Inhalt

LG München II, Beschluss v. 02.12.2024 – 7 T 1390/24 Ins
Titel:

Verwaltung des Testamentsvollstreckers, Anordnung der Testamentsvollstreckung, Beendigung der Testamentsvollstreckung, Pflichtteilsrecht, Pflichtteilsanspruch, Pflichtteilsberechtigter, Anordnung der Nachtragsverteilung, Zulassung der Rechtsbeschwerde, Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse, Sofortige Beschwerde, Schuldnerbeschwerde, Vermögen des Schuldners, Insolvenzgericht, Im Insolvenzverfahren, Eröffnetes Insolvenzverfahren, Aufhebung des Insolvenzverfahrens, Laufendes Insolvenzverfahren, Insolvenzverwalter, Treuhänder, Unpfändbarkeit

Schlagworte:
Pflichtteilsanspruch, Testamentsvollstreckung, Nachtragsverteilung, Insolvenzmasse, Unpfändbarkeit, Gläubigerschutz, Dauervollstreckung
Vorinstanz:
AG Weilheim, Beschluss vom 29.01.2024 – 2 IK 183/20
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48790

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Testamentsvollstreckers wird der Beschluss des Amtsgerichts Weilheim i.OB vom 29.01.2024, Az. 2 IK 183/20, aufgehoben. Eine Nachtragsverteilung wird nicht angeordnet.
2. Für das Beschwerdeverfahren werden keine Kosten erhoben. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
1. Für den Schuldner ist eine Betreuung angeordnet, die unter anderem den Aufgabenbereich der Vermögenssorge umfasst. Zum Betreuer ist Herr Rechtsanwalt bestellt. Am 06.10.2020 stellte der Schuldner unter Mitwirkung seines Betreuers einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und beantragte zugleich die Erteilung der Restschuldbefreiung. Darüber hinaus stellte er einen Antrag auf Verfahrenskostenstundung. Mit Beschluss vom 26.10.2020 gewährte das AG Weilheim i. OB als Insolvenzgericht die Stundung der Verfahrenskosten. Mit Beschluss vom 28.10.2020 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, bestellte Herrn Rechtsanwalt zum Insolvenzverwalter und stellte die Erteilung einer Restschuldbefreiung in Aussicht. Unter dem Datum des 23.04.2021 erstattete der Insolvenzverwalter seinen Schlussbericht, für dessen Einzelheiten auf Bl. 103/105 d. A. Bezug genommen wird. Darin teilte er mit, dass eine verteilbare Masse nicht vorhanden ist. Die Gerichts- und Verwalterkosten überstiegen den Wert der freien Masse. Mit Beschluss vom 27.04.2024 (Bl. 118/119 d.A.) ordnete das Insolvenzgericht für die Prüfung nachträglich angemeldeter Forderungen und für den Schlusstermin das schriftliche Verfahren an. Am 01.07.2021 führte das Insolvenzgericht den Prüftermin und den Schlusstermin im schriftlichen Verfahren durch (Bl. 126 d.A.). Mit Beschluss vom 01.07.2021 (Bl. 127/128 d.A.) hob das Insolvenzgericht nach Abhalten des Schlusstermins das Insolvenzverfahren auf und bestellte Herrn Rechtsanwalt zum Treuhänder.
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2. Am 30.12.2020 war der Vater des Schuldners (Erblasser) verstorben. Der Erblasser hatte am 20.04.20217 ein notarielles Testament errichtet (Testament auf Bl. 180/183 d.A.). In diesem Testament setzte der Erblasser seine Tochter zur Alleinerbin ein. Im Hinblick auf den Pflichtteil des Schuldners ordnete der Erblasser eine Dauertestamentsvollstreckung wie folgt an: „Mein Sohn ist derzeit überschuldet. Möglicherweise besteht eine Privatinsolvenz. Ich beschränke deshalb das Pflichtteilsrecht meines Sohnes dadurch, dass ich auf Lebenszeit meines Sohnes die Verwaltung des Pflichtteils einem Testamentsvollstrecker übertrage. Als Testamentsvollstrecker bestimme ich Herrn, geboren am 28.09.1960, wohnhaft . Der Testamentsvollstrecker hat die gesetzlichen Aufgaben. Ich wurde vom amtierenden Notar über die Voraussetzungen der Beschränkung des Pflichtteils in guter Absicht (§ 2338 BGB) und die gesetzlichen Möglichkeiten für die Anordnung von Beschränkungen hingewiesen.“
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3. Der Pflichtteil des Schuldners beläuft sich auf 40.136,24 €. Mit Schreiben vom 31.08.2022 (Bl. 152) hatte der Betreuer dem Treuhänder mitgeteilt, dass der Vater des Schuldners am 30.12.2020 verstorben war, der Schuldner enterbt worden war, für den Pflichtteil Testamentsvollstreckung angeordnet worden war und der Pflichtteil 40.136,24 € beträgt. Hiervon hat der Testamentsvollstrecker am 10.11.2022 den hälftigen Betrag (20.068,12 €) auf das vom Treuhänder geführte Verfahrenskonto überwiesen. Unter dem Datum des 19.01.2024 erstattete der Treuhänder seinen abschließenden Bericht zum Ende der Wohlverhaltensphase, für dessen Einzelheiten auf Bl. 155/157 d.A.) Bezug genommen wird.
