Titel:
Höhe der Mietminderung, Verrichtungsgehilfen, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Versicherungsschutz, Feststellungsantrag, Vorrang der Leistungsklage, Versicherungsnehmer, Elektronisches Dokument, Feststellungsklage, Freisitz, Nach Klageänderung, Mietausfallschaden, Betriebshaftpflichtversicherung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Herabsetzung des Streitwertes, Ausgleichsanspruch, Klageerweiterung, Einräumung eines Sondernutzungsrechts, Elektronischer Rechtsverkehr, Verschuldensunabhängige Haftung
Schlagworte:
Klageänderung, Feststellungsklage, Auswahlverschulden, Mietminderung, Substanzverletzung, Verkehrssicherungspflicht, Schadensersatz
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 28.07.2025 – 19 U 2640/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48565
Tenor
1. Der Beklagte zu 2 wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3400 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4.2.23, sowie Euro 1219,04 an vor gerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils seit 22.1.23 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2 sämtliche weiteren Schäden der Klägerin aufgrund der Substanzbeschädigung der Mauer zwischen den Grundstücken R...str.2a und L...straße 12 in M. und der Beschädigung des Freisitzes auf dem Grundstück L...str.12 in M., welche auf die Beseitigung der Schädigung bzw. auf die Nutzungsbeeinträchtigung zurückzuführen sind, zu ersetzen hat.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Gerichtskosten und ihren außergerichtlichen Kosten trägt die Klägerin 50%. Im Übrigen trägt diese der Beklagte zu 2. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten des Beklagten zu 1 trägt die Klägerin. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten selbst.
5. Das Urteil ist für jeweils für die Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 23.400,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht Ansprüche wegen Beschädigung einer Grenzmauer geltend.
2
Die Klägerin ist zumindest Miteigentümerin des Anwesens L. straße 12 in M. A.. Der Beklagte zu 2 ist Miteigentümer des angrenzenden Grundstücks R. str.2a. Die Grundstücke sind durch eine Mauer voneinander abgegrenzt.
3
Die Beklagte zu 1 ist Bauunternehmen und wurde vom Beklagten zu 2 mit dem Abriss des Altbaus und der Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück R.str. 2a beauftragt.
4
Im Rahmen der von der Beklagten zu 1 für den Beklagten zu 2, nebst weiteren 5 Auftraggebern beabsichtigten Neubau-Errichtung musste zunächst das alte Gebäude auf der R. Str. 2 a abgerissen werden. Hierzu beauftragte die Beklagte zu1 als Subunternehmen die Firma A1., Abbruch-Erd- und Tiefbau, Dr. E.-Str. 4 in 8... N. an der D..
5
Die Mieter der Klägerin im Anwesen L. straße 12 bemerkten am Vormittag des 25.10.2019, dass im Rahmen der Abbrucharbeiten auf dem Nachbargrundstück durch einen Bagger der Firma A1. der überdachte Freisitz und die Grenzmauer stark beschädigt wurden. Sie informierten sofort die Klägerin.
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Die Klägerin besah sich daraufhin die Schäden, wobei Frau A2. von der Firma A1. bereits vor Ort war und gegenüber der Klägerin einräumte, dass am Tag zuvor, somit am 24.10.2019 ein Mitarbeiter der Firma A1. mit dem Bagger versehentlich an das Mauerwerk des Freisitzes geraten sei und dort Schaden verursacht habe. Frau A2. notierte auf einem Zettel die Kontaktdaten der Firma A1. und teilte der Klägerin mit, dass der Schadensfall beim Betriebshaftpflichtversicherer unverzüglich gemeldet werden würde und sich dieser dann um die Schadensregulierung kümmern werde. Der Versicherer würde insbesondere einen Gutachter zur Ermittlung der Schadenshöhe schicken.
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In der Folgezeit rief die Klägerin, mehrmals bei Frau … von der Firma A1. an, um sich nach dem Stand des Verfahrens zu erkundigen.
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Nachdem sich der Betriebshaftpflichtversicherer der Firma A1. nicht bei der Klägerin meldete und insbesondere sich auch kein Gutachter ankündigte, rief die Klägerin am 26.11.2019 bei der R & V Versicherung an. Dort wurde ihr die Schadensnummer mitgeteilt und darüber hinaus, dass noch nichts veranlasst wurde, weil die Firma A1. keinerlei Kontaktdaten der Klägerin weitergeleitet habe.
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Die Klägerin meldete per E-Mail am 26.11.2019 der R & V Versicherung nochmals das Schadensereignis unter Vorlage von Lichtbildern und unter dem Hinweis, dass der Schaden dringend durch einen Sachverständigen festgestellt werden müsse.
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Es habe die Schadensausweitung gedroht und der Freisitz, der von den Mietern der Klägerin mit angemietet wurde, sei unbenutzbar.
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Am 28.11.2019 teilte die R & V Versicherung der Klägerin mit, dass sie keine Schadensleistungen erbringen werde, weil ihr Versicherungsnehmer keinen Versicherungsschutz genießt.
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Am 29.11.2019 veranlasste die Klägerin Abstützungs- und Absicherungsmaßnahmen zur Verhinderung einer Schadensausweitung. Zudem beauftragten die Klägerin das Sachverständigenbüro SRP S. und R. in M. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens. Die Kosten für die erforderlichen Sanierungsarbeiten schätzte der Sachverständige mit netto Euro 15.000,00 bis 20.000,00.
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Die Klägerin machte daraufhin ihre Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten zu 1 geltend, die an ihren Betriebshaftpflichtversicherer verwies, aber auch behauptete, nicht Bauherr zu sein. Der Betriebshaftpflichtversicherer der Beklagten zu 1 lehnte die Ansprüche ab mit der Begründung, dass kein Versicherungsschutz bestünde.
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Der Beklagte zu 2 meldete den Schaden an seinen privaten Haftpflichtversicherer. Dieser hat ein Teil des Schadens (Sachverständigengebühren und Kosten der Notmaßnahmen) erstattet, die Kosten für die Reparatur der Mauer und des Freisitzes und sonstige Schäden lehnte er ab mit der Begründung, dass den Beklagten zu 2 kein Verschulden trifft.
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Mit Anwaltsschreiben vom 23.01.2020 wurde die Beklagte zu 1 unter Fristsetzung zum 05.02.2020 aufgefordert, schriftlich zu erklären, dass sie für die Schäden der Kläger vollumfänglich haftet und als Vorschussleistung für den Schaden einen Betrag in Höhe von Euro 20.000,00 anweist.
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Mit Anwaltsschreiben vom 27.01.2020 wurde die Beklagte unter Vorlage der Kopie der Rechnung des Sachverständigen vom 16.01.2020 aufgefordert, weitere Euro 2477,14 bis spätestens den 05.02.2020 zu bezahlen.
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Mit Schreiben vom 03.02.2020 teilte die Beklagte zu 1 mit, dass sie keine Zahlungen leisten werde, sie sei nicht Bauherr des Bauvorhabens und die Kläger mögen sich an die Grundstückseigentümer wenden.
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Der Unterfertigende holte daraufhin, die Auskunft der Landeshauptstadt M. ein, welche die Bauherrenstellung nach Auffassung der Klägerin bestätigte. Die Klägerin erteilte dem Unterfertigenden daraufhin Prozessauftrag. Der inzwischen verstorbene Ehemann der Klägerin rief bei der Beklagten zu 1 an und teilte ihr mit, dass nach Auskunft der Landeshauptstadt M. sie sehr wohl Bauherr sei. Der Geschäftsführer der Beklagten teilte daraufhin mit, dass er den Vorgang dem Betriebshaftpflichtversicherer der Firma D. weitergeben würde.
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Mit Schreiben vom 26.03.2020 teilte die R & V Versicherung mit, dass sie noch Informationen zur Bearbeitung benötige.
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Mit Anwaltsschreiben vom 27.03.2020 wurden die Schadensersatzansprüche nochmals gegenüber der R & V Versicherung unter Fristsetzung zum 15.04.2020 beziffert.
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Mit Schreiben vom 08.04.2020 wurde seitens der R & V Versicherung mitgeteilt, dass der Versicherungsnehmer keinen Versicherungsschutz habe.
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Die Klägerin behauptet, dass sie zu 1/ 4 und ihre beiden Töchter jeweils zu 3/8 Eigentümer des Grundstücks und damit der streitgegenständlichen Mauer und des Freisitzes seien.
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Die Klägerin behauptet, dass ihr von der Versicherung R& V mitgeteilt worden sei, dass die Fa. A3. über keinen Versicherungsschutz verfüge. Die Klägerin behauptet, dass die Schadensbeseitigungskosten zwischen 15.000 und 20.000 € liegen. Die Mauer und der Freisitz sei vor 40 Jahren errichtet worden und dem Vater der Klägerin sei damals die Genehmigungsfreiheit der Errichtung mitgeteilt worden. Weiterhin behauptet die Klägerin, dass die EGWohnung und der Freisitz an die Eheleute Peter und U. K. vermietet habe und diese die Miete um monatlich € 100,00 seit April 2020 gemindert haben, woraus sich ein Mietausfallschaden von 3.400 € ergebe.
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Die Klägerin beantragte nach Klageänderung vom 2.5.23 zuletzt:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Euro 3400 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz sowie Euro 1219,04 an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2. Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner sämtliche weiteren Schäden, die der Klägerin aufgrund der Beschädigung der Grenzmauer zwischen dem Grundstück R. str.2a und L. straße 12 in M. und des Freisitzes auf dem Grundstück L. str.12 in M. entstehen, zu ersetzen haben.
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Die Beklagten beantragen
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Der Beklagte zu 2 ist der Auffassung, dass gegen ihn schon kein Anspruch besteht, da er für das schädigende Ereignis nicht verantwortlich sein und auch kein Anspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog bestünde. Der Beklagte zu 2 habe die Beklagte zu 1 als fachkundige Firma mit den Abrissarbeiten betraut. Der Beklagte zu 2 habe auf die Auswahl des Subunternehmers durch die Beklagte zu 1 auch keinen Einfluss gehabt.
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Die Beklagte zu 1 bestreitet, dass die abgerissene Mauer zuvor in einem schadenfreien Zustand gewesen sei. Weiterhin habe es für die Errichtung der Mauer und des Freisitzes keine Baugenehmigung gegeben, so dass es sich um einen Schwarzbau handeln würde. Damit besäßen diese keinerlei Wert.
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Weiterhin behauptet die Beklagte, dass sich die Mauer auf der der Freisitz aufgebaut ist auf dem Grundstück des Nachbarn, Herrn S. befand.
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Darüber hinaus werde der Freisitz auch nach Beschädigung noch zur Abstellung von Motorrädern genutzt. Bereits vor der Beschädigung hätten 2 Fenster gefehlt und daher könne die Klägerin deren Ersatz nicht verlangen.
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Jedenfalls sei ein Abzug neu für alt vorzunehmen.
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Der Beklagte zu 2 hat der Beklagten zu 1 mit Schriftsatz vom 9.2.23 den Streit verkündet. Weiterhin hat die Beklagte zu 1 dem Abbruchunternehmer, A., mit Schriftsatz vom 24.2.23 den Streit verkündet.
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Die Parteien haben sich mit dem Übergang ins schriftliche Verfahren einverstanden erklärt bei dem als Zeitpunkt der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht der 18.6.24 festgesetzt wurde.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
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Das Landgericht München I ist nach §§ 23, 71 GVG, 12, 17, 32 ZPO sachlich und örtlich zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig.
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Die Klageänderung vom 2.5.23 war aufgrund des richterlichen Hinweises sachdienlich und daher nach § 263 ZPO zulässig.
3. Vorrang der Leistungsklage hinsichtlich Mietausfälle nach Februar 2023 bis letzte mündliche Verhandlung
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Der Beklagtenvertreter zu 2 trug im Schriftsatz vom 23.05.2024 vor, dass der Feststellungsantrag bezogen auf Ausgleich der Mietausfälle nach Februar 2023, aufgrund Vorrangs der Leistungsklage unzulässig sei, da für den Kläger die Leistung bis zu diesem Termin bezifferbar gewesen sei.
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Dieser Auffassung folgt das Gericht nicht. Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und der Kläger seinen Anspruch deshalb ganz oder teilweise nicht beziffern kann (BGH NJW 1984, 1552 (1554); für eine Freistellungsklage BGH BeckRS 2013, 11005 Rn. 14; NJW 1996, 2725 (2726)). Ist bereits ein Teil des Anspruchs bezifferbar, steht es dem Kläger frei, diesen Teil durch Leistungsklage und den Rest durch einen ergänzenden Feststellungsantrag geltend zu machen. Er darf stattdessen aber auch den gesamten Anspruch im Wege der Feststellungsklage einklagen (BGH NJW 1984, 1552 (1554); NJW-RR 1988, 445). (BeckOK ZPO/Bacher, 52. Ed. 1.3.2024, ZPO § 256 Rn. 27).
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Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt der Klageerhebung ein Schaden bis Februar 2023 bezifferbar und wurde auch mittels Leistungsklage eingeklagt. Auch die Schadensentwicklung ist diesbezüglich noch nicht abgeschlossen, solange das Mietverhältnis fortbesteht und der Freisitz nicht wieder instand gesetzt wurde.
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Es besteht jedoch nur ein Anspruch gegen den Beklagten zu 2:
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Da die Beklagte zu 1 kein eigenes rechtswidriges Handeln verschuldet hat, § 276 BGB und auch in keiner Sonderbeziehung zur Klägerin steht, bei der eine etwaige Zurechnung des Verschuldens eines Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB in Betracht käme, kommt somit hier allenfalls eine deliktische Haftung über § 831 BGB in Betracht.
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Unstreitig zwischen den Parteien liegt hier eine verschuldete Eigentumsverletzung durch den von der Beklagten zu 1 beauftragten Abbruchunternehmer, Streitverkündeten, Firma A1. vor.
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Die Beklagte zu 1 hat jedoch die Nebenintervenientin zur Erledigung der beauftragten Abbrucharbeiten beauftragt.
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Zum einen fehlt es für die Darlegung eines Verrichtungsgehilfen beim Vorliegen eines selbstständigen Unternehmens am Vortrag eines konkreten Weisungsrechts der Beklagten zu 1 gegenüber der Nebenintervenientin.
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Zum anderen kann sich die Beklagte zu 1 nach § 831 Absatz 1 Satz 2 BGB exkulpieren, da sie bei der Auswahl des Verrichtungsgehilfen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet hat bzw. der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden wäre.
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Die Beklagte zu 1 trug vor, dass sie in einer langjährigen Geschäftsbeziehung zur Nebenintervenientin stand und der Geschäftsführer, Herr … sagte in öffentlicher Sitzung vom 21.3.23 glaubhaft, detailreich und widerspruchsfrei aus, dass seit er sich 2019 im Unternehmen befand bereits eine Hand voll Projekte mit der Nebenintervenientin durchgeführt worden seien und es keine Probleme mit diesem Geschäftspartner gegeben hätte. Er führte auch aus, dass sie sich im Normalfall auch den Versicherungsschutz der Subunternehmer nachweisen ließen, er könne es jedoch in diesem Fall nicht bestätigen, da die Geschäftsbeziehung bereits vor seinem Eintreten bestand. In dem Vertrag der zwischen der Beklagten zu 1 und der Nebenintervenientin geschlossen worden sei, sei jedoch ein Passus enthalten, dass diese über eine Betriebshaftpflichtversicherung verfügen müsse.
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Die Beklagte zu 1 hat damit für das Gericht ausreichend dargelegt, dass es keine Verfehlung in der Auswahl des Verrichtungsgehilfen gegeben hat. Der Unternehmer ist für die ausgeführten Arbeiten spezialisiert gewesen und hat auch bereits vergleichbare Arbeiten problemlos ausgeführt. Weiterhin ist auch vertraglich eine Versicherungspflicht vereinbart.
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Nach Auffassung des Gerichts ist eine Überprüfung des Bestehens der Versicherung nicht erforderlich, um ein Auswahlverschulden auszuschließen, jedoch lässt die Anlage K 12 auch darauf schließen, dass die Nebenintervenientin Versicherungsnehmer der R+ V Versicherung war, jedoch zum beantragten Zeitpunkt über keinen Versicherungsschutz verfügte, da eine Versicherungsnummer und der Inhaber der Nebenintervenientin als Versicherungsnehmer genannt wurden.
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Somit scheidet ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1 aus.
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a) Die Klägerin kann hier in gesetzlicher Prozessstandschaft den Feststellungsantrag gegen den Beklagten zu 2 geltend machen, § 1011 BGB. Vertretungsmachten der Töchter der Klägerin als Miteigentümerin zur Geltendmachung im eigenen Namen wurden vorgelegt. Das Bestreiten der Unrichtigkeit der Unterschriften durch den Beklagtenvertreter ins Blaue hinein ist unerheblich, da keine Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit ersichtlich sind. Weiterhin hat der Klägervertreter in mündlicher Verhandlung vom 23.4.24 erneut mit Beglaubigung der deutschen Botschaft in Tobago vorgelegt.
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b) Der Beklagte zu 2 ist auch passivlegitimiert nach § 421 BGB.
c) Feststellung aufgrund deliktischer Ansprüche
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Auch beim Beklagten zu 2 scheidet eine Haftung aus Deliktsrecht aus.
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Auch dieser hat keine eigene Eigentumsverletzung begangen. Eine Haftung nach § 831 BGB scheidet hier ebenfalls mangels konkreten Vortrags zum Weisungsrecht des Beklagten zu 2 gegenüber der Nebenintervenientin als Verrichtungsgehilfe aus .
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Mit der Auswahl eines geeigneten und zuverlässigen Bauunternehmers ist der Beklagte zu 2 seiner Verkehrssicherungspflichten nachgekommen. Die sorgfältige Auswahl der mit der Planung und der Bauausführung befassten Fachleute reicht zur Entlastung des Bauherrn und Grundstückseigentümers nur dann nicht aus, wenn auch für ihn erkennbar eine erhöhte Gefahrenlage gegeben war oder wenn Anlass zu Zweifeln bestand, ob die eingesetzten Fachkräfte in ausreichendem Maß den Gefahren und Sicherheitserfordernissen Rechnung tragen würden (OLG Düsseldorf Urt. v. 22.12.2016 – 5 U 46/16, BeckRS 2016, 117614 Rn. 27, beck-online). Dafür ist hier nichts ersichtlich.
d) Anspruch aus nachbarschaftlichen Ausgleichsverhältnis
aa) Anspruch dem Grunde nach
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Der Klagepartei steht hier jedoch ein verschuldensunabhängigen Anspruch aus nachbarschaftlichen Sonderverhältnis gemäß § 906 BGB zu, da die Beklagte zu 2 Mitbauherr gewesen ist.
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Eine verschuldensunabhängige Haftung ergibt sich somit nur bei einem Anspruch §§ 906 Abs. 1 S. 2 analog iVm. 1004 BGB.
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Hier liegt eine Substanzverletzung des Eigentums Freisitz vor. Die Klägerin war hier Miteigentümerin neben ihren Töchtern nach dem Tod ihres Ehemannes, Anlagen K 22 ff.
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Es fand auch durch die Abrissarbeiten eine hinzunehmende Nutzung des Grundstücks nach § 906 BGB analog statt.
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Für das Vorliegen eines Beseitigungsanspruches bedarf es auch eines Handlungs- oder Zustandsstörers. Der Beklagte zu 2 ist Miteigentümer des Grundstücks auf dem die Abrissarbeiten durchgeführt wurden. Weiterhin hat er die Abrissarbeiten mitbeauftragt, welche zur Weiterbeauftragung des Nebenintervenienten führten und damit die Gefahreneröffnung durch das Handeln des Dritten, Fa. A1., eröffnet.
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Es kann nach Auffassung des Gerichts hierbei dahin stehen, ob der Beklagte zu 2 Einfluss auf die Auswahl des Subunternehmers hatte, da es nur auf die Eröffnung der Gefahrenquelle ankommt. Es kommt gerade nicht auf die einzelne handelnde Person an, da er ja auch keinen Einfluss darauf hat, welcher Arbeitnehmer seines Auftragnehmers für die Baustelle eingesetzt wird.
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Damit steht der Klägerin dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zu.
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Der Klägerin stehen die hier beantragten Schäden in Höhe der Mietminderung zu. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs ist nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bestimmen (MüKoBGB/Brückner, 9. Aufl. 2023, BGB § 906 Rn. 187). Da es sich um einen aus dem Grundstückseigentum abgeleiteten Anspruch handelt, sind vermögenswerte Nachteile auszugleichen, die ihre Ursache in der Eigentums- oder Besitzstörung haben (MüKoBGB/Brückner, 9. Aufl. 2023, BGB § 906 Rn. 187).
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Der beantragte Ersatz der Mietminderung beruht auf der Substanzverletzung und ist somit grundsätzlich ersatzfähig. Die Nutzung war hier seit Beschädigung eingeschränkt, da eine Nutzung nicht gefahrlos möglich war. Siehe auch Privatgutachten der Klägerin, Anlage K 17
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Seite 13. Die Höhe des Ausgleichsanspruchs kann sich hier an der Mietminderung orientieren.
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Die Zeugen K. sagten in öffentlicher Verhandlung vom 23.4.24 glaubhaft, detailreich und widerspruchsfrei aus, dass sie den Freisitz in den Sommermonaten intensiv als 2. Wohnzimmer nutzten. Der Freisitz hat ca. 30 m² und die angemietete Erdgeschosswohnung ca. 100m². Die Warmmiete betrug ca. 960 €/Monat. Das Gericht hält daher die gewährte Mietminderung von 100 €/Monat für die beantragten 34 Monate für angemessen, da der Freisitz im Sommer für den ständigen Aufenthalt auch an regnerischen Tagen benutzt wurde und die Nutzung auch in den Wintermonaten zum Unterstellen des Motorrades weiter fortbestand.
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Hinsichtlich des Beginns der Mietminderung wurde im Schriftsatz vom 2.5.23 ein Beginn der Mietminderung seit April 2020 angenommen. Die Zeugin K. war sich in ihrer Vernehmung nicht mehr sicher ob es April oder Mai gewesen sei. Der Zeuge K. meinte die Mietminderung habe im Mai 2020 begonnen. Dem kann das Gericht folgen, da sich die beantragten 34 Monate bereits aus der Annahme einer Mietminderung seit Mai 2020 bis einschließlich Februar 2023 ergeben (8 Monate 2020 + 12 Monate jeweils 2021 und 2022, sowie 2 Monate 2023).
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Auch der Einwand der Beklagten, der Freisitz sei ja weiterhin als Unterstand genutzt worden, wurde durch die Zeugenaussagen der Zeugen K. widerlegt. Diese sagten detailreich und widerspruchsfrei aus, dass der Freisitz lediglich 1-2 Mal als Unterstand für das Motorrad genutzt worden sei, da Hagel angekündigt war und sie das Motorrad vor Schäden schützten wollten. Darüber hinaus sei eine Nutzung für sie aufgrund der Einsturzgefahr nicht in Frage gekommen. Daher sieht das Gericht die Nutzung des mit vermieteten Freisitzes als vollständig aufgehoben an.
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Auch der Einwand, es habe auch eine andere Terrasse gegeben, die genutzt werden könnte, kann hier der Angemessenheit der Mietminderung nicht entgegen gehalten werden, da diese nach der glaubhaften Aussage der Zeugen direkt an das Nachbarhaus angrenzt und damit keine unbeobachtete Nutzung gewährleistet und daher der Nutzung des hier streitgegenständlichen Freisitzes nicht vergleichbar ist.
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Hinsichtlich der Feststellung der Einstandspflicht des Beklagten zu 2 für weiteren Schäden in Form der weiter anhaltenden Mietminderung ergibt sich die Einstandspflicht der Beklagten zu 2 aus dem oben dargestellten. Nach Auffassung des Gerichts ist die Klagepartei auch nicht im Rahmen der Schadensminderungsobliegenheit gehalten den Freisitz auf eigene Kosten zu reparieren um eine Schadensminderung für den Beklagten herbeizuführen, insbesondere da es sich hier im Vergleich zum Mietausfall um erhebliche finanzielle Aufwendungen handelt, die nach dem Wirtschafltlichkeitsgebot bei etwaigem Ausfall des Schuldners für die Kläger sich als wirtschaftlich nicht sinnvoll herausstellen könnten.
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Der Klägerin steht auch ein Feststellungsanspruch hinsichtlich der zu ersetzenden Substanzschäden am Freisitz und an der Grenzmauer zu.
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Dem steht auch nicht das Bestreiten des Eigentums entgegen, da durch den Beklagten zu 2 vorgetragen wurde, dass die Grenzmauer des Freisitzes im Alleineigentum des ehemaligen Nachbarn, Herrn S., stand. Aus Anlage K 19 ergibt sich, dass der Klägerin ein Sondernutzungsrecht zustand. Das Landgericht hat hier festgestellt, dass sich der Freisitz, dass sich der Freisitz auf grün schraffierter Freifläche befindet und nach not. Urkunde vom 24.5.1971 dem 2/3 Miteigentumsanteil also der Klägerin ein Sondernutzungsrecht zugeordnet wurde.
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Für eine Besitzstörung reicht die Einräumung eines Sondernutzungsrechtes und daher sind der Klägerin auch die weiteren Schäden aus der Substanzschädigung, welche derzeit noch nicht bezifferbar sind zu ersetzen und der Feststellungsantrag zuzusprechen.
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Der Klägerin stehen weiterhin aufgrund des Durchdringens der Klageforderungen, die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten zu. Hierzu ist ein Gebührenstreitwert von 23.400 € heranzuziehen. Daher sind der Klägerin die beantragten 1.219,04 € zuzusprechen, Nr. 2300, 1008, 7002, 7001 VV-RVG.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB. Die Klage wurde dem Beklagten zu 2 am 21.1.23 zugestellt, die Klageerweiterung am 3.2.23.
Kosten und Vollstreckbarkeit
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 ZPO. Hierzu ist die Baumbachsche Kostenformel anzuwenden. Die Klägerin unterliegt hier vollständig gegenüber der Beklagten zu 1 und obsiegt vollständig gegenüber dem Beklagten zu 2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 2 ZPO.
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Der Streitwert folgt dem Leistungsantrag in der Klageerweiterung vom 1.2.23. Die zulässige Klageänderung führt nicht zur Herabsetzung des Streitwertes.