Inhalt

OLG München, Endurteil v. 23.05.2024 – 14 U 5289/23 e
Titel:

Kommanditbeteiligung, Hinauskündigungsklausel, Gesellschaftsvertrag, Sittenwidrigkeit, Gesellschafterstellung, Kommanditistenstellung, Geschäftsführerbestellung, Geschäftsführender Gesellschafter, Gesellschafterbeschluss, Gesellschaftermehrheit, Gesellschafterversammlung, Gesellschafterweisung, Gesellschafterstrukturen, persönlich haftender Gesellschafter, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung, Verkehrswert, Übertragung des Kommanditanteils, Ankaufsrecht, Call-Option

Schlagworte:
Call-Option, Sittenwidrigkeit, Hinauskündigungsklausel, Managementbeteiligungsprogramm, Kommanditbeteiligung, wirtschaftliches Risiko, Abfindungsregelung
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 22.11.2023 – 1 HK O 761/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48378

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 22.11.2023, Az. 1 HK O 761/23, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits haben zu 52% die Beklagte zu 1), zu 36% der Beklagte zu 2) und zu 12% der Beklagte zu 3) zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger noch Gesellschafter der A GmbH & Co. KG ist, oder ob er seine Gesellschafterstellung (als Kommanditist) an die Beklagten verloren hat. Dabei sind sich die Parteien über den Inhalt aller getroffenen Vereinbarungen einig. Sie streiten ausschließlich in rechtlicher Hinsicht über die Wirksamkeit der „Call-Option“, deren Ausübung nach Ansicht der Beklagten zum Übergang des klägerischen Kommanditanteils auf sie geführt hat.
2
Die Beklagten waren und sind (neben anderen Personen) Kommanditisten der A GmbH & Co. KG. Die A GmbH & Co. KG und die Beklagten sind die einzigen Gesellschafter der A G GmbH, wobei Mehrheitsgesellschafterin mit 50,3462% die Beklagte zu 1) ist. Die Beschlüsse in der A G GmbH werden mit einfacher Mehrheit gefasst. Persönlich haftende Gesellschafterin der A. GmbH & Co. KG ist die A Verwaltungsgesellschaft mbH, deren alleinige Gesellschafter zwei Fonds des Private Equity Investors B sind.
3
Die A G GmbH ist wiederum die einzige Gesellschafterin der A Holding GmbH. Die A Holding GmbH ist zusammen mit ihren verschiedenen Tochtergesellschaften (insgesamt die „A Gruppe“), zu denen auch die C GmbH gehört, eine auf LED-Beleuchtung spezialisierte Unternehmensgruppe. Alleingesellschafterin der C GmbH ist die A Holding GmbH. Bei der A Gruppe handelt es sich um eine von den B Fonds kontrollierte Portfoliogesellschaft (s. Überblick auch Anlage B3).
4
Auf Grundlage des Geschäftsführeranstellungsvertrags vom 6. Oktober 2020 (vorgelegt als Anlage K 10) wurde der Kläger zum alleinigen (Fremd-) Geschäftsführer der zur A Gruppe gehörenden C GmbH bestellt; am 08.04.2021 wurde er als deren Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen.
5
Die A GmbH & Co. KG wurde von den Beklagten und einem inzwischen ausgeschiedenen Mitgesellschafter (Herr …#) geschaffen, um den Managern der A Gruppe die Möglichkeit zu bieten (eine Verpflichtung hierzu bestand nicht), sich im Rahmen eines Managementbeteiligungsprogramms (mittelbar) an der A G GmbH beteiligen zu können. Zur Umsetzung des Programms wurde am 09.12.2021 der in englischer Sprache abgefasste Gesellschaftsvertrag der A C KG (Partnership Agreement) zwischen den Beklagten sowie Herrn … (als „Bestehende A Gesellschafter“ bezeichnet) als Kommanditisten und der B GmbH (diese hatten die B Fonds erworben) als Komplementärin abgeschlossen, der als Bestandteil des Anlagenkonvoluts K2, dort Bl. 31/61, vorgelegt worden ist (Auszüge aus der Übersetzung in die Klage eingearbeitet auf S. 16/24). Von den Bestehenden A Gesellschaftern (die Beklagten und Herr …#) wurden sodann insgesamt 873 Stammgeschäftsanteile der A Group GmbH (im folgenden: A Stammgeschäftsanteile) an die A KG übertragen (s. Punkt 3. und 4 des als Bestandteil des Anlagenkonvoluts K2, dort Bl. 5/31, vorgelegten Management Investment Agreement Relating To A Group, im Folgenden: MIA; auszugsweise übersetzt in der Klageschrift auf S. 5/16). Diese Anzahl an A Stammgeschäftsanteilen hält die A KG noch immer und ist damit in Höhe von ca. 1,28% am Stammkapital der A Group GmbH beteiligt.
6
Daraufhin trat der Kläger ebenfalls noch am 09.12.2021 auf Grundlage des Management Investment Agreements vom selben Tag, gemäß Ziff. 9.1 des MIA neben weiteren Managern der A Gruppe (im MIA als „Initial Managers“ bezeichnet) als Kommanditist der A & Co. KG und dem Gesellschaftsvertrag bei und leistete eine Einlage in Höhe von 149.984,46 € an die A KG, zu der er sich nach Ziff. 6.1 des MIA verpflichtet hatte (KV Anlage 2 Bl. 5/30). Mit dem Wirksamwerden der Beteiligung des Klägers als Kommanditist der A GmbH & Co. KG wurden ihm gemäß Ziff. 6.1 und Exhibit (Anlage) 6.1 zum MIA insgesamt 262 A Stammgeschäftsanteile im Nennwert von je EUR 1,00 wirtschaftlich zugewiesen, die nach Ziff. 6.4 des MIA bei der A GmbH & Co. KG auf dem Kapitalkonto II des Klägers gutgeschrieben wurden. Die vom Kläger geleistete Einlage in Höhe von insgesamt 149.984,46 € errechnete sich aus dem damaligen Anteilspreis eines A Stammgeschäftsanteils in Höhe von EUR 572,46 multipliziert mit der Anzahl der dem Kläger wirtschaftlich innerhalb der A KG zugewiesenen 262 A Stammgeschäftsanteile, wobei der Anteilspreis je A Stammgeschäftsanteil dem tatsächlichen Verkehrswert entsprach. Hierbei war keine Beteiligung an laufenden Gewinnen vorgesehen, sondern an den erhofften Erlösen im Falle eines „Exits“. Wegen der Einzelheiten und der damit verfolgten Ziele wird auf Punkt A. II. 3. der Klageerwiderung (dort S. 9/11 = Bl. 52/54 der erstinstanzlichen Akten) verwiesen.
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Punkt 19. des Gesellschaftsvertrags der A GmbH & Co. KG (s. Anlage K2 Bl. 53/56 und – übersetzt – S. 18/22 der Klageschrift) sieht vor, dass die Beteiligung eines Managers an der A. GmbH & Co. KG im Falle des Ausscheidens des Managers aus der A Gruppe von den bestehenden A Gesellschaftern erworben werden kann (die „Leaver Call Option“). Rechtstechnisch umgesetzt ist die Leaver Call Option durch ein bereits bei Vertragsschluss von den Managern erklärtes Angebot an die vorhandenen Gesellschafter, die Kommanditbeteiligung an die A Gesellschafter zu verkaufen und abzutreten (Punkt 19.2), wobei die „bestehenden A-Gesellschafter“ jeweils den Anteil an der Kommanditbeteiligung des ausscheidenden Managers erhalten sollten, der prozentual seinem Anteil entsprach. Dabei haben sich die A-Gesellschafter schuldrechtlich verpflichtet, dieses Angebot nur anzunehmen, wenn auch ein sog. Call Event (wie in Ziff. 19.6. des Gesellschaftsvertrags definiert) vorliegt, darunter auch die Fälle des Ausscheidens des Managers aus aktiven Anstellungsverhältnissen innerhalb der A Gruppe.
8
Der Kaufpreis für die Leaver-Kommanditbeteiligung hängt nach den getroffenen Vereinbarungen von einer Reihe von Faktoren ab und entspricht entweder dem Verkehrswert (Fair Market Value) oder dem niedrigeren Wert von Verkehrswert und dem Betrag des Investments des Managers (Cost) (vgl. Ziff. 20 des Gesellschaftsvertrags). Mit der Leaver Call Option soll erreicht werden, dass ein ausscheidender Manager, der nicht mehr länger zu der Wertsteigerung der A Gruppe beiträgt, an einer solchen auch in der Zukunft nicht mehr partizipiert, und neue Manager … mittelbar an den „frei werdenden“ A Stammgeschäftsanteilen beteiligt werden können.
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Mit Schreiben vom 30.08.2022 und Schreiben vom 28.09.2022 kündigte die C GmbH unter Beifügung eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses den Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers ohne Angabe von Gründen ordentlich fristgerecht zum 28.02.2023 und vorsorglich erneut zum 31.03.2023 (BV Anlage 09, überschrieben mit „Anlagenkonvolut B 8“). Zugleich wurde der Kläger durch Gesellschafterbeschluss vom 06.09.2022 als Geschäftsführer der Gesellschaft abberufen und ihm seine Abberufung als Geschäftsführer ebenfalls ohne Angabe von Gründen mitgeteilt (BV Anlage 09, überschrieben mit „Anlagenkonvolut B 8“).
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Mit Schreiben vom 14.12.2022 übten die Beklagten zu 1) bis 3) unter Bezugnahme auf § 19.2 des Gesellschaftsvertrages der A GmbH & Co KG unter Berufung auf die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der C GmbH die oben bereits beschriebene Call-Option in Bezug auf die gesamte von dem Kläger gehaltene Kommanditbeteiligung („the entire Partnership Interest“) dahingehend aus, dass das antizipierte Rückübertragungsangebot nach § 9 MIA angenommen und damit die gesamte Kommanditbeteiligung des Klägers an der A GmbH & Co. KG erworben wurde (Anlage K 9). Als „Abfindung“ rechneten die Beklagten dem Kläger den Verkehrswert seiner Kommanditbeteiligung vor, den sie mit 35.173,68 € ermittelten. Diese 35.173,68 € zahlten sie ihm aus. Der Kläger ist am 27.01.2023 als Kommanditist aus dem Handelsregister der A GmbH & Co. KG ausgetragen worden.
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Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger seine Kommanditistenstellung verloren hat und zwar ausschließlich in rechtlicher Hinsicht darum, ob die „Call-Option“ als sog. Hinauskündigungsklausel nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig ist.
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Die Klagepartei macht geltend, dass im vorliegenden Fall kein sachlicher Grund für die Annahme einer Ausnahme vom Grundsatz der Sittenwidrigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 19.09.2005, II ZR 173/04 und II ZR 342/03) gegeben sei: Der Kläger habe die Beteiligung, für die er einen nicht unerheblichen Teil seines Vermögens (ca. 150.000,- €) aufgewendet habe, nicht bloß in einer „treuhänderähnlichen“ Stellung als „Annex“ zur Geschäftsführer- bzw. Managerstellung gehalten, sondern als echte wirtschaftliche Beteiligung mit dem Risiko des Totalverlustes. Die Leaver Call Option sei zudem unter dem Gesichtspunkt einer unwirksamen Kündigungsbeschränkung (~ § 622 Abs. 6 BGB, § 723 Abs. 3 BGB) unwirksam.
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Die Beklagtenseite geht von der Wirksamkeit der Call-Option aus und verweist unter anderem darauf, dass es dem Kläger ohnehin nicht möglich gewesen sei, in der Gesellschaft relevanten gesellschaftsrechtlichen Einfluss zu nehmen, so dass die freie Ausschließungsmöglichkeit von ihm nicht als Disziplinierungsmittel empfunden werden konnte, das ihn daran hätte hindern können, von seinen Mitgliedschaftsrechten nach eigener Entscheidung Gebrauch zu machen und seine Mitgliedschaftspflichten erfüllen zu können. Sein wirtschaftliches Risiko sei begrenzt gewesen.
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Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils verwiesen. Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben und entsprechend den zuletzt vom Kläger gestellten Anträgen ausgesprochen:
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Es wird festgestellt, dass die mit gemeinsamen Schreiben der Beklagten zu 1) bis zu 3) vom 14.12.2022 ausgeübte, in § 19 des Gesellschaftsvertrages der A GmbH & Co KG vom 09.12.2021 vereinbarte Call-Option nichtig ist und der Kläger weiterhin Inhaber eines Kommanditanteils mit einer Haftsumme gemäß § 172 I HGB von € 10,00 ist, dem gesellschaftsintern nach Ziffer 6.1 und „Exhibit 6.1“ zum „Management Invest Agreement relating to A Group“ vom 09.12.2021 i.V.m. § 11.4(a) des Gesellschaftsvertrages 262 A-Stammgeschäftsanteile im Nennwert von je € 1,00 mit den laufenden Nummern 5.806 bis 5.919, 30.570 bis 30.662, 60.566 bis 60.595 und 63.023 bis 67.027 wirtschaftlich zugeordnet und auf dem Kapitalkonto II des Klägers gutgeschrieben sind.
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Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass es das mit der sog. Call-Option geregelte Ankaufsrecht für sittenwidrig i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB erachte. Den Beklagten sei es nicht gelungen darzulegen und zu beweisen, dass sich die vereinbarte Hinauskündigungsklausel ausnahmsweise als wirksam darstelle. Vielmehr bestehe eine ungleiche Kündigungslage. Das Disziplinierungsmittel der freien Hinauskündbarkeit könne nur dann als in den Hintergrund tretend angesehen werden, wenn die Gesellschafterstellung konkret für den betroffenen Manager eine untergeordnete Bedeutung habe. Davon sei angesichts der Umstände des Einzelfalls („etwa Verkehrswert statt Nennwert, keine Beteiligung an laufend auszuschüttenden Gewinnen, fehlende Deckelung der 'Abfindung' nach unten, volles wirtschaftliches Risiko, Erheblichkeit des Einsatzes, Zusammenspiel dieser Faktoren bei nachgewiesener Abwerbung/Köderung mit einem angeblichen wirtschaftlichen Potential der Manager-Beteiligung von ca. 1 Million bis zum avisierten Exit 2024“) nicht auszugehen. In Anbetracht des vereinbarten An- und Verkaufs der Anteile zum Verkehrswert habe die Zahlung von 149.984,46 € für den Kläger ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko begründet. In der Folge könne nicht mehr von einer treuhänderähnlichen Stellung des Klägers und damit auch nicht von einem reinen Annex zur Stellung als Geschäftsführer gesprochen werden. Es sei gerade nicht sichergestellt, dass der Gesellschafter zumindest seinen Einsatz zurückerhalte.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils verwiesen.
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Gegen dieses Urteil haben die Beklagten in vollem Umfang Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie insbesondere vorbringen:
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Die Darlegungs- und Beweislast für die Sittenwidrigkeit der Call-Option trage der Kläger, der selbige einwende. Soweit das Landgericht argumentiere, das Ankaufsrecht im Rahmen eines Management-Beteiligungsprogramms sei im Regelfall unwirksam, lege es einen falschen Maßstab bezogen auf die Inhaltskontrolle gemäß § 138 BGB zugrunde.
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Auch inhaltlich erweise sich die Annahme der Sittenwidrigkeit als verfehlt: ManagementBeteiligungsprogramme seien – objektiv betrachtet – wirtschaftlich sinnvoll und politisch erwünscht (vgl. § 19a EStG n.F.). Es sei marktüblich, sachlich gerechtfertigt und sogar erforderlich, dass nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses der Geschäftsanteil zurück übertragen werde. Die Gründe für die Beteiligung (Incentivierung des Mitarbeiters und Bindung an das Unternehmen) seien dann weggefallen. Subjektiv sei zu berücksichtigen, dass es dem Kläger frei gestanden habe, die zusätzliche Ertragschance in Form des Beteiligungsprogramms wahrzunehmen. Das vom Kläger eingegangene wirtschaftliche Risiko eines Verlustes seiner Einlage könne für sich betrachtet keinesfalls einen Sittenwidrigkeitsvorwurf begründen.
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Die vom 7. Senat des OLG München (7 U 1844/19, Rn. 66) in Fortführung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes formulierten Anforderungen an die Zulässigkeit eines „Managermodells“ seien im vorliegenden Fall erfüllt: (1) Der Kläger habe – unstreitig – keine effektive Einflussnahmemöglichkeit auf Entscheidungen der Gesellschafterversammlung der A GmbH & Co. KG gehabt. Der das Hinauskündigungsverbot tragende Gedanke, den Gesellschafter bei der Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte nicht unter unangemessenen Druck zu setzen, werde folglich nicht berührt. (2) Die Möglichkeit, sich am Unternehmen zu beteiligen, diene der Bindung an das Unternehmen sowie einer Incentivierung bezogen auf die Tätigkeit als Geschäftsführer. (3) Der Kläger habe mit Erwerb der Kommanditbeteiligung kein finanzielles Risiko übernommen, das über das Risiko eines Verlustes seiner Einlage, also das bloße Insolvenzrisiko der KG, hinausgegangen sei. Es könne keinen Unterschied machen, ob die Incentivierung des Managements über die Teilhabe an laufenden Gewinnen oder – wie bei Private Equity-Investitionen üblich – über eine Beteiligung am Exiterlös erfolge.
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Soweit das Landgericht darauf abgestellt habe, „dass der bei der Ausübung der Call-Option zu zahlende Kaufpreis nach der geschlossenen Vereinbarung unter dem Erwerbspreis liegen kann“, vermenge es die Frage der Sittenwidrigkeit der Call-Option mit der Frage einer etwaigen Unwirksamkeit der Abfindung- bzw. Kaufpreisklausel im Falle der Ausübung der Call-Option. Beide Fragen seien nach der Rechtsprechung des BGH streng zu trennen.
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Im Übrigen erweise sich auch die Abfindungs- bzw. Kaufpreisregelung als wirksam. Der Kläger sei ein unternehmerisches Risiko eingegangen, dem spiegelbildlich eine Ertragschance gegenübergestanden habe. Werde dem Manager die Rückerstattung seiner Einlage garantiert, widerspreche dies dem (Incentivierungs-) Ziel des Beteiligungsmodells und führe zudem zu einem Lohnsteuernachteil für den betroffenen Manager.
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Das Ankaufsrecht sei auch nicht mit Blick auf § 622 Abs. 6 BGB, § 132 Abs. 6 HGB (= § 723 Abs. 3 BGB a.F.) oder § 307 BGB unwirksam.
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Die Beklagten beantragen in der Berufung:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Augsburg vom 22.11.2023 – 1 HK O 761/23 – wird die Klage abgewiesen.
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Der Kläger beantragt in der Berufung,
die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil im Wesentlichen mit folgenden Argumenten:
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Das Landgericht sei zutreffend davon ausgegangen, dass Hinauskündigungsklauseln grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig seien. Die Gesellschafterstellung sei so weit vom Anstellungsverhältnis des Klägers entkoppelt, dass nicht von einem bloßen Annex im Sinne der Rechtsprechung des BGH gesprochen werden könne. Auf die Bindung und Incentivierung von Führungskräften ausgerichtete Beteiligungsmodelle hätten gesellschafts-, arbeits- und steuerrechtliche Grenzen, die im vorliegenden Fall überschritten worden seien. Zu berücksichtigen sei unter anderem, dass dem Kläger ein jährlicher Bonus von 350.000 € suggeriert worden sei (s. Anlage K9). Angesichts des mit der Einlage von 149.984,46 € verbundenen finanziellen Risikos könne von einer nur treuhänderähnlichen Stellung des Klägers nicht die Rede sein. Die Hinauskündigungsklausel sei auch deshalb unwirksam, weil sie die Kündigungsmöglichkeit des Klägers in unzulässiger Weise beschränkt habe (vgl. § 622 Abs. 6 BGB, § 723 Abs. 3 BGB a.F., §§ 731 Abs. 2 BGB, 132 Abs. 6 HGB n.F.).
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Weder bestehen Anhaltspunkte für unrichtige Tatsachenfeststellungen, noch beruht das angefochtene Endurteil auf Rechtsfehlern.
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A. Der gesamte entscheidungserhebliche Sachverhalt ist zwischen den Parteien unstreitig. Die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen sind unstreitig. Anhaltspunkte für unrichtige oder unvollständige Tatsachenfeststellungen bestehen nicht. Änderungen haben sich insofern in der Berufung nicht ergeben.
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Nachdem der entscheidungserhebliche Sachverhalt unstreitig ist, ist es auch unerheblich, wer die Beweislast für die Voraussetzungen eines Sittenverstoßes nach § 138 BGB trägt.
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B. Auf Grundlage der vom Landgericht getroffenen Feststellungen, die auch der Berufungsentscheidung zugrunde zu legen sind, ist keine andere als die vom Landgericht getroffene Entscheidung geboten. Das angegriffene Urteil beruht nicht auf Rechtsfehlern.
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Die Feststellungsklage ist zulässig, da zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis streitig ist, nämlich ob der Kläger noch Kommanditist der A GmbH & Co. KG ist.
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Die zulässige Feststellungsklage erweist sich als begründet, weil das Landgericht die im streitgegenständlichen Gesellschaftsvertrag unter Punkt 19 vereinbarte „Call-Option“ rechtsfehlerfrei als gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig erachtet hat. Dies hat zur Folge, dass das im Rahmen dieser Regelung enthaltene Abtretungsangebot des Klägers nicht wirksam war und dementsprechend die Annahme dieses (unwirksamen) Angebots nicht zu einer wirksamen Abtretung mit Folge des § 398 S. 2 BGB führte. Mangels wirksamer Abtretungsvereinbarung ist es nicht zu einer Übertragung des Kommanditanteils des Klägers auf die Beklagten gekommen.
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Das von den Beklagten angenommene Abtretungsangebot nach Punkt 19 des Gesellschaftsvertrags war nach § 138 Abs. 1 BGB unwirksam. Dessen Vereinbarung verstieß gegen die guten Sitten, weil diese Regelung den Beklagten faktisch das Recht einräumte, den Kläger ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen. Es war auch nicht deswegen sachlich gerechtfertigt, weil es sich nur als Annex zur Geschäftsführertätigkeit des Klägers im Rahmen eines Managerbeteiligungsprogramms darstellte.
Im Einzelnen:
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1. Die Beklagten waren und sind auch Gesellschafter der A G GmbH, so dass sie es in der Hand hatten, per Gesellschafterweisung eine jederzeit ohne Grund mögliche Abberufung des Klägers von dessen Geschäftsführeramt bei der C GmbH und von dessen sonstigen Positionen durchzusetzen und so auch die Call-Option auszulösen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (s. BGH, Urteil vom 19. September 2005 – II ZR 173/04 –, BGHZ 164, 98-107, Rn. 10) sind in Personengesellschaften gesellschaftsvertragliche Regelungen, die einem Gesellschafter, einer Gruppe von Gesellschaftern oder der Gesellschaftermehrheit das Recht einräumen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen („Hinauskündigungsklauseln“), grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, es sei denn, sie wären wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt (s. BGH, Urteil vom 19. September 2005 – II ZR 173/04 –, BGHZ 164, 98-107, Rn. 11).
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2. Die Koppelung des freien Widerrufs der Geschäftsführerbestellung und der Beendigung der Gesellschafterstellung aufgrund der besonderen Umstände des Falles kann zwar nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sachlich gerechtfertigt sein (s. BGH, Urteil vom 19. September 2005 – II ZR 173/04 –, BGHZ 164, 98-107, Rn. 12), insbesondere wenn sie sich Rahmen eines Managerbeteiligungsprogramms nur als Annex zu der Geschäftsführerstellung darstellt. Dies ist allerdings vorliegend aber nicht der Fall.
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2.1. Für die Annahme einer sachlichen Rechtfertigung spricht zwar, dass die Möglichkeit des Klägers, in der Gesellschafterversammlung seine Vorstellungen gegen den Willen der Beklagten durchzusetzen, praktisch ausgeschlossen war. Alle gesetzlichen und satzungsmäßigen Mehrheiten haben die Beklagten.
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Auch hat die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Klägers nach dem Unternehmenskonzept der Beklagten die Funktion, den Geschäftsführer stärker an das Unternehmen zu binden, seine Motivation zu steigern und eventuell auch seine Stellung als „geschäftsführender Gesellschafter“ innerhalb des Betriebs und nach außen aufzuwerten.
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Auch das Interesse der Beklagten, eine Rückübertragung erzwingen zu können und damit die Möglichkeit zu haben, einen Nachfolger des Klägers in gleicher Weise zu beteiligen und damit das Managerbeteiligungsprogramm fortzuführen, ist nicht zu verkennen.
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2.2. Dennoch überwiegen die gegen die Bejahung der sachlichen Rechtfertigung sprechenden Gesichtspunkte, insbesondere weil sich die Gesellschafterstellung des Klägers nicht nur als Annex zu seiner Geschäftsführerstellung darstellt.
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2.2.1. Bei der vorliegenden Gestaltung erhielt der Kläger nicht lediglich wirtschaftlich die Teilhabe am Gewinn der Gesellschaft während der Dauer seiner organschaftlichen und dienstvertraglichen Bindung an die Gesellschaft. Eine Gewinnausschüttung sollte gerade nicht erfolgen.
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2.2.2. Dem Kläger sollte auch keine für ihn risikolose, von seinem Geschick bei der Unternehmensführung mitabhängige und diesen Erfolg widerspiegelnde laufende Einnahmequelle neben seinem Gehalt eingeräumt werden. Das finanzielle Risiko des Klägers war nämlich nicht gering; er trug vielmehr – insbesondere auch beim Ausscheiden wegen Eingreifens der Call-Option – alle Risiken, die ein Kommanditist eben trägt:
- Er zahlte für den Erwerb seines Kommanditanteils den Marktwert, indem er als Gegenleistung für die Einräumung der Kommanditistenstellung eine Einlage erbrachte, die dem Marktwert der Anteile der A G GmbH, die ihm intern zugewiesen worden sind, entsprach.
- Er sollte bei Ausübung der Call-Option (auch als 'Good Leaver') bestenfalls den dann aktuellen Marktwert erhalten.
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Der Kläger hat also nicht lediglich eine treuhänderähnliche Stellung an der Kommanditbeteiligung erhalten, die ihm ausschließlich oder überwiegend zusätzliche Einnahmequellen bei wirtschaftlichem Erfolg der A Gruppe verschaffen sollte. Er hat sich vielmehr mit vollem wirtschaftlichem Risiko an der A GmbH & Co. KG beteiligt.
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2.2.3. Das einzige Gewinnpotential für den Kläger war der Anstieg des Werts der von ihm marktgerecht bezahlten Beteiligung. Dabei beteiligte sich der Kläger aber auch nicht nur an der von ihm geführten C GmbH, sondern (mittelbar) an der A G GmbH. Die wirtschaftliche Entwicklung seiner Kommanditbeteiligung war damit auch nicht ausschließlich vom Erfolg oder Misserfolg der von ihm geführten Gesellschaften abhängig, sondern von dem der gesamten Unternehmensgruppe.
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2.2.4. Zwar wurde dem Kläger die Chance, durch eine Kommanditbeteiligung an dem Verkaufserlös der von der A GmbH & Co. KG gehaltenen Stammanteile bei Exit zu partizipieren (zur näheren Ausgestaltung s. insbesondere Klageerwiderung Rn 28/30), nur im Hinblick auf seine Stellung als Manager geboten. Seine weitere Kommanditbeteiligung verliert mit seinem Ausscheiden als Manager der A-Gruppe aber nicht ihren rechtfertigenden Sinn, nachdem er das volle wirtschaftliche Risiko seiner Beteiligung selbst trägt und ihm auch beim Erwerb der Beteiligung keine Vorzugskonditionen gewährt wurden. Der Kläger würde durch den unfreiwilligen Verlust seiner Kommanditbeteiligung einen erheblichen Verlust realisieren und die Chance auf Teilnahme an dem Erlös bei Exit verlieren. Nur beim Verbleib in der Gesellschaft behält er die Chance einer positiven Entwicklung der von ihm erkauften Beteiligung, wobei er auch das Risiko noch größeren Verlusts behält.
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2.3. Die Gesamtabwägung der dargestellten Gesichtspunkte führt nicht dazu, dass die Hinauskündigungsklausel ausnahmsweisen gerechtfertigt erschiene.
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2.3.1. Die Beteiligung des Klägers als Kommanditist, die ihm – wie die Beklagten betonen – freistand (es war von einem Manager nicht erwartet, dass er sich als Kommanditist beteiligte), weist nur zwei Besonderheiten gegenüber einer „normalen“ Kommanditbeteiligung auf:
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2.3.1.1. Sie ist dem Kläger nur im Hinblick auf seine Tätigkeit als Manager innerhalb der A Gruppe angeboten worden.
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2.3.1.2. Die Beteiligung an der A G GmbH über die A GmbH & Co. KG war „sweet“ ausgestaltet, da diese – anders als alle anderen Gesellschafter – nur Inhaberin von A Stammgeschäftsanteilen war. Diese wiederum hatten den Nachteil, dass die Inhaber der Vorzugsgeschäftsanteile (hier die Beklagten) die sich aus Ziff. 8 der Satzung der A G GmbH ergebenden Vorzüge (Vorzugsbetrag von EUR 572,49 je A Vorzugsgeschäftsanteil zzgl. einer Verzinsung von 9% p.a.) erhalten sollten. Anderseits sollten sie den Vorteil haben, dass – sofern und soweit die Exiterlöse die Summe der gesamten Vorzüge übersteigen, weil die angestrebte Unternehmenswertsteigerung eintritt, der restliche Exiterlös nur noch unter den Inhabern der A Stammgeschäftsanteile pro rata verteilt wird (s. insbesondere S. 9/10 der Klageerwiderung).
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2.3.2. Diese Besonderheiten begründen keinen sachlichen Grund für die Rechtfertigung einer Hinauskündigungsklausel.
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2.3.2.1. Die Aufnahme von Gesellschaftern wie Kommanditisten kann und wird (außer bei Publikumsgesellschaften) oft nicht ausschließlich von der Bereitschaft des Neugesellschafters abhängen, Kapital in die Gesellschaft einzubringen. Dass letztendlich die vorhandenen Gesellschafter immer frei bestimmen können, eine Beteiligung nur einer bestimmten Personengruppe anzubieten, rechtfertigt es nicht, in einem solchen Fall (Angebot nur an bestimmte Personengruppe) den Altgesellschaftern ohne Hinzutreten anderer Gesichtspunkte die Möglichkeit zu gewähren, die Gesellschafterstellung des Hereingenommenen nach Belieben zu beenden, wenn er dieser Personengruppe nicht mehr angehört.
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2.3.2.2. Auch die eben unter Punkt 2.3.1.2 dargestellte Besonderheit bei der Beteiligung am Exit-Erlös rechtfertigt dies nicht.
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Die „sweete“ Beteiligung sollte dem Kläger nur im Fall eines erfolgreichen Exits ab einer bestimmten Höhe des Erlöses erhebliche Vorteile verschaffen. Dies kann die allein vom Willen der Beklagten abhängige Möglichkeit zur Beendigung der Gesellschafterstellung nicht rechtfertigen, weil genau diese Vorteile durch die Beendigung der Gesellschafterstellung beseitigt werden.
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Zwar mag es das berechtigte Interesse der Beklagten sein, den Kläger nur an einem Exit-Erlös zu beteiligen, wenn er auch bis zu diesem Zeitpunkt als Manager für die Unternehmensgruppe tätig ist. Das rechtfertigt es aber nicht, die Belange des Klägers völlig unberücksichtigt zu lassen. Dieser hat sich mit vollem Risiko an der A G GmbH über die A GmbH & Co. KG beteiligt, wobei die Beklagten gerade wünschten, dass er „ins eigene Risiko“ geht. Das Beteiligungsprogramm war so konzipiert, dass der erhoffte Erfolg, der ersichtlich der einzige vernünftige Anlass für den Kläger zur Eingehung eines Risikos sein konnte, nur eintreten konnte, wenn seine Beteiligung noch zum Zeitpunkt des Exits bestand. Diese Art der Vertragsgestaltung kann die allein vom Willen der Beklagten abhängige Möglichkeit, die Gesellschafterstellung des Klägers zu beenden, nicht rechtfertigen. Die Beklagten erhalten damit die Möglichkeit, die Beteiligung des Klägers mit der Folge eines sofort eintretenden erheblichen Verlusts zu beenden, ohne dass er selbst die Möglichkeit hat, über das Schicksal seines Investments mitzuentscheiden (z. B.: Beibehalten in der Hoffnung auf Wertsteigerung unter Eingehung des Risikos noch höheren Verlusts).
C. Nebenentscheidungen
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1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, wobei die Beklagten für die Kosten nicht als Gesamtschuldner haften, da die Voraussetzungen hierfür (§ 100 Abs. 4 ZPO) nicht vorliegen. Insofern war auch die erstinstanzliche Kostenentscheidung abzuändern.
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2. Die – ohnehin nur die Kosten betreffende – Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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3. Die Revision war nicht zuzulassen. Wie aufgezeigt sind die grundsätzlichen rechtlichen Fragen, die der Fall aufwirft (grundsätzliche Sittenwidrigkeit von „Hinauskündigungsklausseln“ und Voraussetzungen dafür, sie ausnahmsweise als zulässig anzusehen) durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt. Von dieser ist der Senat nicht abgewichen.
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Auch vom Urteil des 7. Senat vom 13.05.2020 in der Sache 7 U 1844/19 weicht die vom Senat getroffene Entscheidung nicht ab. Dieses Urteil war bereits tragend darauf gestützt, dass es im dortigen Fall unter Berücksichtigung der Gesellschafterstruktur nicht praktisch ausgeschlossen war, dass der Geschäftsführer durch sein Stimmverhalten Entscheidungen der Gesellschafterversammlung beeinflussen konnte (s. OLG München, Urteil vom 13. Mai 2020 – 7 U 1844/19 –, Rn. 113, juris).