Titel:
Energielieferungsvertrag, Handelsvertreterrichtlinie, Auskunftsanspruch des Handelsvertreters, Provisionsansprüche, Entstehung des Provisionsanspruchs, Verjährung, Selbständiger Handelsvertreter, Ausgleichsanspruch, Unzulässiges Teilurteil, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Handelsvertretervertrag, Provisionsanspruch des Handelsvertreters, Feststellungsantrag, Zurückverweisung, Handelsvertreterausgleich, Transparenzgebot, Provisionsabrede, Bezifferter Schadensersatzanspruch, Zahlungsantrag, Provisionspflichtige
Schlagworte:
Provisionsanspruch, Einmalprovision, Folgeprovision, Handelsvertreterausgleich, Vertragsverlängerung, Stornohaftung, Transparenzgebot
Vorinstanz:
LG München I vom -- – 15 HK O 13883/20
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48587
Tenor
Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen:
Der mit Klageantrag zu 2 a) geltend gemachte Abrechnungsanspruch besteht nicht, da der Provisionsanspruch, über den abgerechnet werden soll, nicht besteht.
1. Nachdem nach § 6 Abs. 1 S. 1 des Vertriebsvertrags Telefonmarketing laut Anl. K 1 (im Folgenden mit VV abgekürzt) und Abschnitt I 1 der Anlage A zum VV der Vertriebspartner Anspruch auf Provision „für die während der Dauer des Vertriebsvertrages durch seine Vermittlung zwischen der Unternehmerin und Kunden abgeschlossenen Verträge“ (§ 6 Abs. 1 S. 1 VV) bzw. „für alle von ihm während der Dauer des Vertragsverhältnisses vermittelten Verträge zwischen der Unternehmerin und Kunden“ (Abschnitt I 1 der Anlage A zum VV) hat, begründet prinzipiell die Vermittlung jedes einzelnen von der Beklagten mit einem Kunden abgeschlossenen Strom- oder Gaslieferungsvertrages einen jeweils eigenen Provisionsanspruch des Vertriebspartners. Die Vereinbarung der Einmalprovision in § 6 Abs. 1 S. 3 VV und der Ausschluss von Folgeprovisionen in Abschnitt I 2 der Anlage 1 zum VV beziehen sich daher nur auf den jeweiligen gesondert zu betrachtenden
Energielieferungsvertrag. Vermittelt also der Vertriebspartner der Beklagten einen Kunden zum Abschluss eines Stromlieferungsvertrages, so erstreckt sich der vereinbarte Ausschluss von Folgeprovisionen nur auf diesen Stromlieferungsvertrag, nicht aber auf die spätere Vermittlung eines Gaslieferungsvertrages durch den Vertriebspartner mit demselben Kunden. Diese spätere Vermittlung eines Gaslieferungsvertrages löst einen eigenen Provisionsanspruch des Vertriebspartners aus, für den wiederum eine Folgeprovision für seine Verlängerung ausgeschlossen sein soll. Dieses Verständnis liegt auch dem Klageantrag zu 2 a) zu Grunde, da darin auf Anschlussverträge „der gleichen Art“ abgestellt wird.
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die so verstandene Regelung des § 6 Abs. 1 S. 3 VV, die für die Vermittlung der streitgegenständlichen Strom- und/oder Gaslieferverträge ausschließlich eine Einmalprovision vorsieht ebenso wirksam wie Abschnitt I 2 der Anlage 1 zum HV, der stipuliert, dass Provisionsansprüche für Folgeverträge nicht bestehen. Denn in der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 01.06.2005 – VIII ZR 335/04, Rdnr. 22), in der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. OLG Köln, Urteil vom 24.11.2023 – 19 U 146/22, Rdnr. 229) und im Schrifttum (vgl. Hopt in ders. HGB, 43. Auflage, München 2024, Rdnr. 19 zu § 87 HGB, Ströbl in Münchener Kommentar zum HGB, 5. Auflage, München 2021, Rdnr. 71 zu § 87 HGB, Fröhlich in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 3. Auflage, München 2023, Rdnr. 68 zu § 87 HGB) ist anerkannt, dass die Vereinbarung einer Einmalprovision und damit die Abbedingung des § 87 Abs. 1 S. 1 Var. 2 HGB, bei dem es sich um eine dispositive Vorschrift handelt, grundsätzlich zulässig ist. Damit kann eine Provisionspflicht im Falle einer durch den Kunden mit dem Unternehmer ausdrücklich vereinbarten Vertragsverlängerung (aktive Vertragsverlängerung) ausgeschlossen werden.
a. Wie sich aus der von der Klägerin in Bezug genommenen Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, Rdnr. 31 aE) ergibt, ist mit dem ungenutzten Ablauf eines Kündigungstermins, d.h. einer passiven Vertragsverlängerung, ohnehin kein neuer Geschäftsabschluss verbunden, sondern es wird lediglich das bestehende Dauerschuldverhältnis fortgesetzt, sodass insoweit ohnehin kein neuer Provisionsanspruch des Handelsvertreters entsteht. Der bei Abschluss des ursprünglichen Vertrags entstandene Provisionsanspruch des Handelsvertreters ist durch die vereinbarte Einmalprovision abgegolten.
b. Die Regelungen des § 6 Abs. 1 S. 3 VV und des Abschnitts I 2 der Anlage 1 zum VV führen – wie das Landgericht richtig ausführt – auch zu keinem Ausschluss von Überhangprovisionen iSd. § 87a Abs. 3 HGB. Denn die Vorschrift des § 87a Abs. 3 HGB regelt den Provisionsanspruch des Handelsvertreters für den Fall, dass der Unternehmer das Geschäft nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen wurde, und bestimmt, dass der Provisionsanspruch auch dann nicht entfällt, mit Ausnahme der in Satz 2 geregelten Konstellation. Im Hinblick auf die Vorschrift des § 87a Abs. 5 HGB kann daher der Provisionsanspruch nicht über die in § 87a Abs. 3 S. 2 HGB geregelten Fälle hinaus ausgeschlossen oder eingeschränkt werden, wenn der Unternehmer das Geschäft nicht oder nicht vertragsgemäß ausführt. Die hier fraglichen Klauseln beinhalten indes keine Regelungen für den Fall der nicht oder nicht vertragsgemäßen Ausführung des Geschäfts, sondern für das Entstehen des Provisionsanspruchs unabhängig davon (vgl. OLG Köln, Urteile vom 08.09.2023 – 19 U 73/22, Rdnrn 280 f. und vom 24.11.2023 – 19 U 146/22, Rdnr. 249).
