Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 31.07.2024 – B 6 K 22.916
Titel:

Erfolgreiche Klage gegen Ausweisung wegen fehlender Wiederholungsgefahr und Bleibeinteresse von besonderem Gewicht

Normenketten:
AufenthG § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 53, § 54 Abs. 1 Nr. a, Nr. a lit. a, § 55 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 4, Abs. 2 Nr. 5
GG Art. 6
BZRG § 46, § 51
EMRK Art. 8
Leitsatz:
Eine positive Entscheidung über die Maßregel- oder Straf(rest)aussetzung zur Bewährung schließt nicht von vornherein aus, dass im Einzelfall schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen, die eine spezialpräventive Ausweisung rechtfertigen können. Strafgerichtlichen Feststellungen kommt eine Indizwirkung zu. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, Niederlassungserlaubnis, Verhältnismäßigkeit, langjähriger Voraufenthalt, Indizwirkung strafgerichtlicher Prognosen, sozialer Vater, minderjähriges Kind, Ausweisung allein aus generalpräventiven Gründen, schwere Straftat, nordmazedonischer Staatsangehöriger, Lebenspartnerschaft, Freiheitsstrafe, Wiederholungsgefahr, Indizwirkung, Bewährung, Kriminalprognose, Behinderung, Schulden, generalpräventives Ausweisungsinteresse
Fundstelle:
BeckRS 2024, 48174

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamts A … vom 2.9.2022, Az. … wird aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland.
2
Der Kläger ist nordmazedonischer Staatsangehöriger und wurde am …1978 mit dem Namen S …U … in … ( …, Mazedonien) geboren.
3
Der Kläger reiste am 30.3.1988 erstmals mit seiner Mutter zur Beantragung eines Asylverfahrens in das Bundesgebiet ein. Das Asylverfahren wurde beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) unter dem Aktenzeichen … geführt, der Asylantrag wurde abgelehnt, durch Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 3.3.1993 (Az. 5 K 10910/90) wurde der Bescheid unanfechtbar. Nach erfolglosem Verfahrensabschluss kehrte der Kläger 1993 nach Mazedonien zurück.
4
Nach seinen eigenen Angaben reiste der Kläger am 15.7.1998 erneut in das Bundesgebiet ein. Mit Schriftsatz seines damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 17.7.1998, eingegangen beim Bundesamt am 20.7.1998, stellte er einen Antrag auf Durchführung eines zweiten Asylverfahrens. Dieser wurde mit Bescheid vom 3.8.1998 (Az. …) abgelehnt. Das Verfahren zur gegen diesen Bescheid erhobenen Klage (Az. 11 K 6766/98.A) wurde mit Entscheidung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 16.3.1999 ohne Aufhebung des Bescheids beendet.
5
Am 21.7.1999 meldete der Kläger die Eheschließung mit Frau J …C …, geborene K …, beim Standesamt … an. Am 1.12.1999 reiste der Kläger auf dem Luftweg in sein Heimatland zurück. Nach eigenen Angaben unterhielt der Kläger während seines Aufenthalts in Mazedonien bis zum Mai 2001 eine etwa einjährige Beziehung, aus der eine Tochter, die am …7.2001 geborene A … I …, hervorging. Am 3.9.2001 übersendete das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland Amsterdam der Ausländerbehörde der Stadt Moers einen Antrag des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Form des Visums zum Zwecke des Führens einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft. Die Beurkundung des Termins sei bereits für den 24.9.2001 vereinbart. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger als Asylsuchender in den Niederlanden und hatte dort einen Asylantrag gestellt. Bei seiner Anhörung zur Beseitigung von Zweifeln am Bestehen einer schutzwürdigen Partnerschaft gab der Kläger am 18.9.2001 an, seinen Partner im September 1998 in Aachen kennengelernt zu haben. Er und sein Partner hätten bereits im ersten Jahr beschlossen zusammenzubleiben, zu heiraten jedoch erst nach Einführung des entsprechenden Gesetzes.
6
Nach Erteilung des beantragten Visums reiste der Kläger am 19.9.2001 in die Bundesrepublik Deutschland ein und zog zu seinem Partner, dem deutschen Staatsangehörigen O …V …, nach Moers. Am …9.2001 begründete er vor einer Bediensteten der Bezirksregierung Düsseldorf die Lebenspartnerschaft mit O …V … Am nächsten Tag stellte der Kläger bei der Stadt Moers einen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis, die ihm am 26.9.2001 zunächst bis zum 23.9.2002 befristet erteilt wurde und am 3.9.2002 bis zum 19.7.2005 verlängert wurde. Am 7.5.2003 wurde der Kläger als nach unbekannt ins Ausland verzogen gemeldet. Der Kläger meldete sich am 2.6.2003 zum 1.6.2003 in W. an. Spätestens ab dem Jahr 2003 unterhielt er eine Beziehung zu Frau P …B … Am 6.1.2004 meldeten der Kläger und Frau P …B … ihren Wohnsitz in der Gemeinde X … unter der gleichen Adresse an. Mit Schreiben vom 12.1.2004 gab der Kläger eine Erklärung über die Änderung des Familienstandes ab, mit dem Inhalt, von seinem Lebenspartner seit dem 6.1.2004 getrennt zu leben. Am …7.2004 wurde Y … B … in W. geboren, deren Vaterschaft der Kläger am 3.8.2004 mit Zustimmung der Mutter P …B … anerkannte. Am 1.8.2004 meldete der Kläger seinen Wohnsitz in N. an. Am 8.11.2005 wurde dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zum Familiennachzug zu seiner deutschen minderjährigen ledigen Tochter erteilt und mehrfach bis zum 30.5.2011 verlängert. Vom 14.3.2005 bis zum 1.9.2006 war der Kläger in Krefeld gemeldet, sodann zog er zurück nach N.. Nachdem der Kläger sich zum 5.1.2009 in N. abgemeldet hatte, schloss er am 10.1.2009 mit P …B … in der Schweiz die Ehe und führte fortan den Ehenamen B … als Nachnamen. Er meldete sich zum 9.3.2009 wieder in der Bundesrepublik Deutschland mit Wohnsitz in Z … an. Am 28.12.2009 wurde dem Kläger eine Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt. Am 13.1.2010 wurde die Ehe des Klägers und seiner Ehefrau P …B … in das deutsche Eheregister und durch nachträgliche Rechtswahl der Name B … als Ehename eingetragen. In der Folgezeit wechselte der gemeldete Wohnsitz des Klägers mehrfach zwischen Z … und N.. Im Jahr 2011 ging aus der Ehe mit P …B … der Sohn M … B … hervor.
7
Im Zeitraum 25.10.2012 bis 1.6.2014 war der Kläger mehrfach wechselnd im Raum München und Dachau gemeldet, bevor er wieder nach N. zurückkehrte und in der Folgezeit in N. und F. wohnhaft war. In diesem Zeitraum schloss der Kläger nach erfolgter Scheidung von P …B … im Jahr 2013 mit der am …1985 in … (Ukraine) geborenen, deutschen Staatsangehörigen L … Z … die Ehe, welche ebenfalls den Familiennamen B … annahm. Auch diese Ehe wurde geschieden. Frau L … B … behielt den Familiennamen auch nach der Ehescheidung. Sie heiratete im Jahr 2014 den Bruder des Klägers, den am …1973 in Mazedonien geborenen Q … U …, der ebenfalls den Familiennamen B …annahm. Diese Ehe wurde im Jahr 2018 geschieden. Während der Ehe mit Q … B … wurde L … B … Mutter der Kinder H … B …, geboren am …2016 und E … B …, geboren am …2017.
8
Der Kläger wurde darüber hinaus Vater einer ihm aus einer Beziehung mit R … D … am …11.2017 in N. geborenen Tochter mit dem Namen F … D … Der Kläger hatte die Vaterschaft bereits vorgeburtlich am 31.9.2017 anerkannt und ist im Geburtseintrag der Tochter als Vater eingetragen. Diese Tochter ist deutsche Staatsangehörige.
9
Am 1.5.2018 zog der Kläger nach U … und wurde in einem Imbiss in H … tätig. Diesen Imbiss betrieb der Kläger ab dem 1.8.2018 als Pächter. Frau L … B …, zu diesem Zeitpunkt rechtlich noch mit dem Bruder des Klägers verheiratet, war wieder die Lebensgefährtin des Klägers und mietete eine Wohnung im zweiten Obergeschoss des Hauses, in dem sich der Imbiss befand. In der Nacht vom … auf den …2018 kam es zu einem Brand im vom Kläger betriebenen Imbiss. Im Verlauf der Ermittlungen gerieten der Kläger und G … T … unter Verdacht, den Brand im Imbiss gelegt zu haben. Der am …2000 in … (Nordmazedonien) geborene nordmazedonische Staatsangehörige G … T … ist nach den Angaben des Klägers im Ermittlungsverfahren sein „Cousin“, der Neffe des Klägers sei mit der Tante von Herrn G … T … verheiratet. Auf Haftbefehl vom …2018 (Amtsgericht K …, Az. …) hin wurde der Kläger am …2018 in Untersuchungshaft genommen. Auf Anklage der Staatsanwaltschaft K … vom …3.2019 hin wurden der Kläger und sein Cousin mit Urteil vom …7.2019 des Landgerichts K … verurteilt (Az. …). Der Kläger wurde der versuchten besonders schweren Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion zugleich mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Betrug schuldig gesprochen und deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Im Verlauf des Strafverfahrens räumten die Angeklagten die Tatplanung zwar teilweise ein, bezichtigten sich dann jedoch gegenseitig der Tatausführung gegen den Willen des jeweils anderen. Wer welchen Tatbeitrag erbracht hat, konnte im Nachhinein nicht mehr aufgeklärt werden. Das Urteil vom …7.2019 wurde hinsichtlich des Klägers mit Ablauf des …2.2020 rechtskräftig. Noch während der Untersuchungshaft heirateten der Kläger und L … B … ein weiteres Mal am …2019. Ab dem …2.2020 befand sich der Kläger bis zu seiner vorzeitigen Haftentlassung auf Bewährung am …8.2022 in Strafhaft.
