Inhalt

OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 19.12.2024 – 3 U 85/24 e
Titel:

Zu den Voraussetzungen und dem Umfang eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Steuerberater wegen eines Beratungsfehlers hinsichtlich der Beantragung von Wirtschaftshilfen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Normenketten:
BGB § 252 S. 2
BGB § 280 Abs. 1
BGB § 675
ZPO § 287 Abs. 1
ZPO § 528
Bayerische Haushaltsordnung Art. 53
Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen und dem Umfang eines Schadensersatzanspruchs gegen einen Steuerberater wegen eines Beratungsfehlers hinsichtlich der Beantragung von Wirtschaftshilfen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
Schlagworte:
Steuerberaterhaftung, Beratungsfehler, Corona-Pandemie, Wirtschaftshilfen, Lockdown, Dezemberhilfe, Geschäftsbesorgungsvertrag, Schadensersatz, Dauermandat, unrichtige Auskunft, Änderung Förderrichtlinien, Mischbetrieb, Cafébetrieb, Kausalität
Vorinstanz:
LG Bamberg, Urteil vom 12.06.2024 – 24 O 370/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48869

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bamberg vom 12.06.2024, Az. 24 O 370/23, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert auf 58.143,64 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht für die Beklagte Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 23.01.2025.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen eines behaupteten Beratungsfehlers durch die Beklagte über die Beantragung von Wirtschaftshilfen des Bundes im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.
2
Die Klägerin betreibt in … ein … sowie unter einer gesonderten Anschrift eine Gastronomieeinrichtung als Café und Bar mit einem Shop für Accessoires. Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft. Beginnend mit dem Jahr 2014 hatte sie ein Steuerberatungsmandat für die Klägerin inne.
3
Aufgrund des sog. „Lockdowns“ in Folge der Corona-Pandemie durfte die Klägerin in den Monaten November und Dezember 2020 vor Ort keine Gäste bewirtschaften und musste ihren Gastronomiebetrieb vorübergehend schließen.
4
Die Beklagte beantragte für die Klägerin die sogenannte Überbrückungshilfe III. Hierbei handelte es sich um ein vom Bund aufgelegtes staatliches Hilfsprogramm, das u. a. einen Fixkostenzuschuss bei coronabedingten Umsatzeinbußen beinhaltete. Neben der Überbrückungshilfe gab es weitere Hilfsprogramme des Bundes, unter anderem für die Monate November und Dezember 2020 die sogenannte Novemberhilfe und Dezemberhilfe. Kurz vor dem oder am 19.04.2021 rief der Geschäftsführer der Klägerin A. bei der Beklagten an. Der Inhalt des Gesprächs ist zwischen den Parteien streitig. Am 19.04.2021 sandte die Mitarbeiterin der Beklagten D. an A. eine E-Mail, in der sie Folgendes mitteilte:
„(…) bezüglich Ihrer Rückfrage zur Dezemberhilfe muss ich Ihnen leider mitteilen, dass es hier keine Erleichterung gegeben hat.
Sie gelten als Mischbetrieb und müssen somit mindestens 80% der Umsätze mit dem Cafe erzielen, um antragsberechtigt zu sein. (…)“
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Es folgte ein Verweis auf Punkt 1.5 in den FAQs einer einschlägigen Webseite. Wegen der Einzelheiten wird auf die E-Mail (Anlage K 1) verwiesen.
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Einen Tag später, am 20.04.2021, kündigte die Beklagte im Rahmen einer Besprechung ihr Steuerberatungsmandat. Erst nach Ablauf des Monats April 2021 mandatierte die Klägerin eine neue Steuerberatungskanzlei.
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Nach Ziff. 6.1 S. 1 der Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 (Dezemberhilfe) in der maßgeblichen Fassung nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 21. Dezember 2020, Az. PGÜ-3560-3/2/251(BayMBl. Nr. 816) – im Folgenden als Richtlinie Dezemberhilfe bezeichnet – musste die Antragstellung bis spätestens 30.04.2021 erfolgen. Das tatsächliche Datum des Fristablaufs ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerin stellte keinen Antrag auf Bewilligung der Dezemberhilfe.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, in Person ihres Geschäftsführers A. die Beklagte telefonisch ausdrücklich nach der Antragsberechtigung für die Dezemberhilfe gefragt zu haben. D. habe ihr mit der E-Mail vom 19.04.2021 eine falsche Rechtsauskunft erteilt. Nach einer Änderung der Vorschriften für die Novemberhilfe und die Dezemberhilfe mit Wirkung ab dem 19.03.2021 sei nämlich auch für diejenigen Mischbetriebe eine entsprechende Förderung möglich gewesen, die ihren Gesamtumsatz zu weniger als 80% aus einem Gastronomiebetrieb erwirtschafteten.
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Die Klägerin bringt vor, sie hätte bei richtiger Auskunftserteilung alsbald einen Steuerberater gefunden, den sie mit der Antragstellung für die Dezemberhilfe beauftragt hätte. Auf diese Weise wäre dann eine fristgerechte Antragstellung erfolgt.
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Neben einer falschen Auskunft in der E-Mail vom 19.04.2021 wirft die Klägerin der Beklagten weitere Pflichtverletzungen vor. Sie hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Beklagte umfassend mit der Wahrnehmung steuerlicher Interessen beauftragt zu haben. Dies habe auch die Prüfung und Beantragung möglicher Förderungen aufgrund der Corona-Hilfen umfasst. Die Beklagte sei deshalb selbst ohne ausdrückliche Nachfrage zum Hinweis auf die Antragsberechtigung für die Dezemberhilfe verpflichtet gewesen.
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Außerdem habe die Beklagte sie im Rahmen der Beantragung der Fördermaßnahme Überbrückungshilfe III zutreffend auf die geänderte Rechtslage hinsichtlich der Dezemberhilfe hinweisen und einen entsprechenden Förderantrag stellen müssen. Dies gelte umso mehr, als sie für Dezember 2020 letztlich keine Überbrückungshilfe erhalten habe.
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Spätestens im Rahmen der Mandatskündigung habe die Beklagte sie auf die laufende Antragsfrist hinweisen müssen. Insoweit sei die Kündigung vom 20.04.2021 zur Unzeit erfolgt.
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Die Klägerin bringt vor, ein rechtzeitig gestellter hypothetischer Antrag auf Gewährung der Dezemberhilfe sei auch in der Sache erfolgreich gewesen. Aufgrund der Pflichtverletzungen seitens der Beklagten sei ihr die Förderung entgangen.
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Ihren Schaden beziffert die Klägerin mit 58.683,64 €. Dies errechne sich wie folgt: Nach der einschlägigen Förderrichtlinie betrage die Dezemberhilfe grundsätzlich 75% des im Dezember 2019 erwirtschafteten Umsatzes aus dem Gastronomiebereich, sofern die Umsätze im Dezember 2020 die Grenze von 25% der Umsätze aus demselben Monat des Vorjahres nicht überstiegen. Im Dezember 2019 habe sie ausweislich ihrer betriebswirtschaftlichen Auswertung (Anlage K5) insgesamt Umsätze im Gastronomiebereich in Höhe von 87.673,56 € erwirtschaftet. Im Dezember 2020 hätten sich ihre Gastronomieumsätze nur auf 4.156,57 € belaufen, wie ihre betriebswirtschaftliche Auswertung (Anlage K6) zeige. Ihr Gastronomieumsatz im Dezember 2020 in Höhe von 4.156,57 € entspreche also ca. 4,74% des Gastronomieumsatzes im Dezember 2019 und damit deutlich weniger als 25%. Ihr habe deshalb bei ordnungsgemäßer Beantragung der Dezemberhilfe grundsätzlich eine Förderung in Höhe von 75% des Dezemberumsatzes 2019 zugestanden, was einen Förderbetrag in Höhe von 65.755,17 € ausgemacht habe.
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Von diesem Betrag seien die folgenden Abzüge vorzunehmen:
- Sie habe für den Monat Dezember 2020 Kurzarbeitergeld und damit zusammenhängende Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 6.811,53 € erhalten, was angerechnet werden müsse.
- Des Weiteren seien auch die Kosten anzurechnen, die für die Beauftragung eines Steuerberaters mit der Antragstellung entstanden wären. Üblicherweise würden Anträge auf Dezemberhilfe von Steuerkanzleien nach einem Stundensatz abgerechnet, der regelmäßig bei 130,00 € pro Bearbeitungsstunde für einen Steuerberater sowie bei 90,00 € für die Bearbeitung durch einen Steuerfachangestellten angesetzt werde. Da für die Antragstellung nicht mehr als zwei Stunden aufgewandt werden müssten, ergebe sich maximal ein abzuziehender Betrag in Höhe von 260,00 €.
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Dagegen seien die folgenden Positionen nicht abzuziehen:
- Steuervorteile: Der geschädigte Mandant müsse sich die durch den Schadenfall erzielten Steuervorteile nicht anrechnen lassen, wenn er die vom Steuerberater zu zahlende Schadensersatzleistung zu versteuern habe. Dies sei vorliegend der Fall.
- Überbrückungsgeld: Da für den Monat Dezember 2020 die Fördervoraussetzungen des Überbrückungsgeldes nicht erfüllt gewesen seien, habe die für diesen Monat beantragte Fördersumme 0,00 € betragen (Anlage K8), sodass insoweit kein Abzug vorzunehmen sei.
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Mit Klageschrift vom 04.05.2023 (Bl. 1 ff. LG-Akte) hatte die Klägerin ihren Anspruch auf die unterbliebene Beantragung der November- und der Dezemberhilfe 2020 gestützt und Schadensersatz in Höhe von 51.969,93 € begehrt. Der niedrigere Betrag als der letztlich nur für die Dezemberhilfe geltend gemachte beruhte auf dem Abzug der für November 2020 erhaltenen Überbrückungshilfe in Höhe von 40.369,45 €. Da dieser Betrag die Höhe der hypothetischen Novemberhilfe überstieg, stellte sich die Nichtbeantragung der Novemberhilfe im Ergebnis als vorteilhaft dar. Wegen der ursprünglichen Berechnung im Einzelnen wird auf S. 5 der Klageschrift (Bl. 5 LG-Akte) Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 13.10.2023 hat die Klägerin die Klage auf einen Betrag von 58.683,64 € erstreckt und die Klage nur noch auf die unterbliebene Beantragung der Dezemberhilfe gestützt (Bl. 32 ff., 38 f. LG-Akte).
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Die Klägerin ist der Auffassung, wegen Identität des zugrundeliegenden Lebenssachverhalts habe es sich um eine gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterung gehandelt.
20
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 58.683,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 51.969,93 € seit dem 17.02.2023 sowie aus 6.713,71 € seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu bezahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, als Ersatz vorprozessualer Rechtsanwaltskosten weitere 1.804,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
21
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie habe sich keine Pflichtverletzung zuschulden kommen lassen. Die aus dem allgemeinen Mandat herrührenden Verpflichtungen habe sie ordnungsgemäß erfüllt. Vom bestehenden Mandatsverhältnis mit der Klägerin seien Beratung und Beantragung in puncto Dezemberhilfe nicht umfasst gewesen. Einen speziellen Auftrag in dieser Hinsicht habe die Klägerin ihr nicht erteilt. Insbesondere habe die E-Mail vom 19.04.2021 nur eine rechtlich unverbindliche Auskunft zum Gegenstand gehabt. Sie habe allgemein die damalige Rechtslage dargestellt, aber keine Aussage zu einer Antragsberechtigung der Klägerin beinhaltet.