Daran ändert auch die Argumentation der Klägerin in der Berufung (vgl. Berufungsbegründung S. 21, Rdnrn 45 ff., Bl. 605 f.) nichts. Demnach führten § 6 Abs. 1 S. 3 VV und Abschnitt I 2 der Anlage 1 zum VV nicht nur zum Ausschluss von Folgeprovisionen, sondern zugleich zum Ausschluss von Überhangprovisionen, weil im Falle einer passiven Vertragsverlängerung eine Provision auch für den Fall ausgeschlossen sei, dass der Unternehmer die sich verlängernden Verträge in vertragswidriger Weise nicht ausführe. Da diese Regelungen keine Rückausnahmen für diesen Fall vorsähen, seien sie gemäß § 87a Abs. 5 HGB unwirksam. Dies verfängt nicht, da es bei einer passiven Vertragsverlängerung nach der oben angeführten Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, Rdnr. 31 aE) gerade nicht zu einem Neuabschluss eines Geschäfts kommt. Abzustellen ist deshalb auf den ursprünglichen Vertragsabschluss, hinsichtlich dessen aber Überhangprovisionen gerade nicht ausgeschlossen sind.
c. § 6 Abs. 1 S. 3 VV und Abschnitt I 2 der Anlage 1 zum VV halten auch einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB stand. Eine Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung in § 87 Abs. 1 S. 1 HGB liegt nicht vor. Zwar wird einer der beiden in der vorgenannten Vorschrift enthaltenen Provisionstatbestände vollständig abbedungen, jedoch bleibt der Anspruch nach § 87 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 HGB (weitestgehend) erhalten.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Erteilung einer Abrechnung über die Provisionen, die der Klägerin aus der „Zusatzvereinbarung zum Vertriebsvertrag vom 18.05.2017“ laut Anl. K 3 (im Folgenden mit ZVNVP abgekürzt) aufgrund der von der … im Zeitraum vom 07.12.2017 bis zum 14.07.2020 vermittelten Verträge zwischen der Beklagten und Endkunden zustehen. Ein darüber hinausgehender Abrechnungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.
1. Entgegen der Ansicht des Landgerichts scheitert ein Provisionsanspruch nicht daran, dass die … kein „neuer Vertriebspartner“ der Beklagten iSd. § 1 S. 1 ZVNVP gewesen wäre. Ob – wie das Landgericht meint (LGU S. 22) – bereits im August 2017 und damit vor Abschluss der ZVNVP am 12.10.2017 feststand, dass die … neuer Vertriebspartner der Beklagten werden sollte, spielt für die Frage, ob die … ein „neuer Vertriebspartner“ ist, keine Rolle. Zum einen widerspricht diese Feststellung schon dem eigenen Vortrag der Beklagten, wonach die essentialia negotii Ende August 2017 gerade noch nicht verhandelt gewesen seien und es deshalb zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht zu einem Vertragsabschluss gekommen sei (vgl. Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 21.01.2021, S. 17, Bl. 455 d.A.). Damit kann begriffsnotwendig aber auch noch nicht festgestanden haben, dass die … neuer Vertragspartner wird. Zum anderen und davon unabhängig ist tatbestandliche Voraussetzung für das Entstehen des Provisionsanspruchs der Klägerin nach § 2 zweiter Spiegelstrich ZVNVP u.a., dass „die Unternehmerin mit dem NVP eine Vertriebspartnervereinbarung schließt“. Der Provisionsanspruch der Klägerin nach der ZVNVP knüpft damit ausdrücklich an den Vertragsabschluss zwischen der Beklagten und dem geworbenen Vertriebspartner an, sodass für die Frage, ob der Vertriebspartner „neu“ iSd. § 1 S. 1 ZVNVP ist, auch nur auf das Datum des Abschlusses des Vertriebsvertrages zwischen dem Vertriebspartner und der Beklagten abzustellen ist.
Dies war entgegen der Ansicht der Klägerin (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 18.03.2022, S. 7, Bl. 513 d.A.) ausweislich der Anlage B 30 der 07.12.2017, als der Geschäftsführer der Beklagten den schon vorher vom Geschäftsführer der … am 12.10.2017 unterschriebenen Vertriebsvertrag unterzeichnete. Erst durch die Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten am 07.12.2017 kam der Vertriebsvertrag zwischen der … und der Beklagten zustande.
2. Ein Provisionsanspruch der Klägerin kann auch nicht deswegen verneint werden, weil – was zwischen den Parteien streitig ist und mangels Entscheidungserheblichkeit offenbleiben kann – die … der Beklagten bereits im Jahr 2015 von einem anderen Unternehmen als potentieller Vertriebspartner bekanntgegeben worden und/oder die Vermittlung der … zum Zwecke der Generierung von Energielieferungsverträgen bereits im Jahr 2016 durch die … UG erfolgte wäre. Wie sich nämlich aus dem Email-Wechsel zwischen den Parteien vom 12./29.09.2017 laut Anl. K 4/43, K 5 und K 44 ergibt, waren sich beide darüber einig, dass die … als von der Klägerin geworbener Vertriebspartner der Beklagten iSd. ZV NVP betrachtet werden solle. Nur so lässt sich erklären, dass die Beklagte mit Email vom 12.09.2017, 10:53 Uhr laut Anl. K 4/K 43 der Klägerin die „Provisionsanlage On-Top-Provision für NVP: … Sale…ent GmbH CC-Strom/Gas – 24 Monate“ laut Anl. K 5 sowie die „Provisionsanlage On-Top-Provision für NVP: … Sale…ent GmbH CC-Strom/Gas – 12 Monate“ laut Anl. K 6 übermittelte mit der Bitte um Unterzeichnung und anschließende Rückleitung an die Beklagte. Wie von der Beklagten gewünscht sandte die Klägerin die beiden von ihr unterzeichneten Provisionsanlagen (Anl. K 42) am 13.09.2017 an die Beklagte zurück. Die Unterzeichnung beider Provisionsanlagen durch die Beklagte erfolgte am 28.09.2017. Die Beklagte schickte die von ihr unterzeichneten Provisionsanlagen mit Email vom 29.09.2017, 9:50 Uhr laut Anl. K 44 zusammen mit der „Zusatzvereinbarung zum Vertriebsvertrag vom 18.05.2017“ laut Anl. K 3, zurück an die Klägerin. Nachdem in den zwischen den Parteien hin- und hergehenden Emails explizit die … und nicht nur allgemein ein namentlich nicht bezeichneter „neuer Vertriebspartner“ aufgeführt ist, war nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien die … ein „neuer Vertriebspartner“, für dessen Umsätze die Klägerin Provision erhalten sollte.
3. Der Senat teilt auch nicht die vom Landgericht vorgenommene Auslegung der ZVNVP, wonach diese eine Verprovisionierung von Geschäften des neuen Vertriebspartners nur soweit vorsehe, als der neue Vertriebspartner nicht auf der Basis einer MAQ-Quote arbeite (LGU S. 22 – 24). Denn nur ohne MAQ-Quote sei die in der ZVNVP vorgesehene intensive Betreuung des neuen Vertriebspartners (§ 3 Abs. 2 ZVNVP) erforderlich, um Stornierungstatbestände zu vermeiden (vgl. Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 12.05.2021, S. 48 f., Bl. 313 f. d.A.).