10
Nach den Feststellungen des Landgerichts K … hatte der Kläger Schulden in Höhe von jedenfalls 99.500,00 Euro aus einem Privatdarlehen, wovon L … B … einen nicht mehr näher ermittelbaren Betrag erhalten hatte. Er hatte zudem seit September 2018 einen Pkw geleast, für welche monatliche Raten von 1.000,00 Euro zu begleichen waren. Der mit Vertrag vom 21.5.2018 ab dem 1.8.2018 gepachtete Imbiss befand sich im Erdgeschoss eines zweigeschossigen Gebäudes im Ortskern der Gemeinde H … Im Erdgeschoss befand sich zudem ein gesondert zugänglicher Wohnraum, der von zwei Herren bewohnt wurde. Im ersten Obergeschoss befand sich die Wohnung eines Ehepaars und einer weiteren Frau, U … X … Im Dachgeschoss befand sich die von L … B … gemietete Wohnung, die sie mit dem Kläger und den Kindern H … und E … als Familie bewohnte. In der Nacht vom … auf den …11.2018 wurde ein Fenster zum Imbiss eingeschlagen, um einen Einbruch vorzutäuschen. Sodann wurde die auf einem Rollwagen befindliche Kasse und Pizzakartons in einen Küchendurchgang neben eine dort befindliche Gasflasche geschoben und angezündet. Der Druckminderer einer sich in unmittelbarer Nähe der Kasse befindlichen Gasflasche wurde abgeschraubt und die Gasflasche aufgedreht, so dass Propangas entwich. Im Tatzeitraum waren die beiden Bewohner des Wohnraums im Erdgeschoss und die drei Bewohner der Wohnung im ersten Obergeschoss in ihren Wohnräumen. Im zweiten Obergeschoss des Gebäudes hielten sich L … B … und der Sohn H … B …, die Mutter des Klägers, D … S …, sowie zeitweise der Kläger und Herr G … T … auf. Der Kläger und Herr G … T … hielten sich nach den im Strafverfahren getroffenen Feststellungen in der Wohnung im Dachgeschoss auf und warteten auf die Brandentdeckung durch andere Bewohner. Infolge eines ausgelösten Rauchmelders in der Wohnung im ersten Obergeschoss alarmierte der dort lebende Nachbar die übrigen sich im Haus befindlichen Personen und forderte den Kläger dazu auf, die Feuerwehr zu alarmieren, was dieser sodann auch tat und dabei auch auf die sich in der Küche des Imbisses befindenden Gasflaschen hinwies. Die Feuerwehr konnte den Brand löschen, zu einer Explosion der Gasflaschen kam es nicht. In der Folge der Brandlegung kam es bei Frau X … sowie dem Kind H … B … durch den Rauch zu Rauchgasvergiftungen, die ambulant behandelt wurden. Frau X … erlitt zudem eine posttraumatische Belastungsstörung. Darüber hinaus entstanden Rußschäden an einem Bett und einer Jalousie sowie ein Gebäudeschaden in Höhe von insgesamt 30.525,12 Euro, der dem Eigentümer von seiner Versicherung ersetzt wurde. Am Inventar des Imbisses entstand ein weiterer Sachschaden von mindestens 19.500,00 Euro. Nach einem Besichtigungstermin mit dem Regulierungsbeauftragten der Versicherung, bei welcher der Kläger zu Beginn des Pachtverhältnisses eine Inventarversicherung und eine Betriebsausfallversicherung abgeschlossen hatte, machte der Kläger am …2018 den Schaden schriftlich gegenüber seiner Versicherung geltend. Die Versicherung zahlte dem Kläger einen Vorschussbetrag von 4.000,00 Euro, der vom Kläger am …2019 zurückgezahlt wurde. Weiter zahlte die Versicherung einen Vorschuss von 6.449,00 Euro an eine Firma für erste Notreinigungsmaßnahmen. Der Kläger schloss am …2019 einen Vertrag mit der Versicherung zur Ratenrückzahlung dieses Betrages.
11
Mit Schreiben vom 1.10.2020 hörte das Landratsamt A … (Landratsamt) den Kläger zur Prüfung seiner Ausweisung an. Mit Schreiben vom 22.12.2020 nahm die damalige Verfahrensbevollmächtigte des Klägers zur beabsichtigten Ausweisung Stellung und verwies auf das soziale Netzwerk, auf welches der Kläger nach seiner Haftentlassung zurückgreifen könne. Der Kläger habe eine enge Bindung zu den Kindern H … und E … und sei für diese eine Vaterfigur. Die Ehefrau des Klägers wünsche eine Adoption durch diesen, welche nach der Haftentlassung weiter betrieben werden solle. Der Sohn H … leide unter gesundheitlichen Problemen, weil er nur eine Niere habe. Der Kläger unterstütze die Mutter in diesem Zusammenhang sehr. Aus der Haft heraus habe der Kläger regelmäßig Kontakt zu Ehefrau und Kindern. Weiter übernehme der Kläger für seine Tochter F … D … die Sorge und habe ein gutes Verhältnis zur Mutter des Kindes. Die Mutter von F … D … wolle, dass nach der Haftentlassung weiterhin regelmäßiger Umgang zum Kind durchgeführt werde. Die Kinder des Klägers aus seiner vorherigen Ehe lebten in Z … Er habe Kontakt zu ihnen gepflegt, was aber durch die Haft erschwert worden sei, da die Mutter den Umgang hätte fördern müssen. Zudem sei dem Kläger ein Arbeitsplatzangebot für die Zeit nach seiner Haft gemacht worden. Drei deutsche Kleinkinder begriffen den Kläger als ihren Vater und müssten ohne diesen aufwachsen, wenn der Kläger ausgewiesen werde. Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens wurde ein Angebot einer in H … ansässigen Unternehmensberaterin für eine Stelle für Hausmeistertätigkeiten in ihren neun Immobilien vom 9.12.2020 vorgelegt. Die Ehefrau des Klägers wandte sich in mehreren E-Mails an das Landratsamt und sprach für ihren Ehemann vor. Aus den vorgelegten Vollzugsplänen der Justizvollzugsanstalt ergibt sich, dass er regelmäßig von seiner Ehefrau … … und den Kindern H … und E … besucht worden sei und regelmäßig mit seiner Ehefrau telefoniert habe. In einem Schreiben vom 7.1.2021 schilderte sie, die Familie brauche den Kläger. Die Kinder würden ihn lieben, vor allem H … Vor der Pandemie wäre sie mit ihren Kindern vier Mal im Monat zu Besuch in der Haftanstalt gewesen, wegen der Pandemie dürfe man dies nur noch einmal im Monat. Die Kinder würden jeden Tag nach dem Vater fragen. Der Kläger habe sie bei der Behandlung, Operationen und Kontrolluntersuchungen des Sohnes H … sehr unterstützt. In einem weiteren Schreiben vom 16.3.2022 vertiefte L … B … das diesbezügliche Vorbringen. Die Kinder würden sehr unter der Trennung leiden und jeden Tag fragen, wann der Papa wiederkomme. Laut eines ärztlichen Attestes vom 12.2.2021 habe bei H … eine Schrumpfniere rechts bestanden, die 2018 entfernt worden sei. Zeitgleich sei links eine Ureterneueinpflanzung bei kongenitalem Megaureter erfolgt. Regelmäßige nephrologische Kontrollen seien notwendig. Auch ein Schreiben der Mutter der Tochter F … D … aus dem Jahr 2021 wurde vorgelegt, nach dem sie sich wünsche und mit dem Kläger ausgemacht habe, dass er sich nach seiner Haftentlassung um seine Tochter kümmere, Kontakt habe und, sobald er Arbeit habe, auch mehr Unterhalt für diese zahle. Sie wolle, dass die Tochter mit Vater aufwachse, sie mache alles für ihre Tochter, könne aber ihren Vater nicht ersetzen. Die Vaterliebe fehle. Mit Schreiben vom 23.2.2022 nahm der neue Verfahrensbevollmächtigte des Klägers ein weiteres Mal Stellung zur beabsichtigten Ausweisung. Ein weiteres Mal wurde darauf verwiesen, dass sich der Kläger vor seiner Inhaftierung täglich umfassend um die Kinder H … und E … gleich einem Vater gekümmert habe und diese insbesondere am Abend versorgt und ins Bett gebracht habe, während seine Frau gearbeitet habe. Eine entsprechende schriftliche Erklärung der Ehefrau des Klägers wurde vorgelegt. Aus einer weiteren vorgelegten Erklärung der Mutter seiner deutschen Tochter F … geht hervor, der Kläger habe sich um die Mutter gekümmert und sei bei der Geburt dabei gewesen. Da sie nicht in Deutschland versichert gewesen sei, sei er für den Betrag von 5.000,00 Euro Krankenhauskosten aufgekommen. Nach ihrer Entlassung habe er zuhause die Betreuung ganztags übernommen, insbesondere Wickeln, Füttern, Zubettbringen, einmal in der Woche ins Schwimmbad gehen, gemeinsame Besuche zu dritt im Tiergarten und Freizeitpark sowie Spaziergänge. Sie habe Kontakt zum Kläger in der Justizvollzugsanstalt aufgenommen und dieser wolle wieder für seine Tochter da sein.
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Auf Anfrage der Staatsanwaltschaft K … vom 23.2.2022 befürwortete die Justizvollzugsanstalt, in welcher der Kläger untergebracht war, die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung. Am 4.7.2022 erstellte Herr Dr. med. …, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Forensische Psychiatrie ein psychiatrisches Gutachten über den Kläger im Auftrag der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Q … Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass eine Aussetzung zur Bewährung realisiert und befürwortet werden könne. Allerdings sei besonderes Augenmerk auf die noch ungeklärte finanzielle Situation des Klägers zu legen. Der Kläger solle sich an eine Schuldnerberatung wenden und sich umfassend beraten lassen und gemeinsam mit dem Berater alle notwendigen Schritte zur Schuldentilgung einleiten. Zudem sei es für den Kläger relevant, keine erneute Selbständigkeit anzustreben, sondern sozialversicherungspflichtige Tätigkeiten nur noch im Angestelltenverhältnis auszuüben. Auch die Staatsanwaltschaft K … beantragte mit Verfügung vom 19.7.2022 die weitere Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe zur Bewährung auszusetzen.
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Mit Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Q … (Az. …) vom …8.2022 wurde die Vollstreckung des Strafrests nach Verbüßung von mehr als zwei Dritteln der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ab dem 2.9.2022 zur Bewährung ausgesetzt. Die Bewährungszeit wurde auf fünf Jahre festgelegt und der Kläger der Leitung und Aufsicht der für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshilfestelle beim Landgericht K … unterstellt. Dem Kläger wurden unter anderem die Weisungen erteilt, seine Wohnung in der von ihm angegebenen Anschrift seiner Ehefrau in G … zu nehmen und die angekündigte Arbeitsstelle als Hausmeister anzutreten. Weiter, sich während der Bewährungszeit mindestens einmal im Quartal, höchstens zweimal monatlich nach Vorgabe der Bewährungshilfe dort zu melden, und nach näherer Weisung seines Bewährungshelfers bei der Schuldnerberatungsstelle der Caritas in A … regelmäßige Beratungsgespräche zu führen, solange dies von dort aus für erforderlich erachtet werde. Der Beschluss wurde unter anderem damit begründet, dass sich Staatsanwaltschaft und Vollzugsanstalt für eine Bewährung ausgesprochen hätten. Nach teilweiser Verbüßung der Freiheitsstrafe könne jetzt erwartet werden, dass sich der Verurteilte künftig straffrei führen werde. Das soziale Umfeld nach Haftentlassung scheine ausreichend stabil.
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Mit Bescheid vom 2.9.2022, laut Empfangsbekenntnis seines Verfahrensbevollmächtigten am 15.9.2022 zugestellt, wies das Landratsamt den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer I) und erließ gegen ihn ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von 6 Jahren, das mit der Ausreise beginnt (Ziffer II). Der Kläger wurde verpflichtet, das Bundesgebiet spätestens vier Wochen nach Vollziehbarkeit der Ausweisung zu verlassen, sollte er nicht fristgerecht ausreisen, erfolge seine Abschiebung nach Nordmazedonien oder in einen anderen Staat, in dem die Einreise des Klägers erlaubt oder der zu dessen Rückübernahme verpflichtet ist (Ziffer III). Weiter wurde in Ziffer IV der sofortige Vollzug der Ziffer I angeordnet.
15
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger werde nach § 53 Abs. 1 AufenthG ausgewiesen, da er mit der Verurteilung des Landgerichts K … vom …7.2019 die öffentliche Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland gefährde und im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung das öffentliche Interesse an der Ausreise seine privaten Belange überwiege. Das Ausweisungsinteresse wiege nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besonders schwer, weil der Kläger wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von über zwei Jahren verurteilt worden sei. Beim Kläger sei ein ebenso besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG festzustellen, weil er eine Niederlassungserlaubnis besitze und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, sowie nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG, weil er mit einem deutschen Familienangehörigen in familiärer Lebensgemeinschaft lebe. Bei der an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeitsprüfung geleiteten Abwägung der öffentlichen und privaten Interessen seien beim Kläger folgende Überlegungen angestellt worden: Die Ausweisung des Klägers sei bereits aus generalpräventiven Gesichtspunkten erforderlich und geboten, da andere Ausländer davon abgehalten würden, Straftaten ähnlicher Art und Schwere zu begehen, wenn sie im Falle eigener Straffälligkeit über die etwaige strafrechtliche Sanktion hinaus auch befürchten müssten, ebenfalls ausgewiesen zu werden. Eine Ausweisung sei jedoch auch möglich, weil beim Kläger eine schwere Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch erneute Verfehlungen, insbesondere zur Verbesserung seiner finanziellen Situation, drohe. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hätten Ausländerbehörden bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen eine eigenständige Prognose der Wiederholungsgefahr zu treffen. An den Grad einer Wiederholungsgefahr seien bei schwerwiegenden Straftaten, die wie bei den vom Kläger begangenen eine bedeutsame Gefahr für wichtige Schutzgüter darstellten, jedoch regelmäßig nicht allzu hohe Anforderungen zu stellen. Nach der Art und Schwere sowie seines Verhaltens nach der Straftat und seiner Persönlichkeit sei damit zu rechnen oder zumindest nicht mit hinreichender Gewissheit auszuschließen, dass der Kläger erneut Straftaten ähnlichen Ausmaßes begehen werde, so dass dem spezialpräventiven Element seiner Ausweisung eine erhebliche Bedeutung zukomme. Da durch die Straftat ein Gebäudeschaden in Höhe von insgesamt 30.525,12 Euro entstanden sei, der vollständig von der Versicherung übernommen worden sei, werde sich die finanzielle Situation des Klägers durch Inregressnahme der Versicherung weiter verschlechtern. Der Kläger habe durch sein tatrelevantes Verhalten sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er nicht gewillt sei, sich an die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland zu halten, auch wenn er zuvor nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Nachdem der Kläger es trotz früherer beruflicher Verpflichtungen nicht geschafft habe, eine dauerhafte finanzielle Lebensunterhaltsabsicherung zu erreichen und keine andere Möglichkeit gesehen habe, als seine schlechte finanzielle Situation durch Begehung der abgeurteilten Straftat zu verbessern und sich nach der Straftat seine finanzielle Situation noch weiter verschlechtert habe, sei die Begehung weiterer Straftaten zur Verbesserung seiner finanziellen Lage zu befürchten. Es könne daher nicht erwartet werden, dass der Kläger allein durch die Ahndung der Strafverfolgungsbehörden zukünftig keine Straftaten mehr begehe. Dass das Landgericht Q … eine Bewährungsentlassung zum 26.8.2022 festgelegt habe, stehe einer Beurteilung der Wiederholungsgefahr nicht von vornherein entgegen. In dieser Entscheidung berufe sich das Landgericht auf das Gutachten des Sachverständigen vom 4.7.2022. Das Landratsamt komme jedoch in der eigenständigen Prognose zur Wiederholungsgefahr zu dem Ergebnis, dass diese trotz der Strafaussetzung zur Bewährung weiter fortbestehe. Für bestimmte Fallgruppen besonders schwerer Delikte, wie in § 54 Abs. 1 AufenthG aufgeführt, seien an den Grad der Wiederholungswahrscheinlichkeit regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen. In diesen Fällen dürfe dann die Ausweisung schon vor der Schwelle einer konkreten Wiederholungsgefahr verfügt werden und ein ausreichender spezialpräventiver Ausweisungsanlass liege bereits dann vor, wenn lediglich eine entfernte Möglichkeit weiterer Straftaten bestehe beziehungsweise eine Wiederholungsgefahr sich nicht ausschließen lasse. Nach Aktenlage habe der Kläger selbst bisher noch keinerlei Angaben gemacht, weshalb von ihm künftig keine Gefahr der Begehung weiterer Straftaten zur Behebung seiner Schuldensituation ausgehen werde, außer dass er plane, zu seiner Frau und deren Kindern zu gehen und einer Arbeit als Hausmeister nachgehen wolle. Im Rahmen seiner Begutachtung im Jahr 2022 habe der Kläger angegeben, über ein festes Arbeitsverhältnis als Hausmeister zu verfügen. Die dort erklärte Absicht des Klägers, seine finanzielle Situation durch ein dem Landratsamt nicht nachgewiesenes Beschäftigungsverhältnis als Hausmeister zu verbessern, werde schon im Hinblick auf die wiederholt auftretenden Hüft- und Rückenschmerzen nach einem Bandscheibenvorfall als vage bis unklar bewertet. Zudem sei zu berücksichtigen, dass es dem Kläger trotz seines nunmehr 20-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nicht gelungen sei, sich wirtschaftlich voll zu integrieren und eine dauerhafte finanzielle Lebensgrundlage zu schaffen. Die im Gutachten erfolgte günstige Einschätzung hinsichtlich der Entlassung in ein sozial geordnetes Umfeld bestehend aus Ehefrau und deren Kindern teile das Landratsamt nicht, da dieses Umfeld im Wesentlichen bereits im Vorfeld der Tat bestanden habe, es jedoch offensichtlich keinen ausreichenden stabilisierenden Einfluss auf den Kläger ausgeübt und ihn nicht von der Begehung der Straftaten abgehalten habe. Dass der Kläger nach der Tat seine Lebensgefährtin geheiratet habe, mache zwar einen rechtlichen Unterschied, führe aber zu keiner Verstärkung der vorehelichen Beziehung – die nach der Eheschließung nur durch Besuchsaufenthalte aufrechterhalten wurde – im Hinblick auf die Begehung künftiger Straftaten. Die Eheschließung zeige im Übrigen, dass sich die Ehefrau bewusst entschieden habe, die eheliche Lebensgemeinschaft mit allen sich ergebenden Vor- und Nachteilen zu führen, wenn denn die Ehe nicht allein deshalb geschlossen worden sein sollte, um die aufenthaltsrechtliche Situation des Klägers entscheidend zu verbessern. Neben dem Ausweisungsinteresse sei auch das Bleibeinteresse des Klägers zu berücksichtigen gewesen. Seine persönlichen Interessen würden insbesondere durch Menschen- und Grundrechte aus Art. 8 EMRK, Art. 6 GG und Art. 7 GrCh geschützt, die das Privat- und Familienleben des Ausländers schützten. Beim Kläger seien an familiären und sozialen Bindungen die deutsche Ehefrau L … B … und deren zwei Kinder aus erster Ehe zu sehen, um welche sich der Kläger nach den Versicherungen der Ehefrau gleich einem Vater kümmere und nach denen sie und die Kinder ihn sehr lieben und vermissen würden. Des Weiteren sei der Kläger Vater des deutschen Kindes F … D …, mit dem er nachweislich einer Versicherung der Mutter R … D … regelmäßig Kontakt gehabt und sich um das Kind nach der Trennung von der Mutter weiter gekümmert habe. Widersprüchlich erscheine jedoch die Angabe des Bevollmächtigten des Klägers, dass ein künftiger regelmäßiger Umgang mit dem Kind entsprechend noch zu treffender familienrechtlicher Regelungen erfolgen solle. Hinsichtlich wirtschaftlicher Bindungen des Klägers im Bundesgebiet sei festzustellen, dass er trotz früherer mehrfacher Beschäftigungsverhältnisse aufgrund seiner hohen Schuldenbelastungen wirtschaftlich nicht integriert sei. Hinsichtlich seiner finanziellen Situation habe er bereits eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger durch eine Ausbildung besondere berufliche Fähigkeiten erworben hätte, mit welchen er auf dem Arbeitsmarkt dauerhaft ausreichendes Einkommen erzielen könnte, um seine Schuldensituation entscheidend zu verbessern. Hinzu kämen die gesetzlichen Unterhaltsansprüche seiner Kinder und die Erhöhung seiner Schuldenbelastung durch die Straftat. Die Folgen der Ausweisung des Klägers für seine Ehefrau und die Stiefkinder wäre nur eine vorübergehende Trennung, soweit ihm seine Ehefrau nicht nach Nordmazedonien folgen würde. Die Beziehung könne jedoch auch durch gelegentliche Besuchsaufenthalte sowie über regelmäßige Telefonkontakte und moderne Kommunikationsmittel aufrechterhalten werden. Des Weiteren könnten mehrmals jährliche Betretungserlaubnisse nach § 11 Abs. 8 AufenthG zur vorübergehenden Einreise des Klägers ausgestellt werden. Frau B … sei nicht auf besondere und zwingende Unterstützung durch ihren Ehemann angewiesen. Sie sei erwerbstätig und habe sich bisher selbst versorgen können. Die Stiefkinder seien während des Tages in der Schule beziehungsweise Kindertagesstätte betreut. Die Folgen der Ausweisung seien Frau B … zumutbar, da sie den Kläger in Kenntnis des drohenden Ausweisungsverfahrens geheiratet habe. Die Folgen für das deutsche Kind F … wären ebenfalls eine vorübergehende räumliche Trennung, da dem Kind ein Nachzug zum Vater nicht zugemutet werden könne. Allerdings sei schon die derzeitige und künftige Betreuung durch den Kläger nicht gesichert, da offenbar erst noch familienrechtliche Regelungen zu treffen seien. Im Übrigen wären der Kläger und sein Kind auf die bereits im Zusammenhang mit der Ehefrau genannten Möglichkeiten zur Aufrechterhaltung ihrer persönlichen Bindung zu verweisen. Durch seinen seit 2001 bestehenden Aufenthalt im Bundesgebiet seien die Bindungen des Klägers zu seinem Herkunftsland noch nicht vollständig erloschen, so dass eine Rückkehr nach Nordmazedonien zumutbar sei. Auf Grund seines Aufwachsens, Durchlaufens der Schulzeit und Aufenthalts von nahezu 20 Jahren sei der Kläger mit den Lebensverhältnissen in Nordmazedonien noch ausreichend vertraut. Zudem lebten von seinen Familienangehörigen zumindest noch seine Mutter dort. Dem Kläger könne aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes zugemutet werden, in seinem Herkunftsland neue wirtschaftliche Bindungen durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit aufzubauen und, falls er keine ausreichenden Sprachkenntnisse mehr besitzen sollte, sich diese wieder anzueignen. Abschiebungshindernisse nach § 60 AufenthG oder Duldungsgründe nach § 60a Abs. 1 AufenthG, die einer Abschiebung entgegenstünden, seien nicht erkennbar.
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Gegen diesen Bescheid hat der Kläger durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 22.9.2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, Klage erheben lassen und beantragte im Termin zur mündlichen Verhandlung zuletzt, den Bescheid des Beklagten vom 02.09.2022, Az. … aufzuheben.
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Darüber hinaus beantragte der Prozessbevollmächtige für den Kläger mit Schriftsatz vom 22.9.2022 im Rahmen des „einstweiligen Rechtsschutzes gemäß § 80 (5) VwGO“ die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners anzuordnen. Das Verfahren zum Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz wurde beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth unter dem Aktenzeichen B 6 S 22.915 geführt. Mit Bescheid vom 27.10.2022 hob das Landratsamt Ziffer IV des streitgegenständlichen Ausweisungsbescheides auf. Nachdem die Parteien das Eilrechtsschutzverfahren im November 2022 für erledigt erklärt hatten, wurde dieses durch Beschluss vom 3.11.2022 eingestellt.
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Zur Begründung der Klage wurde mit Schriftsätzen vom 11.10.2022 und 7.6.2023 im Wesentlichen vorgetragen: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bestehe vorliegend keine Entscheidungsgrundlage mehr für eine möglicherweise zunächst vorstellbar gewesene Ausweisung. Es gebe eine Strafaussetzungsentscheidung der Strafvollstreckungskammer und es gebe keine breitere Tatsachengrundlage als diejenige, die der Strafvollstreckungskammer vorgelegen habe. Diese habe ein Sachverständigengutachten erstellen lassen, welches gerade zur Gefährlichkeit und Wiederholungsgefahr Aussagen treffe. Das strafrechtlich relevante Leben des Klägers lasse keine anderen Schlüsse auf die positive Sozialprognose zu, als in dem Sachverständigengutachten zum Ausdruck komme. Die Ausländerbehörde habe kein eigenes Gutachten beigebracht und keine weiteren Umstände vorgetragen, die eine andere Beurteilung des Klägers zuließen. Das Bleibeinteresse des Klägers wiege besonders schwer. Von überragender Bedeutung sei der lange Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet sowie die Tatsache, dass er hier Kinder habe und seine Frau erneut geheiratet habe. Seine Integration in der Bundesrepublik Deutschland sei als ausgesprochen gut und nachhaltig einzuschätzen.
19
Mit Schriftsatz vom 13.10.2022 legte der Bevollmächtigte des Klägers einen Bericht über die stationäre Behandlung des Klägers vor. Daraus ergibt sich, dass der Kläger wegen detailliert aufgeführter Diagnosen, die für jenen dazu geführt hätten, dass er seit Jahren unter Schmerzen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule mit Ausstrahlung in den rechten Arm und beide Beine leide, am 7.10.2022 im …Krankenhaus … in Erlangen operiert worden sei und sich insgesamt vom 7. bis zum 11.10.2022 in stationärer Behandlung befunden habe.
20
Mit Schriftsatz vom 27.12.2023 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf Anfrage mit, dass der Kläger zusammen mit seiner Familie in O … wohne. Er sei zulässigerweise umgezogen. Mit den Kindern in Z … habe er keinen Kontakt. Mit dem Kind F … habe er zweimal pro Monat am Wochenende jeweils zwei Übernachtungen Kontakt. Er erziehe hierbei das behinderte Kind nach besten Kräften. Seine Arbeitsstelle habe er angenommen, sei aber an der Bandscheibe operiert und nach Angaben der Firma deshalb gekündigt worden. Derzeit beziehe der Kläger Krankengeld. Dies sei mit dem Bewährungshelfer abgesprochen. Zu Verstößen gegen die Bewährungsweisungen sei es nicht gekommen. Mit den mit ihm in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden und von ihm vermutet eigenen Kindern H … und E … habe der Kläger intensiven Umgang. Weiter wurden medizinische Unterlagen des Klägers vorgelegt. Aus dem endgültigen Arztbrief der Klinik … in Q … geht hervor, dass der Kläger sich am 23.7.2023 wegen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in das Iliosakralgelenk rechts vorgestellt habe, nachdem er nach eigenen Angaben bereits am Vortag in der O …-Klinik gewesen und dort mit Schmerzmitteln behandelt und versorgt worden sei. Nach Diagnoseuntersuchungen sei der Kläger am 31.7.2023 operiert und in die ambulante Weiterbehandlung entlassen worden. Aus einem Arztbericht vom 18.10.2023 geht hervor, dass der Kläger sich vom 2.10.2023 bis zum 22.10.2023 zur stationären Anschlussrehabilitation in der R- …Klinik in A … befunden habe. Es liege ein Schwerbeschädigtenausweis mit dem Grad der Behinderung von 60 vor. Ein Pflegegrad sei nicht vorhanden. Zuletzt sei der Kläger als Lkw-Fahrer tätig gewesen. Nach der epikritischen erwerbsbezogenen Bewertung sei formal seit der stationären Aufnahme in das Akutkrankenhaus von einer Arbeitsunfähigkeit auszugehen, die sich auf den gesamten bisherigen postoperativen Verlauf erstrecke. Die Belastbarkeit des Klägers habe durch die Rehabilitation gebessert werden können. Die Entlassung erfolge bei noch nicht abgeschlossenem Belastungsaufbau arbeitsunfähig. Mit einer weitgehenden körperlichen Restitution sei frühestens in etwa zwei bis drei Monaten zu rechnen. Bei weiterhin komplikationslosem postoperativen Verlauf und konsequent durchgeführter ambulanter Behandlung könne der Kläger dann wieder eine berufliche Tätigkeit aufnehmen.
21
Auf gerichtliche Anfrage erstattete der Bewährungshelfer des Klägers am 26.6.2024 Bericht. Der Kläger sei der Bewährungshilfe seit dem 2.9.2022 unterstellt. Der Kläger habe nach seiner Haftentlassung in G … Wohnung genommen. Anfang 2023 sei er nach O …gezogen. Seither wohne der Kläger gemeinsam mit seiner Ehefrau und den beiden Kindern in einer Dreizimmerwohnung. Einer Beschäftigung komme der Proband derzeit nicht nach. Nachweislich habe er in der Zeit vom 23.7.2023 bis 15.8.2023 sowie vom 27.9.2023 bis 31.5.2024 Krankengeld bezogen, da er auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nicht arbeitsfähig gewesen sei. Aktuell liege der Bewährungshilfe eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 28.6.2024 vor. Zum letzten Gespräch am 3.6.2024 habe der Proband mitgeteilt, aktuell massiv auf Arbeitssuche zu sein. Er habe sich vor allem auf Stellen als Lkw-Fahrer beworben. Konkrete Stellenangebote habe er der Bewährungshilfe auf seinem Smartphone vorweisen können. Auch habe er konkrete Termine zu Vorstellungsgesprächen vorweisen können. Am 19.6.2024 habe der Kläger die Bewährungshilfe darüber informiert, dass er gegebenenfalls eine Stelle als Fahrer im Personenverkehr in Aussicht habe. Eine finale Zu- oder Absage lag von Seiten des potentiellen Arbeitgebers zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht vor. Die Lebensverhältnisse des Probanden würden sich – trotz der fehlenden Arbeit und einiger Schulden – als weitestgehend stabil darstellen. Der Kläger zeige, dass er gewillt sei, eine Arbeit zu finden, um somit auch seine finanzielle Situation nachhaltig verbessern zu können. Er gebe immer wieder an, dass ihm ein geordnetes und geregeltes Leben wichtig sei. Hinsichtlich des Bewährungsverhaltens lasse sich zusammenfassen, dass dieses sich bisher als weitestgehend positiv darstelle. Der Kläger sei absprachefähig und halte die ihm erteilten Termine meist zuverlässig ein. An die erteilten Auflagen und Weisungen halte er sich. Es müsse jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Bewährungsbetreuung des Klägers vom berichterstattenden Bewährungshelfer nach interner Neuverteilung erst im November 2023 übernommen worden sei. Der Kontakt zum Kläger habe sich bisher eher oberflächlich und formal gestaltet. Nicht alle Angaben des Probanden hätten auf ihre Richtigkeit hin geprüft werden können. Es zeige sich aber, dass der Kläger insgesamt sehr kooperativ erscheine und auch von sich aus die Bewährungshilfe kontaktiere, wenn er konkrete Anliegen oder Probleme habe. Dies deute zumindest darauf hin, dass es ihm wichtig erscheine, sich in gewissen Situationen rückversichern zu wollen und Ratschläge anzunehmen. Der Bewährungshilfe lägen keine Kenntnisse über neuerliche Straftaten vor.
22
Mit Schriftsatz vom 18.7.2024 beantragte das Landratsamt für den Beklagten
Klageabweisung.
23
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht: Der Kläger verweise in seinen Stellungnahmen auf die besondere Bedeutung des Gutachtens zur vorzeitigen Haftentlassung. Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte hätten bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen. Dabei seien sie an die Feststellungen und Beurteilungen der Strafgerichte rechtlich nicht gebunden. Entscheidungen der Strafgerichte seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar von tatsächlichem Gewicht und stellten bei der ausländerrechtlichen Prognose ein gewichtiges Indiz dar. Von ihnen gehe aber keine Bindungswirkung aus. Die sich nach Unionsrecht bestimmende Prognose, ob der Ausländer eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefahr für ein Grundinteresse der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland darstelle, bestimme sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten, auch nicht nach dem Gedanken der Resozialisierung. Die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte hätten auch sonstige, den Strafgerichten möglicherweise nicht bekannte oder von ihnen nicht beachtete Umstände des Einzelfalls heranzuziehen. Sie könnten deshalb sowohl aufgrund einer anderen Tatsachengrundlage als auch aufgrund einer anderen Würdigung zu einer abweichenden Prognoseentscheidung gelangen. Gemessen daran komme das Landratsamt zu einer abweichenden Prognoseentscheidung und gehe auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt von einem Fortbestehen der Wiederholungsgefahr erneuter Straftaten aus. Negativ falle auf, dass der Kläger bereits im Vorfeld der Straftat schon im Juli 2018 eine eidesstattliche Versicherung zur Vorbereitung der Privatinsolvenz abgegeben habe, um seine schlechte finanzielle Situation entscheidend zu verbessern und sich keine professionelle Hilfe gesucht habe. Anlässlich der Gutachteranamnese habe der Kläger allein seine damaligen Schulden auf über 73.000,00 Euro angegeben. An den finanziellen Verhältnissen des Klägers, die vor der Straftat bestanden, habe sich nach der Haft nichts Entscheidendes verbessert. Die Bewährungshilfe berichte von einer sehr prekären finanziellen Situation. Der Kläger habe zwischenzeitlich sehr kurzfristige Arbeitsverhältnisse gehabt und den Wunsch, trotz seiner Behinderung einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen. Aktuell habe er selbst keine Arbeitseinkünfte und lebe von Bürgergeld. Seine Ehefrau erziele als Verkäuferin ein Nettoeinkommen von 1.400,00 Euro. Im Bewährungsgutachten sei auf die fehlende Überblicksfähigkeit und Überforderung in Bezug auf seine schlechte finanzielle Situation, die fehlende Aufarbeitung der Schuldensituation, die Nichtinanspruchnahme professioneller Hilfe und die besondere Relevanz seiner Schuldentilgung hingewiesen worden. Obwohl der Kläger im Bewährungsbeschluss die Weisung erhalten habe, die Schuldnerberatung zu regelmäßigen Beratungsgesprächen aufzusuchen, solange diese von dort für erforderlich gehalten würden, sei nur eine einzige Schuldnerberatung am 27.9.2022 nachgewiesen. Darin sei lediglich bestätigt worden, dass die Verschuldungssituation besprochen und als Ergebnis ein außergerichtlicher Einigungsversuch beziehungsweise die Einleitung eines gerichtlichen Verbraucherinsolvenzverfahrens als angemessene Regelung festgestellt worden sei. Die Einleitung entsprechender Verfahren sei bislang nicht nachgewiesen worden. Es sei daher zu befürchten, dass der Kläger mit seiner Schuldenregelung weiter überfordert sei und seine schlechte finanzielle Situation durch die Begehung weiterer Straftaten zu verbessern versuche. Bemerkenswert sei neben den bereits im Gutachten erwähnten finanziellen Fehleinschätzungen der im Aktenvermerk des Landratsamtes vom 6.5.2024 festgestellte Umstand, dass sich der Kläger nach Flugreisemöglichkeiten während der Ferienzeit mit seiner Familie nach Spanien erkundigt habe, obwohl er derzeit Bürgergeld beziehe und vor einem zweiten Insolvenzverfahren stehe. Weiter wird sich mit dem Vorleben des Klägers bis zur Erteilung seiner Niederlassungserlaubnis am 28.12.2009 auseinandergesetzt. Auch die günstige prognostische Gesamteinschätzung aus einer guten beruflichen Integration könne nicht geteilt werden. Durch die zwischenzeitlich festgestellte Behinderung seien neue Beschäftigungsmöglichkeiten noch unwahrscheinlicher geworden.
24
Am 31.7.2024 verhandelte das Gericht mündlich über die Klage. Auf das darüber gefertigte Protokoll wird Bezug genommen.
25
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten sowie die beigezogene Strafvollstreckungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
26
Die Klage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Ausweisungsbescheid des Beklagten vom 2.9.2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27
1. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die in Ziffer I des angefochtenen Bescheides verfügte Ausweisung des Klägers liegen nicht vor.
28
a) Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
29
§§ 54 und 55 AufenthG konkretisieren den in § 53 Abs. 1 AufenthG geregelten Grundtatbestand, indem sie, nicht abschließend, einzelnen in die Abwägung einzustellenden Ausweisungs- und Bleibeinteressen von vornherein ein spezifisches, bei der Abwägung zu berücksichtigendes Gewicht beimessen, jeweils qualifiziert als entweder „besonders schwerwiegend“ (Abs. 1) oder als „schwer wiegend“ (Abs. 2). Auch wenn der Tatbestand eines besonderen Ausweisungsinteresses nach § 54 AufenthG verwirklicht ist, ist bei einer auf spezialpräventive Gründe gestützten Ausweisung stets festzustellen, ob die von dem Ausländer ausgehende Gefahr im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbesteht. Darüber hinaus können auch generalpräventive Gründe ein Ausweisungsinteresse begründen. Denn nicht nur das persönliche Verhalten eines Ausländers kann eine Gefahr darstellen, sondern nach dem Wortlaut von § 53 Abs. 1 AufenthG kann auch bereits der weitere Aufenthalt als solcher eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bewirken (BVerwG, U. v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – BVerwGE 165, 331 = InfAuslR 2019, 381 Rn. 17).
30
Bei der Abwägung zwischen den Ausweisungs- und den Bleibeinteressen, einer gebundenen und deshalb gerichtlich voll überprüfbaren Entscheidung auf der Tatbestandsseite, sind die in § 53 Abs. 2 AufenthG ebenfalls nicht abschließend aufgezählten Umstände und das Ausweisungs- bzw. Bleibeinteresse gemäß §§ 54 und 55 AufenthG nach ihrem spezifischen Gewicht zu berücksichtigen (grundlegend zur spezialpräventiven Ausweisung BVerwG, U. v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – BVerwGE 157, 325 = NVwZ 2017, 1883, jew. Rn. 20- 26; grundlegend zur generalpräventiven Ausweisung BVerwG, U. v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – BVerwGE 165, 331 = InfAuslR 2019, 381 Rn. 17).
31
Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Ausweisung ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (st. Rspr., vgl. nur BVerwG, U. v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8; BayVGH, B. v. 19.10.2023 – 19 ZB 23.1183 – juris Rn. 9).
32
b) Der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet gefährdet zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts allein unter generalpräventiven Gesichtspunkten die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
33
aa) Bezüglich des Klägers liegt ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vor. Nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist. Diese Voraussetzungen sind gegeben, da der Kläger mit Urteil des Landgerichts K … vom …7.2019 wegen versuchter besonders schwerer Brandstiftung, versuchtem Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion, gefährlicher Körperverletzung und Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde. Damit ist das für den Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Mindestmaß an Verurteilung sogar mehrfach überschritten. Darüber hinaus liegt wegen der rechtskräftigen Verurteilung auch wegen gefährlicher Körperverletzung das schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG vor.
34
bb) Vom Kläger selbst geht jedoch keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG mehr aus, weil bezüglich der Begehung weiterer Straftaten keine Wiederholungsgefahr besteht.
35
(1) Eine spezialpräventiv motivierte Ausweisung, welche die Abwehr einer von dem Aufenthalt des Ausländers ausgehenden Gefährdung bezweckt, setzt die Feststellung einer Wiederholungsgefahr auf Grund einer individuellen Würdigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalls voraus. Hierfür haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (BVerwG, U. v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18; BayVGH, B. v. 18.10.2022 – 19 ZB 22.1499 – juris Rn. 22). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, B. v. 9.1.2023 – 19 ZB 21.429 – juris Rn. 15; B. v. 18.10.2022 – 19 ZB 22.1499 – juris Rn. 22 m. w. N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr., vgl. etwa BVerwG, U. v. 4.10.2012 – 1 C 13.1 – juris Rn. 18; BayVGH, U. v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34).
36
Auch schließt eine positive Entscheidung über die Maßregel- oder Straf(rest) aussetzung zur Bewährung nicht von vornherein aus, dass im Einzelfall schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen, die eine spezialpräventive Ausweisung rechtfertigen können. Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte sind an die tatsächlichen Feststellungen und Beurteilungen des Strafgerichts rechtlich nicht gebunden. Allerdings kommt diesen tatsächliche Bedeutung im Sinne einer Indizwirkung zu. Kommen Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte im Rahmen der ihnen obliegenden aufenthaltsrechtlichen Prognose, insbesondere mit Blick auf den unterschiedlichen Gesetzeszweck des Ausländerrechts zu einer von dieser Indizwirkung abweichenden Einschätzung der Wiederholungsgefahr, bedarf es hierfür einer substantiierten, das heißt eigenständigen Begründung. Solche Gründe können zum Beispiel dann gegeben sein, wenn der Ausländerbehörde umfassenderes Tatsachenmaterial zur Verfügung steht, das genügend zuverlässig eine andere Einschätzung der Wiederholungsgefahr erlaubt. Dabei ist der gegenüber der strafgerichtlichen oder strafvollstreckungsrechtlichen Beurteilung regelmäßig späteren Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts Rechnung zu tragen (BVerfG, B. v. 18.4.2024 – 2 BvR 29/24 – juris Rn. 23).
37
(2) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Gericht zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu der Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO) gelangt, dass auch unter Berücksichtigung der Schwere und des Schadenspotentials der vom Kläger begangenen Straftat keine hinreichend konkrete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Kläger erneut die öffentliche Sicherheit durch vergleichbare Straftaten beeinträchtigen wird.
38
(a) Hierfür hat das Gericht zum einen die günstige Prognose des Strafgerichts berücksichtigt, die zum Bewährungsbeschluss vom 23. August 2022 geführt hat. Für die Prognose hat das Strafgericht ein Gutachten zur Kriminalprognose eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie forensische Psychiatrie eingeholt. Das Gutachten setzt sich auf 47 Seiten unter anderem mit der Persönlichkeit des Klägers, den zur Tat führenden Umständen und dem Nachtatverhalten des Klägers kritisch auseinander, kommt zu einer günstigen Kriminalprognose und befürwortet die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung unter Erteilung von bestimmten Auflagen und Weisungen. Weiter hat die Kammer die Strafvollstreckungsakte des Landgerichts Q … beigezogen, in welcher sich für den Kläger positive Stellungnahmen der Haftanstalt und der Staatsanwaltschaft befinden. Es sind keine Tatsachen oder Erwägungen ersichtlich, die dazu führen könnten, die für den Kläger positive Indizwirkung der strafgerichtlichen Entscheidung und des fachärztlichen Gutachtens zu erschüttern. Das Gericht teilt insbesondere die Erwägung des Facharztes, dass für den Kläger spricht, dass er strafrechtlich vor seiner abgeurteilten Tat nicht in vorhaltbarer Weise in Erscheinung getreten ist, sozial gut integriert ist, einen positiven Haftverlauf hatte und an keinen psychiatrischen oder Suchterkrankungen leidet. Der fachärztliche Gutachter kommt nachvollziehbar zu dem Schluss, dass beim Kläger kein erhöhtes Gewaltpotential erkennbar sei. Weiter führt das Gutachten aus, dass für ein wider Erwarten erneut straffälliges Verhalten eine hochspezifische Risikokonstellation notwendig wäre, wobei die Wahrscheinlichkeit für eine derartige Konstellation nicht als überdurchschnittlich hoch anzusehen sei. Es sei zu erwarten, dass sowohl die generelle Rückfallwahrscheinlichkeit als auch jene spezifisch für Brandstiftungsdelikte im vorliegenden Fall unterschritten werde. Es handele sich im vorliegenden Fall um eine sehr spezifische Tatsituation, bei welcher mehrere Variablen ungünstig zusammengetroffen seien und so bei dem Kläger zu einer Überforderung und Begehung der Tat geführt hätten, die rechtwinkelig aus seiner Gesamtbiografie herausrage.
39
(b) Weiter hat der Lebensverlauf des Klägers nach seiner Haftentlassung die ursprünglich zutreffend gestellte positive Sozial- und Kriminalprognose bestätigt, so dass aus Sicht des Gerichts eine etwaige Wiederholungsgefahr in den zwei Jahren nach Haftentlassung noch weiter reduziert wurde.
40
(aa) Seit der Haftentlassung waren aus nicht im Zusammenhang mit dem Kläger stehenden Gründen drei Bewährungshelfer für den Kläger zuständig. Zu Beanstandungen kam es nach Aktenlage von keinem dieser Bewährungshelfer. Die Berichte nach Aufforderung vom 19.5.2023 und 18.12.2023 bescheinigen dem Kläger durchweg trotz äußerst schwieriger gesundheitlicher Lage ein aktives Bemühen um eine dauerhafte Anstellung zur Verminderung seiner Schulden. Der Kläger halte sich an die erteilten Auflagen und Weisungen. Im vom Gericht beim aktuellen Bewährungshelfer angefragten Bericht vom 26.6.2024 führt dieser aus, dass der Kläger aktuell arbeitsunfähig sei, aber mitgeteilt habe, massiv auf Arbeitssuche zu sein sowie konkrete Stellenangebote vorgewiesen habe. Die Lebensverhältnisse stellten sich trotz der fehlenden Arbeit und einiger Schulden als weitestgehend stabil dar. Das Bewährungsverhalten des Klägers sei bisher weitestgehend positiv, der Kläger sei absprachefähig. Der Kläger zeige sich insgesamt sehr kooperativ und kontaktiere auch von sich aus die Bewährungshilfe, wenn er konkrete Anliegen oder Probleme habe. Dies deute zumindest darauf hin, dass es ihm wichtig erscheine, sich in gewissen Situationen rückversichern zu wollen und Ratschläge anzunehmen. Kenntnisse über neuerliche Straftaten lägen nicht vor.
41
(bb) Unklar ist auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung geblieben, ob der Kläger die ihm während der Haft angebotene Arbeitsstelle als Hausmeister aus gesundheitlichen Gründen nie angetreten hat oder ob ihm wegen seiner Erkrankung sogleich gekündigt wurde. Dies ist jedoch irrelevant, da jedenfalls feststeht, dass die ursprünglich geplante Anstellung daran gescheitert ist, dass der Kläger wegen seines Gesundheitszustandes nicht in der Lage gewesen ist, die dafür erforderlichen Tätigkeiten zu verrichten. Der Beklagte führt hierzu aus, dass die günstige prognostische Gesamteinschätzung aus der guten beruflichen Integration wegen des niedrigen Ausbildungsstandes und des bisherigen Arbeitslebens des Klägers nicht geteilt werden könne und Beschäftigungsmöglichkeiten durch die zwischenzeitlich festgestellte Behinderung noch unwahrscheinlicher geworden seien. Diese Einschätzung beruht jedoch nicht auf einer breiteren oder relevant neueren Tatsachengrundlage, als jene, die dem forensischen Gutachten und dem Bewährungsbeschluss zugrunde lag. Insbesondere hat der Gutachter die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers bereits bei seiner Kriminalprognose berücksichtigt. Im Gutachten wird in Bezug auf das bereits während der Haftzeit zugesagte Arbeitsverhältnis unter anderem ausgeführt, dass einschränkend festzuhalten sei, dass es unklar sei, wie sich die gesundheitliche Situation des Klägers weiter entwickeln werde und dass dieser diesbezüglich eine rasche orthopädische Abklärung und Behandlung nach seiner Entlassung anstrebe.
42
Die schon während seiner Haftzeit geplante weitere diagnostische Abklärung der Erkrankung des Klägers am Bewegungsapparat hat ergeben, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers erheblich sind und teilweise nicht mehr geheilt werden können. Der Kläger hat sich seit seiner Haftentlassung einer Operation unterzogen und war mehrfach in klinischer Behandlung sowie Rehabilitation. Es wurde beim ihm ein Grad der Behinderung von 60 festgestellt. Entsprechende Unterlagen wurden dem Gericht vorgelegt. Nach eigenen und vom Gericht für glaubhaft gehaltenen Angaben strebt der Kläger deswegen eine Erwerbstätigkeit an, bei der er nicht schwer heben muss. Weil er keine Berufsausbildung hat, kommen aus seiner Sicht vor allem Tätigkeiten als Fahrer in Betracht. Derzeit bemüht er sich um eine Erlaubnis zum Personentransport außerhalb des öffentlichen Nahverkehrs, weil ihm eine Stelle bei einem privaten Unternehmen angeboten wurde. Der Kläger besitzt einen Lkw-Führerschein und möchte andernfalls versuchen, eine Stelle als Lkw-Fahrer zu erhalten, bei der er entweder nicht be- und entladen muss oder dies mittels eines Hubwagens erledigen kann. Die Stellensuche gestaltet sich aus Sicht des Gerichts als schwierig mit unklaren Erfolgsaussichten, wobei der Kläger nach dem Akteninhalt und dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung eine im Verhältnis zu seinem Gesundheitszustand erhebliche Energie dafür aufzuwenden scheint, die bestehenden Hindernisse zu überwinden, um in dauernde Anstellung zu kommen. Ob es wahrscheinlich ist, dass ihm dies gelingen wird, ist für das vorliegende Verfahren nicht von entscheidendem Gewicht.
43
(cc) Das Gericht geht weiter davon aus, dass die familiären Verhältnisse des Klägers stabilisierenden Einfluss auf den Kläger haben und zu einer Verringerung der Wiederholungswahrscheinlichkeit beitragen. Das Landratsamt hat hierzu unter anderem ausgeführt, dass es die Einschätzung des Gutachters und des Strafgerichts nicht teile, dass die Familie des Klägers als sozialer Empfangsraum nach der Haft ein die Wiederholungsgefahr mindernder Aspekt sei, weil diese Familie auch schon vor der Tat bestanden habe. Auch hier kommt das Landratsamt schlicht auf der gleichen Tatsachengrundlage zu einem anderen Schluss als das Strafgericht, der Gutachter und das erkennende Gericht. Das Gericht ist aufgrund der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht nur – wie im Bewährungsbeschluss verlangt – seinen Wohnsitz bei seiner Ehefrau genommen hat, sondern auch ein aktives Familienleben führt, das von einer engen Beziehung und Fürsorge für seine Stiefkinder und seine leibliche Tochter F … geprägt ist. Die in der vormaligen Ehe seiner Ehefrau mit dem Bruder des Klägers geborenen Kinder nennen den Kläger von klein auf „Papa“, den rechtlichen Vater nennen sie „Onkel“. Der regelmäßige Umgang mit der Tochter F … ist in das Familienleben integriert. Die Ehefrau des Klägers und die Mutter von F … haben ein gutes Verhältnis. Die im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Erkenntnisse haben die Berücksichtigung der familiären Einbindung des Klägers als einen für seine Resozialisierung voraussichtlich positiven Aspekt bestätigt. Die Ehefrau wirkte bei Ihrer Aussage zur Entwicklung und Aufrechterhaltung ihrer Beziehung zum Kläger während der Haftzeit glaubwürdig und sagte ohne erkennbare Übertreibung sowie übereinstimmend mit den vorliegenden Haftberichten aus. Danach hat die Ehefrau des Klägers glaubhaft bestätigt, dass sie während der gesamten Haftzeit mit dem Kläger über Besuche und Telefonate Kontakt gehalten und auch die Stiefkinder des Klägers regelmäßig und so oft wie möglich zu Besuchen mit in die Haftanstalt genommen hat. Sie hat auch nachvollziehbar ausgeführt, warum aus ihrer Sicht das Nachtatgeschehen dem Kläger nicht nur gezeigt habe, welcher schwere Verlust ihm durch die eigenen Taten entstanden sei und bei einer weiteren Tat drohen würde, sondern auch, dass und weshalb die Familie bestehend aus Ehefrau und (Stief-)Kindern für den Kläger in den Jahren nach den Taten eine gegenüber seiner Herkunftsfamilie gesteigerte Priorität gewonnen habe.
44
(dd) Auch die weiter bestehende Verschuldungssituation spricht entgegen den Ausführungen der Beklagtenseite nicht ausschlaggebend für eine Wiederholungsgefahr. Die schwierige Einkommens- und Vermögenslage sowie die fehlende Überblicksfähigkeit des Klägers in Finanzangelegenheiten wurden bereits bei der Indizwirkung entfaltenden Prognose des Strafgerichts und des Gutachters berücksichtigt. Auch insoweit kommt das Landratsamt schlicht auf gleicher Tatsachengrundlage zu einer anderen Einschätzung. Entsprechend der Empfehlung des Gutachters wurde dem Kläger im Bewährungsbeschluss die Weisung erteilt, nach näherer Weisung seines Bewährungshelfers bei der Schuldnerberatungsstelle der Caritas in A … regelmäßige Beratungsgespräche zu führen, solange dies von dort aus für erforderlich erachtet werde (Ziff. 4 Buchst. f des Bewährungsbeschlusses). Die Beklagtenseite meint, dass der Kläger dem nicht ausreichend nachgekommen sei. Er habe nur eine einzige Schuldnerberatung am 27.9.2022 nachgewiesen. Darin sei lediglich bestätigt worden, dass die Verschuldungssituation besprochen und als Ergebnis ein außergerichtlicher Einigungsversuch beziehungsweise die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens als angemessene Regelung festgestellt worden sei. Die Einleitung entsprechender Verfahren sei vom Kläger nicht nachgewiesen worden. Es sei daher zu befürchten, dass der Kläger mit seiner Schuldenregelung weiter überfordert sei und seine schlechte finanzielle Situation durch Begehung weiterer Straftaten zu verbessern suche. Das erkennende Gericht kommt bezüglich der Weisung zur Schuldnerberatung zu einem anderen Ergebnis. Aus der Strafvollstreckungsakte des Klägers und dem angeforderten aktuellen Bericht seines Bewährungshelfers geht hervor, dass die Bewährungshelfer sämtlich davon ausgehen beziehungsweise ausgingen, dass der Kläger dieser Weisung ausreichend nachgekommen sei. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger eine nähere Weisung eines Bewährungshelfers erhalten und nicht befolgt hätte, weitere Gespräche zu führen oder dass die Schuldnerberatungsstelle dies für erforderlich gehalten hätte. Damit ist davon auszugehen, dass der Kläger der Weisung nachgekommen ist. Der Kläger und seine Ehefrau haben bei ihrer Anhörung und Zeugeneinvernahme in der mündlichen Verhandlung zudem nachvollziehbar ausgeführt, weshalb weitere Termine nicht für sinnvoll erachtet worden seien. Danach komme beim Kläger ein Verbraucherinsolvenzverfahren nicht in Betracht, weil dieser noch einer Ausschlussfrist wegen eines vergangenen Verfahrens unterliege. Mit den Gläubigern fälliger Forderungen stehe vor allem die Ehefrau des Klägers in ständigem Kontakt. Die Bedienung der Forderungen erfolge nicht immer wie geplant, es werde aber stets Rücksprache mit den Gläubigern gehalten, wenn dies nicht möglich sei, so dass die Ratenzahlungsvereinbarungen hätten bestehen bleiben können. Da der Kläger über kein Vermögen verfüge und derzeit kein Einkommen erziele, stelle sich die Frage nicht, wie er finanzielle Mittel besser zur Regulierung seiner Verschuldung einsetzen könne. Deshalb habe der Schuldnerberater gemeint, er könne sonst nichts weiter für den Kläger tun. Dieses Vorbringen erachtet das Gericht als schlüssig und glaubhaft. Weiter ist in rechtlicher Hinsicht zu berücksichtigen, dass Forderungen, die aus den Tathandlungen des Klägers entstanden sind, als Forderungen aus unerlaubter Handlung nach § 302 Nr. 1 InsO ohnehin von der Erteilung einer Restschuldbefreiung ausgenommen wären, so dass ein Verbraucherinsolvenzverfahren diesbezüglich auch nicht zielführend wäre. Damit stellen sich die wirtschaftliche Situation und die Lebensverhältnisse des Klägers zwar auch aus Sicht des Gerichts als ausgesprochen prekär dar. Es ergeben sich aber keine besseren oder neueren Erkenntnisse oder Erwägungen, welche geeignet wären, die Indizwirkung der strafgerichtlichen Prognoseentscheidung zu erschüttern.
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cc) Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG ergibt sich jedoch unter generalpräventiven Gesichtspunkten.
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(1) Eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG kann auch allein auf generalpräventive Gründe gestützt werden. Vom maßgeblichen weiteren „Aufenthalt“ eines Ausländers, der eine Straftat begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (vgl. BVerwG, U. v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 17). Dabei bedarf es keiner Verurteilung wegen besonders schwerwiegender Delikte für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wie etwa Drogendelikten oder Delikten im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität oder Terrorismus. Erforderlich ist lediglich, dass die Ausweisung an Straftaten oder Verhaltensweisen anknüpft, bei denen sie nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet erscheint, andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Darüber hinaus sind Art und Schwere der jeweiligen Anlasstat lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, U. v. 12.10.2020 – 10 B 20.1795 – juris Rn. 33 m. w. N.).
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(2) Gemessen daran besteht im Falle des Klägers ein generalpräventives Ausweisungsinteresse. Die vom Kläger begangenen vorsätzlichen Straftaten sind teilweise mit hohen Strafen bedroht, weil sie in besonderem Maße die öffentliche Sicherheit und Ordnung beeinträchtigen. Insbesondere bei der versuchten besonders schweren Brandstiftung und dem versuchten Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion liegt ein besonders hohes und schwer einzuschätzendes Gefahrenpotential für das Leben und die körperliche Unversehrtheit anderer Personen sowie ein besonders hohes Schadenspotential in Bezug auf fremdes Eigentum vor. Bei der Brandstiftung handelt es sich deswegen um eine Tat, die das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung besonders berührt (vgl. BayVGH, B. v. 19.10.2023 – 19 ZB 23.1183 – juris Rn. 16). Das Sicherheitsempfinden der Allgemeinheit und das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates, Sicherheit und Rechtsfrieden zu garantieren, würden erheblich beeinträchtigt, wenn auf solche Taten nicht auch grundsätzlich eine Reaktion des Gefahrenabwehrrechts erfolgte (vgl. BayVGH, a. a. O. Rn. 18). Zudem besteht ein gewichtiges Interesse an einer generalpräventiven Ausweisung um andere Ausländer – zumindest im Umfeld des Klägers – von der Begehung derart gravierender, gegen hochrangige Rechtsgüter gerichteter Taten abzuschrecken. Hierbei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass der Kläger die Tat nicht alleine begangen hat, sondern in Mittäterschaft mit einer Person aus seinem weiteren familiären Umfeld. Auch deswegen ist eine Ausweisung objektiv geeignet, präventiv auf diesen oder ähnliche Personenkreise einzuwirken, wenn erkannt wird, dass solche Straftaten neben strafrechtlichen auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen haben. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich der Kläger bei der Tatbegehung in einer so besonderen, gleichsam nicht wiederholbaren Lage befunden hätte, dass eine generalpräventive Ausweisung eine abschreckende Wirkung von vornherein nicht entfalten könnte. Der begutachtende Facharzt kam zwar zu dem Ergebnis, dass es zur abgeurteilten Tat des Klägers nur aufgrund einer sehr spezifischen Tatsituation gekommen sei, bei welcher mehrere Variablen ungünstig zusammengetroffen seien. Es handelt sich andererseits bei den abgeurteilten Straftaten um eine Vorgehensweise, die trotz ihrer Gefährlichkeit allgemein so gut bekannt ist, dass sich sogar umgangssprachliche Begriffe, wie „heißer Abriss“ oder „warme Sanierung“ hierzu gebildet haben.
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(3) Das generalpräventive Ausweisungsinteresse ist im Falle des Klägers auch noch hinreichend aktuell. Der Kläger wurde am 26.8.2022 auf Bewährung vorzeitig aus der Haft entlassen. Die Bewährungszeit beträgt fünf Jahre und wird daher noch mehrere Jahre andauern. Jedenfalls während der Zeit noch laufender Erprobung kann ein Ausweisungsinteresse nicht allein durch Zeitablauf entfallen. Bei abgeurteilten Straftaten bilden die Tilgungsfristen des § 46 BZRG eine absolute Obergrenze bei Berücksichtigung für das Ausweisungsinteresse, weil gemäß § 51 BZRG nach deren Ablauf die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten werden dürfen (BVerwG, U. v. 12.7.2019 – 1 C 16/17 – BVerwGE 162, 349 = NVwZ 2019, 486 jew. Rn. 23). Auch der sich daraus ergebende Zeitraum der Tilgungsfrist von fünfzehn Jahren (§ 46 Abs. 1 Nr. 4 BZRG) liegt noch etliche Jahre in der Zukunft, zumal der Ablauf der Tilgungsfrist während der laufenden Bewährungszeit nach § 46 Abs. 2 BZRG gehemmt ist.
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c) Der Kläger kann sich demgegenüber auf ein Bleibeinteresse von besonderem Gewicht berufen. Das Bleibeinteresse des Klägers verwirklicht dreifach den Tatbestand eines vertypten besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses nach § 55 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger besitzt eine Niederlassungserlaubnis und hält sich seit über fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet auf (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Zudem lebt er mit seiner Ehefrau deutscher Staatsangehörigkeit in familiärer Lebensgemeinschaft (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Var. 1 AufenthG) und übt sein Umgangsrecht mit seiner minderjährigen ledigen Tochter deutscher Staatsangehörigkeit aus (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 Var. 3 AufenthG). Weiter sehen die Stiefkinder des Klägers diesen von klein auf als ihren Vater an, er ist also der soziale Vater dieser Kinder und lebt mit diesen zusammen. Damit liegt auch ein vertyptes schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG vor.
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d) Das Interesse des Klägers am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an seiner Ausreise.
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aa) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit stellt an ausländerrechtliche Maßnahmen, die allein generalpräventiven Zwecken dienen sollen, besonders hohe Anforderungen. Das gilt nicht nur für die Ausweisung, sondern auch für den Entzug und die Verkürzung eines gültigen Aufenthaltstitels sowie für die Ablehnung der Verlängerung eines bislang innegehabten Aufenthaltstitels (vgl. BVerfG, B. v. 25.8.2020 – 2 BvR 640/20 – juris Rn. 23; B. v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83 – juris Rn. 24). Diese Anforderungen setzen insbesondere voraus, dass die mit der aufenthaltsrechtlichen Maßnahme verfolgten verhaltenssteuernden Zwecke die für den betroffenen Ausländer damit verbundenen Härten überwiegen. Ein generalpräventives Motiv darf nicht zu einer aufenthaltsrechtlichen Reaktion führen, die den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen Mittel und Zweck verletzt. Die Beachtung dieses Verfassungsgrundsatzes erfordert eine Gesamtwürdigung und Abwägung aller Umstände des Einzelfalls. Er schließt schematische Entscheidungen aus. Insbesondere verbietet es sich, die Gewichtung der widerstreitenden Interessen allein abstrakt anhand der Typisierung der Ausweisungs- und Bleibeinteressen in den Ausweisungsvorschriften des Aufenthaltsgesetzes vorzunehmen (vgl. BVerfG, B. v. 10.8.2007 – 2 BvR 535/06 – juris Rn. 24 f.; BayVGH, B. v. 19.10.2023 – 19 ZB 23.1183 – juris Rn. 21; VGH BW, B. v. 18.11.2020 – 11 S 2637/20 – juris Rn. 49 -51).
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bb) Für die Gewichtung des Ausweisungsinteresses müssen auch bei einer generalpräventiv motivierten Ausweisung die konkreten Umstände der Straftat und der Lebensumstände des Ausländers individuell gewürdigt werden (BVerfG, B. v. 10.8.2007 – 2 BvR 535/06 – juris Rn. 26, 28; BayVGH, B. v. 19.10.2023 – 19 ZB 23.1183 – juris Rn. 14).
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Nach den Feststellungen des Strafgerichts hat der Kläger bei der mittäterschaftlich begangenen Brandlegung billigend in Kauf genommen, dass es bei den sich nachts in dem Anwesen aufhaltenden Bewohnern durch Rauchentwicklung zu körperlichen Beeinträchtigungen kommt. Weiter war es nach den Feststellungen allein dem Zufall zu verdanken, dass das aus einer geöffneten Flasche ausströmende Gas nicht zur Explosion gekommen ist. Eine solche Explosion hätte auch die eingesetzten Feuerwehrkräfte treffen können. In der Folge der Tat des Klägers kam es unter anderem zu zwei behandlungsbedürftigen Rauchgasvergiftungen, psychischen Folgen bei einer der im ersten Obergeschoss des Hauses wohnenden Personen sowie einem erheblichen Sachschaden in Höhe von insgesamt über 50.000,00 Euro. Das Strafgericht hat allerdings auch zu Gunsten des Klägers festgestellt, dass dieser den Großteil der Gasflaschen seines Betriebes vor Tatbegehung auf den zur Familienwohnung gehörigen Balkon gebracht hatte, damit der Brand nicht zu groß werde. Weiter hat das Strafgericht festgestellt, dass der Kläger nach der Brandlegung selbst in der Wohnung im Dachgeschoss darauf wartete, dass der Brand entdeckt werde und dann umgehend selbst den Notruf abgesetzt und dabei auch sogleich auf die Gasflaschen aufmerksam gemacht hat. Er hat geholfen, die Anwohner im Erdgeschoss zu wecken und ohne Gesundheitsschäden aus dem Gebäude zu bringen. Zudem wurde zu seinen Gunsten berücksichtigt, dass sein Auszug aus dem Bundeszentralregister keine Eintragungen enthalten hat und er einen Teilbetrag des Schades bereits wieder gut gemacht hatte.
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Die abgeurteilte Tat verwirklicht nicht nur den Tatbestand eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a AufenthG, sondern ist auch bei der Abwägung nach den individuellen Umständen des Einzelfalls mit einem sehr hohen Gewicht einzustellen. Die Vorgänge der Tatplanung, des versuchten Vortäuschens eines Einbruchs und der Brandlegung um anschließend einen Betrug zu begehen – und das zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude – zeugen von einem hohen Maß an aufgebrachter krimineller Energie und besonderer Rücksichtslosigkeit. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass der Kläger zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde, die das für § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erforderliche Mindestmaß mehrfach überschreitet. Aus generalpräventiven Gründen ist es besonders wichtig, anderen Ausländern vor Augen zu führen, dass erhebliche Straftaten nicht nur zu einem mehrjährigen Aufenthalt in einer deutschen Justizvollzugsanstalt führen können, sondern dass ihr Leben in Deutschland danach auch beendet wird, weil solchen ausländischen Tätern in der Bundesrepublik grundsätzlich keine Zukunftsperspektive geboten wird.
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cc) Dennoch führt die auch zu Gunsten des Klägers gebotene Einbeziehung der Umstände des Einzelfalls dazu, dass sein besonders hoch zu gewichtendes Bleibeinteresse das Interesse an seiner Ausreise überwiegt.
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Bei der Einstellung der oben dargelegten besonders schwerwiegenden Bleibeinteressen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 sowie Nr. 4 Var. 1 und Var. 3 AufenthG sowie des schwerwiegenden Bleibeinteresses nach § 55 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG in die Abwägung hat das Gericht berücksichtigt, dass Art. 6 Abs. 1 GG nicht von vornherein einen Schutz vor Ausweisung gewährt, sondern nur dazu verpflichtet, die familiären Bindungen des Ausländers entsprechend ihrem Gewicht angemessen einzustellen. Selbst im Falle des Bestehens einer schützenswerten familiären Beziehung ist insbesondere bei besonders schweren Straftaten eine Aufenthaltsbeendigung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht generell und unter allen Umständen ausgeschlossen. Ebenso wenig gewährt Art. 8 EMRK ein Recht des Ausländers, sich in einem bestimmten Mitgliedstaat aufzuhalten und ist es im gerechten Ausgleich gegenläufiger Interessen möglich, dass selbst schwerwiegende Beeinträchtigungen familiärer Beziehungen nicht stets das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung verdrängen (zu alldem BayVGH, B. v. 19.10.2023 – 19 ZB 23.1183 – juris Rn. 27 f. m. w. N.). Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist mit Blick auf Art. 6 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (BayVGH, a. a. O. Rn. 30).
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Das Gericht hat in die Abwägung unter anderem eingestellt, dass der Kläger nicht nur eine Niederlassungserlaubnis besitzt (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG), sondern insgesamt über 29 seiner 46 Lebensjahre in der Bundesrepublik Deutschland gelebt hat, davon bereits einen Zeitabschnitt von über fünf Jahren in seiner Kindheit. Weiter war zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seiner Ehefrau und deren minderjährigen Kindern, allesamt deutscher Staatsangehörigkeit, seit mehreren Jahren sowohl vor als auch nach seiner Inhaftierung in familiärer Lebensgemeinschaft lebt. Für diese Kinder ist er der tatsächliche, soziale Vater. Den rechtlichen Vater – den Bruder des Klägers – nennen die Kinder seit klein auf nur „Onkel“ und sehen diesen nur bei Gelegenheit, ohne regelmäßigen Umgang. Der Kläger hat eine enge Beziehung zu diesen Kindern und bringt sich erheblich in die Erziehung und Personensorge ein. Seine Ehefrau sorgte während der gesamten Haftzeit für einen regelmäßigen Besuch der Kinder bei ihrem „Papa“, um eine Aufrechterhaltung der Beziehung zu ermöglichen. Einem der Stiefkinder des Klägers fehlt eine Niere und es bestehen weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen, die derzeit zwar nur täglicher häuslicher Kontrollen und jährlicher Kontrollen in einer Klinik bedürfen, jedoch im Falle schon verhältnismäßig geringfügiger Erkrankungen wie Infektionen mit leichtem Fieber zu einem erheblichen Mehraufwand führen, bei dessen Bewältigung der Kläger seine Ehefrau unterstützt. Die eigenen gesundheitlichen Hindernisse für sein Arbeitsleben haben dazu geführt, dass der Kläger in den knapp zwei Jahren nach seiner Haftentlassung besonders viel Zeit mit den Kindern verbrachte. Weiter hat der Kläger eine minderjährige Tochter deutscher Staatsangehörigkeit, mit welcher er regelmäßig Umgang hat und die auch regelmäßig bei ihm übernachtet und Zeit mit seiner Familie verbringt. Nach dem insofern glaubhaften Vorbringen des Klägers und der Aussage seiner Ehefrau ist das Kind – ohne dass es auf die genaue Diagnose ankommt – mindestens entwicklungsverzögert und stark förderbedürftig. Der Kläger trägt maßgeblich zur Lebensgestaltung seiner Tochter bei und bindet sie auch in familiäre Freizeitaktivitäten mit seinen Stiefkindern ein, die ihre Mutter ihr allein nicht ermöglichen könnte. Nach seiner Entlassung hat der Kläger den Umgang mit seiner leiblichen Tochter unverzüglich wieder aufgenommen. Die Mutter des Kindes hatte sich bereits während der Haftzeit mehrfach schriftlich geäußert, dass der Vater fehle und der Umgang wieder stattfinden solle. Das Gericht ist davon überzeugt, dass ein Fortzug des Klägers in seinen Herkunftsstaat für seine Tochter und seine Stiefkinder einen schweren Verlust bedeuten und deren Wohl erheblich beeinträchtigen würde.
58
Die allein auf generalpräventive Gründe stützbare Ausweisung wahrt bei Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Folgen der Ausweisung wären nicht nur für den Kläger, sondern auch für dessen Frau und (Stief-)Kinder mit Härten verbunden, die mit der primär verhaltenssteuernden Signalwirkung der Ausweisung auf Dritte nicht gerechtfertigt werden kann.
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2. Da sich die Ausweisungsverfügung in Ziffer I des angefochtenen Bescheides als rechtswidrig erweist, wird dem in Ziffer II erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sowie der Abschiebungsandrohung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in Ziffer III des Bescheides die rechtliche Grundlage entzogen. Sie sind daher ebenfalls aufzuheben.
II.
60
Als unterliegender Teil trägt der Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.