Titel:
Prozeßunfähigkeit, Klageerweiterung, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Betreuungsverfahren, Elektronischer Rechtsverkehr, Sofortige Beschwerde, Prozeßfähigkeit, Antrag auf Prozeßkostenhilfe, Beiordnung eines Rechtsanwalts, Überforderungssituation, Schlüssiges Klagevorbringen, Streitwert, Vertragsschluss, Verfahren nach billigem Ermessen, Herausgabeklage, Anfechtungsgründe, Rechtsverfolgung, Termin zur mündlichen Verhandlung
Schlagworte:
Prozessunfähigkeit, Übereignungsvertrag, Anfechtung, Betreuungsverfahren, Herausgabeklage, Vertretungsmacht, Genehmigung
Rechtsmittelinstanzen:
LG München II, Beschluss vom 07.02.2025 – 2 S 1280/24
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 08.07.2025 – X ZB 4/25
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48466
Tenor
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 600,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
2
Gegenstand des Verfahrens ist die von der Klägerin begehrte Herausgabe zweier Katzen. Den in weiten Teilen ungeordneten und schwer nachvollziehbaren Ausführungen der Klägerin lässt sich entnehmen, dass die Klägerin am 12.02.2022 ihre Katzen in das Tierheim … verbrachte und mit dem Beklagten einen „Übereignungsvertrag“ hinsichtlich der beiden Katzen … und … schloss. Auf Beklagtenseite wurde der Vertrag von der Mitarbeiterin Frau … unterzeichnet. Die Klägerin verlangte die Katzen kurze Zeit nach dem Vertragsschluss wieder heraus, was der Beklagte ablehnte. Die Klägerin vertritt unter Verweis auf die Vereinssatzung, wonach der Verein durch die 1. Vorsitzende Frau … oder den 2. Vorsitzenden mit einem weiteren Vorstandsmitglied vertreten wird, die Ansicht, die Mitarbeiterin Frau … habe bei Vertragsschluss den Verein nicht wirksam vertreten. Zudem habe sie, die Klägerin, den Vertrag „wegen Irrtum und Schock“ und „wegen Arglist“ angefochten. Die Klägerin ist daher der Ansicht, der Vertrag sei unwirksam, der Beklagte schulde ihr die Herausgabe der Katzen. Nach Klageerweiterung wurde zudem eine Schadensersatzforderung in Höhe von 400.000,- € Gegenstand des Verfahrens.
3
Der diesbezügliche Streitgegenstand wurde durch Beschluss vom 18.10.2023 vom hiesigen Rechtsstreit abgetrennt (Bl. 719/720 d.A.).
4
Mit Schreiben vom 25.10.2023, in dem die Klägerin zwischenzeitlich das Tierheim … als Beklagten benannte, beantragte die Klägerin „Änderungen der Parteien“ und „Prozesskostenhilfe für die Verfahren und damit auch Rückerstattung der bereits gezahlten PKV bzgl der Kostenvorschussrechnung wegen der Klageerweiterung […] für die Verfahren 3 C 494/22 Klage zur Herausgabe […]“ (Bl. 723/725 d.A.).
5
Mit Schreiben vom 31.10.2023 beantragte die Klägerin u.a. die „Restitution des Verfahrens 3 C 494/22 zur Herausgabe von … und …“ und „zur Beantragung einer Entschädigung gem. Nachteilsausgleich auf Grund von den Rechtsverletzungen in den Grundrechten der Klägerin“ und „zur Beantragung, dass sich die Herausgabe von … und … auch auf 6 T 143/24 PKH die Spielsachen, den Transportboxen und einer Quittung für das gespendete Futter bezieht“. Zu der beantragten Entschädigung führte sie aus, dass diese „ohne Kosten für die Klägerin mit direkter Überweisung“ zu erfolgen habe, ferner stellte sie einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (Bl. 732/733 d.A.).
6
Mit Schreiben vom 15.11.2023 erklärte die Klägerin, dass „die Klageerweiterung zurückgenommen worden“ sei und „damit eine Entschädigung im Sinne des Nachteils, wegen der Rechtsverletzungen direkt zu überweisen“ sei.
7
Mit Beschluss vom 24.11.2023 wies das Amtsgericht den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom 07.10.2023 zurück (Bl. 1/4 PKH-Heft).
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Mit Schreiben vom 27.11.2023 stellte die Klägerin erneut in Bezug auf verschiedene Verfahren, u.a. „in Sachen Herausgabe von … und …, u.a. nebst Entschädigung“ Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts (Bl. 742/743 d.A.). Mit Schreiben vom 21.12.2023 legte die Klägerin gegen den Beschluss vom 24.11.2023 sofortige Beschwerde ein (Bl. 752/757 d.A.). Weitere Ausführungen erfolgten mit weiteren Schreiben der Klägerin vom 22.12.2023 und vom 27.12.2023.
9
Mit Beschluss vom 09.01.2024 half das Amtsgericht Dachau der Beschwerde der Klägerin nicht ab. Die sofortige Beschwerde der Klägerin wurde mit Beschluss des Landgerichts München II vom 16.02.2024 (Az 6 T 143/24 PKH) zurückgewiesen.