a. Zunächst spricht schon der Wortlaut der ZVNVP gegen die vom Landgericht vorgenommene Auslegung, da er keinen Hinweis darauf enthält, dass die ZVNVP nur für neue Vertriebspartner gelten solle, die keine MAQ-Vereinbarung mit der Beklagten geschlossen haben; der Begriff „MAQ“ wird in der gesamten ZVNVP nicht verwendet. Er wird auch nicht umschrieben. Darüber hinaus soll nach dem Verständnis des Landgerichts und der Beklagten Voraussetzung für das Entstehen eines Provisionsanspruchs sein, dass im Verhältnis des neuen Vertriebspartners zur Beklagten eine individuelle Bearbeitung jedes einzelnen Stornos erforderlich sein solle, und ein Provisionsanspruch nicht bestehen solle, wenn eine (im Hinblick auf § 87a Abs. 3 HGB möglicherweise unwirksame) pauschale Regelung hinsichtlich der Behandlung stornierter Verträge zwischen dem neuen Vertriebspartner und der Beklagten geschlossen wurde. Dies widerspricht jedoch dem Wortlaut der Regelung des § 2 ZVNVP, in der abschließend vier Voraussetzungen für einen Provisionsanspruch des Handelsvertreters aufgezählt sind. Da in § 2 ZVNVP die Behandlung von Stornierungen auf der Grundlage des § 87a Abs. 3 HGB und damit der fehlende Abschluss einer MAQ-Vereinbarung gerade nicht als Voraussetzung für einen Provisionsanspruch benannt ist, ist nach dem Wortlaut des § 2 ZVNVP davon auszugehen, dass eine solche zusätzliche Voraussetzung auch nicht besteht.
b. Anders als die Beklagte meint (vgl. Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 16.07.2021, S. 23, Bl. 406 d.A.), ergibt sich auch nicht aus § 3 Abs. 1 ZVNVP, der auf die Erfüllung der „Stornohaftungszeit“ abstellt, dass die ZVNVP nur für neue Vertriebspartner ohne MAQ-Vereinbarung gilt. Denn § 3 Abs. 1 Unterabsatz 2 ZVNVP stipuliert ausweislich seiner systematischen Stellung außerhalb des § 2 ZVNVP, der die Voraussetzungen des Provisionsanspruchs vorgibt, eben keine Anspruchsvoraussetzungen. Vielmehr regelt er nur, dass ein widerrufener oder innerhalb der Stornohaftungszeit stornierter Vertrag keinen Provisionsanspruch begründet. Er bestimmt aber nicht den sachlichen Anwendungsbereich der ZVNVP.
c. Soweit das Landgericht und die Beklagte damit argumentieren, dass die in § 2 letzter Spiegelstrich ZVNVP als Provisionsvoraussetzung aufgeführte und in § 3 Abs. 2 ZVNVP näher definierte Betreuung des neuen Vertriebspartners durch den Handelsvertreter nur bei einer Stornierungstatbestände vermeidenden Vermittlungstätigkeit erforderlich sei (vgl. LGU S. 22 – 24, Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 12.05.2021, S. 49, Bl. 314 d.A.) und deshalb die ZVNVP auch nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf neue Vertriebspartner, die nach Maßgabe einer MAQ-Vereinbarung arbeiteten, anwendbar sei, so teilt der Senat diese Auffassung nicht. Zwar schlägt bei einer MAQ-Vereinbarung eine Stornierung nicht direkt und unmittelbar auf die Provision des neuen Vertriebspartners durch, da dieser eine feste Provisionsquote erhält. Jedoch wirken sich Stornierungen auf die Bemessung der MAQ-Quote und damit den Provisionsanpruch des neuen Vertriebspartners in der Folgezeit aus. Je höher die Stornierungen, desto niedriger wird in der Folge die MAQ-Quote festgesetzt. Der neue Vertriebspartner ist also bei Abschluss einer MAQ-Vereinbarung genauso auf eine Betreuung durch den Handelsvertreter angewiesen wie bei einer Provisionsabrede ohne MAQ-Vereinbarung auf der Grundlage von § 87a Abs. 3 HGB. Eine durch eine Betreuung des neuen Vertriebspartners durch den Handelsvertreter erreichte niedrigere Stornoquote liegt aber auch nicht nur im Interesse des neuen Vertriebspartners, sondern auch im unmittelbaren Interesse der Beklagten. Denn deren Verwaltungsaufwand steigt je höher die Stornorate der durch den neuen Vertriebspartner vermittelten Verträge ist und sinkt bei niedrigerer Stornorate.
3. Zu Unrecht hat das Landgericht den Abrechnungsanspruch der Klägerin über Provisionen nach der ZVNVP auch mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin habe – jedenfalls für den Zeitraum ab Oktober 2019 – nicht hinreichend substanziiert zu Betreuungsleistungen vorgetragen, die eine Provision begründen könnten. Auf die von der Klägerin erbrachten Betreuungsleistungen kommt es nämlich nicht an, da die Regelungen des §§ 2 vierter Spiegelstrich und 3 Abs. 2 ZVNVP gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam sind.
a. Gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB hat der Verwender Rechte und Pflichten der Vertragspartner möglichst klar und verständlich darzustellen. Dazu gehört auch, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen wirtschaftliche Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeit des durchschnittlichen Vertragspartners. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Dieses verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen (BGH, Urteil vom 19.05.2016 – III ZR 274/15, Rdnr. 26 m.w.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
b. Diesen Anforderungen genügen die Klauseln in § 2 vierter Spiegelstrich und § 3 Abs. 2 ZVNVP nicht. Denn es ist unklar, welche Betreuungsleistungen der Handelsvertreter nach § 2 vierter Spiegelstrich und § 3 Abs. 2 ZVNVP erbringen muss, um einen Provisionsanspruch zu begründen.
§ 3 Abs. 2 ZVNVP fordert vom Handelsvertreter, dass er als Ansprechpartner für den neuen Vertriebspartner fungiere und ihm in diesem Rahmen helfen und dazu anhalten solle, die Vertriebs- und Qualitätsrichtlinien einzuhalten, ihm die einzuhaltenden Prozesse zu erläutern und ihn einzuarbeiten. Bei der täglichen Bearbeitung solle er den neuen Vertriebspartner bezüglich aller Rückfragen unterstützen. Diesem Katalog lässt sich insbesondere nicht entnehmen, in welcher Intensität die darin aufgeführten Betreuungsleistungen zu erbringen sind, insbesondere wie oft und wie lange der Handelsvertreter seine Hilfstätigkeit ausüben muss. Auch ist unklar, wie weit die Überwachungsaufgaben des Handelsvertreters (Anhalten zur Einhaltung der Vertriebs- und Qualitätsrichtlinien) gehen, wie er diesen Kontrollaufgaben nachkommen soll und ob und gegebenenfalls welche Kontrollmöglichkeit er haben soll (bspw. Einsichtsrecht in die Bücher des neuen Vertriebspartners, Visitationen o.ä.). Zweifelhaft ist darüber hinaus auch, ob der Begriff des „Anhaltens“ ein Weisungsrecht des Handelsvertreters gegenüber dem neuen Vertriebspartner beinhaltet und ob der Handelsvertreter im Verhältnis zur Beklagten zu dessen Ausübung auch verpflichtet ist. Da der Aufgabekatalog dem Handelsvertreter auch die Einarbeitung des neuen Vertriebspartners auferlegt, ergibt sich daraus zwar, dass die Betreuungsleistungen bei zunehmender Erfahrung des neuen Vertriebspartners infolge längerer Tätigkeit für die Beklagte abnehmen kann, während der Vertragsdauer also nicht stets der gleiche Leistungsumfang geschuldet ist, über welchen Zeitraum die Einarbeitung in welcher Intensität zu erbringen ist, ist allerdings nicht geregelt.