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Die klägerseits behaupteten Pflichtverletzungen seien auch nicht kausal für den geltend gemachten Schaden gewesen. Die Klägerin habe die Voraussetzungen für die Gewährung der November- und der Dezemberhilfe nicht erfüllt. Zudem sei sie auch nicht in der Lage gewesen, innerhalb der verbleibenden Antragsfrist einen neuen Steuerberater zu finden und diesem die erforderlichen Antragsunterlagen so zeitig zu übermitteln, dass ihm eine vollständige Prüfung und rechtzeitige Antragstellung möglich gewesen wäre.
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Weiter wendet sich die Beklagte gegen die klägerische Schadensdarstellung. Diese genüge nicht ansatzweise den Grundsätzen des Gesamtvermögensvergleichs und folge zudem einem unzutreffenden Berechnungsansatz. Es seien Positionen einbezogen worden, auf die die Klägerin von vornherein keinen Anspruch gehabt habe bzw. die wegen des Verbots der Doppelförderung im Rahmen einer Corona-Förderung anzurechnen gewesen wären. Die in die Berechnung einbezogenen Einnahmen aus dem Verkauf von Glühwein gehörten nicht zur Gastronomie. Bei einem unterstelltem Schadensersatzanspruch dem Grunde nach seien zudem Kosten für die Beauftragung eines Steuerberaters abzuziehen, die sich ortsüblich und angemessen auf 5% bis 7% des beantragten Förderbetrags beliefen. Des Weiteren unterlägen die jetzt als Schadensersatz eingeforderten Zuschüsse der Ertragssteuer, die dementsprechend bei der Schadensberechnung abzuziehen sei.
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Schließlich meint die Beklagte, der Schriftsatz vom 13.10.2023 sei nicht als Klageerweiterung im Sinne des § 264 ZPO, sondern als substanzielle Klageänderung in Gestalt eines Klagetauschs einzustufen. Für die zurückgenommene Ausgangsklage werde Kostenantrag nach § 269 Abs. 4, Abs. 3 ZPO gestellt.
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Vorsorglich erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung.
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II. Das Landgericht hat der Klage mit Endurteil vom 12.06.2024 weit überwiegend stattgegeben. Die Teilklageabweisung beruht auf dem Ansatz höherer fiktiver Steuerberaterkosten als klägerseits beantragt. Im Übrigen ist das Landgericht der Berechnung der Klägerin gefolgt.
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1. Der Schriftsatz vom 13.10.2023 habe eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO dargestellt. Da die Klägerin ihren Anspruch zunächst auf die unterbliebene Beantragung der November- und Dezemberhilfe gestützt habe, sei in der Klageschrift der mit Schriftsatz vom 13.10.2023 alleinig geltend gemachte Haftungsgrund der unterbliebenen Beantragung der Dezemberhilfe bereits enthalten gewesen.
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2. Die Klage sei zulässig und weit überwiegend begründet. Der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte wegen eines Beratungsfehlers gem. §§ 675, 280 Abs. 1 BGB zu.
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a. Die Beklagte sei zur Beratung in Bezug auf die Dezemberhilfe mandatiert gewesen.
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aa. Diese sei bereits vom seit 2014 bestehenden Dauermandat umfasst gewesen. Das Mandat habe unstreitig die Erstellung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen beinhaltet. Ein Steuerberater schulde aber auch bei der Beauftragung mit Routinearbeiten die Beratung zu darüber hinausgehenden Fragen, ohne dass ein expliziter und auf die spezielle Frage bezogener Beratungsvertrag abgeschlossen werden müsse. Auch der Umstand, dass die Beklagte die Überbrückungshilfen für die Klägerin beantragt habe, spreche für ein Tätigwerden über bestimmte Einzelfragen hinaus.
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bb. Selbst bei anderer Sichtweise sei die Beklagte hinsichtlich der Dezemberhilfe mandatiert worden, nämlich im Wege eines Einzelauftrags.
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(1) Die Beratung sei bereits im unstreitig erteilten Auftrag zur Beantragung der Überbrückungshilfen enthalten gewesen. Dieser habe die Verpflichtung der Beklagten begründet, ungefragt zu prüfen, ob statt der Überbrückungshilfen eine andere Hilfe mit höherem Förderbetrag beantragt werden könne.
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(2) Jedenfalls sei durch die telefonische Nachfrage der Klägerin nach den Voraussetzungen für die Beantragung der November- und Dezemberhilfe und die Antwort der Beklagten mit E-Mail vom 19.04.2021 konkludent ein Vertrag über die Beratung zu Dezemberhilfen geschlossen worden. Die Beklagte habe die Frage der Klägerin konkret beantwortet, ohne mitzuteilen, dass es sich lediglich um eine ganz allgemeine Äußerung oder um eine unverbindliche Auskunft handele.
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b. Die Beklagte habe ihre vertraglichen Pflichten gem. § 280 Abs. 1 BGB in Gestalt eines Beratungsfehlers verletzt.
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aa. Mit der E-Mail vom 19.04.2021 (Anlage K 1) habe die Beklagte eine unrichtige Auskunft erteilt. Tatsächlich sei nach einer Änderung der Richtlinie Dezemberhilfe bzw. der zugehörigen FAQ zum 19.03.2021 die Erzielung von mindestens 80% der Umsätze mit dem Cafébetrieb keine Antragsvoraussetzung für die Dezemberhilfe mehr gewesen. Von dieser Änderung habe die Beklagte als Steuerberaterin Kenntnis haben müssen, zumal sie Gegenstand der allgemeinen Medienberichterstattung gewesen sei. Jedenfalls die explizite Nachfrage der Klägerin habe eine Verpflichtung zur Überprüfung der aktuellen Rechtslage begründet.
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bb. Zudem habe die bereits bestehende Beauftragung im Rahmen der Überbrückungshilfen eine Hinweispflicht im Hinblick auf den Monat Dezember begründet. Da die Überbrückungshilfe in diesem Monat 0,00 € betrug, sei im Rahmen der umfassenden Beratungspflicht eines Steuerberaters ein Hinweis auf die günstigere Fördermöglichkeit der Dezemberhilfe in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie veranlasst gewesen.
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cc. Eine Pflichtverletzung habe auch am Tag der Beendigung des Vertrages vorgelegen, indem die Beklagte nicht auf den bevorstehenden Fristablauf zur Beantragung der Dezemberhilfe hingewiesen habe.
38
dd. Falls man davon ausginge, hinsichtlich der Beratung zu den Dezemberhilfen sei kein Auftrag erteilt worden, stünde dies einer Haftung der Beklagten nicht entgegen. In diesem Fall habe sie eine nebenvertragliche Pflichtverletzung begangen. Den Steuerberater treffe auch bei einem beschränkten Mandat die vertragliche Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB, den Mandanten vor Schaden zu bewahren, weshalb er ihn vor Gefahren, die ihm bekannt oder offenkundig sind, zu warnen habe. Die Beklagte habe die Klägerin deshalb auf die auslaufende Frist zur Beantragung der Dezemberhilfe hinweisen müssen. Außerdem müssten Auskünfte eines Beraters auch dann korrekt sein, wenn sie außerhalb eines bestehenden Mandats erteilt würden.
39
c. Die Pflichtverletzung habe zu einem Schaden der Klägerin geführt.
40
aa. Die Voraussetzungen für die Beantragung der Dezemberhilfe hätten vorgelegen.
41
Nach der Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 (Dezemberhilfe) setze die Anspruchsberechtigung voraus, dass der Umsatz im Dezember 2020 nicht mehr als 25% des Umsatzes im Dezember 2019 betragen habe. Die Klägerin habe durch Vorlage der betriebswirtschaftlichen Auswertungen gemäß Anlagen K 5 und K 6 nachgewiesen, dass dies der Fall gewesen sei. Dabei seien sowohl die Einnahmen aus der Gastronomie als auch aus dem Glühweinverkauf als Einkünfte der Gaststätte zu werten, denn nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 GaststättenG seien sowohl die Verabreichung von zubereiteten Speisen als auch von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle vom Gaststättenbetrieb umfasst.
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bb. Die Pflichtverletzung der Beklagten sei für die unterbliebene Beantragung der Dezemberhilfe kausal geworden.
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(1) Nach der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens sei davon auszugehen, dass die Klägerin bei Kenntnis des Vorliegens der Voraussetzungen den entsprechenden Antrag gestellt hätte, zumal sie ausdrücklich nach einer Anspruchsberechtigung auf die Dezemberhilfe gefragt habe.
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(2) Eine Antragstellung sei noch innerhalb der bis Ende April 2021 laufenden Frist möglich gewesen.
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Ob eine Beauftragung nach dem 20.04.2021 hätte erfolgen können, könne dahinstehen. Da die Beklagte zum Hinweis auf die Dezemberhilfe im Rahmen des Dauermandates und überdies des Mandats zur Überbrückungshilfe verpflichtet gewesen sei, habe die Pflichtverletzung bereits zum Zeitpunkt der Änderung der Voraussetzungen für gastronomische Mischbetriebe am 19.03.2021 vorgelegen. Zu diesem Zeitpunkt wäre eine Beantragung unproblematisch noch möglich gewesen, zumal die Klägerin wegen des noch bestehenden Mandats der Beklagten nicht erst noch einen Steuerberater habe suchen müssen.
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Überdies sei die Beantragung auch noch nach dem 20.04.2021 möglich gewesen. Der Antrag sei in diesem Fall durch einen prüfenden Dritten und damit einen Steuerberater zu stellen gewesen. Dies sei noch erfolgreich möglich gewesen. Da insoweit das Beweismaß des § 287 ZPO gelte und nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gefordert sei, genüge der Vortrag der Klägerin, zur damaligen Zeit hätten viele Unternehmer zur Beantragung der Corona-Beihilfen geeignete und leistungsbereite Berater gefunden und der Aufwand für die Beantragung der Dezemberhilfe sei äußerst gering gewesen.
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d. Den wegen der unterbliebenen Beantragung der Dezemberhilfe entstandenen Schaden beziffert das Landgericht auf 58.143,64 €.
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aa. Der Höhe nach sei die Unterstützung gem. Ziff. 3.1 der Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 (Dezemberhilfe) auf der Grundlage von 75% des Vergleichsumsatzes zu bemessen. Dieser Betrag belaufe sich auf [35.633,67 € (Gastronomieumsatz) + 52.039,80 € (Glühweinverkauf) ] x 0,75 = 65.755,10 €.
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(1) Auf diesen Betrag seien nach Ziff. 4. der Förderrichtlinie Kurzarbeitergeld, Coronahilfen und Überbrückungsgeld anzurechnen. Das Kurzarbeitergeld habe ausweislich des Bescheids vom 09.02.2021 (Anlage K 7) für Dezember 2020 6.811,53 € betragen und sei von der Klägerin bei Berechnung der Klageforderung korrekt abgezogen worden. Das Überbrückungsgeld führe zu keinem weiteren Abzug, da es ausweislich des Bescheids Anlage K 8 0,00 € betragen habe.
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(2) Des Weiteren seien im Rahmen des Gesamtvermögensvergleichs die Kosten des prüfenden Dritten für die Antragstellung zu berücksichtigen. Der von der Klägerin angesetzte Betrag von 260,00 € netto sei dabei zu gering, der von der Beklagten angesetzte Betrag von 5% bis 7% der beantragten Fördersumme aber zu hoch.
51
Der Vortrag der Beklagten, Steuerberater verlangten für die Prüfung der Unterlagen und die Antragstellung üblicherweise ein Honorar in vorgenannter Höhe, sei unerheblich. Da die Pflichtverletzung bei der Beratung bereits im Rahmen des Mandats zur Überbrückungshilfe liege, habe die Beklagte bei pflichtgemäßer Beratung ab dem 19.03.2021 im Rahmen des noch bestehenden Mandatsverhältnisses den entsprechenden Antrag stellen können und müssen. Es komme daher nicht auf die üblichen Kosten, sondern auf die zwischen den Parteien vereinbarten Abrechnungsmodalitäten an. Da davon auszugehen sei, dass die Parteien für die Beantragung der Dezemberhilfe die auch sonst zwischen ihnen übliche Vergütungsweise vereinbart hätten, seien die von der Beklagten in der E-Mail vom 01.08.2022 (Anlage K 2) genannten Stundensätze heranzuziehen. Der Stundensatz für einen Steuerberater sei dort mit 200,00 € angegeben.
52
Im Hinblick auf den Zeitaufwand habe die Klägerseite überzeugend vorgetragen, dass das Online-Portal sehr einfach gehalten gewesen sei und außer den Stammdaten des Mandanten nur die Gastronomieumsätze für den Vergleichsmonat Dezember 2019 und die tatsächlich erzielten Gastronomieumsätze für den Dezember 2020 sowie das abzuziehende Kurzarbeitergeld hätten angegeben werden müssen. Der Zeitaufwand sei mit 1,5 bis 2 Stunden zu bemessen. Hinzu komme das Erfordernis eines Beratungsgesprächs sowie der Sichtung der übergebenen und Monierung etwaig noch fehlender Unterlagen. Insgesamt erscheine ein Zeitaufwand von vier Stunden plausibel, weshalb von hierfür anfallenden Kosten in Höhe von 800,00 € auszugehen sei.
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Von der als Schadensbetrag anzusetzenden Zwischensumme von 58.943,64 € seien mithin Kosten des prüfenden Dritten in Höhe von 800,00 € abzuziehen, sodass ein Anspruch in Höhe von 58.143,64 € verbleibe.
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Soweit die Beklagte auf weitere Anrechnungen verweise und sich auf das Verbot der Doppelförderung berufe, sei nicht ersichtlich, welche Anrechnungen noch hätten erfolgen müssen. Die in Ziff. 4. der Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 (Dezemberhilfe) genannten Hilfen seien berücksichtigt worden. Dass das Dezembergeld zu versteuern gewesen wäre, habe keinen Einfluss auf die Höhe des Schadens, da die Klägerseite auch den im Hinblick auf die Klage zu zahlenden Betrag gleichläufig versteuern müsse.
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(3) Ein Mitverschulden der Klägerin gem. § 254 BGB komme nicht in Betracht. Es könne ihr nicht angelastet werden, im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft aus der Mail vom 19.04.2021 keinen Antrag auf die Dezemberhilfe gestellt zu haben.
56
e. Der geltend gemachte Anspruch sei nicht verjährt. Die anspruchsbegründende Pflichtverletzung sei im Jahr 2021 begangen worden. Gem. §§ 199 Abs. 1 Nr. 1, 195 BGB laufe die Verjährungsfrist noch bis zum Schluss des Jahres 2024. Durch die bereits im Jahr 2023 erhobene Klage sei der Fristablauf rechtzeitig gehemmt worden, selbst wenn man auf den Zeitpunkt der Klageänderung mit Schriftsatz vom 13.10.2023 abstellte.
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Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 522 Abs. 2 S. 4 ZPO).
58
III. Gegen dieses ihrem Rechtsvertreter am 18.06.2024 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 16.07.2024 per Anwaltsschriftsatz eingelegten und am 18.09.2024 binnen verlängerter Frist begründeten Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag unverändert weiterverfolgt.
1. Klageänderung
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Die Beklagte ist der Auffassung, die Klägerin habe mit ihrem Schriftsatz vom 13.10.2023 keine Klageänderung gem. § 264 Nr. 2 ZPO vorgenommen, sondern eine Teilklagerücknahme. Sie habe inhaltlich und rechnerisch ihre Klageforderung „auf völlig neue Füße gestellt“. Aus der November- und Dezemberhilfe 2020, die den ursprünglichen Streitgegenstand gebildet hätten, habe sie die Novemberhilfe herausgenommen. Dementsprechend habe sie anders als mit der Klageschrift ihre Berechnung nicht auf eine Kumulation der Umsätze für November und Dezember 2019 gestützt, sondern allein auf die Umsätze im Monat Dezember 2019. Um einen rechnerisch identischen Klagebetrag zu erreichen, habe sie eine Kürzung um das Kurzarbeitergeld sowie Steuerberater-Sowiesokosten vorgenommen, die sie willkürlich mit 260,00 € beziffert habe. Dieser Austausch müsse zudem bei der Glaubhaftigkeitsbewertung der vorgetragenen Folgen eine Rolle spielen.
2. Kein Mandat, keine Nebenpflichtverletzung
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a. Die November- und Dezemberhilfe sei nicht vom Dauermandat der Beklagten umfasst gewesen. Dieses habe sich allenfalls auf die reine Steuerberatung, gegebenenfalls auch noch auf die Jahresabschlüsse, bezogen, wozu Corona-Hilfen nicht zählten. Der Schluss von einer steuerlichen auf inhaltlich andere Tätigkeiten sei unzutreffend. Es handele sich schon von Gesetzes wegen um separate Angelegenheiten: Tätigkeiten wegen der Corona-Hilfen unterfielen nicht dem Anwendungsbereich der Steuerberater-Vergütungsordnung und seien keine Steuersachen i. S. d. §§ 33, 1 StBerG.
61
b. Entgegen der Ansicht des Landgerichts habe die Klägerin auch keinen Einzelauftrag zur Beratung hinsichtlich der Dezemberhilfe erteilt. Die E-Mail vom 19.04.2021 (Anlage K 1) stelle keine konkludente Annahme eines Beratungsvertrags dar. Sie habe sich auf „eine allgemeine Darstellung der damals aktuellen Rechtslage“ beschränkt. Wegen unstreitiger Honorarrückstände in Höhe von rund 26.000,00 € habe die Klägerin am Vortag der Mandatskündigung nicht annehmen können, die Beklagte wolle noch ein neues Mandat annehmen.
62
c. Der Beklagte habe auch keine vertragliche Nebenpflicht verletzt.
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aa. Dies liege bereits daran, dass kein Dauermandat bestanden habe.
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bb. Außerdem müsse der Steuerberater kein erst im Werden befindliches Steuerrecht kennen. Die Kenntnis der Tages- oder Fachpresse sei für sich entwickelnde Umstände nur bei einem spezifischen Mandat erforderlich, das die Beklagte aber nicht innegehabt habe. Ihr habe deshalb eine Karenzzeit für die Einarbeitung zugestanden, deren Dauer sich nach den Umständen bestimme, die aber im Minimum einen Monat betrage.
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d. Schließlich rügt die Beklagte in diesem Zusammenhang, das Landgericht habe den von ihr bestrittenen Klägervortrag zum Auslauf der Beantragungsfrist für die Dezemberhilfe Ende April 2021 unzutreffenderweise ohne Beweisaufnahme als wahr unterstellt.
3. Keine Kausalität 1 – Coronahilfen als reine Billigkeitsregelungen
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Die Beklagte rügt eine Verletzung rechtlichen Gehörs, da das Landgericht trotz ihres entgegenstehenden Sachvortrags unterstellt habe, die Klägerin hätte bei entsprechender Antragstellung die Dezemberhilfe bekommen. Tatsächlich habe sie aber, selbst wenn sie grundsätzlich förderfähig gewesen sein sollte, keinen rechtlich belastbaren Anspruch auf Coronahilfen gleich welcher Art gehabt. Auch und insbesondere die hier streitgegenständlichen November- und Dezemberhilfen seien reine Billigkeitsregelungen gewesen, auf die kein Rechtsanspruch bestanden habe. So werde beispielsweise in den einschlägigen bayerischen Vollzugshinweisen bereits in der Präambel der Vorbehalt des Art. 53 Bayerische Haushaltsordnung und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen betont und in der gesamten Richtlinie die Dezemberhilfe als Billigkeitsleistung bezeichnet.
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Das Landgericht sei daher zu einer Beweiserhebung (z. B. durch ein Sachverständigengutachten) darüber gehalten gewesen, ob im hier relevanten Zeitraum überhaupt ausreichende Haushaltsmittel verfügbar waren, wobei die Beweislast auf Klägerseite liege.
4. Keine Kausalität 2 – behauptete Umsatzeinbußen der Klägerin
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Eine weitere Verletzung rechtlichen Gehörs liege darin, dass sich das Landgericht nicht mit der Corona-Bedingtheit der geltend gemachten Umsatzeinbußen befasst habe. Die Klägerin habe sich unstreitig neben dem Gastronomiebetrieb u. a. auch mit der Herstellung und dem Vertrieb von Möbeln, Einrichtungsgegenständen und Kunsthandwerk befasst. Dabei habe es sich um Segmente gehandelt, die von den Corona-Restriktionen klassischerweise nicht betroffen gewesen seien.
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Da sie – die Beklagte – nicht nur die geltend gemachten Umsatzeinbußen also solche, sondern auch ihre Corona-Bedingtheit bestritten habe, sei das Landgericht zur Durchführung einer Beweisaufnahme verpflichtet gewesen. Dabei sei, weil es sich um eine Frage des Haftungsgrundes gehandelt habe, das Beweismaß des § 286 ZPO, nicht des § 287 ZPO, anzulegen.
5. Keine Kausalität 3 – Klägerin nicht förderfähig
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Weiter rügt die Beklagte, das Landgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Klägerin für die Dezemberhilfe überhaupt förderfähig gewesen wäre. Es habe sich lediglich mit dem Umsatz im Sinne des Gaststättengesetzes beschäftigt. Tatsächlich sei für Coronahilfen jedoch auf den Umsatzbegriff nach § 1 UStG abzustellen gewesen. Die Klägerin sei nicht förderfähig gewesen, denn indem sie die Umsatzhöhe auf falscher Grundlage angegeben habe, hätte sie bei einer hypothetischen Antragstellung die erforderlichen Unterlagen und maßgeblichen Informationen nicht vorgelegt. Es sei auch nicht ersichtlich, dass sie dies dem Grunde nach noch habe tun können.
6. Keine Kausalität 4 – angebliche Antragstellung; Antrag erfolglos
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a. Ohne ausreichende Begründung sei das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin auch nach der Mandatskündigung am 20.04.2021 innerhalb der bis Ende April 2021 laufenden Antragsfrist noch einen Antrag hätte stellen können. In diesem Zusammenhang unterstellt die Beklagte den von ihr an anderer Stelle in Abrede gestellten Ablauf der Antragsfrist am 30.04.2021.
72
Aus einem Dauermandat habe kein Auftrag zur Beantragung der Dezemberhilfe resultiert. Die pauschale Behauptung der Klägerin, sie hätte unproblematisch rechtzeitig geeignete Berater gefunden, habe das Landgericht unreflektiert übernommen. Tatsächlich hätten aber mehrere Gründe vorgelegen, die dieser Hypothese entgegenstünden. Die Klägerin habe erst nach Fristablauf einen neuen Steuerberater beauftragt, namentlich die Kanzlei E., die sich erstmals im Juni 2022 bei der Beklagten gemeldet habe. Außerdem habe die Klägerin mit E-Mail vom 01.08.2022 (Anlage K 2) versucht, das am 20.04.2021 beendete Mandat wieder aufzunehmen.
73
b. Außerdem werde bestritten, dass ein solcher Antrag erfolgreich gewesen wäre. Die Klägerin habe in der Replik selbst vorgetragen, dass ein Förderantrag für Dezember 2020 hätte zurückgenommen werden müssen. Dies führe aber dazu, dass ein anderweitiger Förderantrag mangels Plausibilisierung und Substantiierung zurückgewiesen worden wäre, wie unter anderem das VG Würzburg mit Urteil vom 01.12.2023 entschieden habe [Az. W 8 K 23.611, Rn. 38 (juris) ]. Beispielsweise sei die Frage betroffen, wieso für die Dezemberhilfe ein Liquiditätsengpass vorgelegen haben solle.
74
c. Das Landgericht habe fehlerhafterweise den Vermutungssatz beratungsgerechten Verhaltens angewandt. Tatsächlich sei dieser entkräftet gewesen, weil die Klägerin offenbar erst Monate nach der Kündigung einen neuen Steuerberater habe finden können. Außerdem könne der Vermutungssatz der Klägerin nicht die Beweislast dafür abnehmen, dass sie die erforderlichen Unterlagen zeitgerecht und ordnungsgemäß zusammengestellt hätte und der Antrag positiv beschieden worden wäre. Die Annahme des Landgerichts, der Zeitraum ab dem 20.04.2021 sei zur Antragstellung durch einen anderen Steuerberater ausreichend gewesen, sei durch nichts belegt.
75
Zusammenfassend habe das Landgericht prüfen müssen, ob
- innerhalb der Zeitspanne, in der sich der neue Steuerberater (Kanzlei E.) um den Vorgang kümmerte, überhaupt ein Antrag hätte gestellt werden können,
- dieser Antrag tatsächlich erfolgreich gewesen wäre,
- der Förderbetrag für den Dezember 2020 tatsächlich EUR 0,00 betragen hätte, und
- die Klägerin gerade deswegen für den Dezember 2020 eine höhere Förderung erhalten hätte.
76
Diese Punkte habe das Landgericht zu Unrecht bejaht, obwohl der beweisbelasteten Klägerin tatsächlich keine Beweiserleichterungen zugutekämen und nicht das Beweismaß des § 287 ZPO, sondern des § 286 ZPO gelte.
7. Fehlerhafte Tatsachenfeststellungen – Schadenshöhe, Anlagen K 5, K 6
77
Des Weiteren wendet sich die Beklagte gegen die folgenden Feststellungen des Landgerichts zur Schadenshöhe:
a. Die Klägerin habe mittels der Anlagen K 5 und K 6 nachgewiesen, dass die Umsätze im Dezember 2020 nicht mehr als 25% des Umsatzes im Dezember 2019 ausgemacht hätten (Urteilsgründe S. 16)
78
Bei den Anlagen K 5 und K 6 handele sich um reine Salden, die von der Klägerin selbst stammten, deren die Herleitung unklar sei und die eine unzutreffende Angabe des Umsatzsteuersatzes enthielten. Zudem seien die Anlagen K 5 und K 6 unterschiedlich konzipiert. Sie (die Beklagte) habe die Richtigkeit der Zahlen bereits erstinstanzlich bestritten.
b. Der Ansatz von 75% des Gastronomieumsatzes für Dezember 2019 (Urteilsgründe S. 17, Gliederungspunkt c)
79
Das Landgericht habe sich nicht mit den Förderrichtlinien auseinandergesetzt. Sie (die Beklagte) habe aber bereits erstinstanzlich bestritten, dass der Ansatz von 75% zutreffend sei. Die Klägerin habe einfach den Höchstsatz aus der Förderrichtlinie übernommen ohne klarzustellen, ob sich die Beträge tatsächlich nur auf die Gastronomie bezögen. Da die Klägerin neben der Gastronomie auch das Einrichtungshaus betreibe, sei eine Differenzierung erforderlich gewesen.
80
Der Ansatz des Landgerichts, es sei nur Kurzarbeitergeld von 6.811,53 € abzuziehen, sei falsch; tatsächlich sei der Abzug höher.
c. Aus der Anlage K 8 ergebe sich, dass eine Anrechnung des Überbrückungsgeldes nicht zu erfolgen habe, weil dieses 0,00 € betragen habe
81
Bereits erstinstanzlich sei vorgetragen worden, dass sich der Bescheid auf die Überbrückungshilfe III bezogen habe und nicht auf die streitgegenständliche Dezemberhilfe 2020. Es habe daher nicht auf einen weiteren Abzug verzichtet werden dürfen.
d. Beraterkosten seien auf Basis der Stundensätze nach Anlage K 2 bei einem Ansatz von 1,5 bis 2 Stunden abzuziehen
82
Das Landgericht habe eine Mischung aus dem Vortrag der Klägerin und der Beklagten vorgenommen. Es sei aber widersprüchlich, die von der Beklagtenseite in Anlage K 2 genannten Stundensätze heranzuziehen, aber den Zeitaufwand gemäß Klägerbehauptung. Richtig sei ein Abzug von zwischen 5% und 7% aus dem prognostizierten Gesamtbetrag als ersparte Berateraufwendungen.
83
Die Beklagte beantragt,
Das Endurteil des Landgerichts Bamberg – 24 O 370/23 vom 21.06.2024 wird abgeändert, soweit in diesem Urteil die Klage nicht abgewiesen worden war. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
84
IV. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
85
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten habe sie mit ihrer Replik vom 13.10.2023 keinen Klagetausch vorgenommen. Nach dem maßgeblichen zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff sei der zugrunde liegende Lebenssachverhalt nicht ausgetauscht worden, so dass ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vorliege.
86
2. Sie habe der Beklagten ein Dauermandat mit den alljährlichen Routinearbeiten zur Erstellung des Jahresabschlusses und einen Auftrag zur Beantragung von Coronahilfen erteilt. Aus beiden Rechtsverhältnissen und zudem auf die ausdrückliche Frage nach der Dezemberhilfe hin sei die Beklagte zur korrekten Rechtsauskunft bezüglich der Dezemberhilfe verpflichtet gewesen.
87
Es werde bestritten, dass die Mandatskündigung durch die Beklagte am 20.04.2021 wegen fortlaufend schlechter Qualität der von der Klägerin gelieferten Informationen und Zahlungsrückständen erfolgt sei. Die Kündigung sei nicht angekündigt gewesen, sondern „aus heiterem Himmel“ erfolgt und habe sie völlig überrascht.
88
3. Die Dezemberhilfe sei zwar wie alle Coronahilfen eine Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch und nur im Rahmen der vom Bund zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel gewesen. Die Beklagte behaupte aber gar nicht, dass eine Förderung bei entsprechender Antragstellung mit der Begründung fehlender Haushaltsmittel versagt worden wäre. Tatsächlich seien seinerzeit bei korrekter Antragstellung und Erfüllung der materiellen Antragsvoraussetzungen alle Coronahilfen in entsprechender Höhe an die Antragsteller ausbezahlt worden. Dies werde als gerichtsbekannt vorausgesetzt, aber vorsorglich auch unter Sachverständigenbeweis gestellt.
89
4. Die Antragsfrist für die Dezemberhilfe sei keine ungeprüft übernommene Klägerbehauptung, sondern ergebe sich aus den zitierten Verwaltungsvorschriften.
90
5. Sie habe bereits mit dem Replikschriftsatz vom 13.10.2023 ihre tatsächlichen Umsatzeinbußen im Gastronomiebereich ausführlich dargelegt und unter Beweis gestellt. Eine exakte Zuordnung sei möglich und zutreffend vorgenommen worden, weil die Umsätze in der Finanzbuchführung exakt auf den korrekten Konten erfasst worden seien. Diesem substantiierten Vortrag sei die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Ihr pauschales Bestreiten reiche nicht aus.
91
Dass insoweit hinsichtlich des Umsatzsteuersatzes eine Kontenbezeichnung im Kontenrahmen der Finanzbuchführung fehlerhaft war, habe keinen Einfluss auf die Höhe der von der Klägerin tatsächlich erzielten Umsätze gehabt.
92
6. Zutreffend habe das Landgericht angenommen, dass unproblematisch die Möglichkeit zur Beantragung der Dezemberhilfe bestanden hätte.
93
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 18.09.2024 und die Berufungserwiderung der Klägerin vom 23.10.2024 Bezug genommen.
B.
94
I. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und erweist sich insgesamt als zulässig. In der Sache bleibt sie nach einstimmiger Auffassung des Senats aber ohne Aussicht auf Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zu, den das Landgericht auch der Höhe nach zutreffend bemessen hat. Auf die prozessuale Einstufung der erstinstanzlichen Antragsumstellung seitens der Klägerin kommt es nicht an.
1. Erstinstanzliche Antragsumstellung
95
Ob das Landgericht die von der Klägerin mit der Replik vom 13.10.2023 vorgenommene Antragsumstellung zutreffend als nach § 264 Nr. 2 ZPO privilegierte Erweiterung angesehen hat, so dass die Anforderungen an eine Klageänderung gem. § 263 ZPO nicht erfüllt sein müssen, kann dahinstehen. Gem. § 268 ZPO ist jede Entscheidung, mit der ein geänderter Antrag zugelassen wird, der Anfechtung im Rechtsmittelverfahren entzogen, gleich ob das Erstgericht sie als Fall des § 264 ZPO angesehen oder die Sachdienlichkeit gem. § 263 ZPO bejaht hat (BeckOK ZPO/Bacher, 54. Ed. 01.09.2024, § 268 Rn. 4). Eine gesondert tenorierte Entscheidung des Erstgerichts, die auch unüblich wäre, ist hierzu nicht erforderlich. Solange das Urteil zu erkennen gibt, dass sich das Gericht sachlich mit dem neuen Klageanspruch beschäftigt und die Frage der Klageänderung erwogen hat, unterliegt es insoweit gem. § 268 ZPO nicht der Überprüfung in der Rechtsmittelinstanz (Zöller/Greger, ZPO, 35. Auflage 2024, § 268 Rn. 1; MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, § 268 Rn. 13). Dies war ausweislich der Urteilsgründe (S. 7 f. = Bl. 88 f. LG-Akte) unzweifelhaft der Fall.
96
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Senat die landgerichtliche Einstufung der Antragsumstellung als Erweiterung im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO für zutreffend hält. Die Klägerin hat die Klage ursprünglich auf fehlerhafte Beratung und Beantragung im Hinblick auf die November- und Dezemberhilfe, nach der Antragsumstellung nur noch im Hinblick auf die Dezemberhilfe gestützt. Der zugrunde liegende Lebenssachverhalt ist damit bestehen geblieben; die Klägerin leitet lediglich aus der Beratung über die Novemberhilfe keine Rechtsfolgen mehr ab. Ob es sich insoweit um eine – von § 264 ZPO gar nicht ausgeschlossene (vgl. Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 264 Rn. 6) – teilweise Klagerücknahme handelte, weil der Beklagten rechtlich in Bezug auf die Novemberhilfe keine Pflichtverletzung mehr vorgeworfen wird, kann im vorliegenden Zusammenhang dahingestellt bleiben. Einer Zustimmung der Beklagten bedurfte es zur Wirksamkeit einer etwaigen Klagerücknahme nicht, weil die Erklärung der Klägerin vor Beginn der mündlichen Verhandlung abgegeben wurde, § 269 Abs. 1 ZPO.
2. Schadensersatzanspruch dem Grunde nach
97
Der Klägerin steht dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagte gem. §§ 675, 280 Abs. 1 BGB zu.
98
a. Die Parteien waren durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag gem. § 675 BGB miteinander verbunden.
99
aa. Zwischen den Parteien bestand unstreitig bis zur beklagtenseitigen Kündigung am 20.04.2021 ein Dauermandat zur Erstellung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen.
100
bb. Mit der telefonischen Nachfrage vom 19.04.2021 nach einer Anspruchsberechtigung auf die Dezemberhilfe 2020 hat die Klägerin das Vertragsverhältnis – sollte man entsprechende Auskünfte nicht schon als vom Dauermandat umfasst ansehen – auf eine Beratung zur vorliegenden Frage erweitert.
101
Ob der auf eine Anfrage erteilten Auskunft eines Steuerberaters ein Rechtsbindungswille oder ein rechtlich unverbindliches Gefälligkeitsverhältnis zugrunde liegt, ist anhand der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu ermitteln. Maßgeblich ist, ob die andere Seite unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Dies bestimmt sich anhand objektiver Kriterien, wobei vor allem die wirtschaftliche und die rechtliche Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere für den Begünstigten, und die Interessenlage der Parteien heranzuziehen sind (BGH, NJW 2009, 1141, 1142 Rn. 7). Von einem Rechtsbindungswillen und damit einer vertraglichen Haftung des Auskunftgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft ist regelmäßig dann auszugehen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will; dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Auskunftgeber für die einschlägige Frage besonders sachkundig ist (BGH a. a. O., Rn. 10).
102
Nach diesen Maßstäben handelte die Beklagte bei Abfassung und Versand der E-Mail vom 19.04.2021 (Anlage K 1) mit Rechtsbindungswillen.
103
Die Frage nach der Dezemberhilfe war zur Überzeugung des Senats Hauptgegenstand des Anrufs des Geschäftsführers der Klägerin. Anders erklärt sich nicht, weshalb die Mitarbeiterin der Beklagten D. ausgerechnet diese zum Anlass der Antwort-Mail vom 19.04.2021 nahm („… bezüglich ihrer Rückfrage zur Dezemberhilfe …“). Die Beklagte gibt auch nicht an, was sonst Inhalt des klägerischen Anrufs gewesen sei. Die Klägerin hat die Frage ersichtlich nicht aus einem allgemeinen Interesse heraus gestellt, sondern vor dem konkreten Hintergrund einer eigenen Antragsberechtigung. Sie hat damit ein Angebot zur Mandatserweiterung auf die Beratung zur Dezemberhilfe abgegeben.
104
Dieses Angebot hat die Beklagte durch Verfassen und Absenden der E-Mail vom 19.04.2021 angenommen. D. beantwortete die Frage nicht spontan, sondern nahm sie zum Anlass einer Recherche. Bereits dies spricht gegen eine unverbindliche Gefälligkeitsauskunft. Zudem lag die wirtschaftliche Bedeutung der Antwort für die Klägerin auf der Hand. Eine unverbindliche Auskunft mit unklarem Richtigkeitsgehalt hatte für sie erkennbar keinen Wert, zumal der in der Richtlinie festgelegte Ablauf der Antragsfrist kurz bevor stand. Bei objektiver Betrachtungsweise konnte die E-Mail vom 19.04.2021 aus Empfängersicht damit nur als verbindliche, mit Rechtsbindungswillen abgegebene, Erklärung verstanden werden.
105
Der Kündigung des Dauermandats durch die Beklagte am Folgetag kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Für die Auslegung einer Willenserklärung sind die Begleitumstände nur heranzuziehen, soweit sie dem Empfänger bekannt oder erkennbar waren (Grüneberg/Ellenberger, BGB, 84. Aufl. 2025, § 133 Rn. 15). Zur Feststellung eines Rechtsbindungswillens ist damit die verobjektivierte Sichtweise der Parteien bei Abgabe der in Rede stehenden Erklärung maßgeblich. Zukünftige Ereignisse können deshalb grundsätzlich keine Rolle spielen, sofern ihr Eintritt nicht bereits gewiss war.
106
Dass die Beklagte am 20.04.2021 das Mandat kündigen würde, war der Klägerin am 19.04.2021 jedoch noch nicht bekannt. Selbst wenn die Mandatskündigung bereits absehbar gewesen sein sollte – was die Beklagte behauptet, die Klägerin aber bestreitet –, hätte dies nicht zur Folge, dass die Erklärung der Mitarbeiterin D. als unverbindliche Gefälligkeitsäußerung zu verstehen gewesen wäre. Im Gegenteil wäre eine überobligatorische Handlung aus Gefälligkeit bei einem bereits zerrütteten Vertragsverhältnis gerade nicht zu erwarten. Wenn die Beklagte also auf eine konkrete Frage hin eine Antwort erteilt, so musste die Klägerin dies so verstehen, dass die Verärgerung über etwaige Honorarrückstände oder unzureichende Angaben jedenfalls noch nicht so groß war, um jegliche Aktivitäten im Rahmen des bestehenden Mandats oder einen neuen Auftrag abzulehnen.
107
b. Der Beklagten kam aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin die Pflicht zu einer korrekten Auskunft über die Antragsberechtigung zur Dezemberhilfe zu.
108
aa. Dafür kann dahinstehen, ob die Beklagte bereits aus dem bestehenden Dauermandat oder dem – zeitlich nicht näher verorteten – Auftrag zur Beantragung der Überbrückungshilfe zu einem ungefragten Hinweis auf die geänderte Regelung der Dezemberhilfe für gastronomische Mischbetriebe verpflichtet gewesen wäre. Jedenfalls die konkrete telefonische Nachfrage seitens der Klägerin ergab eine Verpflichtung zur korrekten Auskunft.
109
Im Zweifel ist anzunehmen, dass ein Steuerberater, der sich im Rahmen eines Dauermandats hauptsächlich den üblichen Routinearbeiten widmet, seinem Mandanten auch zur Beratung in anderen Steuerrechtsfragen zur Verfügung steht. Er schuldet damit eine sachgerechte Beratung auch in denjenigen Fragen, die nicht unmittelbar mit den Routinearbeiten zusammenhängen oder über diese hinausgehen, ohne dass hierzu ein expliziter und auf die spezielle Frage bezogener Beratungsvertrag abgeschlossen werden müsste. Auch eine möglicherweise nur „zwischen Tür und Angel“ gestellte Frage unterfällt dann uneingeschränkt der mit dem Dauermandat verbundenen Pflicht zur sachgerechten und umfassenden Beratung (BGH, NJW-RR 1988, 537, 538; BeckOGK BGB/Teichmann, 01.08.2024, § 675 Rn. 1344).
110
bb. Selbst wenn man dies anders sähe, ergäbe sich eine Pflicht aus einem Einzelauftrag. Die Anfrage des Geschäftsführers der Klägerin stellte im Rechtssinne ein Angebot dar, das die Beklagte mit der E-Mail vom 19.04.2021 angenommen hat (s. o.). Dass eine auf einen konkreten Auftrag hin erteilte Auskunft, die Hauptleistung des Vertrags war, inhaltlich zutreffend sein muss, versteht sich von selbst.
111
cc. Auf die Frage, ob die aus dem Dauermandat fließende Nebenpflicht der Beklagten, die Klägerin vor drohenden Schäden zu bewahren, eine Verpflichtung zur Aufklärung über die Antragsberechtigung zur Dezemberhilfe folgt, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 i. V. m. § 241 BGB begründen könnte, kommt es wegen der Verletzung einer vertraglichen Hauptpflicht nicht an.
112
c. Ihre Verpflichtung aus dem Vertragsverhältnis mit der Klägerin hat die Beklagte verletzt, indem sie die Auskunft gab, als Mischbetrieb stehe ihr die Dezemberhilfe nur zu, wenn sie mindestens 80% ihres Umsatzes mit dem Café erziele – eine Voraussetzung, die die Klägerin nicht erfüllte. Diese Antwort war unrichtig, denn zum 19.03.2021 waren die Förderrichtlinien nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts dahingehend abgeändert worden, dass die Anforderung an Mischbetriebe für Gaststätten eine Ausnahme erhielt. Dies ergibt sich aus einschlägigen Publikationen der zuständigen Ministerien. So lautet Ziff. 1.7 der „FAQ zur außerordentlichen Wirtschaftshilfe“ der gemeinsamen Veröffentlichung der Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz und für Finanzen auf der Internetseite „https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/Content/Downloads/FAQs-Archiv/FAQS-NHDH/28-10-2022-faqs-november-dezemberhilfe.pdf? blob=publicationFile& v=7“ (Abruf: 13.12.2024): „Wichtige Ergänzung seit dem 19. März 2021: Im Falle von Gaststätten im Sinne von § 1 Absatz 1 des Gaststättengesetzes kann die Novemberbeziehungsweise Dezemberhilfe für die Gaststätte wahlweise auch unabhängig von Umsätzen mit anderen wirtschaftlichen Tätigkeitsfeldern innerhalb des selben Unternehmens beziehungsweise Unternehmensverbundes beantragt werden. Die Umsatzerstattung ist dann auf die Umsätze der Gaststätte zum vollen Umsatzsteuersatz begrenzt…“ (Hervorhebung durch Fettdruck aus dem Original übernommen). Von dieser für die Klägerin relevanten Ausnahme war in der E-Mail der Beklagten vom 19.04.2021 nicht die Rede.
113
Die Pflicht zur Erteilung zutreffender Auskünfte hat die Beklagte auch nicht deswegen erfüllt, weil die maßgebliche Ergänzung erst seit einem Monat in Kraft war. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass der Steuerberater neue Rechtsentwicklungen nicht sofort, sondern erst nach angemessener Zeit zur Kenntnis nehmen muss, ist dies im Grundsatz zutreffend (OLG Köln, Urteil vom 04.09.1998 – 6 U 82/96, BeckRS 1998, 7356 Rn. 60). So muss er neuere höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung je nach Einzelfall erst nach ca. vier bis sechs Wochen ab Veröffentlichung in einer gängigen Fachzeitschrift kennen (vgl. beispielsweise OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.05.2000 – 13 U 76/99, BeckRS 2000, 30114020; BeckOGK BGB/Teichmann, 01.08.2024, § 675 Rn. 1364). Dies begründet sich daraus, dass er zu einer sofortigen vollständigen Lektüre der einschlägigen Fachpresse angesichts des täglichen Arbeitsanfalls nicht in der Lage sein wird (OLG Düsseldorf a. a. O.).
114
Die Problematik einer Rechtsprechungsänderung stellt sich vorliegend allerdings nicht. Vielmehr ging es um eine Änderung der einschlägigen Förderrichtlinien. Diese muss der Steuerberater aber jedenfalls dann auf ihrem aktuellen Stand kennen, wenn er nach ihnen ausdrücklich gefragt wird. Eine Karenzzeit kann er in diesem Fall nicht in Anspruch nehmen (OLG Celle, DB 2011, 524, 526 f.). Anders als bei einer anlasslosen Aktualisierung der einschlägigen Rechtskenntnisse verlangte der Auftrag hier die Beantwortung einer konkreten Frage, in deren Rahmen eine sicherheitshalber durchzuführende Nachschau in der einschlägigen Förderrichtlinie und den zugehörigen FAQ keinen nennenswerten Aufwand verursacht hätte. Wie aus der E-Mail vom 19.04.2021 ersichtlich, hat die Mitarbeiterin der Beklagten ja auch tatsächlich eine Recherche in den „FAQ“ der entsprechenden Internet-Veröffentlichung vorgenommen. Es wäre ihr ein Leichtes gewesen und hätte kaum zusätzliche Zeit in Anspruch genommen, im Rahmen der ohnehin vorgenommenen Recherche über die Frage 1.5 hinaus den unter 1.7 enthaltenen Hinweis auf die Neuerung zur Kenntnis zu nehmen. Die Problematik, dass eine sofortige Lektüre der gesamten gängigen Fachpresse im Arbeitsalltag nicht zumutbar ist, stellt sich hier nicht.
115
d. Die unrichtige Auskunft aus der E-Mail vom 19.04.2021 veranlasste die Klägerin, keinen Antrag auf Gewährung der Dezemberhilfe zu stellen.
116
Einem Schadensersatzanspruch der Klägerin gem. § 280 Abs. 1 BGB stünde es entgegen, wenn die Klägerin auch bei richtiger Auskunft einen Antrag auf Dezemberhilfe nicht gestellt hätte. In diesem Fall wäre die Falschberatung für den geltend gemachten Schaden nicht kausal gewesen.
117
Die Klägerin hat den ihr obliegenden Nachweis der haftungsausfüllenden Kausalität jedoch erbracht. Bei Verträgen, die mit rechtlichen oder steuerlichen Beratern abgeschlossen wurden, gilt die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens. Demnach wird vermutet, dass sich der Mandant bei ordnungsgemäßer Beratung dem Rat entsprechend verhalten hätte (BeckOGK BGB/Teichmann, 01.08.2024, § 675 Rn. 1318 m. w. Nachw.). Diese Vermutung gilt allerdings nicht generell. Sie formuliert als Anscheinsbeweis lediglich einen typischerweise gegebenen Ursachenzusammenhang. Daher setzt sie tatsächliche Feststellungen voraus, nach denen im Falle sachgerechter Aufklärung durch den Berater aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte Reaktion nahegelegen hätte (BGH, NJW 2009, 1591, 1591 f. Rn. 9; NJW 1993, 3259). Diese Grundsätze stellt auch die Berufung nicht in Abrede.
118
Nach dem zu erwartenden Geschehensablauf spricht indes alles dafür, dass die Klägerin bei zutreffend erteilter Auskunft einen Antrag auf Erhalt der Dezemberhilfe gestellt hätte. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum sie sich zunächst bei der Beklagten nach den Voraussetzungen der Antragsberechtigung erkundigt haben und dann bei bejahender Antwort von einer Antragstellung abgesehen haben sollte.
119
Da die Beantragung der Dezemberhilfe von einem prüfenden Dritten im Sinne des § 3 StBerG gestellt werden musste (Ziff. 6.2 Richtlinie Dezemberhilfe; Ziff. 3.1 Überbrückungshilfe Unternehmen – FAQ zur außerordentlichen Wirtschaftshilfe a. a. O.), hätte die Klägerin tatsächlich einen prüfenden Dritten wie etwa einen Steuerberater beauftragen müssen, der die Antragstellung noch bis zum Ablauf der Frist hätte vornehmen müssen. Entgegen der Ansicht der Berufung ist das Landgericht zutreffend zu der Überzeugung gelangt, dass die rechtzeitige Beauftragung eines prüfenden Dritten möglich gewesen wäre. Das Landgericht ist zu Recht ohne Beweisaufnahme dem klägerischen Vortrag gefolgt.
120
Ist im Falle der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens die Mitwirkung eines Dritten erforderlich, so muss der Anspruchssteller dessen Bereitschaft darlegen und erforderlichenfalls beweisen (BGH, NJW 2015, 3447, 3448 f. Rn. 28). Der Senat hat aber keine Zweifel daran, dass der Klägerin die rechtzeitige Beauftragung gelungen wäre.
121
Es liegt bereits nahe, dass die Beklagte selbst bei entsprechender Beauftragung den Antrag gestellt hätte. Zwar hat sie am 20.04.2021 das Dauermandat gekündigt. Das schließt aber ein Tätigwerden nach Einzelaufträgen nicht aus. So hat die Beklagte unter dem 15.06.2021 einen Änderungsantrag auf Gewährung von Corona-Überbrückungshilfen gestellt (Anlage K 8). Auch kommt in der E-Mail der Beklagten vom 01.08.2022 ihre grundsätzliche Bereitschaft zur Tätigkeit für die Klägerin gegen Vorkasse zum Ausdruck (Anlage K 2, S. 2 = Bl. 3 Anlagenheft Klägerseite: „Aufgrund der bisher leider gemachten Erfahrungen bitten wir um Verständnis, dass wir darüber hinaus nur noch gegen Vorkasse tätig werden.“). Es spricht daher alles dafür, dass die Beklagte gegen Vorauskasse auch zur Stellung des Antrags auf Dezemberhilfe im April 2021 bereit gewesen wäre.
122
Jedenfalls aber besteht kein vernünftiger Grund zu Zweifeln, dass es der Klägerin gelungen wäre, zeitnah einen prüfenden Dritten mit der Antragstellung zu beauftragen. Es ist nicht erkennbar und wird von der Beklagten auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die Beantragung mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden wäre, zumal die erforderlichen Daten nicht selbst erhoben, sondern von der Klägerin geliefert werden mussten. Es wäre dem Senat aus anderen Verfahren bekannt geworden, wenn im April 2021 ein derartiger Engpass an Steuerberatern geherrscht hätte, dass selbst für derart kurze Tätigkeiten wie die Antragstellung über eine Online-Eingabemaske keine Zeit geblieben wäre. Mit konkreten Tatsachen hat die Beklagte ihr Bestreiten auch nicht unterlegt.
123
Sofern nach dem Bestreiten der Beklagten von einem späteren Fristablauf als dem 30.04.2021 ausgegangen würde (was zur Förderrichtlinie allerdings in Widerspruch stünde), wäre erst recht von einer Fristwahrung im Falle der Antragsstellung auszugehen.
124
Aus der unstreitigen Tatsache, dass die Klägerin erst kurz vor oder im Juni 2022 mit der Kanzlei E. eine neue Steuerberaterkanzlei mandatierte, lässt sich nicht schließen, eine Beauftragung vor Ablauf der Antragsfrist sei nicht mehr möglich gewesen. Bei dem Mandat handelte es sich offenbar um ein Dauermandat, das das bisherige bei der Beklagten bestehende ersetzen sollte. Anderenfalls hätte die Steuerkanzlei E. die Beklagte nicht kontaktieren müssen. Zur Beantragung der Dezemberhilfe war aber kein mit einem Dauermandat ausgestatteter Steuerberater erforderlich. Vielmehr hätte ein Einzelauftrag an einen prüfenden Dritten genügt. Dass die Klägerin einen solchen nicht hätte erteilen können, folgt aus der späten Erteilung eines Dauermandats nicht, zumal die Umstände der Kontaktaufnahme mit der Kanzlei E. unbekannt sind. Es müssen nicht zwingend Schwierigkeiten bestanden haben, eine Steuerberaterkanzlei zu finden. Möglicherweise hat die Klägerin dieser Angelegenheit auch schlicht keine besondere Eilbedürftigkeit beigemessen. Die Antragsfrist für die Dezemberhilfe galt es nach ihrer – anhand der E-Mail vom 19.04.2021 gebildeten – Auffassung jedenfalls nicht zu wahren.
125
Mangels greifbarer Anhaltspunkte für Zweifel an der Behauptung der Klägerin, einen prüfenden Dritten beauftragen zu können, bedurfte es insoweit auch keiner Beweiserhebung.
126
e. Hätte die Klägerin einen Antrag auf Gewährung der Dezemberhilfe gestellt, wäre dieser dem Grunde nach zur Überzeugung des Senats erfolgreich gewesen. Die Antragsvoraussetzungen lagen vor.
127
aa. Die Klägerin hätte die formellen Antragsvoraussetzungen zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) erfüllt.
128
Der Einwand der Beklagten, die Klägerin habe die für einen Antrag erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht und die notwendigen Informationen nicht vorgelegt und es sei auch nicht ersichtlich, dass sie dies noch hätte tun können, verfängt nicht. Eine tatsächliche Vorlage an die zuständige Genehmigungsstelle ist selbstverständlich nicht erfolgt, da die Klägerin schon keinen Antrag auf Erstattung der Dezemberhilfe gestellt hat. Es erschließt sich aber nicht, weshalb sie dies im Falle der Antragsstellung nicht hätte tun können. Dem Ziel der unbürokratischen Hilfe entsprechend waren die Anforderungen an die beizubringenden Belege nicht hoch. Ausweislich Ziff. 3.6 „Welche Unterlagen benötigen prüfende Dritte?“ der FAQ (a. a. O.) waren dem prüfenden Dritten insbesondere zu übergeben:
- Umsatzsteuer-Voranmeldungen oder Betriebswirtschaftliche Auswertung des Jahres 2019 und 2020,
- Jahresabschluss 2019,
- Umsatz-, Einkommensbeziehungsweise Körperschaftssteuererklärung 2019 und
- Umsatzsteuerbescheid 2019
129
Über diese Unterlagen wird die Klägerin bei einem nur halbwegs funktionierenden Büro verfügt haben. Im Falle der Antragstellung durch die Beklagte hätten sie dieser vermutlich sogar schon vorgelegen. Der Rückschluss der Beklagten von den im hiesigen Verfahren eingereichten Unterlagen (welche sie für unzureichend hält) auf die hypothetisch im Falle der Antragstellung an die zuständige Bewilligungsstelle übermittelten Unterlagen trägt nicht. Im Klageverfahren gelten andere Anforderungen als im Bewilligungsverfahren. Es war nicht erforderlich, bei Gericht die Unterlagen einzureichen und die Informationen zu übermitteln, die für die Antragsbewilligung gefordert worden wären. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass der prüfende Dritte auf eine Vervollständigung etwaig unzureichender Unterlagen gedrungen und die zutreffenden Informationen übermittelt hätte. Wenn tatsächlich unzureichende Angaben gemacht worden wären, hätte dies nach dem Grundsatz rechtlichen Gehörs auch keine sofortige Antragsabweisung durch die Bewilligungsstelle zur Folge gehabt, sondern eine Nachforderung von Unterlagen. Es kommt daher in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob die Mitteilungen über die Umsätze dem Umsatzbegriff im Sinne des § 1 UStG (steuerbare Umsätze) entsprachen.
130
bb. Die Klägerin war auch materiell antragsberechtigt. Soweit die Beklagte bestreitet, dass der klägerische Betrieb von den Schließungsanordnungen betroffen war (Klageerwiderung S. 4 = Bl. 21 LG-Akte), bleibt dies ohne greifbare Anhaltspunkte. Der Betrieb der Klägerin bestand u. a. in einem Café und damit der Erbringung gastronomischer Leistungen. Dies stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Gastronomiebetriebe waren „direkt Betroffene“ im Sinne der Förderrichtlinie, da ihr Betrieb aufgrund § 13 Abs. 1, Abs. 2 der Neunten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (9. BayIfSMV) vom 01.12.2020 und der Zehnten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (10. BayIfSMV) vom 08.12.2020 (BayMBl. 2020 Nr. 711) bis auf den Außerhausverkauf komplett untersagt war. Für den hier relevanten Zeitraum Dezember 2020 war der Klägerin mithin der Cafébetrieb untersagt.
131
Nach der Anpassung der FAQ-Regelung bezüglich Gaststätten bei der November- und Dezemberhilfe zum 19.03.2021 war es für Mischbetriebe, deren Tätigkeit auch in der Gastronomie bestand, keine Voraussetzung, dass auf die angeschlossene Gastronomie mindestens 80% der gesamten Umsätze entfiel. Eine Berechnung des Umsatzanteils der gastronomischen Leistungen war nicht mehr erforderlich (vgl. https://www.steuerberaterkammer-muenchen.de/de/aktuelles/corona_krise/informationsseite_corona_wirtschaftshilfen/anpassung_der_faq_regelung_bzgl_gastst%C3%A4tten_bei_der_november_und_dezemberhilfe/index_ger.html; Abruf am 13.12.2024).
132
cc. Das Bestreiten der Beklagten, dass die geltend gemachten Umsatzeinbußen der Klägerin auf coronabedingte Einschränkungen zurückzuführen seien, vermag der Berufung nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zum einen ist bereits die Relevanz der Kausalbeziehung zwischen Umsatzrückgang und Corona-Schutzmaßnahmen fraglich. Nach der einschlägigen Förderrichtlinie mussten direkt Betroffene für die November- und Dezemberhilfe einen solchen Zusammenhang nicht darlegen. Zum anderen liegt für Gastronomiebetriebe die Kausalität von Schließungsanordnungen und massiven Umsatzrückgängen auf der Hand. Greifbare Anhaltspunkte für die Annahme, die Umsätze der Klägerin wären auch ohne die Schließung in annähernd vergleichbaren Dimensionen zurückgegangen, bringt die Beklagte nicht vor.
133
Soweit sich die Beklagte auf die außerhalb der Gastronomie liegenden Tätigkeitsbereiche (also das … und den dem Café angeschlossenen Shop für Accessoires) beruft, steht die dortige Umsatzentwicklung mit der des Cafés in keinem Zusammenhang. Relevant für die Dezemberhilfe ist selbstverständlich nur der Umsatz im gastronomischen Bereich. Nur auf diesen und nicht auf die sonstigen Umsatzrückgänge stützt die Klägerin dementsprechend den geltend gemachten Anspruch.
134
Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Beklagten in der Berufungsbegründung in Bezug genommenen Urteil des VG Hamburg vom 21.02.2024 – 16 K 4273/22. Die in diesem Urteil wiedergegebene Verwaltungspraxis, „Umsatzeinbrüche im Rahmen des vorliegenden Förderprogramms nur im Falle deren »Coronabedingtheit« zu berücksichtigen und den Begriff der »Coronabedingtheit« dabei grundsätzlich restriktiv auszulegen“ (juris, Rn. 26), bezog sich zum einen auf die dortige Beklagte (die mit der für die hiesige Klägerin zuständigen IHK für München und Oberbayern nicht identisch war) und zum anderen ausdrücklich auf die Überbrückungshilfe III Plus (a. a. O, Rn. 1) und nicht die hier in Rede stehende Dezemberhilfe. Gleiches gilt für das ebenfalls von der Beklagten in Bezug genommene Urteil des VG Würzburg vom 01.12.2023 (W 8 K 23.611), das den Antrag eines unstreitig von keinen staatlichen Schließungsmaßnahmen betroffenen Unternehmens aus der Werbebranche auf Gewährung der Corona-Überbrückungshilfe IV zum Gegenstand hatte (juris, Rn. 1, 70). Diese Konstellation ist mit der hiesigen nicht ansatzweise vergleichbar.
135
dd. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Dezemberhilfe eine Billigkeitsleistung darstellte, die gem. Art. 53 der Bayerischen Haushaltsordnung nur gewährt werden durfte, wenn für sie im Haushaltsplan Ausgabemittel besonders zur Verfügung gestellt wurden (Satz 1 der Vorbemerkung zur Richtlinie Dezemberhilfe). Dies wird auch von der Klägerin nicht in Abrede gestellt. Einer Gewährung der Dezemberhilfe an die Klägerin stand dieser Umstand zur Überzeugung des Senats aber nicht entgegen.
136
Die Klägerin macht den Entgang einer Förderung geltend. Gemäß § 252 S. 2 BGB ist damit erforderlich, dass die Förderung ohne das schädigende Ereignis (hier die Auskunft in der E-Mail vom 19.04.2021) „nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge … mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte“. Das Gesetz sieht für die Überzeugungsbildung im Bereich hypothetischer Entwicklungen also eine gewisse Beweiserleichterung vor (BeckOK ZPO/Bacher, 54. Ed. 01.09.2024, § 286 Rn. 4).
137
Selbst bei hohen Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit im Sinne dieser Vorschrift ergeben sich vorliegend keine Zweifel, dass ein Antrag der Klägerin auf Gewährung der Dezemberhilfe nicht im Hinblick auf deren Billigkeitscharakter abgelehnt worden wäre. Nicht nur dem Senat, sondern auch der breiten Öffentlichkeit ist bekannt, dass ausreichende Haushaltsmittel für die November- und Dezemberhilfe bereit standen. Soweit ersichtlich ist kein einziger Fall publik geworden, in dem bei Vorliegen der sonstigen Antragsvoraussetzungen die Gewährung der Dezemberhilfe oder auch anderer Corona-Hilfsmaßnahmen wegen unzureichender Haushaltsmittel abgelehnt worden wäre. Auch die Beklagte bringt derlei nicht vor. Dass dies ausgerechnet bei der Klägerin der Fall gewesen wäre, deren Café eher zu den kleineren Gastronomiebetrieben gehört haben dürfte und deren Förderung dementsprechend verhältnismäßig gering ausgefallen wäre, ist derart unwahrscheinlich, dass vernünftige Zweifel an einer hypothetischen Gewährung nicht aufkommen können.
138
ee. Dem Erfolg eines Antrags auf Gewährung der Dezemberhilfe hätte der Förderantrag auf Überbrückungsgeld für den Monat Dezember 2020 nicht entgegengestanden. Insbesondere folgt der Senat der Ansicht der Beklagten aus der Berufungsbegründung (S. 12/Rn. 55 = Bl. 18 d. A.) nicht, dass eine Rücknahme dieses Antrags eine fehlende Plausibilisierung und Substantiierung des Antrags auf Dezemberhilfe zur Folge gehabt hätte.
139
Der Antrag auf Überbrückungsgeld hätte schon nicht zurückgenommen werden müssen. Er stand der Gewährung der Dezemberhilfe nicht entgegen (Ziff. 4.2 S. 3 Richtlinie Dezemberhilfe: „Eine Inanspruchnahme des Überbrückungshilfeprogramms und/oder der Soforthilfe schließt die Inanspruchnahme der Dezemberhilfe nicht aus“); die Klägerin hätte sich lediglich für den Monat Dezember erhaltene Fördermittel nach der Überbrückungshilfe auf die Leistungen der Dezemberhilfe anrechnen lassen müssen (Ziff. 4.2 S. 4 Richtlinie Dezemberhilfe; Ziff. 4.1 der FAQ auf der gemeinsamen Webseite der Bundesministerien für Wirtschaft und Klimaschutz und der Finanzen „www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/DE/FAQ/NhDh/novemberhilfe-unddezemberhilfe.html“, Abruf am 13.12.2024).
140
Zudem hätte eine Antragsrücknahme keine Erfolglosigkeit eines Antrags auf Dezemberhilfe nach sich gezogen. Ein solcher Rechtssatz folgt auch nicht aus dem in Bezug genommenen Urteil des VG Würzburg vom 01.12.2023 (Az. W 8 K 23.611). Gegenstand dieses Urteils waren Informationen, die im Verwaltungsverfahren nicht erteilt worden waren. Insoweit hat das Gericht entschieden, dass eine Nachholung erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht ausreichend ist. Um eine solche Situation geht es hier aber nicht. Die Klägerin hätte zur Überzeugung des Senats (siehe oben) die erforderlichen Angaben schon bei der Beantragung der Dezemberhilfe getätigt; eine Nachholung im Klageverfahren hätte dann gar nicht im Raum gestanden.
141
Der weitere Einwand, es fehle an der Darlegung, dass sich die Klägerin im Dezember 2020 in einem Liquiditätsengpass befunden habe (Berufungsbegründung a. a. O.), trägt ebenfalls nicht. Ein Liquiditätsengpass war keine Voraussetzung für die Gewährung der Dezemberhilfe. Die Beklagte bezieht sich auf ein Urteil des VG München (Az. M 31 K 21.2632), das aber nicht die Dezemberhilfe, sondern die sog. „Soforthilfe Corona“ zum Gegenstand hatte (juris, Rn. 1). Für diese war nach Nr. 2.2 und Nr. 3 Satz 2 und 3 der einschlägigen Richtlinie ein Liquiditätsengpass Bewilligungsvoraussetzung (juris, Rn. 23). Die „Soforthilfe Corona“ wollte die Klägerin aber zu keiner Zeit beantragen.
3. Schaden der Höhe nach
142
Der Schaden, der der Klägerin in Folge der fehlerhaften Beratung entstanden ist, beläuft sich nach dem anzuwendenden Beweismaß des § 287 ZPO auf 58.143,64 €. Bei dieser Summe handelt es sich um den Betrag, der der Klägerin im Falle fristgerechter Antragstellung als Dezemberhilfe ausgezahlt worden wäre, abzüglich Steuerberaterkosten und Kurzarbeitergeld.
143
Gem. Ziff. 3.1 S. 1 Richtlinie Dezemberhilfe beträgt die Leistung 75% des Vergleichsumsatzes, der wiederum gem. Ziff. 3.2. S. 1 grundsätzlich als Umsatz im Dezember 2019 definiert ist. Unter Umsatz ist nach der amtlichen Anmerkung 12 zu Ziff. 3.2 S. 1 der steuerbare Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) zu verstehen.
144
Für direkt Betroffene (also auch Gaststätten) bleiben im Leistungszeitraum erzielte Umsätze unberücksichtigt, sofern sie 25% des Vergleichsumsatzes nicht übersteigen (Ziff. 3.3 S. 1 Richtlinie Dezemberhilfe). Darüber hinausgehende Umsätze werden dagegen vollständig auf die Billigkeitsleistung angerechnet, wobei im Falle von Gaststätten Umsätze aus Außerhausverkäufen zum ermäßigten Umsatzsteuersatz unberücksichtigt bleiben (Ziff. 3.3 S. 2 u. 3).
145
Leistungen aus der Überbrückungshilfe sind von der Dezemberhilfe ebenso in Abzug zu bringen wie für den Leistungszeitraum bezogenes Kurzarbeitergeld (Ziff. 4.2 S. 4, Ziff. 4.4 S. 1 Richtlinie Dezemberhilfe). Im Übrigen ist eine Kumulierung der Dezemberhilfe mit anderen öffentlichen Hilfen zulässig (Ziff. 4.1 S. 1 Richtlinie Dezemberhilfe).
146
a. Als Ausgangspunkt ist daher der Umsatz aus dem Gastronomiebetrieb für Dezember 2019 heranzuziehen. Dieser betrug ausweislich der von der Klägerin vorgelegten betriebswirtschaftlichen Auswertung 12.2019 (Anlage K 5) 35.633,67 € für sonstige Speisen und Getränke und 52.039,80 € aus dem Glühweinverkauf, in der Summe also 87.673,47 €.
147
Das Landgericht hat diese Beträge zutreffenderweise der von der Klägerin vorgelegten Aufstellung entnommen; der Senat macht sich die Berechnung zu eigen. Bei dieser Aufstellung handelt es sich um eine taugliche Grundlage für die Schadensbemessung.
148
Anders als die Beklagte in der Berufungsbegründung vorträgt, sind die Umsätze als „Gastro“ bzw. „Glühwein“ bezeichnet. Sie lassen sich damit eindeutig dem Cafébetrieb zuordnen. Soweit das Konto 4… mit „Erlöse 16% Gastro“ bezeichnet ist, handelt es sich nach dem plausiblen Vortrag der Klägerin nur um einen irreführenden Namen, ohne dass damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dem dort aufgeführten Umsatz habe tatsächlich ein Umsatzsteuersatz von nur 16% zugrunde gelegen. Eine Änderung der Zahlen ist daher nicht geboten.
149
Das Bestreiten der Beklagten veranlasst keine Beweisaufnahme. Gem. § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO steht die Anordnung einer Beweisaufnahme über die Höhe der Forderung im gerichtlichen Ermessen. Vorliegend stünde eine Beweisaufnahme – durch Zeugen und erst recht durch Sachverständige – außer Verhältnis zum erwartbaren Beweisergebnis. Die Daten basieren zwar auf einer von der Klägerin selbst erstellten Aufstellung in saldierter Form. Die Beklagte hat sie aber nur mit grundsätzlichen Erwägungen angegriffen, ohne ihr ihrerseits konkrete Zahlen entgegenzusetzen. Da sie von 2014 an bis zum 20.04.2021 ununterbrochen mit einem Dauermandat der Klägerin für die Routinearbeiten ausgestattet war und sie dementsprechend über Einblick in die Umsätze verfügt hatte, wäre ihr dies jedoch möglich gewesen.
150
b. Demnach sind gem. Ziff. 3.1 S. 1 Richtlinie Dezemberhilfe 75% aus 87.673,47 € als Hilfebetrag anzusetzen. Soweit in den FAQ (Ziff. 2.1) von „bis zu 75%“ die Rede ist, kann damit ausweislich des klaren Wortlauts der Förderrichtlinie nicht der Ansatz gemeint sein, sondern die 75% als Maximalbetrag erklären sich aus den vom Ansatzbetrag vorzunehmenden Abzügen. Die Bewilligungsstelle hätte also nicht von einem Betrag ausgehend gerechnet, der „bis zu 75%“ des Gastronomie-Umsatzes von Dezember 2019 ausmachte, sondern als Ausgangspunkt die vollen 75% angesetzt.
151
cc. Von diesem Betrag ist das für den Monat Dezember 2019 bezogene Kurzarbeitergeld einschließlich Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 6.811,53 € abzuziehen. Dieser Betrag ergibt sich aus dem von der Klägerin vorgelegten Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 09.02.2021 (Anlage K 7).
152
dd. Weiter ist die Vergütung für den prüfenden Dritten abzuziehen, die im Falle der Antragstellung angefallen wäre. Diese ist vom Antragsteller selbst zu tragen (Ziff. 3.11 der FAQ a. a. O.).
153
Der Senat folgt insoweit der Berechnung des Landgerichts und setzt gem. § 287 Abs. 1 ZPO einen Betrag von 800,00 € an. Die Berechnungsweise ist nicht widersprüchlich, sondern anhand der folgenden Betrachtung konsequent: Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit hätte die Beklagte zur Antragstellung gewonnen werden können (siehe oben). Sie hätte dann ausweislich ihrer Auskunft in der E-Mail vom 01.08.2022 (Anlage K 2) eine Abrechnung nach Stunden vorgenommen, und für einen Senior Manager/Steuerberater einen Stundensatz von 200,00 € angesetzt. Ob insoweit nicht auch die Antragstellung durch einen Manager/Steuerberater zu einem Stundensatz von 180,00 € ausreichend gewesen wäre, kann angesichts des Verschlechterungsverbots gem. § 528 ZPO dahinstehen, da lediglich die Beklagte Berufungsführerin ist.
154
Der Ansatz von insgesamt vier Stunden für Beratung und Antragstellung ist auch in Ansehung der vorzunehmenden Prüfung der eingereichten Unterlagen jedenfalls nicht unangemessen niedrig. Insoweit ist angesichts des Verschlechterungsverbots ebenfalls keine Reduzierung vorzunehmen. Die abzuziehenden Steuerberaterkosten belaufen sich damit auf 800,00 €.
155
Auch bei hypothetischer Beauftragung eines anderen prüfenden Dritten ergeben sich im Rahmen der Schadensbemessung gem. § 287 Abs. 1 ZPO keine höheren Steuerberaterkosten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte der Klägerin ein besonders günstiges, unter dem Marktpreis liegendes, Angebot unterbreitet hat.
156
ee. Abzüge für Überbrückungshilfe III gem. Ziff. 4.2 Richtlinie Dezemberhilfe sind nicht vorzunehmen, denn diese betrug im Falle der Klägerin ausweislich der Erklärung gem. Anlage K 8 0,00 € (S. 8 = Bl. 51 LG-Anlagenheft Klägerseite). Anhaltspunkte für ein Bestreiten der in der Erklärung wiedergegebenen Zahl bringt die Beklagte nicht vor.
157
ff. Auch für im Monat Dezember 2020 getätigte Umsätze der Klägerin aus dem Gastronomiebereich ist gem. Ziff. 3.1 S. 2 Richtlinie Dezemberhilfe kein Abzug vorzunehmen, weil sie 25% des Vergleichsumsatzes bei weitem nicht erreichten. Dies ergibt sich aus der klägerseits vorgelegten Aufstellung gemäß Anlage K 6. Aus denselben Gründen wie für die Aufstellung gem. Anlage K 5 ist gem. § 287 Abs. 1 S. 2 ZPO eine Beweisaufnahme nicht erforderlich, zumal insoweit die genauen Zahlen nicht entscheidend sind, sofern sie die Grenze von 25% nicht erreichen. Selbst bei einer Modifikation der Berechnungsweise steht aber nicht zu erwarten, dass sich die derzeit weit darunter liegenden Beträge auch nur in die Nähe dieser Grenze bewegen könnten.
158
gg. Die auf den Förderbetrag entfallende Umsatzsteuer ist bei der Schadensberechnung nicht abzuziehen, da sie auch auf die Schadensersatzzahlung anfallen wird.
159
Damit beträgt die Schadenshöhe gem. § 252 Abs. 1 BGB wie vom Landgericht ausgesprochen 58.143,64 €.
160
4. Gegen die Zinsentscheidung und die Zuerkennung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten hat die Beklagte keine gesonderten Einwände erhoben. Beide sind auf Basis der vorangegangenen Ausführungen zutreffend.
161
5. Auch die Kostenentscheidung des Landgerichts trifft zu. Dies gilt selbst dann, wenn die summenmäßige Klageerweiterung aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 13.10.2023 als teilweise Klagerücknahme gewertet würde, da der ursprünglich erhobene Vorwurf einer unterlassenen Beantragung der Novemberhilfe fallen gelassen wurde. Da die Rücknahme den Streitwert nicht reduziert hat, entfällt auf sie kein Kostenanteil. Für eine teilweise Kostentragung der Klägerin ist nach den Grundsätzen des § 92 ZPO deshalb kein Raum.
162
II. Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO liegen vor. Für die Zulassung der Revision besteht kein Anlass (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ZPO). Über klärungsfähige und -bedürftige Rechtsfragen ist nicht zu befinden. Der Senat beabsichtigt eine einzelfallbezogene Entscheidung auf der Grundlage der nach gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung berufungsrechtlich nicht zu beanstandenden erstinstanzlichen Feststellungen.
163
Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass in einer solchen neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden könnten, die zu einer anderen Beurteilung führten.
164
III. Der Senat regt daher an, zur Vermeidung von Kosten die aussichtslose Berufung innerhalb offener Stellungnahmefrist zurückzunehmen, und weist in diesem Zusammenhang auf die in Betracht kommende Gerichtsgebührenermäßigung (KV Nr. 1220, 1222) hin.
C.
165
Die Streitwertbemessung wird in Anwendung der §§ 47, 48 GKG erfolgen.