Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 05.06.2024 – 102 SchH 42/24 e
Titel:

Schiedsklausel, Schiedsvereinbarungen, Hauptvertrag, Schiedsrichterliches Verfahren, Schiedsverfahren, Rechtsbeschwerde, Schiedsabrede, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Feststellung der Unwirksamkeit, Anfechtungsberechtigung, Anfechtung des Vertrags, Anfechtungsgründe, Anfechtungserklärung, Wirksamkeit der Anfechtung, Arglistige Täuschung, Schiedsgerichtsbarkeit, Dienstleistungsvertrag, Schriftsätze, Schiedsgerichtsverfahren, Elektronisches Dokument

Schlagwort:
Schiedsklausel
Fundstellen:
BeckRS 2024, 48807
SchiedsVZ 2025, 153
LSK 2024, 48807

Tenor

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 9.241,12 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt Feststellung, dass die Durchführung eines schiedsrichterlichen Verfahrens unzulässig und die insoweit maßgebliche „Schiedsabrede“ unwirksam ist.
2
Mit Schriftsatz vom 31. Januar 2024 erhob die Antragsgegnerin, ein FactoringUnternehmen (im Folgenden auch: Schiedsklägerin), gegen die Antragstellerin, ein Unternehmen, […] (im Folgenden auch: Schiedsbeklagte), bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) Schiedsklage mit dem Antrag, die Schiedsbeklagte zu verurteilen, an die Schiedsklägerin 46.205,60 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Kosten zu zahlen. Die an die Schiedsklägerin abgetretene Forderung soll beruhen auf einem „SaaS-Dienstleistungsvertrag für die Steuerliche Forschungsförderung“ vom 30. November 2022 (im Folgenden auch: Dienstleistungsvertrag) zwischen der Zedentin (zunächst … GmbH, dann, nach formwechselnder Umwandlung, … AG; im Folgenden auch: …) und der Schiedsbeklagten. Die Zedentin habe die Schiedsbeklagte auf Grundlage des Dienstleistungsvertrags bei der Beantragung von steuerlichen Forschungszulagen für mehrere Projekte unterstützt und begleitet; hieraus resultiere ein Vergütungsanspruch in Höhe von 46.205,60 €, der an die Schiedsklägerin abgetreten worden sei. Der „Annex 1: Allgemeine Vertragsbedingungen zum SaaS-Dienstleistungsvertrag für die Steuerliche Forschungsförderung“ (im Folgenden auch: AGB) enthält unter § 9 folgende Klausel:
§ 9 Schiedsklausel und Anwendbares Recht
Alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung oder über ihre Gültigkeit ergeben, werden durch einen Einzelschiedsrichter nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden, Das Schiedsgericht kann auch über die Gültigkeit dieser Schiedsvereinbarung bindend entscheiden. Schiedsort ist München. Die Verfahrenssprache ist Deutsch. Das in der Sache anwendbare Recht ist das Recht der Bundesrepublik Deutschland, Den Vertragsparteien steht es frei, vorläufigen Rechtsschutz bei den ordentlichen Gerichten zu suchen, vorausgesetzt, die endgültige Entscheidung des Rechtsstreits erfolgt durch das zuständige Schiedsgericht.
3
Mit Schriftsatz vom 18. März 2024 hat die Antragstellerin beim Oberlandesgericht München „Feststellungsklage gemäß §§ 1032 Abs. 2, 1062 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO“ erhoben mit den Anträgen:
1. Es wird festgestellt, dass das von der Beklagten mit Schriftsatz vom 31.01.2024 bei der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS), eingeleitete Schiedsgerichtsverfahren zu dem dortigen Aktenzeichen […] unzulässig ist;
2. Es wird festgestellt, dass die Schiedsabrede aus dem SaaS-Dienstleistungsvertrag für die steuerliche Forschungsförderung zwischen der Klägerin und der … GmbH (seit 07.03.2023 durch formwechselnde Umwandlung … AG) vom 30.11.2022 unwirksam ist.
4
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Durchführung eines schiedsrichterlichen Verfahrens unzulässig und die insoweit maßgebliche Schiedsabrede unwirksam sei, weil sie den Vertrag vom 30. November 2022 am 17. Oktober 2023 wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise wegen Irrtums, erfolgreich angefochten habe. „Aufgrund der Nichtigkeit des Hauptvertrages“ kämen auch die AGB der Zedentin samt der in § 9 enthaltenen Schiedsklausel nicht zur Anwendung, „sodass die Schiedsklausel unwirksam und das schiedsrichterliche Verfahren unzulässig“ sei. „Aufgrund der erfolgten Vertragsanfechtung [sei] auch die Schiedsgerichtsklausel in den AGB der Zedentin ex tunc nichtig und die DIS unzuständig“, weshalb „Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens […] geboten“ sei.
5
Das Oberlandesgericht München hat nach Anhörung der Antragstellerin das Verfahren mit Beschluss vom 25. März 2024 an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben.
6
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 15. April 2024 beantragt, die Anträge auf Feststellung der Unzulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens und der Unwirksamkeit der Schiedsabrede kostenpflichtig zurückzuweisen. Sie ist insbesondere der Auffassung, dass die geltend gemachten Einwände in Bezug auf die Anfechtung im bereits eingeleiteten Schiedsverfahren vor dem Schiedsgericht zu klären seien. Eine Schiedsabrede sei wirksam vereinbart worden und finde auf die geltend gemachte Forderung Anwendung. Die Antragstellerin wende sich im Hinblick auf die Begründung der vermeintlichen Anfechtungsgründe letztlich ausschließlich gegen die Honorarforderung und es sei nicht ersichtlich, weshalb dies – selbst wenn man den insgesamt zu bestreitenden Ausführungen der Antragstellerin folgte – Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und damit die Zulässigkeit des Schiedsgerichtsverfahrens haben sollte. Die zwischen den Parteien streitige Frage der Wirksamkeit einer Anfechtung des Dienstleistungsvertrags und der behaupteten Nichtigkeit des gesamten Vertrags einschließlich der hiermit verbundenen Schiedsvereinbarung sei im Kern eine materielle Fragestellung, die nicht im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO zu klären sei.
7
Die Antragstellerin ist dem mit Schriftsatz vom 7. Mai 2024 entgegengetreten.
8
Insbesondere ist sie der Auffassung, dass der von ihr zur Entscheidung gestellte Sachverhalt vom Prüfungsumfang des Gerichts in einem Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO umfasst sei. Eine berechtigt erklärte Anfechtung mache den gesamten Vertrag ex tunc nichtig. Das Verfahren nach § 1032 Abs. 1 ZPO umfasse insbesondere auch die Frage, ob die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar sei. Nichtig sei die Schiedsvereinbarung, wenn sie von Anfang an keine Wirkung entfalte – hierunter falle insbesondere die Anfechtung der Schiedsvereinbarung. Die generelle Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung – zum Beispiel wegen Nichtigkeit – könne prozessualer oder auch materieller Herkunft sein und sei Gegenstand des Prüfungsumfangs im Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO. Es seien nur solche materiellen Streitfragen in dem Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO nicht zu prüfen, die mit der Schiedsvereinbarung als solcher nichts zu tun hätten. Mit anderen Worten solle „schlicht und ergreifend“ das Schiedsverfahren nicht umgangen werden können, wenn über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung überhaupt kein Streit bestehe. So verhalte es sich hier jedoch gerade nicht; der Antragstellerin gehe es um die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung aufgrund erfolgter Anfechtung des gesamten Vertrags, dessen Bestandteil auch die Schiedsklausel sei. Die Vertragspartei eines berechtigterweise angefochtenen und damit nichtigen Vertrags müsse sich – wenn der nichtige Vertrag eine Schiedsklausel enthalten habe – „nicht in ein Schiedsgericht drängen lassen“, wenn zwar die Schiedsklage zugestellt worden sei, das Schiedsgericht sich aber noch nicht konstituiert habe.