4
4. Mit Schreiben vom 19.01.2024 beantragte der Treuhänder die Anordnung einer Nachtragsverteilung gem. § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Zur Begründung führte er aus, dass dem Schuldner nach dem Tod seines Vaters und der Enterbung des Schuldners durch den Vater ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 40.136,24 € zustehe. Hiervon sei der hälftige Betrag in Höhe von 20.068,12 € auf das Verfahrenskonto überwiesen worden. Da der Erbfall im eröffneten Verfahren eingetreten sei, stehe der Gesamtbetrag der Insolvenzmasse zu. Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben auf Bl. 151 d.A. nebst Anlagen Bezug genommen. Mit Beschluss vom 24.01.2024, für dessen Einzelheiten auf Bl. 163 d.A. Bezug genommen wird, ordnete das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung für den als hälftigen Pflichtteilsanspruch zur Masse ermittelten und zur Masse gelangten Betrag an (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Mit Schreiben vom 26.01.2024 (Bl. 168 d.A.) beantragte der Treuhänder auch für den weiteren Pflichtteilsanspruch des Schuldners in Höhe von 20.068,12 €, der nicht zur Masse gelangt ist, die Anordnung der Nachtragsverteilung, da der gesamte Pflichtteilsanspruch zur Masse gehöre.
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5. Mit hier angefochtenem Beschluss vom 29.01.2024, für dessen Einzelheiten auf Bl. 169 d.A. Bezug genommen wird, ergänzte das Insolvenzgericht die Nachtragsverteilung vom 24.01.2024 und ordnete die Nachtragsverteilung nunmehr für den gesamten Pflichtteilsanspruch des Schuldners in Höhe von 40.136,24 € an. Die Durchführung der Nachtragsverteilung übertrug das Gericht dem Treuhänder. Der Beschluss wurde dem Betreuer des Schuldners am 31.01.2024 und dem Testamentsvollstrecker am 01.02.2024 zugestellt.
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6. Mit Schreiben vom 12.02.2024 (Bl. 173/175 d.A.), welches am 13.02.2024 bei dem Insolvenzgericht einging, erhob der Testamentsvollstrecker sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 29.01.2024. Zur Begründung führte er aus, dass ausweislich des Testaments des Vaters und Erblassers zum Schutz des Pflichtteils des Schuldners eine Testamentsvollstreckung für die Dauer der Lebenszeit des Schuldners angeordnet ist. Es widerspreche der Testamentsvollstreckung, den gesamten Pflichtteil zur Masse zu ziehen. Mit Schriftsatz vom 12.02.2024 (Bl. 172 d.A.), der am gleichen Tag bei dem Insolvenzgericht einging, erhob auch der Betreuer im Namen des Schuldners sofortige Beschwerde (Dieses Beschwerdeverfahren wird bei dem LG München II unter dem Aktenzeichen 7 T 1389/24 geführt). Mit Schriftsatz vom 25.03.2024 begründete der Betreuer die Beschwerde. Zur Begründung führte er aus, eine Nachtragsverteilung des gesamten Pflichtteils sei unzulässig. Die vom Erblasser hinsichtlich des Pflichtteils des Schuldners angeordnete Testamentsvollstreckung solle nach dem Willen des Erblassers sicherstellen, dass der Pflichtteil des Schuldners nicht dem Zugriff des Insolvenzverwalters oder Treuhänders unterliege. Vielmehr solle der Pflichtteil der dauerhaften und ausschließlichen Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegen. Der Wille des Erblassers sei zu respektieren.
