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AG München, Endurteil v. 11.01.2024 – 223 C 12480/23
Titel:

Erheblicher Reisemangel, Reiseveranstalter, Wiederbeschaffungswert, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rechtshängigkeit, Rückzahlung des Reisepreises, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Pauschalreisevertrag, Rückzahlungsanspruch, Abhandenkommen, Wert des Beschwerdegegenstandes, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Sicherheitsleistung, Zahlungsanspruch, Kündigung, Schriftliches Verfahren, Ersparte Aufwendungen

Schlagworte:
Reisemangel, Kündigungsrecht, Schadensersatz, Rückzahlung Reisepreis, Beweislast, Zumutbarkeit, Sicherungspflichten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48442

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 1.551,10 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.09.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 80% und die Kläger zu 20% tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 1.951,10 festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Zahlungsansprüche der Kläger nach einer bei der Beklagten gebuchten aber nicht angetretenen Kreuzfahrt.
2
Die Kläger haben bei der Beklagten für die Zeit vom 18.11.2022 bis zum 25.12.2022 eine Kreuzfahrt ab Hamburg zu einem Reisepreis von 1678 gebucht.
3
Am 18.11.2022 sind die Kläger sind mit einem Bus vom Busbahnhof in Hamburg zum Schiff gefahren worden. Für diesen Transfer haben die Kläger an die Beklagte 40 bezahlt, Anlage K7. Ein gemeinsamer Trolley der Kläger wurde im Kofferraum des Busses deponiert. Bei der Ankunft am Schiff stellten die Kläger fest, dass sich der Trolley nicht mehr im Gepäckraum des Busses befand. Neben Kleidungsstücken befanden sich in diesem Trolley Medikamente, wie z.B. Blutdrucksenker und Cholesterinsenker der 75 und 77 Jahre alten Kläger. Aufgrund des Fehlens der Medikamente traten die Kläger die Kreuzfahrt nicht an.
4
Die Kläger verlangen mit der Klage die Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 1678 sowie Ersatz für die verloren gegangenen Gegenstände in Höhe von insgesamt 460 sowie die Kosten für die Taxifahrt vom Wohnort zum Busbahnhof in Höhe von 20 . Vorgerichtlich hat die Beklagte an die Kläger ersparte Aufwendungen und die Hotel Service Gebühr in Höhe von insgesamt 216,90 erstattet.
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Die Kläger beantragen,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1951,10 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
6
Die Beklagtenseite beantragt, Klageabweisung.
7
Die Beklagtenseite trägt vor, dass die für die Kündigung des Pauschalreisevertrages erforderlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. Es läge weder ein Reisemangel, noch eine Pflichtverletzung oder ein Verschulden der Beklagten vor. Vielmehr habe sich vorliegend das allgemeine Diebstahlrisiko verwirklicht. Den Klägern wäre es im Übrigen zuzumuten gewesen, die Medikamente in ihrer Handtasche zu verstauen und das Gepäckfach zu beobachten.
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Zur Ergänzung wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Sitzungsniederschrift vom 28.11.2023 sowie die sonstigen Aktenbestandteile.
9
Die Parteien haben sich im Termin vom 28.11.2023 mit einem Übergang in das schriftliche Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