II.
9
Die zulässigen Anträge haben in der Sache keinen Erfolg.
10
1. Die Anträge sind zulässig.
11
a) Insbesondere sind die Anträge statthaft.
12
aa) Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des bei der DIS eingeleiteten Schiedsgerichtsverfahrens ist statthaft. Gemäß § 1032 Abs. 2 ZPO kann bei Gericht bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Antragstellerin hatte sich bis zum Eingang des Antrags bei Gericht ein Schiedsgericht noch nicht gebildet. Die Einreichung einer Schiedsklage bei der DIS ist nicht bereits als Zeitpunkt der Konstituierung anzusehen (BayObLG, Beschl. v. 10. Oktober 2022, 101 SchH 46/22, SchiedsVZ 2023, 100 Rn. 26 ff.).
13
bb) Statthaft ist auch der Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Schiedsklausel. Zwar hat das Oberlandesgericht Köln die Auffassung vertreten, § 1032 Abs. 2 ZPO erlaube lediglich die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens, nicht aber die Feststellung der (Un-)Durchführbarkeit einer Schiedsvereinbarung oder die (Un-)Wirksamkeit bzw. (Un-)Anwendbarkeit der Schiedsvereinbarung; dies seien lediglich Elemente der Prüfung des staatlichen Gerichts, ohne aber in eine entsprechende Tenorierung zu münden; vom staatlichen Gericht ausgesprochen werden könne lediglich die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens im Ganzen (OLG Köln, Beschluss vom 9. März 2015, 19 Sch 33/14, juris Rn. 13; vgl. auch Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1032 Rn. 37: Begehrt werden könne ein „Globalauspruch der [Un-]Zulässigkeit“, allerdings spreche nichts dagegen, „[quasi als ein Minus] genauso eine gezielte [Un]Zulässigkeitsprüfung dahingehend zu ermöglichen, dass der konkrete Streitgegenstand von der Schiedsvereinbarung [nicht] erfasst“ sei [Rn. 35]). Der Bundesgerichtshof hat dies jedoch anders gesehen. In einem Verfahren beim Oberlandesgericht Karlsruhe hatte die Antragstellerin beantragt festzustellen, „dass die Schiedsvereinbarung […] wirksam ist und somit die Durchführung eines Schiedsverfahrens zur Entscheidung über sämtliche Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit den vorgenannten Verträgen zulässig ist“ und „auch etwaige Ansprüche der Antragsgegnerin aus § 648a BGB a. F. der vorgenannten Schiedsvereinbarung unterliegen“ (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. Dezember 2018, 10 Sch 3/18, BeckRS 2018, 48369 Rn. 13). Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte entsprechend tenoriert („Es wird festgestellt, dass die Schiedsvereinbarungen […] wirksam sind und auch etwaige im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Ansprüche der Antragsgegnerin auf Sicherheitsleistung gemäß § 648a BGB […] erfassen.“). Der Bundesgerichtshof hat das gebilligt und die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Karlsruhe zurückgewiesen; insbesondere seien die Anträge nach § 1032 Abs. 2 ZPO statthaft (BGH, Beschluss vom 19. September 2019, I ZB 4/19, NJW-RR 2020, 147 Rn. 10 ff.). § 1032 Abs. 2 ZPO ermöglicht demnach auch einen Antrag auf Feststellung, dass die Schiedsvereinbarung als solche wirksam bzw. unwirksam ist (Wolf/Eslami in BeckOK ZPO, 51. Ed. Stand: 1. September 2022, § 1032 Rn. 27). Der vom Oberlandesgericht Köln herangezogene Aspekt, vom staatlichen Gericht ausgesprochen werden könne „lediglich die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens im Ganzen“ (OLG Köln, Beschluss vom 9. März 2015, 19 Sch 33/14, juris Rn. 13 unter Hinweis auf „Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 1032 Rn. 23“) steht dem nicht entgegen, denn damit gemeint ist in der Regel lediglich, dass im Rahmen des § 1032 Abs. 2 ZPO nicht die (Un-)Zulässigkeit einzelner Verfahrenshandlungen geprüft wird (Geimer in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 1032 Rn. 23) und demnach nicht einzelne Verfahrenshandlungen für zulässig oder unzulässig erklärt werden können.
14
b) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die auch im Übrigen zulässigen Anträge nach § 1043 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu zuständig. Der in § 9 Satz 3 AGB bestimmte Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt in Bayern.
15
2. Die Anträge sind nicht begründet. Weder ist die maßgebliche Schiedsklausel insgesamt unwirksam noch ist das Schiedsverfahren aus anderen Gründen, welche im Rahmen des § 1032 Abs. 2 ZPO maßgeblich sind, unzulässig. Im Rahmen eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO prüft das staatliche Gericht, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (BayObLG, Beschluss vom 12. Dezember 2023, 102 SchH 114/23 e, NZG 2024, 124 Rn. 18 m. w. N.).
16
a) Die Antragstellerin hat in ihrem Antrag vom 18. März 2024 vorgetragen, dass zwischen ihr und der … der Vertrag vom 30. November 2022 nebst der Schiedsklausel in § 9 AGB zustande gekommen sei. Die fehlende Geltung der Schiedsklausel leitet sie lediglich daraus ab, dass sie den Vertrag vom 30. November 2022 erfolgreich angefochten habe. Dies führt jedoch vorliegend nicht zur Nichtigkeit der Schiedsklausel (§ 142 Abs. 1 BGB) und vermag die Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens nicht zu begründen.
17
aa) Gemäß § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO stellt die Schiedsklausel eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung dar, deren Wirksamkeit unabhängig vom Bestand des Hauptvertrags zu beurteilen ist. Daher teilt in der Regel weder die Schiedsvereinbarung das Schicksal des Hauptvertrags noch umgekehrt der Hauptvertrag das Schicksal der Schiedsvereinbarung (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juli 2007, 26 Sch 3/06, juris Rn. 19). § 139 BGB ist in diesem Verhältnis nicht anwendbar (BGH, Beschl. v. 27. November 2008, III ZB 59/07, juris Rn. 5; Urt. v. 6. Juni 1991, III ZR 68/90, NJW 1991, 2215 [2216]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. September 2010, 26 Sch 6/10, juris Rn. 19; Beschluss vom 20. Juli 2007, 26 Sch 3/06, juris Rn. 19; Anders in Anders/Gehle, ZPO, 82. Aufl. 2024, § 1040 Rn. 2; Saenger in Saenger, ZPO, 10. Aufl. 2023, § 1040 Rn. 3; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, ZPO § 1040 Rn. 8; Hammer, Überprüfung von Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte in Deutschland, 2018, Rn. 180). Die Unwirksamkeit des Hauptvertrags führt regelmäßig nicht zur Unwirksamkeit oder Beendigung der Schiedsklausel, selbst wenn sie im Vertrag selbst enthalten ist (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018, I ZB 17/18, juris Rn. 9). Die Anfechtung des Hauptvertrags lässt daher (wie die Kündigung, vgl. BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018, I ZB 17/18, juris Rn. 9; OLG Hamburg, Beschluss vom 21. Dezember 2012, 6 Sch 19/12, SchiedsVZ 2013, 180 [181]) die Wirksamkeit der Schiedsklausel unberührt, sofern diese nicht ausnahmsweise selbst mit einem Willensmangel behaftet ist (OLG München, Beschluss vom 29. März 2012, 34 SchH 12/11, SchiedsVZ 2012, 159 [161]; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 1040 Rn. 4; vgl. generell zur durch ein Gestaltungsrecht herbeigeführten Beendigung eines Vertrags: Wünschmann, EWiR 2019, 317). Im Zweifel hat das Schiedsgericht auch über die Wirksamkeit des Hauptvertrags zu entscheiden (OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juli 2007, 26 Sch 3/06, juris Rn. 19). Insbesondere eine Schiedsvereinbarung, wonach alle Rechtsstreitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit einem Vertrag durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen, bedeutet im Zweifel, dass das Schiedsgericht auch über die Frage der Gültigkeit und des Bestehens des Vertrags und die bei Unwirksamkeit oder Beendigung des Vertrags bestehenden Ansprüche entscheiden soll (BGH, Beschluss vom 31. Oktober 2018, I ZB 17/18, juris Rn. 9). In einem solchen Fall führt die Unwirksamkeit oder Beendigung des Hauptvertrages nicht zur Unwirksamkeit oder Beendigung der darin enthaltenen Schiedsvereinbarung (BGH, Beschluss vom 9. August 2016, I ZB 1/15, SchiedsVZ 2017, 103 Rn. 17). Vorliegend erfasst die Klausel ausdrücklich alle Streitigkeiten, „die sich im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung oder über ihre Gültigkeit ergeben“ (Hervorhebung ergänzt).
18
bb) Vor diesem Hintergrund ist die Nichtigkeit der Schiedsklausel gemäß § 142 Abs. 1 BGB nicht festzustellen. Die Antragsstellerin hat weder eine arglistige Täuschung durch die Zedentin (…) noch einen zur Anfechtung berechtigenden Irrtum, die ursächlich für die auf den Abschluss der Schiedsvereinbarung gerichtete Willenserklärung gewesen sein könnten, hinreichend dargelegt. In der Anfechtungserklärung berief sich die Antragstellerin bei der Anfechtung des Vertrags vom 30. November 2022 und hinsichtlich der zugehörigen Annexverträge auf den Umstand, dass „… jetzt schon das gesamte ‚Erfolgshonorar‘ abrechnet, obwohl die Förderverfahren noch lange nicht abgeschlossen sind und völlig unklar ist, ob und wenn ja in welcher Höhe die Projekte letztlich tatsächlich gefördert werden“ (Schriftsatz vom 17. Oktober 2023 S. 2). Die Antragstellerin habe den Begriff des „Erfolgshonorars“ aus dem Dienstleistungsvertrag völlig anders verstanden als er von … interpretiert werde und zur Anwendung komme; wenn der Vertrag bezüglich des Eintritts eines „Erfolgs“ in der Weise verstanden werden solle, wie … dies offenbar angesichts der erstellten Rechnungen tue, und wenn dies – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – aus objektiver Empfängersicht das zutreffende Verständnis sein solle, dann liege ein relevanter Irrtum der Antragstellerin vor, der die Anfechtung rechtfertigte (Schriftsatz vom 17. Oktober 2023 S. 3). Zudem sehe sich die Antragstellerin „durch den Ablauf der Vertragsanbahnung und der Vertragsgestaltung hinsichtlich der Leistungen XXXs und der Gegenleistung (Vergütung) getäuscht“, was die erklärte Anfechtung ebenfalls begründe (Schriftsatz vom 17. Oktober 2023 S. 3). Auch in ihrer Antragsschrift argumentiert die Antragstellerin damit, dass die Zedentin bei der Antragstellerin „über ihre Anpreisung auf der Homepage, des Austauschs anlässlich der Vertragsanbahnung und aufgrund ihrer irreführenden Vertragsgestaltung vorsätzlich den Irrtum erweckt und aufrechterhalten [habe], dass ihre Vergütung erfolgsbasiert ist und nach Erhalt des wirtschaftlichen Vorteils entsteht“ (Schriftsatz vom 18. März 2024 S. 19). Die Geschäftspraxis der Zedentin habe dazu gedient, die Antragstellerin „zum Vertragsschluss zu motivieren, welcher nicht zustande gekommen wäre, wenn von Anfang an deutlich geworden wäre, dass die Zedentin ihre Vergütung bereits unwiderruflich ohne den versprochenen wirtschaftlichen Vorteil fordern und behalten darf“ (Schriftsatz vom 18. März 2024 S. 19). Die Zedentin habe die Antragstellerin „vorsätzlich und damit arglistig über die Umstände des Entstehens ihres Honoraranspruches getäuscht“ (Schriftsatz vom 18. März 2024 S. 22). Die Antragstellerin habe außerdem „mit der Annahmeerklärung lediglich einen Vertrag mit einem ‚echten Erfolgshonorar‘ abschließen“ wollen. „Wenn die rechtliche Sichtweise der Zedentin […] zutreffend wäre, hätte sich die [Antragstellerin] über die unmittelbare Rechtsfolge über die Vergütung aus dem Vertrag geirrt“, was „einen beachtlichen Irrtum nach § 119 Abs. 1 BGB in Bezug auf die Annahmeerklärung dar[stelle]“ (Schriftsatz vom 18. März 2024 S. 22 f.).
19
Diese Umstände beziehen sich sämtlich auf den Hauptvertrag und das darin enthaltene Vergütungsmodell der …. Dass sich die behauptete Täuschung bzw. der behauptete Irrtum auch auf die Schiedsklausel als solche bezogen hätte, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Aus dem Vorbringen ergibt sich lediglich, dass die Antragstellerin, hätte sie das Vergütungsmodell der … in der Form, in der sie es letztlich praktiziert habe, gekannt und durchschaut, den Dienstleistungsvertrag nicht geschlossen hätte. Der etwaige Nichtabschluss der Schiedsklausel ist davon nicht spezifisch betroffen, sondern wäre lediglich notwendige Folge des Nichtabschlusses des Dienstleistungsvertrags gewesen. Dementsprechend heißt es in der Antragsschrift (S. 18) auch, es sei „[a]ufgrund der erfolgten Vertragsanfechtung […] auch die Schiedsgerichtsklausel in den AGB der Zedentin ex tunc nichtig und die DIS unzuständig“ und (S. 19) „[a]ufgrund der Nichtigkeit des Hauptvertrages gelang[t]en auch die AGB der Klägerin samt der in § 9 enthaltenen Schiedsklausel nicht zur Anwendung, sodass die Schiedsklausel unwirksam und das schiedsrichterliche Verfahren unzulässig“ sei (Hervorhebung jeweils ergänzt). Auch im Schriftsatz vom 7. Mai 2024 wird lediglich darauf abgestellt, dass die erfolgte Anfechtung des Vertrags wegen der Honorarregelungen „den gesamten Vertrag ex tunc nichtig macht“ (S. 2). Es gehe der Antragstellerin „um die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung aufgrund erfolgter Anfechtung des gesamten Vertrages, dessen Bestandteil nun mal auch die Schiedsklausel ist“ (S. 5).