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Der Testamentsvollstrecker sei nur an den Willen des Erblassers gebunden und daher nicht verpflichtet, den von ihm verwalteten Pflichtteil zur Tilgung von Schulden des Pflichtteilsberechtigten einzusetzen. Des Weiteren sei die bei angeordneter Testamentsvollstreckung für einen Erben geltende Verfügungsbeschränkung des § 2211 BGB bei einer Testamentsvollstreckung des Pflichtteils in gleicher Weise für den Pflichtteilsberechtigten zu beachten. Schließlich könnten Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten ebenso wie Gläubiger eines Erben aufgrund der Testamentsvollstreckung gem. § 2214 BGB nicht Zugriff auf das der Testamentsvollstreckung unterliegende Vermögen nehmen.
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7. Mit Beschluss vom 26.03.2024, für dessen Einzelheiten auf Bl. 202 d.A. Bezug genommen wird, half das Insolvenzgericht der sofortigen Beschwerde des Betreuers nicht ab.
II.
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Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 204 Abs. 2 Satz 2 InsO statthaft. Der Testamentsvollstrecker ist nach § 2213 Abs. 1 Satz 1 BGB berechtigt, die Beschwerde zu erheben.
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Denn die Testamentsvollstreckung umfasst die Verwaltung des gesamten Pflichtteils. Die durch das Insolvenzgericht angeordnete Nachtragsverteilung bedeutet, dass der Treuhänder bzw. Insolvenzverwalter den Pflichtteil zur Masse ziehen kann. Hierdurch wird die Verwaltung des Testamentsvollstreckers beeinträchtigt. Zur Abwehr dieser Beeinträchtigung und zur Sicherung der Erfüllung seiner Aufgaben als Verwalter ist der Testamentsvollstrecker befugt, neben dem Schuldner Beschwerde zu erheben. Die sofortige Beschwerde wurde gem. §§ 6 Abs. 1, 4 Satz 1 InsO, 569 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO form- und fristgerecht erhoben.
III.
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Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Sie führt dazu, dass der Beschluss des Insolvenzgerichts vom 29.01.2024 aufgehoben und eine Nachtragsverteilung nicht angeordnet wird.
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Nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist auf Antrag des Insolvenzverwalters eine Nachtragsverteilung anzuordnen, wenn nach dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt werden. Ein während eines laufenden Insolvenzverfahrens entstandener Pflichtteilsanspruch des Schuldners gehört grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Die Testamentsvollstreckung führt im vorliegenden Fall aber dazu, dass der Pflichtteil aufgrund der Vorschrift des § 2214 BGB dem Zugriff der Gläubiger des Schuldners entzogen ist. Er ist daher für die Gläubiger nicht pfändbar und gehört deshalb nach § 36 Abs. 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse. Im Einzelnen gilt Folgendes:
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1. Der Schlusstermin wurde am 01.07.2021 durchgeführt. Nach diesem Termin, nämlich infolge des Schreibens des Betreuers vom 31.08.2022 an den Treuhänder wurde bekannt, dass der Schuldner infolge des Versterbens seines Vaters am 30.12.2020 einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von 40.136,24 € gegen seine Schwester als Alleinerbin erworben hat (§ 2303 Abs. 1 BGB). Der Insolvenzverwalter hat die Nachtragsverteilung hinsichtlich dieses Vermögensgegenstandes mit Schreiben an das Insolvenzgericht vom 19.01.2024 und nochmals mit Schreiben an das Insolvenzgericht vom 26.01.2024 beantragt.
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2. Nach § 35 Abs. 1 InsO gehört zur Insolvenzmasse das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Der Vater des Schuldners ist am 30.12.2020 verstorben. Hierdurch ist der Erbfall eingetreten und nach § 2317 Abs. 1 BGB der Pflichtteilsanspruch des Schuldners entstanden. Das am 28.10.2020 eröffnete Insolvenzverfahren dauerte zu diesem Zeitpunkt noch an. Der Schuldner hat den Anspruch also während des laufenden Verfahrens erlangt. Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens erfolgte erst mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 01.07.2021.
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3. Der Pflichtteilsanspruch unterlag auch der Zwangsvollstreckung nach § 36 Abs. 1 InsO. Dass der Anspruch gem. § 852 ZPO nur bedingt pfändbar war, steht dem nicht entgegen (vgl. BGH vom 02.12.2010; NJW 2011, 1448).