10
A. Die zulässige Klage ist in der Hauptsache zum überwiegenden Teil begründet. Den Klägern steht in der Hauptsache ein Zahlungsanspruch in Höhe von 1551,10 zu. Im Übrigen war die Klage als unbegründet abzuweisen.
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I. Die Kläger haben gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung des Reisepreises von 1678 aus § 651 l Abs. 2 S. 2 BGB. Den Klägern stand vorliegend ein Recht zur Kündigung der Pauschalreise nach § 651 l Abs. 1 BGB zu.
12
1. Das Abhandenkommen der Medikamente aus dem Gepäckraum des Busses stellt einen Reisemangel i.S.d. § 651 i BGB dar, da Bestandteil der Pauschalreise auch der Transfer der Kläger und ihres Gepäcks zum Schiff war, wie sich aus der Anlage K7 ergibt.
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2. Durch den Verlust der Medikamente ist die Pauschalreise vorliegend auch erheblich beeinträchtigt worden. Bei den abhandengekommenen Medikamenten handelte es sich um Blutdrucksenker und Cholesterinsenker. Diese Medikamente müssen regelmäßig und zuverlässig eingenommen werden, da es ansonsten zu körperlichen Beeinträchtigungen und sogar Gesundheitsschäden kommen kann. Den Klägern war es nicht zumutbar, eine Reise anzutreten, die ihrer Gesundheit schaden könnte.
14
3. Ein Abhilfeverlangen nach § 651 l Abs. 1 Satz 2 BGB war vorliegend nicht notwendig, da eine Abhilfe durch die Beklagte unstreitig nicht möglich war.
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4. Ein Verschulden des Reiseveranstalters ist für die Kündigung gerade nicht erforderlich. Der Reiseveranstalter hat damit gemäß § 651 l Abs. 2 Satz 2 den bereits geleisteten Reisepreis an die Kläger zu erstatten.
16
Abzüglich der vorgerichtlichen Zahlung der Beklagtenseite in Höhe von 216,90 verbleibt damit ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1461,11 .
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II. Weiter haben die Kläger gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 90 aus § 651 n Abs. 1 BGB.
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1. Wie bereits ausgeführt, stellt der Verlust der Medikamente einen Reisemangel dar. Schadensersatz kann auch neben der Kündigung geltend gemacht werden.
19
2. Das Vertretenmüssen des Reiseveranstalters wird vom Gesetz unterstellt, Grüneberg, § 651 n Rn. 4. Eine Exkulpation der Beklagten nach § 651 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BGB liegt nicht vor.
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Insbesondere ist der Reisemangel von den Klägern nicht verschuldet worden. Diesen kann weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit hinsichtlich des Abhandenkommens vorgeworfen werden. Mit dem Abstellen des Gepäcks im Kofferraum gingen vorliegend die Sorgfaltspflichten auf die Reiseveranstalterin über. Entgegen dem Vortrag der Beklagtenseite waren die Kläger nicht verpflichtet, nach Verstauen des Gepäcks im Gepäckraum, dieses noch zu beobachten. Die Beklagtenseite trägt auch nicht vor, woraus sich eine derartige Verpflichtung der Reisenden ergeben könnte. Den Klägern kann auch kein Vorwurf gemacht werden, dass sie die Medikamente nicht in einer Handtasche bei sich behalten haben. Vielmehr durften sie darauf vertrauen, dass das Reisegepäck vom Reiseveranstalter gesichert wird.
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Eine Unvermeidbarkeit des Abhandenkommens nach § 651 n Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 3 BGB ist seitens der beweisbelasteten Beklagtenpartei nicht nachgewiesen worden.
22
3. Eine Mängelanzeige nach § 651 o Abs. 2 BGB war wie oben ausgeführt nicht erforderlich.
23
4. Die Kläger können damit nach §§ 249 ff BGB Schadensersatz verlangen.
24
Hierzu gehören zum einen die Taxikosten in Höhe von 20 als frustrierte Aufwendungen.
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Hinsichtlich der verloren gegangenen Gegenstände können die Kläger den Wiederbeschaffungswert einer wirtschaftlich gleichwertigen Ersatzsache ersetzt verlangen. Dieser beträgt hinsichtlich der gerade angeschafften neuen Schuhe des Klägers 70 .
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Für den Trolley und die weiteren verlorenen Kleidungsstücke können die Kläger jedoch keinen Schadensersatz geltend gemacht werden, da seitens der Kläger weder der Anschaffungspreis der Gegenstände noch deren Erhaltungszustand dargelegt worden ist. Für das Gericht liegen damit keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Schätzung des Schadens vor.
B.
27
Zinsen können die Kläger, wie beantragt, seit der Rechtshängigkeit der Klage geltend machen, §§ 286, 288 BGB.
C.
28
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nummer 11 711,709 ZPO.
D.
29
Der Streitwert ergibt sich aus der Klageforderung ohne die Nebenforderungen.