20
Dieses „Durchschlagen“ der etwaigen Nichtigkeit des Hauptvertrags auf die Schiedsklausel findet aber gerade nicht statt. Zwar ist im Einzelfall nicht ausgeschlossen, dass eine Schiedsklausel anfechtbar ist, wenn die für den Abschluss des Hauptvertrags ursächliche Drohung oder Täuschung – oder ein entsprechender Irrtum – auch ihren Abschluss unmittelbar beeinflusst hat (BGH, Beschluss vom 27. November 2008, III ZB 59/07, juris Rn. 5). Hier hat die Antragstellerin aber keine Umstände vorgetragen, aus denen geschlossen werden könnte, dass ein zur Anfechtung berechtigender Irrtum oder eine arglistige Täuschung gerade auch für den Abschluss der Schiedsklausel ursächlich gewesen sein könnten. Vielmehr wird auch im Schriftsatz vom 7. Mai 2024 (S. 6) bezüglich der Anfechtung darauf abgestellt, dass „die Zedentin in ihrem Klauselwerk zunächst an prominenter Stelle den Anschein eines echten Erfolgshonorars erweckt und sich zugleich über die Klauseln im Kleingedruckten ein allein zeitabhängiges Gesamthonorar gesichert [habe], ohne dass es auf einen (messbaren) Erfolg überhaupt ankäme. Sie [müsse] sich demzufolge den Vorwurf der arglistigen Täuschung und die darauf sowie auf einen Irrtum gestützte Anfechtung gefallen lassen.“ Dies unterstreicht, dass sich ein etwaiger Irrtum bzw. eine etwaige Täuschung der Antragstellerin nicht spezifisch auf die Schiedsklausel, sondern auf einen anderen Teil des Vertragswerks bezog. Deshalb lässt vorliegend die Anfechtung – unabhängig von ihrer Wirksamkeit, auf die es im vorliegenden Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO daher nicht ankommt – die Wirksamkeit der Schiedsklausel unberührt. Über die Wirksamkeit des Hauptvertrags und die etwaige Wirksamkeit der Anfechtung hat – soweit es darauf ankommt – das Schiedsgericht zu entscheiden.
21
c) § 9 Satz 1 AGB, wonach alle Streitigkeiten, die sich im Zusammenhang mit der Vereinbarung oder über ihre Gültigkeit ergeben, durch einen Einzelschiedsrichter nach der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e. V. (DIS) unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges endgültig entschieden werden, ist auch nicht aus anderen Gründen unwirksam und ein Schiedsverfahren nicht aus anderen Gründen unzulässig.
22
Dies gilt insbesondere in Bezug auf den Umstand, dass die Schiedsklausel u. a. den Satz enthält (§ 9 Satz 2 AGB): „Das Schiedsgericht kann auch über die Gültigkeit dieser Schiedsvereinbarung bindend entscheiden.“ Auch wenn man von der Unzulässigkeit einer solchen Kompetenz-Kompetenz-Klausel ausgeht, führt dies – auch für eine formularmäßige Schiedsvereinbarung – nicht dazu, dass die Schiedsklausel (hier insbesondere § 9 Satz 1 AGB) insgesamt keine Gültigkeit hat und eine Zuständigkeit des Schiedsgerichts insgesamt ausscheidet (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2014, III ZB 83/13, SchiedsVZ 2014, 303 Rn. 10 f.; OLG München, Beschluss vom 26. Januar 2016, 34 SchH 13/15, NZG 2016, 662 Rn. 33; Fehrenbach in BeckOGK, Stand: 1. Februar 2024, BGB § 307 Rn. 32; Nassall in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl. Stand: 15. Mai 2023, § 139 Rn. 149; Wolf/Eslami in BeckOK ZPO, 51. Ed. Stand: 1. September 2022, § 1040 Rn. 11a). Bei der Schiedsklausel und der KompetenzKompetenz-Klausel handelt es sich um jeweils gesonderte eigenständige Vereinbarungen.
23
Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Wirksamkeit und Durchführbarkeit der Schiedsvereinbarung und dagegen, dass der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (BayObLG, Beschluss vom 12. Dezember 2023, 102 SchH 114/23 e, NZG 2024, 124 Rn. 18 m. w. N.).
III.
24
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
25
Den Streitwert hat der Senat mit einem Fünftel der Hauptsache angesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2018, I ZB 12/17, juris Rn. 5; BayObLG, Beschluss vom 12. Dezember 2023, 102 SchH 114/23 e, SchiedsVZ 2024, 108 Rn. 37), und zwar für beide Anträge gemeinsam.
IV.