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4. Der Schuldner hat den Pflichtteilsanspruch auch gegen seine Schwester als Erbin geltend gemacht und der Pflichtteil wurde der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterstellt. Von diesem Pflichtteil hat der Testamentsvollstrecker am 10.11.2022 den hälftigen Betrag, sprich 20.137,60 €, an den Treuhänder überwiesen. Ungeachtet dessen, wann der Schuldner den Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat, gehörte der Pflichtteilsanspruch bereits mit Entstehung als bedingt pfändbarer Anspruch grundsätzlich zur Insolvenzmasse (vgl. BGH vom 02.12.2010; NJW 2011, 1448). Ob der Schuldner den Anspruch dann vor oder nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht hat, ist für die Zuordnung des Anspruchs zur Insolvenzmasse unerheblich. Da der Pflichtteilsanspruch nicht in der Wohlverhaltensphase entstanden ist, findet die Vorschrift des § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO keine Anwendung.
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5. Nach alldem liegen die Voraussetzungen dafür, dass der Pflichtteilsanspruch des Schuldners in die Insolvenzmasse fällt, grundsätzlich vor. Allerdings führt die im vorliegenden Fall bestehende Testamentsvollstreckung dazu, dass der Pflichtteil des Schuldners nach § 2214 BGB und § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zur Insolvenzmasse gehört.
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a) Die Anordnung der Testamentsvollstreckung ist gem. §§ 2338 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 2336 Abs. 1 und 2 BGB wirksam. Die Anordnung erfolgte durch testamentarische Verfügung und es handelt sich um eine Verwaltungsvollstreckung, die in guter Absicht zugunsten des Schuldners als Abkömmling des Erblassers angeordnet wurde. Der Grund der Anordnung lag in der Überschuldung des Schuldners, die bereits bei Errichtung des Testaments so erheblich gewesen ist, dass anzunehmen war, dass der gesamte Pflichtteil der Pfändung durch die Gläubiger unterliegen wird (vgl. BeckOGK/Rudy, Stand 01.08.2024, BGB, § 2338 Rn. 11). Dieser Grund ist im Testament des Vaters benannt. Er ist auch bis zum Erbfall am 20.12.2020 nicht entfallen.
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b) Die Testamentsvollstreckung ist als Dauervollstreckung auf Lebenszeit des Schuldners angeordnet. Der Testamentsvollstrecker hat das Amt angenommen (§ 2202 Abs. 1 BGB). Auf die danach angeordnete und bestehende Dauertestamentsvollstreckung sind die Vorschriften über die Testamentsvollstreckung (§§ 2197 ff. BGB) anzuwenden. Nach § 2211 Abs. 1 BGB ist dem Schuldner die Verfügungsmacht über den Pflichtteil vollständig entzogen. Nach § 2214 BGB ist den persönlichen Gläubigern des pflichtteilsberechtigten Schuldners der Zugriff auf den Pflichtteil verwehrt.
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c) Die vorgenannten Vorschriften stehen der Anordnung einer Nachtragsverteilung hinsichtlich des der Testamentsvollstreckung unterliegenden Pflichtteils des Schuldners entgegen. Dies ergibt sich aus Folgendem:
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aa) Für einen, einer Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlass ist entschieden worden, dass der Nachlass mit Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Erben in die Insolvenzmasse fällt. Denn der Nachlass ist nach § 2214 BGB i.V.m. § 36 Abs. 1 InsO lediglich für die Gläubiger des Erben und Schuldners unpfändbar, die nicht zu den Nachlassgläubigern gehören.
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Nachlassgläubiger hingegen können sich ungeachtet der Testamentsvollstreckung zum Zwecke der Befriedigung ihrer Forderungen an den Nachlass halten. In einer solchen Konstellation muss der Insolvenzverwalter bis zur Beendigung der Testamentsvollstreckung eine Sondermasse bilden, auf die die Nachlassgläubiger, nicht aber die Erbengläubiger Zugriff nehmen können. All dies gilt, wenn der Schuldner vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Insolvenzverfahrens Erbe geworden ist (vgl. zu alldem BGH vom 11.05.2006, NJW 2006, 2698). Wird der Erbfall in einer solchen Konstellation erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens bekannt bzw. im Sinne des § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO ermittelt, ist hinsichtlich des Nachlasses eine Nachtragsverteilung anzuordnen.
