etwas anders ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme des zertifizierten Datenschutzbeauftragten & – auditor (TÜV©) P. vom 18.06.2021 (Anlage B21). Diesem ist offensichtlich die ständige Rechtsprechung zu dieser Frage schon nicht bekannt.
73
Auch das Vorbringen des Beklagten im Termin – die Richtigkeit einmal unterstellt – dass von den insgesamt 2784 stimmberechtigten Mitgliedern ca. 500 minderjährig sind, was bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Verarbeitung nach der DSGVO berücksichtigt werden müsse, führt zu keinem anderen Ergebnis. Unabhängig davon, dass neben der Übermittlung von Einzeladressen ggf. auch eine Kontaktaufnahme über eine Sammeladresse möglich wäre, verbleiben immer noch ca. 2280 erwachsene Mitglieder (und damit ca. 82% der stimmberechtigten Mitglieder, also eine deutliche Mehrheit), die für die Kläger erreichbar gewesen wären.
74
dd. Die Kläger haben auch keine Rügeobliegenheit verletzt. Unabhängig davon, ob eine solche grundsätzlich bei formellen Mängeln eines Beschlusses angenommen werden kann (vgl. dazu BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 220), ist eine solche jedenfalls dann nicht zu fordern, wenn der Beschluss nicht nur eine dem Schutz einzelner Mitglieder dienende Verfahrensvorschrift verletzt, sondern – wie vorliegend – solche, die einem übergeordneten Gesamtinteresse an einer rechts- und ordnungsgemäßen Willensbildung dienen.
75
f. Der Mangel ist auch relevant.
76
Vereinsbeschlüsse, die an einem formellen Fehler leiden, sind nicht immer eo ipso nichtig. Auch für den Verein stellen der BGH (NJW 2008, 69) und Oberlandesgerichte (OLG Bremen NJW-RR 2011, 1487; OLG Brandenburg BeckRS2012, 15690; OLG Rostock BeckRS2013, 01186; OLG Hamm BeckRS2013, 12644; OLG Hamm NJW-RR2014, 472; OLG Bremen NZG2016, 1192; OLG Frankfurt a. M. BeckRS2018, 16609) vielmehr auf die Bedeutung des Verfahrensfehlers für die Ausübung der Mitwirkungsrechte durch den Einzelnen ab (Rezeption der für die Aktiengesellschaft entwickelten sog. Relevanztheorie).
77
Maßgeblich ist, ob ein objektiv urteilendes Mitglied bei mangelfreier Handhabung der Versammlung bzw. der Beschlussfassung zu einer anderen Entscheidung gelangt sein könnte. Relevanz meint dabei ein dem Beschluss anhaftendes Legitimationsdefizit, das bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Nichtigkeit rechtfertigt (BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 216).
78
Die Nichtigkeit eines Vereinsbeschlusses wurde nach diesem Maßstab („Relevanz“) beispielsweise angenommen, wenn unter Verstoß gegen § 32 Abs. 1 S. 2 BGB der Gegenstand der Beschlussfassung in der Einberufung zur Versammlung gar nicht oder so ungenau bestimmt ist, dass den Mitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung und eine Entscheidung, ob sie an der Versammlung teilnehmen wollen, nicht möglich ist. Außerdem wurde es als relevant angesehen, wenn die Frist zur Einbringung von Bewerbungen für das Amt des (erweiterten) Vorstands unterschritten wurde. Auch ist Relevanz zu bejahen, wenn zur Einberufung der Versammlung eine Ladung ergeht, die nicht den zwingenden Satzungserfordernissen entspricht, so etwa wenn statt der satzungsmäßig vorgeschriebenen Veröffentlichung der Einladung in der Vereinszeitschrift eine postalische Ladung ergeht, die zudem mittels der sog. Infopost der Deutschen Post übermittelt wird, weshalb eine Verwechslungsgefahr mit Werbesendungen, die häufig per Infopost versendet werden, anzunehmen ist mit der Folge der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Vereinsmitgliedern die Einladung direkt entsorgt oder zu spät gelesen hatte, was dem Verein dann auch den Nachweis mangelnder Relevanz des Ladungsmangels abschneidet. Die vorsätzliche Nichtladung eines teilnahmeberechtigten und potenziell teilnahmewilligen Mitglieds ist stets ein relevanter Verstoß (BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 217)
79
Gemessen daran ist die Verweigerung der Herausgabe der E-Mail-Adressen relevant. Die Kontaktaufnahme mit der Vielzahl von Mitgliedern – von denen regelmäßig nur ein kleiner Teil an der Mitgliederversammlung teilnimmt – um eine Opposition gegen die vom Vorstand eingeschlagene Richtung der Vereinsführung zu organisieren, ist ähnlich gewichtig wie eine ordnungsgemäße Einberufung, um den Mitgliedern eine sachgerechte Vorbereitung und eine Entscheidung, ob sie an der Versammlung teilnehmen wollen, zu ermöglichen.
80
g. Nach Auffassung des Senats erfasst dieser Mangel sämtliche angefochtenen Beschlüsse. Der letzte Antrag auf Übermittlung der E-Mail-Adressen der Vereinsmitglieder war von den Klägern über ihren Prozessbevollmächtigten am 06.08.2021 – und damit mehr als sechs Wochen vor der Versammlung und drei Wochen vor der Versendung der Tagesordnung – gestellt worden (Anlage CHP19). Nach dem Inhalt der beabsichtigten E-Mail (vgl. dazu Anlage CHP18) kann der Senat nicht ausschließen, dass bei Information der Vereinsmitglieder durch die Kläger die Teilnahme und das Abstimmungsverhältnis anders ausgefallen wäre.
C.
81
Für die Festsetzung des Streitwerts war das Interesse des Klägers maßgebend, § 247 Abs. 1 AktG ist insoweit nicht entsprechend anwendbar (vgl. BGH Beschluss vom 25. Mai 1992 – II ZR 23/92 –, juris; BeckOGK/Notz, 15.9.2018, BGB § 32 Rn. 247, beck-online). Das Interesse bemisst der Senat nach dem Ziel des Klägers, den Verkauf des Grundstücks zu einem Verkaufspreis von mindestens 40 Mio. Euro zu erreichen. Davon entfällt auf seinen Mitgliedsanteil 1/2784, somit 14.367,81 € (vgl. dazu auch BayObLG, Beschluss vom 16.12.2021, 101 Sch 96/21 [Anlage CHP 34]).
82
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 13.11.2014, NJW 2015, 77, 78, Randziffer 16).
D.
83
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen zur Frage, inwieweit die Verletzung der Chancengleichheit durch Verweigerung der Herausgabe der E-Mail-Adressen der Vereinsmitglieder zur Nichtigkeit der in der nachfolgenden Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse führt. Der BGH hat das Recht von Mitgliedern auf die Herausgabe anerkannt, aber sich bislang nicht damit befassen können, welche Konsequenz die Verweigerung im Hinblick auf die Wirksamkeit von Beschlüssen hat.
84
Die Zuständigkeit des BGH folgt aus Art. 11 BayAGGVG, § 8 Abs. 2 EGGVG, da vorliegend Bundesrecht betroffen ist.