Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 31.01.2024 – Vf. 14-VII-22
Titel:

Überprüfung einer auf bundesrechtlicher Ermächtigungsgrundlage beruhenden Landesverordnung

Normenketten:
BV Art. 98 S. 4
VfGHG Art. 55 Abs. 1 S. 2, Abs. 5
IfSG § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 7 S. 1 Nr. 1 lit. b, § 28b Abs. 2 S. 1 Nr. 1 lit. b, Nr. 2, § 32 S. 1
16. BayIfSMV § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
Einstellung eines Popularklageverfahrens gegen Vorschriften zur Maskenpflicht in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs nach Erledigterklärung. (Rn. 18)
1. Die Fortführung des Verfahrens nach Erledigung einer Popularklage kommt nicht in Betracht, wenn die Popularklage nicht in zulässiger Weise erhoben worden ist. (Rn. 18) (red. LS Axel Burghart)
2. Die Prüfung einer auf bundesrechtlicher Ermächtigungsgrundlage beruhenden Landesverordnung beschränkt sich im Wesentlichen darauf, ob der Verordnungsgeber die ihm durch das Bundesgesetz eröffneten Spielräume überschritten oder unter Verletzung von Grundrechten der Landesverfassung ausgefüllt hat, und gegebenenfalls darauf, ob in anderer Weise eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips vorliegt. (Rn. 21) (red. LS Axel Burghart)
Schlagworte:
Popularklage, Erledigung, Verordnung, Infektionsschutzgesetz, COVID-19, Corona
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4886

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Gegenstand der später für erledigt erklärten Popularklage waren Vorschriften zur Pflicht zum Tragen (mindestens) einer medizinischen Gesichtsmaske (Maskenpflicht) in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs, die in der Zeit zwischen dem 23. Juli und dem 9. Dezember 2022 galten.
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Dies war zunächst § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Sechzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (16. BayIfSMV) vom 1. April 2022 (BayMBl Nr. 210, BayRS 2126-1-20-G) in der Fassung der Verordnung zur Änderung der 16. BayIfSMV vom 21. Juli 2022 (BayMBl Nr. 427, BayRS 2126-1-20-G), der (seit dem 2. Juli 2022) folgenden Wortlaut hatte:
§ 2
Maskenpflicht
(1) 1 In
1. Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs für Fahrgäste sowie das Kontroll- und Servicepersonal und das Fahr- und Steuerpersonal, soweit für dieses tätigkeitsbedingt physischer Kontakt zu anderen Personen besteht, … gilt die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske (Maskenpflicht).
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Am 1. Oktober 2022 trat die Siebzehnte Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (17. BayIfSMV) vom 30. September 2022 (BayMBl Nr. 557, BayRS 2126-1-21-G) in Kraft. Deren sodann angegriffener § 2 Abs. 1 Nr. 1 lautete wie folgt:
㤠2 Maskenpflicht
(1) In
1. Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs für a) Fahrgäste und b) das Kontroll- und Servicepersonal sowie das Fahr- und Steuerpersonal, soweit für dieses tätigkeitsbedingt physischer Kontakt zu anderen Personen besteht, … gilt die Pflicht zum Tragen mindestens einer medizinischen Gesichtsmaske (Maskenpflicht).“
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Mit Verordnung zur Änderung der Siebzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 27. Oktober 2022 (BayMBl Nr. 607, BayRS 2126-1-21-G) wurde die Geltung u. a. dieser Bestimmung zunächst bis zum 9. Dezember 2022 verlängert. Zum Ablauf dieses Datums wurde § 2 Abs. 1 Nr. 1 17. BayIfSMV durch § 2 der Verordnung zur Änderung der Siebzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 8. Dezember 2022 (BayMBl Nr. 695, BayRS 2126-121-G) aufgehoben.
II.
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1. Der Antragsteller wandte sich mit seiner Popularklage vom 4. August 2022 und weiterem Schriftsatz vom 2. September 2022 zunächst gegen die in § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Sechzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung angeordnete Maskenpflicht und beantragte, diese Bestimmung aufzuheben. Nach Inkrafttreten der Siebzehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung stellte er mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2022, ergänzt durch Schriftsatz vom 27. Oktober 2022, unter Bezugnahme auf die bisherige Begründung seinen Antrag auf deren § 2 Abs. 1 Nr. 1 um. Ein ursprünglich gestellter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde nach Hinweis auf dessen voraussichtliche Erfolglosigkeit nicht weiterverfolgt.