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bb) Die Konstellation einer Insolvenz eines Erben, dessen ihm zugewandter Nachlass einer Testamentsvollstreckung unterliegt, unterscheidet sich aber wesentlich von der im hiesigen Fall vorliegenden Konstellation der Insolvenz eines Pflichtteilsberechtigten, der nicht zugleich Erbe ist und dessen Pflichtteil einer Testamentsvollstreckung unterliegt. Denn der Pflichtteilsberechtigte hat gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB nur einen Pflichtteilsanspruch gegen den oder die Erben, der einen Zahlungsanspruch darstellt und nach erfolgreicher Geltendmachung dazu führt, dass der Pflichtteilsberechtigte seinen Pflichtteil als Geldbetrag erhält (vgl. BeckOGK/Obergfell, BGB, Stand 01.11.2024, § 2303 Rn. 20). Der Nachlass steht demgegenüber allein dem Erben zu, der dementsprechend für Nachlassverbindlichkeiten haftet (§ 1967 BGB). Nachlassgläubiger können sich daher nur an den Erben halten. Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, erhalten sie keinen Zugriff auf dessen Pflichtteil. Dementsprechend können nur Eigengläubiger des Pflichtteilsberechtigten, der nicht Erbe ist – im Insolvenzverfahren dessen Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) und Massegläubiger (§§ 53 ff. InsO) – auf den Pflichtteilsanspruch bzw. den Pflichtteil Zugriff nehmen. Im Fall einer Testamentsvollstreckung steht aber die Vorschrift des § 2214 BGB dem Zugriff dieser Gläubiger auf den Pflichtteil entgegen. Nachlassgläubiger gibt es hier nicht.
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cc) Im vorliegenden Fall bestand die Testamentsvollstreckung bereits während des Insolvenzverfahrens, so dass sie einem Zugriff der Insolvenz- und Massegläubiger entgegenstand.
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Des Weiteren ist die Testamentsvollstreckung auf Lebenszeit des Schuldners angeordnet. Sie besteht also auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt und verhindert weiterhin einen Zugriff der Gläubiger des Schuldners auf dessen Pflichtteil. Nach § 2214 BGB und § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO ist der Pflichtteil damit dauerhaft unpfändbar und gehört deshalb nicht zur Insolvenzmasse.
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6. Da aufgrund der Testamentsvollstreckung der Pflichtteilsanspruch des Schuldners nicht zur Masse gehörte und auch der ausgezahlte Pflichtteil nicht zur Masse gehört, handelt es sich bei dem Pflichtteilsanspruch bzw. Pflichtteil des Schuldners nicht um einen Gegenstand, der nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO zur Masse ermittelt wurde. Eine Nachtragsverteilung ist daher nicht anzuordnen.
IV.
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Da die Beschwerde erfolgreich war, hat der Beschwerdeführer keine Kosten zu tragen. Dem Insolvenzverwalter bzw. Treuhänder nach § 4 Satz 1 InsO, § 91 Abs. 1 ZPO Kosten aufzuerlegen, ist nicht sachgerecht. Die Kosten müssten aus den Einnahmen beglichen werden, die der Treuhänder in der Wohlverhaltensphase erzielt hat und die er für den Schuldner verwaltet. Die Kosten fielen damit wirtschaftlich betrachtet dem Schuldner zur Last. Der Zweck einer Kostenerstattung wird damit verfehlt.
V.
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Die Rechtsbeschwerde wird nach § 574 Abs. 1 und 2 ZPO zugelassen. Die Sache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde dient auch der Fortbildung des Rechts (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 1. Alt. ZPO).
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Der BGH hat mit Urteil vom 02.12.2010 entschieden, dass ein während des Insolvenzverfahrens vom Schuldner erworbener Pflichtteilsanspruch zur Insolvenzmasse gehört (BGH NJW 2011, 1448). Mit Urteil vom 11.05.2006 hat der BGH entschieden, dass ein Nachlass im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben auch dann in die Insolvenzmasse fällt, wenn für den Nachlass Testamentsvollstreckung angeordnet ist (BGH NJW 2006, 2698). Die im hier gegenständlichen Verfahren vorliegende Konstellation, dass während des laufenden Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Abkömmlings des Erblassers, der Abkömmling, der nicht zugleich Erbe ist, einen Pflichtteilsanspruch erwirbt, für den der Erblasser Dauertestamentsvollstreckung angeordnet hat, war bisher nicht Gegenstand einer höchstrichterlichen Entscheidung.