Infolge dieser ungenauen Umschreibung der geforderten Betreuungsaufgaben entstehen für die Beklagte ungerechtfertigte Beurteilungsspielräume sowohl hinsichtlich der Art als auch der Intensität und des Umfangs der vom Handelsvertreter zu erbringenden Betreuungsleistungen und damit der Voraussetzungen für den Provisionsanspruch. Die Klägerin kann aufgrund dessen nicht erkennen, welche Tätigkeiten sie im konkreten Einzelfall erbringen muss, um einen Provisionsanspruch zum Entstehen zu bringen.
c. Der Annahme der Unwirksamkeit von § 2 vierter Spiegelstrich und § 3 Abs. 2 ZVNVP steht nicht entgegen, dass diese Regelungen die von der Klägerin als Gegenleistung für die Provisionszahlung zu erbringenden Leistungen betreffen und damit grundsätzlich nicht der Inhaltskontrolle des § 307 BGB unterfallen (vgl. zu diesem Grundsatz BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, Rdnr. 11 und Grüneberg in ders., BGB. 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 41 zu § 307 BGB). Denn ein – vorliegend gegebener – Verstoß gegen das Transparenzgebot führt gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 BGB auch bei Klauseln zur Unwirksamkeit, die das Preis-/Leistungsverhältnis betreffen (vgl. BGH, Urteil vom 12.10.2007 – V ZR 283/06, Rdnrn 13) oder eine Hauptleistung festlegen (vgl. BGH, Urteil vom 26.10.2005 – VIII ZR 48/05, Rdnrn 20 f.).
d. Gemäß § 306 Abs. 1 BGB führt die Unwirksamkeit von § 2 vierter Spiegelstrich und § 3 Abs. 2 ZVNVP auch nicht dazu, dass auch die restlichen Regelungen bezüglich des Provisionsanspruchs unwirksam würden. Die Vorschrift des § 306 Abs. 1 BGB gilt auch dann, wenn – wie hier – die unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingung eine Regelung betreffend die Hauptleistungspflicht enthält (vgl. Grüneberg in ders., BGB, 83. Auflage, München 2024, Rdnr. 3 zu § 306 BGB). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel. Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit ihre Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (blue-pencil-test) (BGH, Urteil vom 13.02.2020 – IX ZR 140/19, Rdnr. 26).
Der Senat sieht im vorliegenden Fall eine solche Trennbarkeit, da auch bei Wegfall der Erbringung einer Betreuungstätigkeit als Provisionsvoraussetzung eine sinnvolle Regelung verbleibt, die die Gewinnung eines neuen Vertriebspartners mit einer Provision auf die vom neuen Vertriebspartner der Beklagten vermittelten Verträge entgilt. Darüber hinaus entspricht die Vertragslage ohne die unwirksame Klausel der dispositiven gesetzlichen Rechtslage hinsichtlich des Handelsvertreters, der Geschäfte (hier neue Vertriebspartnerverträge) für den Prinzipal vermittelt und dafür Provision erhält. Dass die Parteien im Übrigen der Betreuungsleistung ohnehin nur eine begrenzte Wichtigkeit zumaßen, folgt auch aus der Regelung des § 5 Abs. 2 ZVNVP, in der stipuliert ist, dass selbst für den Fall der Nichterbringung der Betreuungsleistung durch den Handelsvertreter die Provision noch für weitere drei Monate zu bezahlen ist.
4. Die Provisionsansprüche der Klägerin sind entgegen der Annahme des Landgerichts auch nicht für den Zeitraum vor dem 23.10.2019 verjährt, da die Regelung des § 8 Abs. 1 VV, der in Verbindung mit § 7 ZVNVP eine zwölfmonatige Verjährungsfrist für Ansprüche aus allen Vertriebspartnervereinbarungen vorsieht, unwirksam ist.
a. Bei den streitgegenständlichen Ansprüchen auf Abrechnung von sogenannten ON-TOP-Provisionen, die die Klägerin für den Zeitraum vom 31.05.2017 bis 14.07.2020 geltend macht, handelt es sich um „Ansprüche aus diesem Vertrag“ iSd. § 8 Abs. 1 VV, da diese Bestimmung nach § 7 ZVNVP auch für Ansprüche aus der ZVNVP gilt. Damit richtet sich die Verjährung von Ansprüchen auf Provision nach der ZVNVP nach § 8 Abs. 1 VV, womit die vertraglichen Verjährungsregelung grundsätzlich die dispositiven gesetzlichen Verjährungsregeln verdrängen würde. Demnach würden Abrechnungsansprüche in 12 Monaten nach Fälligkeit gerechnet nach der Kenntniserlangung der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen verjähren.
Diese die gesetzliche kenntnisabhängige Verjährungsfrist der §§ 199 Abs. 1, 195 BGB verkürzende Regelung des § 8 Abs. 1 VV kommt jedoch nur zum Tragen, wenn sie im VV und der ZVNVP wirksam vereinbart werden konnte.
b. aa. § 8 VV ist nach Auffassung des Senats unwirksam, da damit zum einen gegen § 202 Abs. 1 BGB verstoßen wird. Denn nach dem Wortlaut des § 8 VV sind von der Verjährungsabkürzung auch Ansprüche wegen vorsätzlicher Vertragsverletzung erfasst, weil solche in § 8 VV nicht ausdrücklich ausgenommen sind (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 17.02.2016 – 3 U 118/15, Rdnr. 16 zur Klausel „Unberührt bleiben gesetzliche Regelungen, die eine längere Verjährungsfrist zwingend vorsehen“). Zum anderen stellt nach der ständigen Rechtsprechung des BGH eine generelle Verkürzung der Verjährungsfrist eine gemäß § 309 Nr. 7 b BGB unzulässige Haftungsbeschränkung dar, da sie die Haftung auch für grob fahrlässig begangene Pflichtverletzungen mittelbar erleichtert (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2015 – II ZR 341/14, Rdnr. 16 zur Klausel „Ansprüche verjähren innerhalb von 6 Monaten nach Kenntniserlangung, spätestens 3 Jahre nach Beitritt, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften oder abweichende vertragliche Regelungen entgegenstehen“).
bb. Der Vorbehalt in § 8 Abs. 2 VV, wonach „solche gesetzliche Regelungen (unberührt bleiben), die eine längere Verjährungsfrist unabdingbar vorsehen“, ändert an dem Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB nichts, da eine solche pauschale Herausnahme in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach § 307 BGB nicht möglich ist. Denn zum einen wird dadurch nicht hinreichend transparent gemacht, in welchem Umfang Abweichungen vom dispositiven Gesetzesrecht vereinbart werden und zum anderen kann das Verbot geltungserhaltender Reduktion von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht durch solche salvatorische Klauseln umgangen werden (vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2015 – II ZR 341/14, Rdnr. 19, OLG Stuttgart, Urteil vom 17.02.2016 – 3 U 118/15, Rdnr. 16 sowie Fröhlich in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 3. Auflage, München 2023, Rdnr. 78 zu § 87a HGB).
cc. Die Argumentation des Landgerichts, die oben in Bezug genommene Entscheidung des BGH vom 22.09.2015 sei nicht auf den streitgegenständlichen Fall übertragbar, hält der Senat nicht für zutreffend.
c. Aufgrund dieser Unwirksamkeit der Verjährungsregelung in § 8 VV bestimmt sich die Verjährung der Abrechnungsansprüche des Klägers daher nach den gesetzlichen Regeln der §§ 199 und 195 BGB. Da die ZVNVP am 12.10.2017 durch die Unterschrift des Geschäftsführers der Beklagten zu Stande gekommen war, begann die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB gemäß § 199 Abs. 1 BGB für Ansprüche aus der ZVNVP, die notwendigerweise erst nach Abschluss der Vereinbarung entstehen konnten, frühestens mit dem Schluss des Jahres 2017 und damit mit Ablauf des 31.12.2017. Die Verjährungsfrist endete frühestens nach dem Ablauf von drei Jahren und daher mit dem Ablauf des 31.12.2020. Da die Klage der Beklagten am 13.11.2020 und damit vor Ablauf der Verjährungsfrist zugestellt wurde (vgl. die PZU Bl. zu 99 d.A.), konnte die Klageerhebung die Verjährung noch gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen.
Die streitgegenständlichen Abrechnungsansprüche sind daher nicht verjährt.
Nach alledem hat die Klägerin gegen die Beklagte dem Grunde nach Anspruch auf Abrechnung von Provisionen nach der ZVNVP aufgrund der Vermittlungstätigkeit der …, da insoweit Provisionsansprüche der Klägerin nicht zweifelsfrei ausgeschlossen sind.
III. Klageanträge zu 6 a), c), e) und g)
Der Auskunftsanspruch nach § 242 BGB besteht dem Grunde nach, weil ein Ausgleichsanspruch der Klägerin nach § 89b HGB nicht zweifelsfrei ausgeschlossen ist. Insoweit ist der aus § 242 BGB abzuleitende Auskunftsanspruch zur Vorbereitung eines Zahlungsanspruchs nach § 89b HGB nicht anders zu behandeln als die im Zusammenhang mit Provisionsansprüchen nach § 87c HGB vorgesehenen Hilfsansprüche, die nur dann nicht bestehen, wenn ein Provisionsanspruch zweifellos ausgeschlossen ist.
1. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ein Ausgleichsanspruch der Klägerin nicht schon aufgrund der von ihr mit Schreiben vom 14.07.2020 laut Anl. K 33 erklärten außerordentlichen fristlosen Kündigung des VV, der ZVMAQ und der ZVNVP zweifellos ausgeschlossen.
a. Der Ausgleichsanspruch besteht nach § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder seiner Krankheit nicht zugemutet werden kann. Der Begriff des Verhaltens des Unternehmers ist dabei weit auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 13.03.1969 – VII ZR 174/66, Rdnr. 14; Urteil vom 28.11.1975 – I ZR 138/74, Rdnr. 20; jeweils zu § 89b Abs. 3 Satz 1 HGB a.F., der Vorläufervorschrift von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass an den „begründeten Anlass“ im Sinne von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB weniger strenge Anforderungen als an den des „wichtigen Grundes“ (§ 89a Abs. 1 HGB) zu stellen sind, so dass hierfür auch ein unverschuldetes oder sogar rechtmäßiges Verhalten des Unternehmers genügen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21.02.2006 – VIII ZR 61/04, Rdnr. 7; Urteil vom 13.12.1995 – VIII ZR 61/95, Rdnr. 7 m.w.N.). Da die beiden Begriffe sich nicht decken, kann ein Handelsvertreter im Einzelfall einen begründeten Anlass zur – ordentlichen – Kündigung haben und deshalb den Ausgleichsanspruch behalten, aber gleichwohl nicht zur fristlosen Kündigung befugt sein, weil ihm ein wichtiger Grund hierfür nicht zuzubilligen ist, insbesondere weil ihm eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses wenigstens bis zur Beendigung durch ordentliche Kündigung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 07.06.1984 – I ZR 50/82, Rdnr. 12; Beschluss vom 21.02.2006 – VIII ZR 61/04, Rdnr. 10). Erforderlich, aber auch ausreichend ist für einen begründeten Anlass im Sinne von § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB, dass durch das Verhalten des Unternehmers eine für den Handelsvertreter nach Treu und Glauben nicht mehr hinnehmbare Situation geschaffen wird (vgl. BGH, Urteil vom 13.08.2015 – VII ZR 90/14, Rdnr. 34). Auf die von der Beklagten ventilierte Frage, ob der Kündigung durch die Klägerin eine Abmahnung der Beklagten hätte vorausgehen müssen, kommt es daher nicht an, da für die Ausgleichsunschädlichkeit der Kündigung vom 14.07.2020 ausreichend, ist, dass ein begründeter Anlass für die Kündigung vorlag.
b. aa. Nach der Rechtsprechung des BGH ist im unberechtigten Vorenthalten von Provisionen ein begründeter Anlass zur Kündigung iSd. § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB zu sehen, wenn der Handelsvertreter durch das Verhalten des Unternehmers in eine für ihn nach Treu und Glauben nicht haltbare Lage kommt. Dies ist der Fall, wenn der Handelsvertreter hinsichtlich von vermittelten Geschäften in nicht unerheblichem Umfang befürchten muss, dass ihm der Unternehmer auch in Zukunft Provisionen streitig machen werde mit der Folge, dass der Handelsvertreter hinter verdienten Provisionen – sei es außergerichtlich, sei es im Wege der Klage – immer wieder „herlaufen“ muss (vgl. BGH, Urteil vom 16.02.1989 – I ZR 185/87, Rdnr. 15).
bb. Diese vom BGH aufgestellten Voraussetzungen sind jedenfalls aufgrund der im Email der Beklagten vom 03.07.2020, 08:09 Uhr laut Anl. K 33 auch erklärten Weigerung, sogenannte ON-TOP-Provisionen nach der ZVNVP aus von der … vermittelten Geschäften mit Endkunden aufgrund der Vermittlung der … als neuem Vertriebspartner der Beklagten durch die Klägerin zu zahlen, erfüllt. Denn – wie bereits oben unter II. ausgeführt – hat die Klägerin gegen die Beklagte Provisionsansprüche aus der ZVNVP aufgrund der Vermittlung der … Dass die … Energielieferungsverträge der Beklagten vermittelte, ist zwischen den Parteien unstreitig.
Damit bestand ein begründeter Anlass für die Kündigung des VV durch die Klägerin iSd. § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB bereits allein auf Grund der Weigerung der Beklagten, die nach der ZVNVP geschuldeten Provisionen zu zahlen.
cc. Obwohl es damit bezogen auf den Klageantrag zu 6) entscheidungserheblich gar nicht mehr darauf ankommt, gab aber auch die in derselben Email vom 14.07.2020 enthaltene Weigerung der Beklagten, restliche Provisionen für die Vermittlung von Energielieferverträgen durch die Klägerin zu zahlen, einen begründeten Anlass zur Kündigung. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung restlicher Provisionen, da die in der „Zusatzvereinbarung MAQ70“ laut Anl. K 2 (im Folgenden mit ZVMAQ abgekürzt) enthaltenen Klauseln „Abgerechnet wird nach MAQ70, ohne jegliche weitere Berechnung von Stornos“ und „Es werden pauschal 70% auf die in Anlage 2 zum Vertriebsvertrag festgesetzte mögliche Gesamtprovision erfolgreich angenommene Aufträge verprovisioniert“ zum Nachteil des Handelsvertreters von der Regelung des § 87a Abs. 3 HGB abweichen und deshalb unwirksam sind.