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Mit Verfügung vom 01.03.2024 setzte das Gericht Frist zur Einreichung von Schriftsätzen bis 15.03.2024. Einen Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Frist bis zur Entscheidung in einem Parallelverfahren hat das Gericht mit Beschluss vom 14.03.2024 zurückgewiesen.
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Die Klage ist bereits unzulässig, weil die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts prozessunfähig im Sinne des § 52 ZPO ist.
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Zweifel hinsichtlich der Prozessfähigkeit einer Partei müssen in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen überprüft werden (vgl. § 56), wenn sich Anhaltspunkte für berechtigte Zweifel ergeben.
13
Aufgrund der Ausführungen der Klägerin im hiesigen Verfahren ergaben sich schon früh erhebliche Zweifel an der Prozessfähigkeit der Klägerin. Aufgrund Beweisbeschlusses des Amtsgerichts Dachau wurde die psychiatrische Begutachtung der Klägerin beauftragt. Im Rahmen eines Termins zur mündlichen Verhandlung konnte das Gericht sich auch selbst ein Bild von der Klägerin machen.
14
Das Vorliegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit führt nicht zwangsläufig zur Annahme einer Geschäfts- und Prozessunfähigkeit; es schließt nämlich nicht jede psychische Erkrankung dauerhaft und für sämtliche Geschäfte die freie Willensbildung aus.
15
Vorliegend ist eine solche indessen anzunehmen, weil die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts nicht mehr in der Lage ist, ihre Entscheidungen im Zusammenhang mit der Führung zivilgerichtlicher Prozesse von vernünftigen Erwägungen abhängig zu machen.
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Für den Streit über die Prozessfähigkeit wurde die Klägerin als prozessfähig angesehen. Ihr wurde das o.g. Gutachten durch das Amtsgericht Fürstenfeldbruck im Rahmen eines Betreuungsverfahrens zur Kenntnis gebracht. Über den Befangenheitsantrag der Klägerin gegen die hiesige Gutachterin Dr. … (Bl. 478 d.A.) wurde durch Beschluss vom 24.11.2023 entschieden.
17
Die beauftragte Gutachterin Dr. … legte in ihrem überzeugenden und nachvollziehbaren schriftlichen Gutachten vom 05.02.2023 dar, dass die Klägerin unter einer paranoiden Persönlichkeitsstörung (F60.0) und einer anhaltend wahnhaften Störung (F22.8) leidet und dass differentialdiagnostisch das Vorliegen einer beginnenden paranoiden Schizophrenie (F20.0) in Betracht zu ziehen ist. Aus psychiatrischer Sicht ist die Klägerin derzeit nicht in der Lage, im Rahmen des Gerichtsverfahrens ihren Willen frei und unbeeinflusst von den oben beschriebenen psychopathologischen Defiziten zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln. Aufgrund der obengenannten Einschränkungen kann die Klägerin ihren Willen in Bezug auf Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren nicht frei bestimmen, da ihr in diesem Zusammenhang eine Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte nicht möglich ist. Sie besitzt keine Krankheitseinsicht oder Einsicht in die vorhandenen Defizite und kann daher keine Konsequenzen aus ihrer Beeinträchtigung ziehen.
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Aufgrund des Ergebnisses der Begutachtung regte das Amtsgericht Dachau die Einleitung eines Betreuungsverfahrens vor dem Amtsgericht Fürstenfeldbruck an, mit dem Ziel einer Betreuerbestellung zum Zwecke der Schaffung von Prozessfähigkeit.
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Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck holte im Rahmen des Betreuungsverfahrens ein psychiatrisches Gutachten des Dr. … vom 23.07.2023 ein. Dieser kommt zum Ergebnis, dass die Klägerin zwar trotz einer Überforderungssituation und einer leichten Beeinträchtigung der Fähigkeit, die für Entscheidungen relevanten Sachverhalte zu verstehen, Folgen und Risiken des eigenen Handelns situationsadäquat zu verarbeiten sowie zu erfassen, welchen Wert betroffene Interessen für sie haben und unter welchen Alternativen sie wählen kann, in der Lage ist, ihren Willen frei zu bestimmen und auch einsichtsgemäß zu handeln. Die Klägerin kann als geschäftsfähig bezeichnet werden. Jedoch ist aufgrund der aus der Überforderungssituation resultierenden Probleme durchaus ein Betreuungsbedürfnis ersichtlich, was die Probandin mittlerweile für sich selbst erkennen kann und mit der Betreuung für zivilrechtliche Angelegenheiten einverstanden ist. Die Betreuung ist für den Zeitraum von ca. zwei Jahren erforderlich. In diesem Zeitraum kann es durchaus möglich sein, dass die Verfahren erledigt sind und die Probandin dann ihre Angelegenheiten wieder komplett selbst regeln kann.