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Der Antragsteller rügte einen Verstoß der angegriffenen Bestimmungen gegen die allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 101 BV.
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Er fühle sich durch die Verpflichtung zum Tragen einer Gesichtsmaske bei Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs angesichts der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit dieser Maßnahme in seinen Freiheitsrechten unangemessen und unverhältnismäßig eingeschränkt. Beim Tragen der Maske müsse er zwangsläufig bereits verbrauchte Luft erneut einatmen, was er als äußerst unangenehm empfinde. Das Tragen einer solchen Maske sei insbesondere bei hohen Temperaturen oder in Innenräumen mit ohnehin schlechter Luft außerordentlich lästig. Er meide daher die Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs und sei deshalb auf die Nutzung seines Personenkraftwagens auch im Nahbereich oder des Fahrrads angewiesen. In München sei es aber schwierig, einen Parkplatz zu finden.
Die Nutzung des Fahrrads sei bei Kälte, Wind und Regen nicht angenehm.
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Die Verpflichtung zum Maskentragen sei nicht geeignet, die Verbreitung des Corona-Virus zu verhindern oder auch nur das Risiko seiner Übertragung zu senken, in keinem Fall dazu erforderlich und greife insbesondere angesichts der nicht nachgewiesenen Wirksamkeit unverhältnismäßig in die Freiheit der Bürger ein. Ein allgemeinwissenschaftlicher Konsens dahingehend, dass das Tragen von Masken generell geeignet sei oder wenigstens sein könne, die Infektion mit dem SARSCoV-2-Virus zu verhindern, bestehe nicht. Es sei zwischen einer Versuchsdurchführung unter idealen Laborbedingungen und der tatsächlichen Umsetzung in der breiten Bevölkerung in Alltagssituationen zu unterscheiden. Ohne eine konsequente und erwartbare Überwachung der Anwendung der Masken durch die Bevölkerung leide die tatsächliche Wirksamkeit deutlich. Aus der Begründung der Verordnungen sei nicht ersichtlich, dass es Untersuchungen zur tatsächlichen Anwendung der Masken durch die Bürger gegeben hätte und gegebenenfalls welche Ergebnisse hier festzustellen gewesen wären. Warum die Beibehaltung der Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr notwendig sein und wie gerade diese helfen solle, vulnerable Personen zu schützen, erhelle sich nicht. Die Staatsregierung nutze ihren Ermessensspielraum sehr selektiv aus. Zur Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme gehöre es auch, nicht durch eine bestimmte Maßnahme, die zwangsläufig bestimmte Personen besonders belaste, allein den gesamten Erfolg herbeiführen zu wollen. Angesichts des komplexen Infektionsgeschehens könne nur eine vielschichtige Lösungsstrategie ermessensgerecht sein. Schließlich sei nach wissenschaftlichen Untersuchungen nicht auszuschließen, dass das Tragen von Masken über längere Zeit für den Träger gesundheitliche Gefahren berge.
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Der Antragsteller rügte ferner eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 118 Abs. 1 BV. Die Verpflichtung zum richtigen, virusabweisenden Tragen einer Gesichtsmaske sei weder überprüfbar noch könnten Verstöße mangels Überprüfbarkeit geahndet werden. Die Regelung weise ein normatives Defizit auf, sei widersprüchlich und auf Ineffektivität angelegt.
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Der Umstand, dass die angegriffenen Vorschriften auf einer bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage beruhten, ändere daran nichts. Die Ausfüllung einer durch Bundesgesetz vorgegebenen Ermächtigung sei an den Grundrechten der Bayerischen Verfassung zu messen. Das Bestehen einer bestimmten bundesgesetzlichen Ermächtigung bedeute noch nicht, dass das Gebrauchmachen von ihr auch rechtmäßig sei. Ein Bundesgesetz könne die Bindung des bayerischen Verordnungsgebers an die Grundrechte der Bayerischen Verfassung nicht beseitigen. Es sei daher denkbar, dass eine bundesrechtliche Ermächtigung in Bayern wegen deren Verfassungswidrigkeit überhaupt nicht umgesetzt werden könne.
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2. Der Bayerische Landtag beteiligte sich nicht am Verfahren.
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3. Die Bayerische Staatsregierung hielt in ihrer Stellungnahme vom 13. Dezember 2022 die Popularklage für unzulässig, jedenfalls für unbegründet.
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Die Zulässigkeit einer Popularklage setze voraus, dass der Antragsteller mit einem Mindestmaß an Substanziierung nachvollziehbar darlege, inwiefern die angegriffene Rechtsvorschrift zu einer Grundrechtsnorm der Bayerischen Verfassung in Widerspruch stehe. Prüfungsmaßstab im Popularklageverfahren seien allein die Vorschriften der Bayerischen Verfassung und nicht Normen des vorrangigen Bundesrechts. Die (zuletzt) angegriffene Vorschrift beruhe auf der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage des § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1, § 28 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG), weshalb die Prüfung im Popularklageverfahren sich darauf beschränke, ob der Verordnungsgeber die ihm durch Bundesrecht eröffneten Spielräume überschritten oder unter Verletzung von Grundrechten der Bayerischen Verfassung ausgefüllt habe oder eine Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verankerten Rechtsstaatsprinzips vorliege.
Hierzu enthalte die Popularklage keine ausreichenden Darlegungen.
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Selbst wenn man die Zulässigkeit der Popularklage unterstelle, sei diese jedenfalls vollumfänglich unbegründet.
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4. Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2022 hat der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt. Die angefochtene Rechtsnorm, die eine Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln vorgesehen habe, sei mittlerweile außer Kraft getreten. Eine Wiedereinführung sei angesichts der konstant niedrigen Corona-Inzidenzen in Bayern kaum zu erwarten. Er beantragt, ihm die durch das Popularklageverfahren entstandenen notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.
Die Bayerische Staatsregierung hat keinen Antrag nach Art. 55 Abs. 5 Halbsatz 2 VfGHG auf Entscheidung über die Popularklage gestellt. Der vom Antragsteller begehrten Erstattung seiner notwendigen Auslagen tritt sie entgegen.
III.
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Das Verfahren ist einzustellen.
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1. Das Popularklageverfahren nach Art. 98 Satz 4 BV dient dem Schutz der Grundrechte als Institution. Wenn kein Antrag nach Art. 55 Abs. 5 Halbsatz 2 VfGHG gestellt wird, hat der Verfassungsgerichtshof nach Rücknahme oder Erledigterklärung der Popularklage darüber zu befinden, ob ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Verfahrens besteht (Art. 55 Abs. 5 Halbsatz 1 VfGHG). Der Verfassungsgerichtshof entscheidet im Rahmen der Popularklage grundsätzlich nur über in Kraft befindliches Recht. Anderes ist ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn eine verfassungsgerichtliche Klärung von Fragen, die den Gegenstand des Verfahrens bilden, im öffentlichen Interesse geboten erscheint (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 2.12.1997 VerfGHE 50, 268/270; vom 20.11.2018 – Vf. 1-VII-18 – juris Rn. 8; vom 22.3.2022 – Vf. 16-VII-20 – juris Rn. 7; vom 18.7.2022 – Vf. 41-VII-21 – juris Rn. 12; vom 27.9.2023 – Vf. 62-VII-20 – juris Rn. 36 m. w. N.).
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2. Im vorliegenden Fall kommt eine Fortführung des Verfahrens schon deshalb nicht in Betracht, weil die Popularklage nicht in zulässiger Weise erhoben worden ist. Auch ohne die Erledigterklärung des Antragstellers wäre es deshalb nicht zu einer verfassungsgerichtlichen Klärung sachlich inmitten stehender Fragen gekommen. Ein öffentliches Interesse an der Fortführung besteht somit nicht (vgl. VerfGH vom 18.10.2005 – Vf. 16-VII-04 – juris Rn. 8; vom 14.6.2023 – Vf. 15-VII18 – juris Rn. 53 ff.).
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a) Zu den prozessualen Voraussetzungen einer Popularklage gehört nach Art. 55 Abs. 1 Satz 2 VfGHG, dass der Antragsteller darlegt, inwiefern durch die angegriffenen Rechtsvorschriften ein in der Verfassung gewährleistetes Grundrecht verfassungswidrig eingeschränkt wird. Unzulässig ist die Popularklage, wenn und soweit eine als verletzt bezeichnete Norm der Verfassung kein Grundrecht gewährt oder wenn zwar ein Grundrecht als verletzt gerügt wird, eine Verletzung der entsprechenden Norm nach Sachlage aber von vornherein nicht möglich ist, weil der Schutzbereich des angeblich verletzten Grundrechts durch die angefochtene Rechtsvorschrift nicht berührt wird. Eine ausreichende Grundrechtsrüge liegt nicht schon dann vor, wenn ein Antragsteller lediglich behauptet, dass die angefochtene Rechtsvorschrift nach seiner Auffassung gegen Grundrechtsnormen der Bayerischen Verfassung verstößt. Der Antragsteller muss seinen Vortrag vielmehr so präzisieren, dass der Verfassungsgerichtshof beurteilen kann, ob der Schutzbereich der bezeichneten Grundrechtsnorm berührt ist. Die zur Überprüfung gestellten Tatsachen und Vorgänge müssen dies zumindest als möglich erscheinen lassen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 12.4.1988 VerfGHE 41, 33/36 f.; vom 29.10.2020 BayVBl 2021, 83 Rn. 19; vom 20. April 2023 – Vf. 4-VII-22 – juris Rn. 21 f.; vom 8. Mai 2023 – Vf. 27-VII-21 u. a. – juris Rn. 60, jeweils m. w. N.).
Summarische, nicht präzisierte Grundrechtsrügen sind unzulässig (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 19.4.1985 VerfGHE 38, 43/45; vom 29.10.2018 - Vf. 20-VII-17 – juris Rn. 14; vom 29.3.2022 – Vf. 48-VII-21 – juris Rn. 10; vom 20.4.2023 – Vf. 4-VII-22 – juris Rn. 22). Es ist nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, aufgrund von Ausführungen, die sich in vagen Andeutungen und nicht nachvollziehbaren Behauptungen erschöpfen, von Amts wegen Ermittlungen aufzunehmen und Nachforschungen anzustellen, ob möglicherweise eine Verfassungsverletzung in Betracht kommt (VerfGH vom 26.6.2012 VerfGHE 65, 118/124; vom 26.3.2018 BayVBl 2018, 590 Rn. 56; vom 9.2.2021 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 103).
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b) Diesen Anforderungen wurde der Antragsteller nicht gerecht. Sein Vortrag in der Popularklage berücksichtigte insbesondere nicht hinreichend, dass die angegriffenen Vorschriften jeweils auf einer bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlage beruhten und der Prüfungsmaßstab des Verfassungsgerichtshofs in solchen Fällen eingeschränkt ist.
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Prüfungsmaßstab im Popularklageverfahren sind allein die Vorschriften der Bayerischen Verfassung, nicht Normen des – vorrangigen (Art. 31 GG) – Bundesrechts. Die Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof beschränkt sich daher (bei zulässiger Antragstellung) im Wesentlichen darauf, ob der Verordnungsgeber die ihm durch das Infektionsschutzgesetz des Bundes eröffneten Spielräume überschritten – und damit das in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verankerte Rechtsstaatsprinzip verletzt – oder unter Verletzung von Grundrechten der Bayerischen Verfassung ausgefüllt hat, und gegebenenfalls darauf, ob in anderer Weise eine Verletzung des in Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV verankerten Rechtsstaatsprinzips vorliegt (vgl. VerfGH vom 1.2.2021 – Vf. 98-VII-20 – juris Rn. 16; vom 9.2.2021 – Vf. 6-VII-20 – juris Rn. 40, 60; vom 7.12.2021 – Vf. 60-VII-21 – juris Rn. 15; ausführlich zum eingeschränkten Prüfungsmaßstab bei bundesrechtlicher Ermächtigungsgrundlage VerfGH vom 27.9.2023 – Vf. 62-VII-20 – juris Rn. 45 ff.).
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aa) Nach den zur jeweiligen Geltungszeit der angegriffenen Vorschriften gültigen bundesrechtlichen Regelungen waren die Landesregierungen ausdrücklich ermächtigt, in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske als eine der notwendigen Schutzmaßnahmen im Sinn des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG durch Rechtsverordnung anzuordnen.
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So enthielt § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b IfSG in der zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften vom 18. März 2022 (BGBl I S. 466) geänderten Fassung bei Erlass des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 16. BayIfSMV die Ermächtigung der Landesregierungen, durch Rechtsverordnung die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs für Fahrgäste, das Kontroll- und Servicepersonal sowie für das Fahrund Steuerpersonal, soweit für diese tätigkeitsbedingt physischer Kontakt zu anderen Personen bestand, unabhängig von einer vom Deutschen Bundestag festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite anzuordnen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich war. Nach § 28 b Abs. 1 Satz 1 IfSG in der damaligen Fassung galt eine entsprechende FFP2- bzw. medizinische Maskenpflicht in Verkehrsmitteln des Luftverkehrs und des öffentlichen Personenfernverkehrs unmittelbar kraft Bundesrechts. Solange ein Land von der Ermächtigung in § 28 a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b IfSG keinen Gebrauch gemacht hatte, war gemäß § 28 b Abs. 1 Satz 3 IfSG diese Pflicht für den genannten Personenkreis bundeseinheitlich auch auf Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs erstreckt, längstens bis zum Ablauf des 2. April 2022.
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Auch nach Änderung des Infektionsschutzgesetzes durch Art. 1, 1 a und 1 b des Gesetzes zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 vom 16. September 2022 (BGBl I S. 1454) war in § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1, § 28 b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b und Nr. 2 IfSG ausdrücklich eine Ermächtigung der Landesregierungen zum Erlass einer entsprechenden Verpflichtung der Fahrgäste zum Tragen einer FFP2- oder medizinischen Maske durch Rechtsverordnung enthalten, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) und zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastrukturen erforderlich war; bei dem Kontroll-, Service-, Fahr- und Steuerpersonal war die Ermächtigung seither allerdings beschränkt auf das Tragen einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz). Für Fahrgäste in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personenfernverkehrs (ab 14 Jahren) bestand nunmehr unmittelbar kraft Bundesrechts gemäß § 28 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar), unabhängig von der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite; für das Kontroll-, Service-, Fahr- und Steuerpersonal in diesem Bereich (sowie für Kinder ab 6 und unter 14 Jahren) war die Verpflichtung reduziert auf mindestens eine medizinische Gesichtsmaske (§ 28 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG).
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bb) Die Ausführungen zu den behaupteten Grundrechtsverstößen setzten sich mit diesem bundesrechtlichen Hintergrund nicht in der erforderlichen Weise auseinander. Die Umstellung des Klageantrags auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 17. BayIfSMV mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2022 erfolgte „unter voller Bezugnahme auf die bisherige Begründung“, also ohne jegliche Berücksichtigung, dass die bundesrechtliche Ermächtigungsgrundlage zwischenzeitlich eine Änderung erfahren hatte. Die Ausführungen des Antragstellers zu § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 16. BayIfSMV erschöpften sich in der Behauptung von Grundrechtsverletzungen durch die angeordnete Maskenpflicht, ohne dass dies in Bezug zum bundesgesetzlichen Regelungsrahmen und den sich daraus ergebenden Folgen für eine mögliche Verletzung von Grundrechten der Bayerischen Verfassung gesetzt worden wäre. Dies gilt auch für die ergänzenden Ausführungen in den Schriftsätzen vom 2. September, 5. und 27. Oktober 2022, die insbesondere in der Beanstandung einer angeblich unzureichenden Begründung der angegriffenen Vorschriften durch den Verordnungsgeber und der Auswahl des von der Maskenpflicht betroffenen Bereichs den geringen Spielraum der bundesrechtlichen Ermächtigungsgrundlagen außer Betracht lassen. Auch die Hinweise auf die angeblich mangelnde Überprüfbarkeit von Verstößen gegen die Maskentragungspflicht zeigen nicht substanziiert ein etwa zwangsläufig schon in der Norm angelegtes Vollzugsdefizit auf, das ausnahmsweise eine Verfassungswidrigkeit begründen könnte (vgl. zu dieser Möglichkeit aus dem Bereich des Steuer- und Abgabenrechts VerfGH vom 20.12.2012 BayVBl 2013, 334; BVerfG vom 9.3.2004 BVerfGE 110, 94/112); grundsätzlich kann der Normvollzug selbst dann nicht mit der Popularklage angegriffen werden, wenn eine Rechtsvorschrift die Möglichkeit fehlerhafter oder missbräuchlicher Anwendung bietet (vgl. VerfGH vom 22.6.2022 – Vf. 42-VII-21 – juris Rn. 36).
IV.
26
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG). Von der Auferlegung einer Gebühr (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG) wird im Hinblick auf die Erledigterklärung abgesehen. Da die Popularklage unzulässig war, kommt eine Auslagenerstattung zugunsten des Antragstellers (Art. 27 Abs. 5 VfGHG) nicht in Betracht (vgl. zuletzt VerfGH vom 14.6.2023 – Vf. 15-VII-18 – juris Rn. 165).