Wie sich aus dem vorletzten Absatz der ZVMAQ ergibt, sind die Parteien bei Abschluss der ZVMAQ und insbesondere bei der Vereinbarung der 70%-Quote davon ausgegangen, dass die Quote der infolge von Widerrufen und sonstigen Stornierungsgründen nicht ausgeführten Verträge jedenfalls nicht über 30% der insgesamt von der Klägerin vermittelten Verträge liegt. Sollte sich in der späteren Vertragsdurchführung zeigen, dass die Quote der nicht ausgeführten Verträge von den ursprünglich vereinbarten 30% abweicht, sollten die Parteien eine neue MAQ-Vereinbarung aushandeln. Der ZVMAQ liegt damit der Gedanke zu Grunde, dass ein Provisionsanspruch des Handelsvertreters für alle nicht ausgeführte Verträge nicht bestehen soll, da sich die MAQ-Quote nach dem Anteil nicht ausgeführter Verträge richtet. Provisioniert werden damit bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur ausgeführte Verträge. Dies widerspricht aber der Regelung des § 87a Abs. 3 HGB, wonach der Handelsvertreter grundsätzlich auch dann einen Provisionsanspruch hat, wenn feststeht, dass der Unternehmer das Geschäft ganz oder teilweise nicht oder nicht so ausführt, wie es abgeschlossen wurde, und dieser Provisionsanspruch nur dann entfällt, wenn die Nichtausführung des Geschäfts auf vom Unternehmer nicht zu vertretenden Umständen beruht (vgl. Fröhlich in Flohr/Wauschkuhn, Vertriebsrecht, 3. Auflage, München 2020, Rdnr. 69 zu § 87a HGB).
Diese Abweichung von § 87a Abs. 3 HGB ist auch für den Handelsvertreter nachteilig, da damit auch solche Verträge nicht verprovisioniert werden, deren Nichtausführung der Unternehmer zu vertreten hat. Der Unternehmer muss also anders als nach § 87a Abs. 3 HGB auch nicht darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass er die Nichtausführung nicht zu vertreten hat.
Damit verstoßen die verwendeten Formularklauseln gegen zwingendes Recht (§ 87a Abs. 3, 5 HGB) und benachteiligen den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB; zu dieser Folge vgl. BGH, Urteil vom 21.10.2009 – VIII ZR 286/07, Rdnr. 26).
Es kann insoweit offenbleiben, ob damit ein Provisionsanspruch der Klägerin bereits für jeden von ihr vermittelten Vertrag unabhängig von einer späteren Nichtausführung entsteht, nachdem unter Punkt 1 der ZVMAQ stipuliert ist „1. Anlage 1 (Einmalprovision) Punkt I (4). Dieser Punkt wird ausgeschlossen. Sobald der Vertrag zum Tragen kommt, ist der Provisionsanspruch entstanden. Ein Zusammenhang zwischen Provisionsanspruch und Abschlagszahlungen des Kunden wird ausgeschlossen.“ oder ob die gesetzliche Regelung des § 87a Abs. 3 HGB zur Anwendung kommt.
Denn selbst gemäß § 87a Abs. 3 HGB bestünde ein uneingeschränkter Provisionsanspruch der Klägerin aus § 6 VV Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 zum VV, da die Beklagte weder dargelegt noch bewiesen hat, dass sie die Nichtausführung der von der Klägerin vermittelten Verträge nicht zu vertreten hat.
Auf die von der Klägerin abgegebenen Anerkenntnisse bezüglich der Abrechnungen Nrn 00077 vom 25.07.2018, 00093 vom 29.08.2018, 00102 vom 26.09.2018, 00115 vom 31.10.2018, 00123 vom 28.11.2018, 00141 vom 30.01.2019 und 00147 vom 20.02.2019 laut Anlagenkonvolut B 25 kommt es unabhängig von einer etwaigen Kondizierbarkeit aufgrund der Unwirksamkeit von Klauseln in der ZVMAQ insoweit nicht an. Denn diese Anerkenntnisse betreffen nur Provisionsansprüche bis 20.02.2019 (Abrechnung 00147). Bis zur Kündigung des Handelsvertretervertrages durch die Klägerin am 14.07.2020 sind aber aufgrund der Nichtanwendbarkeit des MAQ-Verfahrens neue Restprovisionsforderungen der Klägerin gegen die Beklagten aufgelaufen, deren Begleichung die Beklagte verweigerte.
2. Ein Ausgleichsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte ist auch nicht deshalb von vorneherein ausgeschlossen, weil die Parteien in § 6 Abs. 1 S. 3 VV eine Einmalprovision vereinbart und damit inhaltlich übereinstimmend in Abschnitt I. 2 der Anlage 1 zum VV Folgeprovisionen ausgeschlossen haben. Denn eine solche Vereinbarung einer Einmalprovision schließt weder von vorneherein das Bestehen von Unternehmervorteilen iSd. § 89 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB aus noch macht sie einen Handelsvertreterausgleich nach § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB per se unbillig.
Nach § 89b Abs. 1 S. 1 HGB hat der Handelsvertreter gegen den Unternehmer einen Ausgleichsanspruch, wenn und soweit der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat (§ 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB) und die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht (§ 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB). Nach der Neufassung des § 89b Abs. 1 S. 1 HGB ist – anders als nach der bis 04.08.2009 geltenden Rechtslage (§ 89 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB) – ein Provisionsverlust des Handelsvertreters auch kein selbständiges Tatbestandsmerkmal bzw. Zumessungskriterium.
a. aa. Zunächst schließt die – wie oben unter I dargelegt – wirksame Vereinbarung einer Einmalprovision einen Provisionsverlust schon nicht von vorneherein aus. Denn – wie oben unter I ausgeführt – ist auf jeden einzelnen vom Vertriebspartner vermittelten Vertrag zwischen der Beklagten und einem Kunden abzustellen. Damit kann dem Vertriebspartner dadurch ein Provisionsverlust entstehen, dass ein von ihm während der Dauer des Handelsvertretervertrages der Beklagten vermittelter Stromkunde zu einem nach Beendigung des Handelsvertretervertrages liegenden Zeitpunkt einen Gaslieferungsvertrag mit der Beklagten schließt (vgl. zur Bejahung eines möglichen Provisionsverlusts in einem solchen Fall OLG Köln, Urteil vom 26.01.2024 – 19 U 140/22, Rdnr. 68). Für einen solchen Fall geht auch der EuGH von „dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen“, d.h. einem Provisionsverlust aus (EuGH, Urteil vom 23.03.2023 – C-574/21, Rdnr. 66). Allein auf Grund dieses möglichen Provisionsverlusts sind daher Unternehmervorteile nicht auszuschließen.