20
Das Amtsgericht Fürstenfeldbruck bestellte hierauf der Klägerin einen vorläufigen Betreuer. Dieser hat trotz wiederholter Anregung keine Akteneinsicht in die hier geführten zahlreichen Verfahrensakten genommen. Mit Beschluss vom 28.09.2023 hob das Amtsgericht Fürstenfeldbruck die vorläufige Betreuung wieder auf, weil die Klägerin diese ablehnt. (Bl. 707 d.A.). Die Verweigerung der Klägerin, den Betreuer zu akzeptieren, ergibt sich auch aus unzähligen von ihr diesem Verfahren eingereichten Schriftsätzen.
21
Das Gericht ist aufgrund der schriftlichen Ausführungen der Klägerin in den mittlerweile zahlreichen von ihr eingeleiteten zivilgerichtlichen Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Übereignung der beiden Katzen (u.a. Zahlungsklagen über mehr als 400.000,00 €), des persönlichen Eindrucks von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung und aufgrund des überzeugenden und nachvollziehbaren Sachverständigengutachtens der Dr. … von der Prozessunfähigkeit der Klägerin überzeugt. Dem stehen auch nicht die Ausführungen im Betreuungsgutachten des Dr. … entgegen, der die Klägerin zwar als geschäftsfähig bezeichnet, aber trotzdem aufgrund einer Überforderungssituation ein Betreuungsbedürfnis für zivilrechtliche Angelegenheiten darlegt.
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Der Klägerin wurde langandauernd, umfassend und letztlich erfolglos Gelegenheit gegeben, ihre Prozessunfähigkeit durch Akzeptanz einer Betreuung zu beseitigen.
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Das Gericht weist darüber hinaus darauf hin, dass die Klage auch unbegründet wäre.
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Es fehlt an einem schlüssigen Klagevorbringen. Soweit in Ansätzen ein nachvollziehbares Begehren der Klägerin erkennbar ist, fehlt es an der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung.
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1. Es ist schon unklar, gegen wen die Klägerin die Klage überhaupt richten möchte, da die Klägerin ausweislich Schreibens vom 25.10.2023 nun eine „Änderungen der Parteien“ wünscht. Möglicherweise sieht die Klägerin nunmehr das „…“ als Beklagtenpartei. Eine Parteifähigkeit des „…“ als solchem ist indessen nicht erkennbar. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergeben sich zudem keine Anhaltspunkte für dessen Passivlegitimation. Die Klägerin wendet sich letztlich vielmehr gegen die Wirksamkeit des Übereignungsvertrages hinsichtlich der Katzen … und … und die Übereignung der Katzen an den …. Der von ihr vorgelegte Übereignungsvertrag wurde mit dem hier Beklagten …, dem Träger des Tierheims, geschlossen, dem die Katzen übereignet wurden.
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2. Überdies ist aber auch die (ursprünglich?) gegen den … gerichtete Herausgabeklage unbegründet.
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Die Klägerin wendet sich gegen die Wirksamkeit des Übereignungsvertrages hinsichtlich der Katzen mit dem Argument, die den Vertrag seitens des … vereins unterzeichnende Mitarbeiterin habe hierfür keine Vertretungsmacht gehabt. Unabhängig davon, ob die Mitarbeiterin sich vor Unterzeichnung des Vertrags telefonisch vom Vorstand der Beklagten zum Vertragsschluss hat bevollmächtigen lassen, worauf der Vortrag der Klägerin selbst hindeutet (z.B. in ihren Schreiben vom 06.12.2022: „[…] da keine Vollmacht für Frau … vorlag und die Frau … oder wer auch immer es war, am Telefon war“ (Bl. 150 d.A.) oder vom 15.11.2023: „Ein Anruf bei der Frau …, vsl auf privatem Handy, kann nicht als Dienstanweisung gelten“ (zu Bl. 736 d.A.)) hat der Beklagte nach dem Vorbringen der Klägerin jedenfalls von Anfang an die kurz nach Vertragsschluss von der Klägerin begehrte Herausgabe der Katzen abgelehnt. Diesem Vortrag der Klägerin ist damit zu entnehmen, dass der Beklagte den Übereignungsvertrag, den die Mitarbeiterin des Tierheims für den Beklagten unterzeichnet hat, jedenfalls genehmigt hat, § 177 Abs. 1 BGB.
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Soweit dem Vorbringen der Klägerin ansatzweise zu entnehmen ist, dass sie den Vertrag „wegen Irrtum und Schock“ und „wegen Arglist“ angefochten habe, fehlt schlüssiger Vortrag zum Vorliegen entsprechender Anfechtungsgründe. Das Vorbringen der Klägerin, „nach mehreren Telefonaten, es würde nichts bringen, einen Widerruf einzureichen“ habe sie „es dann doch am Dienstag, den 15. Februar 2022, versucht. Sogar im Sinne einer Umwandlung in einen Pensionsvertrag“ (Anlage zur E-Mail vom 30.11.2022, zu Bl. 124 d.A.), deutet vielmehr auf eine nachträgliche Vertragsreue hin, die aber nicht zur Anfechtung des Vertrages berechtigt.
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Sonstige nachvollziehbare und schlüssige Ausführungen dazu, weswegen der Übereignungsvertrag unwirksam sein soll, sind nicht ersichtlich.
30
Die Kostenentscheidung folgt § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
32
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 ZPO liegen nicht vor. Weder ist die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, noch erfordern die Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts.