Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Beschluss v. 12.03.2024 – 18 T 1060/24
Titel:

Freiheitsentziehungsverfahren, Ingewahrsamnahme, Verfahrensbevollmächtigter, Empfangsbekenntnis, Einstweilige Freiheitsentziehung, Beschwerdeführer, Dolmetscherkosten, Geschäftswert, Zuständige Ausländerbehörde, Aufschiebende Wirkung, Anhörungstermin, Feststellung der Rechtswidrigkeit, Beschleunigungsgebot, Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht, Rechtsschutzbedürfnis, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Staatsangehörigkeit, Kostenentscheidung, Betroffenheit, Postzustellungsurkunde

Schlagworte:
Mitwirkungshaft, Freiheitsentziehung, Identitätsklärung, Verhältnismäßigkeit, Anhörungspflicht, Rechtsmittelverfahren, Verfahrenskostenhilfe
Vorinstanz:
AG Schwabach, Beschluss vom 30.01.2024 – XIV 1/24 (B)
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 14.07.2025 – XIII ZB 24/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48431

Tenor

1. Der Antrag auf Feststellung, dass der Beschluss des Amtsgerichts … vom 30.01.2024, Az. XIV 1/24 (B), rechtswidrig war, wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten wird zurückgewiesen.
3. Der Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Dolmetscherkosten.
4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Betroffene ist mutmaßlich nigerianischer Staatsangehöriger und reiste erstmals am 26.10.2021 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 07.12.2021 beantragte der Betroffene bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: BAMF) die Anerkennung als Asylberechtigter (BAMF-Az. 8589049). Mit Bescheid des BAMF vom 26.08.2022 wurde der Antrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt und die Abschiebung nach Nigeria angedroht. Zwei hiergegen gerichtete Klagen (Az. AN 6 K 22.30695 + AN 6 K22.30672) entfalten keine aufschiebende Wirkung. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen (Az. AN 6 S22.30688) vom 08.09.2022 wurde am 28.09.2022 abgelehnt. Das nach § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf die Dauer von 30 Monaten ab dem Tag der Abschiebung befristet. Der Bescheid wurde dem Betroffenen am 02.09.2022 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt. Die Abschiebungsanordnung ist seit dem 13.10.2022 vollziehbar.
2
Der Betroffene legte seit Eintritt der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht keine gültigen Reisedokumente vor und erbrachte auch keine Nachweise für weitergehende Bemühungen, an gültige Dokumente zu gelangen, obwohl er durch die ZAB … wiederholt auf die Passpflicht nach § 3 AufenthG sowie die ihm obliegenden Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Identitätsklärung hingewiesen wurde. Die Belehrungen erfolgten am 09.12.2022, 02.03.2023, 02.06.2023, 07.07.2023, 04.09.2023, 23.10.2023 und am 18.12.2023 und wurden gegen Empfangsbekenntnis ausgehändigt oder per Postzustellungsurkunde verschickt.
3
Am 05.06.2023 wurde von Amts wegen ein Passersatzpapier-Verfahren eingeleitet. Am 04.09.2023 teilte das … Landesamt für Asyl und Rückführungen mit, dass eine persönliche Vorsprache bei der zuständigen Auslandsvertretung (Vertretung des Herkunftslandes Nigeria, Ort der Anhörungsmaßnahme: … Landesamt für Maß und Gewicht in …) erforderlich sei; als Termin für die Vorsprache sei der 14.09.2023 festgelegt worden.
4
Mit Bescheid der ZAB … vom 04.09.2023 wurde der Betroffene verpflichtet, am 14.09.2023 bei der zuständigen Auslandsvertretung vorzusprechen und dort die Ausstellung eines zur Rückkehr in sein Heimatland berechtigendes Dokument zu beantragen. Für den Fall, dass der Betroffene der Anordnung ohne hinreichenden Grund keine Folge leistet, wurde die zwangsweise Vorführung durch die Polizei angedroht. Der Bescheid wurde am 04.09.2023 gegen Empfangsbekenntnis an den Rechtsbeistand des Betroffenen zugestellt und am selben Tag unterschrieben zurückgesendet. Die Verfügung ist zwischenzeitlich vollziehbar. Nach Angaben des … Landesamts für Asyl und Rückführungen vom 14.09.2023 nahm der Betroffene den anberaumten Vorsprachetermin nicht wahr. Das … Landesamt für Asyl und Rückführungen setzte für den 07.02.2024 erneut ein Anhörungstermin fest.
5
Mit Schreiben vom 16.01.2024 beantragte die Regierung von … – zentrale Ausländerbehörde – beim Amtsgericht … die Anordnung von Haft zur Sicherung der Vorführung (Mitwirkungshaft) bei Vertretern des Herkunftslands Nigeria vom 25.01.2024 bis 07.02.2024. Zudem wurde die Anordnung der einstweiligen Freiheitsentziehung zur Ingewahrsamnahme gegen den Betroffenen sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung beantragt. Hilfsweise wurde der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 427 FamFG beantragt.
6
Mit Beschluss vom 17.01.2024 ordnete das Amtsgericht … ohne vorherige Anhörung des Betroffenen gegen diesen antragsgemäß Mitwirkungshaft vom 25.01.2024 bis 07.02.2024 sowie die einstweilige Freiheitsentziehung zur Ingewahrsamnahme an (vgl. Bl. 10 d.A.).
7
Mit Verfügung vom 18.01.2024 setzte das Amtsgericht … einen Anhörungstermin für den 25.01.2024 fest. Da der Betroffene polizeilich nicht aufgefunden werden konnte, wurde der Termin wieder abgesetzt. Am 30.01.2024 wurde der Betroffene von Polizeibeamten der Pl… festgenommen (vgl. Bl. 79 d.A.) und noch am selben Tag beim Amtsgericht … vorgeführt (vgl. Bl. 80 d.A.). Das Amtsgericht … ordnete nach der Anhörung des Betroffenen Mitwirkungshaft gegen ihn vom 30.01.2024 bis 07.02.2024 an (vgl. Bl. 82 d.A.).
8
Mit Schriftsatz vom 06.02.2024 legte der Betroffene über seinen Anwalt Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts … vom 30.01.2024 ein und beantragte die Feststellung, dass dieser Beschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat, Überdies beantragte er Verfahrenskostenhllfe (vgl. Bl. 92 d.A.). Die Beschwerde wurde mit Schriftsatz vom 19.02.2024 zusätzlich begründet (vgl. Bl. 97 d.A.).
9
Mit Beschluss vom 20.02.2024 half das Amtsgericht … der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Landgericht … zur Entscheidung über die Beschwerde vor. Die Kammer zog die elektronische Ausländerakte des Betroffenen am 22.02.2024 bei.
10
Mit Verfügung vom 29.02.2024 (vgl. Bl. 102 f. d.A.) setzte die Kammer Herrn Rechtsanwalt …, der die Beschwerde für den Beschwerdeführer einlegte, eine Frist zur Vorlage einer schriftlichen Vollmacht für das anhängige Freiheitsentziehungsverfahren. Eine entsprechende Vollmacht reichte der Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 06.03.2024 ein.
II.
11
Nach Erledigung der Hauptsache war gemäß § 62 FamFG über den Antrag des Betroffenen auf Feststellung, dass der im Tenor genannte Beschluss rechtswidrig war, zu entscheiden. Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg, da der Beschluss des Amtsgerichts nicht rechtswidrig war, und war demgemäß kostenpflichtig zurückzuweisen.
12
1. Die Beschwerde ist statthaft und zulässig erhoben, §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 1, 68 Abs. 2 FamFG. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, §§ 63 Abs. 1, 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FamFG.
13
Aus der nach Aufforderung durch das Gericht gemäß Verfügung vom 29.02.2024 mit Schriftsatz vom 06.03.2024 vorgelegten anwaltlichen Vollmacht vom 04.03.2024 ergibt sich die ordnungsgemäße Bevollmächtigung der Kanzlei … im Sinne des § 11 FamFG.
14
Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass sich die Hauptsache mit Zeitablauf erledigt hat. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit wurde am 06.02.2024 ausdrücklich beantragt, § 62 Abs. 1 FamFG. Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 05.12.2001 (Az. 2 BvR 527/99) ist mit Blick auf den mit der Freiheitsentziehung verbundenen Eingriff in Grundrechtspositionen des Betroffenen sein Rechtsschutzbedürfnis mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses feststellen zu lassen, zu bejahen; vgl. § 62 Abs. 2 FamFG.
15
2. In der Sache ist der Antrag unbegründet, da der angefochtene Beschluss vom 30.01.2024 rechtsfehlerfrei ergangen ist und den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt. Die angeordnete Mitwirkungshaft zur Sicherung der Vorführung bei Vertretern des Herkunftslandes des Beschwerdeführers vom 30.01.2024 bis 07.02.2024 ist formell und materiell rechtmäßig.
16
a) Das Gericht darf die Freiheitsentziehung nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen, § 417 Abs. 1 FamFG. Das Vorliegen eines zulässigen Antrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (BGH 20.05.2020 – XIII ZB 22/19, BeckRS 2020, 14455 Rn. 11; BGH 20.05.2020 – XIII ZB 30/19, BeckRS 2020, 16583 Rn. 7; BGH 23.06.2020 – XIII ZB 103/19, BeckRS 2020, 18744 Rn. 6; BGH 14.07.2020 – XIII ZB 74/19, BeckRS 2020, 21498 Rn. 7). Der Antrag ist zu begründen, §§ 51 Abs. 1 Satz 2, 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG, und muss die Identität des Betroffenen, den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen, die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung, die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie Tatsachen zur Verlassenspflicht des Betroffenen und den Voraussetzungen samt Durchführbarkeit der Abschiebung enthalten, § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG. Die Ausführungen zur Begründung des Antrags dürfen knapp gehalten sein, müssen aber die für die richterliche Prüfung des Falls wesentlichen Punkte – mit Bezug zum konkreten Fall – ansprechen (BGH 20.05.2020 – XIII ZB 22/19, BeckRS 2020, 14455 Rn. 11; BGH 20.05.2020 – XIII ZB 30/19, BeckRS 2020, 16583 Rn. 7 ff.; BGH 14.07.2020 – XIII ZB 74/19, BeckRS 2020, 21498 Rn. 7).
17
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die i.S.d. § 71 AufenthG i.V.m. dem einschlägigen Landesrecht zuständige Ausländerbehörde hat am 16.01.2024 gegenüber dem Amtsgericht … mitgeteilt, dass die Identität des Betroffenen i.S.d. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 FamFG noch nicht geklärt sei, da er nicht im Besitz eines gültigen Passes, Passersatzes oder anderen gültigen Reisedokuments sei. Der gewöhnliche Aufenthaltsort i.S.d. § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG sei die KVB in …. Die Erforderlichkeit der Mitwirkungshaft zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Abs. 4 S. 1 AufenthG wurde für den konkreten Fall des Betroffenen ausgeführt und belegt, da insbesondere ausgeführt wurde, dass die dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 07.07.2023 gesetzte Frist zur freiwilligen Vorsprache bei einer Auslandsvertretung seines Heimatlandes verstrichen sei und die Betreibung des Verfahren zur Beschaffung eines Passersatzdokuments nunmehr von Amts wegen erforderlich sei. Die Ausländerbehörde hat weiterhin konkret dargelegt, warum die Höchstdauer der Mitwirkungshaft von 14 Tageh gemäß § 62 Abs. 6 Satz 1 AufenthG aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers in der Vergangenheit erforderlich sei.
18
Ein Fall des § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG liegt hier nicht vor. Soweit der Beschwerdeführer der Ansicht ist, dass die Ausländerbehörde im Haftantrag hätte darlegen müssen, ob und in welchem Zeitraum eine Abschiebung möglich sei, von welchen Voraussetzungen dies abhänge und ob diese im konkreten Fall vorlägen, weist die Kammer darauf hin, dass die Mitwirkungshaft, die in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG überdies nicht erwähnt ist, gerade nicht unmittelbar der Durchsetzung der Ausreisepflicht dient, sondern der Erzwingung von Mitwirkungshandlungen des Betroffenen sodass weiterführende Darlegungen der Ausländerbehörde hierzu nicht erforderlich sind.
19
b) Gemäß § 62 Abs. 6 Satz 1 AufenthG kann ein Ausländer zum Zwecke der Abschiebung auf richterliche Anordnung für die Dauer von längstens 14 Tagen zur Durchführung einer Anordnung nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, bei den Vertretungen oder ermächtigten Bediensteten des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er vermutlich besitzt, persönlich zu erscheinen und die zur Klärung seiner Identität erforderlichen Angaben zu machen, in Haft genommen werden, wenn der Ausländer einer solchen erstmaligen Anordnung unentschuldigt ferngeblieben ist oder die zur Klärung seiner Identität erforderlichen Angaben unterlassen hat oder einer Anordnung nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, zu einem Termin bei der zuständigen Behörde persönlich zu erscheinen, unentschuldigt ferngeblieben ist oder im Termin die zur Klärung seiner Identität erforderlichen Angaben unterlassen hat und zuvor auf die Möglichkeit einer Inhaftnahme hingewiesen wurde.
20
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Beschwerdeführer, der mutmaßlich die nigerianische Staatsangehörigkeit besitzt, wurde mit Bescheid der ZAB … vom 04.09.2023 verpflichtet, am 14.09.2023 bei der zuständigen Auslandsvertretung vorzusprechen und dort die Ausstellung eines zur Rückkehr in sein Heimatland berechtigendes Dokument – zu beantragen. Dem hat er keine Folge geleistet.
21
Die Vorsprache hatte den Zweck, die gesetzliche Ausreisepflicht durchzusetzen, mithin wurde die Haft auch „zum Zwecke der Abschiebung“ i.S.d. § 62 Abs. 6 Satz 1 AufenthG angeordnet. Der Beschwerdeführer hat auch eine behördliche Anordnung, die der Bescheid der ZAB … vom 04.09.2023 darstellt, nach § 82 Abs. 4 S. 1 erstmalig verletzt und ist einer Terminladung nicht gefolgt. Die Pflichtverletzung wurde auch nicht (nachträglich) entschuldigt; der Beschwerdeführer hat trotz Gelegenheit keinen Grund angeführt, wieso er der Anordnung keine Folge geleistet hat. Im Bescheid vom 04.09.2023 wurde der Beschwerdeführer in der Rechtsbehelfsbelehrung (vgl. Bl. 793 der im hiesigen Verfahren beigezogenen Ausländerakte) von der Möglichkeit der Mitwirkungshaft in Kenntnis gesetzt.
22
c) Es liegt kein Verstoß wegen der beabsichtigten zeitlichen Dauer der Ingewahrsamnahme vor. Die Frist des § 62 Abs. 6 Satz 1 AufenthG wurde eingehalten, da die Ingewahrsamnahme auf 9 Tage befristet war. Die Ingewahrsamnahme wurde zudem auf die kürzestmögliche Dauer beschränkt. Das Beschleunigungsgebot wurde von der zuständigen Ausländerbehörde durchgängig beachtet. Die angeordnete Dauer des Freiheitsentzugs ist tragfähig begründet und nicht zu beanstanden.
23
d) Die Anordnung der Mitwirkungshaft gemäß § 62 Abs. 6 Satz 1 AufenthG steht im Ermessen des Gerichts („kann“ in Haft genommen werden). Unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist dabei insbesondere zu prüfen, ob mildere Mittel zur Erreichung des von der Behörde angestrebten Zieles vorhanden sind, Nach § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann die zwangsweise Durchsetzung beispielsweise durch eine Vorführung durch die Behörde erfolgen. Diese milderen Maßnahmen haben stets Vorrang vor der Anordnung einer Haft, sodass die Frage der Verhältnismäßigkeit besonders zu prüfen und die Notwendigkeit einer Freiheitsentziehung, die stets eine ultima ratio darstellt, durch die Behörde im Haftantrag zu begründen ist (vgl. Grotkopp, Abschiebungshaft, A. Materielles Recht Rn. 275, beck-online).
24
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist vorliegend gewahrt. Es sind keine milderen Mittel ersichtlich, welche gleich geeignet gewesen wären, um die Mitwirkung des Betroffenen mit gleicher Sicherheit zu gewährleisten. Die Verweigerungshaltung des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Mitwirkungsbereitschaft zu seiner behördlichen Identitätsklärung in der Vergangenheit bot keine Gewähr dafür, dass dieser am Tag der Botschaftsvorsprache oder kurz vorher auch tatsächlich in seiner ihm zugewiesenen Unterkunft hätte angetroffen werden können, da sich der Beschwerdeführer dort nur sporadisch aufhielt. Nur durch die Anordnung von Mitwirkungshaft bestand die Möglichkeit, im Vorfeld des Vorführungstermins Versuche der Ingewahrsamnahme des Beschwerdeführers vorzunehmen.
25
e) Die Haft ist auch nicht deshalb rechtswidrig angeordnet worden, weil der nunmehrige Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers nicht vom Anhörungstermin am 30.01.2024 in Kenntnis gesetzt wurde. Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens liegt nicht vor.
26
Der Beschwerdeführer wurde am 30.01.2024 festgenommen (vgl. richterlichen Vermerk auf Bl. 77 d.A., Rückseite, 79 d.A.) und am selben Tag um 11:30 Uhr vom Amtsgericht … mündlich angehört (vgl. Bl. 80 d.A.). Zwar wurde der ihn vertretende Rechtsanwalt … nicht zu diesem Termin geladen, obwohl er im Haftantrag als anwaltlicher Vertreter des Beschwerdeführers angegeben wurde (vgl. Bl. 2 d.A.).
27
Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung in einem Abschiebungshaftverfahren eine Teilnahme des oder der Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft (vgl. BGH, Beschl. v. 12.9.2023 – XIII ZB 77/20). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Der Beschwerdeführer hat aber ausweislich des Protokolls im Anhörungstermin vom 30.01.2024 keinen Rechtsanwalt verlangt und Herr Rechtsanwalt … war zu diesem Zeitpunkt auch nicht im Freiheitsentziehungsverfahren, sondern im verwaltungsrechtlichen Verfahren mandatiert. An dem Mitwirkungshaftverfahren zu beteiligen ist aber nur der Verfahrensbevollmächtigte, der sich konkret für dieses Verfahren förmlich bestellt hat (vgl. BGH 04.03.2010 – V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 = NJOZ 2010, 2041 (2043) Rn. 18).
28
3. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 81 Abs. 1 Satz 1, Satz 2, 84 FamFG. Analog Art. 6 Abs. 3 lit. e EMRK waren etwaige Dolmetscherkosten auszunehmen (vgl. BGH 04.03.2010 – V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 = NJOZ 2010, 2041 (2044) Rn. 21).
29
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 79 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 2, Abs. 3 GNotKG.
III.
30
Die Kammer konnte ohne persönliche Anhörung des Betroffenen in der Beschwerdeinstanz entscheiden, da der Sachverhalt auch ohne eine solche hinreichend ermittelt ist. § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG stellt es in das pflichtgemäße Ermessen des Beschwerdegerichts, in welchem Umfang es Ermittlungen und Beweiserhebungen wiederholt, wenn die Sache bereits in der ersten Instanz im erforderlichen Umfang mit den Beteiligten erörtert wurde (vgl. BGH 04.03.2010 – V ZB 222/09, BGHZ 184, 323 = NJOZ 2010, 2041 (2043) Rn. 13; BGH 10.10.2013 – V ZB 127/12, FGPrax 2014, 39 Rn. 8; BGH 02.06.2021 – XII ZB 126/21, BeckRS 2021, 18056 Rn. 10). Aus dem Akteninhalt oder dem Beschwerdevorbringen ergeben sich keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte, zu denen der Betroffene ergänzend angehört werden müsste. Das Beschwerdevorbringen ließ ebenso wenig eine weitere Sachaufklärung erwarten. Auf den besonderen persönlichen Eindruck des Beschwerdegerichts von dem Betroffenen kommt es vorliegend nicht an. Es war demnach nicht zu erwarten, dass eine Anhörung des Betroffenen zu Erkenntnissen geführt hätte, die für die Beschwerdeentscheidung von Bedeutung gewesen wären.
IV.
31
Mangels Erfolgs der Beschwerde war auch der Antrag des Betroffenen auf Bewilligung von Verfahrenskostenhllfe und Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten gemäß § 76 I, 78 II, III FamFG i.V.m. § 114 ZPO zurückzuweisen.