bb. Im Übrigen bemisst der BGH die durch den Handelsvertreterausgleich abzugeltenden Unternehmervorteile unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 26.03.2009 – C-348/07, Rdnr. 22) nach dem „goodwill“, also der durch die vom Handelsvertreter durch die geworbenen Neukunden geschaffene oder die Erweiterung der Geschäftsbeziehung zu bestehenden Kunden herbeigeführte Steigerung des Geschäfts- oder Firmenwerts des Geschäftsbetriebs des Unternehmers (vgl. BGH, Urteil vom 24.09.2020 – VII ZR 69/19, Rdnr. 18). Diese Unternehmervorteile sind dadurch nicht von vorneherein durch die dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen iSd. § 89 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB bzw. Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a zweiter Spiegelstrich der Richtlinie vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (86/653/EWG – im folgenden als Handelsvertreterrichtlinie bezeichnet) begrenzt (BGH, Urteil vom 24.09.2020 – VII ZR 69/19, Rdnr. 17). Selbst wenn also infolge der zwischen den Parteien vereinbarten Einmalprovision und des Ausschlusses von Folgeprovisionen ein Provisionsverlust der Klägerin zu verneinen sein sollte (wovon der Senat wie oben dargelegt nicht per se ausgeht), schlösse dies einen Handelsvertreterausgleich jedenfalls nicht schon wegen fehlender Unternehmervorteile iSd. § 89b Abs. 1 S. 1 HGB von vorneherein aus (vgl. OLG Düsseldorf, Urteile vom 25.06.2010 – 16 U 191/09, Rdnr. 33 und vom 27.01.2017 – I-16 U 171/15, Rdnr. 51; OLG Köln, Urteile vom 19.06.2015 – 19 U 109/15, Rdnr. 69 und vom 26.01.2024 – 19 U 140/22, Rdnr. 59; ebenso Emde in Staub, HGB, 6. Auflage, 2021, Rdnr. 294 zu § 89b HGB; einen Handelsvertreterausgleich jedenfalls nicht schon bereits auf der Ebene der Unternehmervorteile ausschließend auch OLG Stuttgart, Urteil vom 19.09.2012 – 3 U 195/11, Rdnr. 46).
cc. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass Provisionsverluste der Klägerin nach der ZVNVP auch im Hinblick auf die Vermittlung der … in Betracht kommen.
b. aa. Da nach der oben unter a dargelegten Ansicht des Senats Provisionsverluste trotz der vereinbarten Einmalprovision nicht per se unmöglich sind, kann die Billigkeit eines Ausgleichs auch nicht – wie die Beklagte behauptet – mit fehlenden Provisionsverlusten von vorneherein ausgeschlossen werden.
bb. Im Übrigen kann es auch beim Fehlen von Provisionsverlusten der Billigkeit iSd. § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB entsprechen, dem Handelsvertreter einen Ausgleich zuzubilligen, soweit dem Unternehmer Vorteile aus den vermittelten Geschäften verbleiben. Gegen einen solchen kategorischen Ausschluss eines Ausgleichs bei fehlenden Provisionsverlusten spricht schon der Wortlaut des § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB, wonach der Provisionsverlust nur einen Aspekt der Billigkeitsprüfung darstellt (“insbesondere“). Der EuGH hat daher unter Bezugnahme auf den Wortlaut von Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a zweiter Spiegelstrich der Richtlinie vom 18.12.1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (86/653/EWG – im folgenden als Handelsvertreterrichtlinie bezeichnet), der insoweit dem Wortlaut von § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB entspricht, entschieden, „dass die „dem Handelsvertreter entgehenden Provisionen“ im Sinne dieser Bestimmung nur einen von mehreren Faktoren (darstellten), die bei der Beurteilung der Billigkeit des Ausgleichs zu berücksichtigen (seien). Die Wahl einer bestimmten Art von Provision, wie z. B. der Einmalprovisionen, könne daher den in dieser Bestimmung vorgesehenen Anspruch auf Ausgleich nicht in Frage stellen. Andernfalls bestünde die Gefahr einer Umgehung dieses in Art. 19 der Richtlinie zwingend vorgesehenen Anspruchs auf Ausgleich“ (EuGH, Urteil vom 23.03.2023 – C-574/21, Rdnr. 63). Die von der Beklagten in Bezug genommene Rechtsprechung des OLG Stuttgart (Urteil vom 19.09.2012 – 3 U 195/11, Rdnr. 46), wonach ein Ausgleich bei Einmalprovisionen in der Regel nicht der Billigkeit entspreche, ist damit überholt.
Bei fehlenden Provisionsverlusten in jedem Fall die Billigkeit eines Ausgleichs zu verneinen, würde darüber hinaus dazu führen, die in § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HGB getroffenen gesetzgeberische Wertung, wonach Provisionsverluste nicht mehr tatbestandliche Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch sein sollen, dadurch zu umgehen, dass nunmehr die Billigkeitsvoraussetzung des § 89b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HGB in jedem Fall einen Provisionsverlust erfordert.
Nach alledem schließt die Vereinbarung der Einmalprovision einen Handelsvertreterausgleich nicht per se aus (ebenso Emde in Staub, HGB, 6. Auflage, 2021, Rdnrn 294 ff. zu § 89b HGB, Ströbl in Münchener Kommentar zum HGB, 5. Auflage, München 2021, Rdnr. 117 zu § 89b HGB, Hopt in ders., HGB, 43. Auflage, München 2024, Rdnr. 26), sodass deswegen dem Grunde nach auch ein Auskunftsanspruch der Klägerin aus § 242 BGB nicht verneint werden kann.
3. Der demnach dem Grunde nach gegebene Auskunftsanspruch der Klägerin nach § 242 BGB besteht jedoch nur insoweit, als die gewünschten Informationen zur Bemessung eines etwaigen Auskunftsanspruchs erforderlich sind (BGH, Urteil vom 24.09.2020 – VII ZR 69/19, Rdnr. 12 aE).
a. Da die Klägerin bereits in der Klageschrift (dort S. 47 unter Rz. 115) unwidersprochen vorgetragen hatte, dass sie keine Kenntnisse über die genaue Anzahl der Energielieferungsverträge, die die Beklagte auf der Grundlage der Vermittlungstätigkeit der Klägerin abschloss und durchführte, habe, weil ihr seit dem Abschluss der ZVMAQ nur bekannt sei, wie viele Verträge die Beklagte als provisionspflichtig angenommen habe, kann sie von der Beklagten Auskunft über den Kundennamen, die Kundennummer, den Vertragsbeginn sowie den Energieliefertarif verlangen.
b. Eine Erforderlichkeit der Auskunftserteilung besteht dagegen nicht hinsichtlich des mit den vermittelten Verträgen realisierten Deckungsbeitrags I (Rohertrag) (Klageantrag 6 a und 6 e). Nach der Rechtsprechung des BGH ist der vom Unternehmer mit dem betreffenden Produkt insgesamt erzielte Rohertrag, der diesem von seinen Erlösen nach Abzug der variablen Kosten verbleibt, nämlich grundsätzlich keine taugliche Grundlage für die Berechnung der Vorteile des Unternehmers im Sinne des § 89b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB, weshalb ein darauf gerichteter Auskunftsanspruch des Handelsvertreters prinzipiell nicht besteht. Denn der Vorteil des Unternehmers liegt darin, die vom Handelsvertreter geschaffene Geschäftsverbindung nach Beendigung des Vertrags weiterhin nutzen zu können. Es geht damit um eine Bewertung des vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamms. Dieser Wert ist von der Gewinnmarge zu unterscheiden, die der Unternehmer insgesamt mit dem Vertrieb des Produkts erzielen kann. Der Beitrag des Handelsvertreters zu dem vom Unternehmer erzielten Gewinn besteht in der Vermittlung von Geschäften für den Unternehmer, für die er die vertraglich vereinbarte Provision erhält; der Handelsvertreter ist dagegen nicht für die Herstellung und die Qualität des vertriebenen Produkts verantwortlich (BGH, Urteil vom 24.09.2020 – VII ZR 69/19, Rdnr. 19 – 20).
Soweit die Klägerin gegen die Übertragbarkeit dieser BGH-Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall in der Berufung argumentiert, dass die Entscheidung des BGH vom 24.09.2020 auf Warenvertreter (bzw. Vertragshändler) bezogen gewesen sei, die Klägerin aber (unstreitig) nicht als Warenvertreterin tätig geworden sei, sondern Dauerschuldverhältnisse vermittelt habe (vgl. Berufungsbegründung S. 38, Rdnr. 134, Bl. 622 d.A.), so dringt sie damit nicht durch. Denn es ist unerheblich, ob das vom Handelsvertreter vermittelte Geschäft ein Kaufvertrag über eine Sache oder ein Dauerschuldverhältnis über den Bezug von Energie ist. In beiden Fällen greifen gleichermaßen die Erwägungen des BGH, wonach die Bewertung des vom Handelsvertreter geschaffenen Kundenstamms, nichts mit der Rentabilität des Geschäfts zu tun hat.
c. Aus den Gründen, aus denen der Auskunftsanspruch bezüglich des Deckungsbeitrags I abzulehnen war, besteht auch kein Anspruch auf Auskunft über den Deckungsbeitrag II (Rohertrag abzüglich Fixkosten) (Klageantrag zu 6 c und 6 g).
Nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO darf das Berufungsgericht die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges nur zurückverweisen, wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Klage abgewiesen ist und eine Partei die Zurückverweisung beantragt, es sei denn, dass der Streit über den Betrag des Anspruchs zur Entscheidung reif ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO entsprechend anzuwenden, wenn das erstinstanzliche Gericht – wie im vorliegenden Fall – eine Stufenklage insgesamt abgewiesen hat, das Berufungsgericht hingegen dem Abrechnungs- und Auskunftsanspruch – jedenfalls zum Teil – stattgibt (vgl. BGH, Urteil vom 03.05.2006 – VIII ZR 168/05, Rdnr. 14 und OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 02.04.2020 – I-16 U 6/19, Rdnr. 50).
Der Senat beabsichtigt daher, in einem Endurteil nur über die im Rahmen einer Stufenklage gestellten Abrechnungs- und Auskunftsanträge laut der Klageanträge zu 2 a), 4 a), 6 a), c), e) und g) zu entscheiden und die Sache im Übrigen entsprechend § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO auf den in der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2024 gestellten Zurückverweisungsantrag der Beklagten hin an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klageanträge zu 1), 3), 5) und 7), bei denen es sich nicht um Anträge im Rahmen einer Stufenklage handelt, sind auch noch nicht entscheidungsreif iSd. § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO. Denn bei einer Entscheidung des Senats auch über die Klageanträge zu 1), 3), 5) und 7) besteht die Gefahr eines Widerspruchs zu den noch nicht entschiedenen Leistungsstufen der Klageanträge zu 2), 4) und 6).
So ist im Rahmen des bezifferten Zahlungsantrags zu 1) u.a. über die Verjährung und damit über die Wirksamkeit von § 8 VV zu befinden. Diese Frage ist aber auch im Rahmen des Stufenklageantrags zu 4) entscheidungserheblich (vgl. oben unter IV 4).
Der Feststellungsantrag zu 3) betrifft ebenso wie der Stufenklageantrag zu 2) die Zulässigkeit der Vereinbarung einer Einmalprovision.
Im Rahmen des Feststellungsantrags zu 5) ist darüber zu entscheiden, ob die Beklagte im Hinblick auf von der … vermittelte Verträge aufgrund der ZVNVP eine ON-TOP-Provision an die Klägerin zu zahlen hat. Dabei ist – genau wie im Rahmen des Klageantrags zu 4 – darüber zu urteilen, ob die Vermittlungstätigkeit der … überhaupt in den Anwendungsbereich der ZVNVP fällt.
Der mit dem Klageantrag zu 7) geltend gemachte (noch nicht bezifferte)
Schadensersatzanspruch wird bei der Bestimmung der Höhe des Handelsvertreterausgleichs zu berücksichtigen sein.
Diese drohende Widersprüchlichkeit hindert gemäß § 301 ZPO eine Entscheidung des Senats über die Klageanträge, die nicht in einem Stufenverhältnis stehen. Dass es auch zu Widersprüchen innerhalb der Stufenklageanträge zu 2), 4) und 6 kommen kann, ist dagegen in Anbetracht des § 254 ZPO unschädlich und macht eine gesondert und vorab ergehende Entscheidung über die Abrechnungs- und Auskunftsstufe nicht nach § 301 ZPO unzulässig. Insoweit liegt kein unzulässiges Teilurteil vor (vgl. Feskorn in Zöller, 35. Auflage, Köln 2024, Rdnr. 16 zu § 301 ZPO m.w.N.).
Die Zurückverweisung ist auch zweckmäßig, da den Parteien bezüglich aller Zahlungs- und Feststellungsanträge zwei Instanzen verbleiben sollen und bislang kein für die Entscheidung relevantes Zahlenmaterial vorgetragen ist.
Obwohl im Rahmen der vom Senat beabsichtigten Entscheidung nur über die mit den Klageanträgen zu 2 a), 4 a) und 6 a), c), e) und g) geltend gemachten Abrechnungs- und Auskunftsansprüche noch nicht zur Entscheidung anstehend weist der Senat ergänzend noch auf Folgendes hin:
1. Im Rahmen des Klageantrags zu 1) kommt es aufgrund der Unwirksamkeit der ZVMAQ nicht darauf an, inwieweit zwischen den Parteien eine Vereinbarung über eine Absenkung der MAQ-Quote erfolgten. Der Provisionsanspruch des Klägers bemisst sich nach § 87a Abs. 3 HGB, sodass die Klägerin dem Grunde nach Anspruch auf alle von ihr vermittelten Verträge hat, sofern diese nicht widerrufen wurden. Die Beklagte müsste sodann für jeden einzelnen Vertrag darlegen und ggf. beweisen, dass sie die Nichtausführung nicht zu vertreten hat. Dazu ist bislang kein Vortrag der Beklagten erfolgt.
Die vorgelegten Anerkenntnisse in den Abrechnungen Nrn 00077 vom 25.07.2018, 00093 vom 29.08.2018, 00102 vom 26.09.2018, 00115 vom 31.10.2018, 00123 vom 28.11.2018, 00141 vom 30.01.2019 und 00147 vom 20.02.2019 laut Anlagenkonvolut B 25 sind (unabhängig von ihrer etwaigen Kondizierbarkeit) keine Saldenanerkenntnisse, da in diesen Anerkenntnissen nicht auf einen bestimmten Saldo Bezug genommen wird. Die Anerkenntnisse beziehen sich entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht auf eine bestimmte MAQ-Quote.
2. Der Klageantrag zu 7) ist ein nicht bezifferter Zahlungsantrag, der mangels Bestimmtheit unzulässig ist.
Der mit dem Klageantrag zu 7) geltend gemachte Schadensersatzanspruch, von dessen Bestehen dem Grunde nach der Senat nach derzeitigem Sachstand ausgeht, wird bei der Bestimmung der Höhe des Handelsvertreterausgleichs zu berücksichtigen sein.
Die Parteien haben Gelegenheit, zu diesen Hinweisen des Senats bis 31.10.2024 Stellung zu nehmen.
Der Senat regt im Hinblick auf die unabsehbare Dauer des Verfahrens nochmals dringlich an, sich auf der Grundlage der obigen Hinweise gütlich zu einigen.
1. Beschluss vom 06.08.2024 hinausgeben an: