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AG München, Endurteil v. 28.11.2024 – 1293 C 17375/24 WEG
Titel:

Änderung des Verteilerschlüssels für Ladeinfrastruktur in der Tiefgarage

Normenkette:
WEG § 21 Abs. 2
Leitsätze:
1. Es ist zulässig, auf der Grundlage von § 21 Abs. 5 Satz 1 WEG einen abweichenden Kostenverteilerschlüssel zu beschließen, wenn nach dem gesetzlichen Kostenverteilerschlüssel des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG die Kosten auf alle Eigentümer zu verteilen gewesen wären. (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn die Teilungserklärung eine Kostentrennung von Tiefgarage und Wohnhaus mit getrennten Versammlungen vorsieht, ist die Gesamtversammlung zuständig, wenn Arbeiten an der Elektrik im Wohngebäude (Verteilerkasten) erforderlich sind. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist die doppelt qualifizierte Mehrheit erreicht, können die Kosten der Errichtung der Ladeinfrastruktur auf alle Eigentümer umgelegt werden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenverteilerschlüssel, Ladeinfrastruktur, Beschlusskompetenz, Wohnungseigentümerversammlung
Fundstellen:
LSK 2024, 47973
BeckRS 2024, 47973
ZMR 2025, 645

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 10.833,33 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Gegenstand der Klage ist die Anfechtung des zu TOP der Eigentümerversammlung vom gefassten Beschlusses der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft.
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Die Kläger sind als Eigentümer des Tiefgaragen-Stellplatzes 114 Mitglieder der Beklagten. Die Rechtsbeziehungen der Mitglieder der Beklagten sind im wesentlichen geregelt durch die Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung vom 16.11.2004 (Anlage K 1).
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§ 7 Ziff. 5 der Teilungserklärung bestimmt:
„Für das Haus samt Grundstück und für die Tiefgarage sind die Lasten und Kosten jeweils getrennt zu ermitteln.
Die Lasten und Kosten des Gemeinschaftseigentums im Bereich des Hauses samt Grundstück tragen die Wohnungseigentümer des Hauses entsprechend ihren Miteigentumsanteilen.
Die Lasten und Kosten des Gemeinschaftseigentums im Bereich der Tiefgarage samt Zu- und Abfahrt tragen die Teileigentümer der Tiefgarage entsprechend ihren Miteigentumsanteilen.
Nur die Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums, die nicht eindeutig für das Haus samt Grundstück oder die Tiefgarage anfallen, sind von allen Sondereigentümern entsprechend ihrer Miteigentumsanteile zu tragen.
Für das Haus und für die Tiefgarage ist jeweils eine gesonderte Instandhaltungsrücklage zu bilden.“
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§ 10 Abs. 4 der Teilungserklärung lautet:
„Für Angelegenheiten, die ausschließlich das Haus samt Grundstück oder die Tiefgarage betreffen, sind – soweit rechtlich möglich – gesonderte Eigentümerversammlungen einzuberufen, in welchen nur die jeweiligen Sondereigentümer des Hauses oder der Tiefgarage entsprechend ihren Miteigentumsanteilen stimmberechtigt sind."
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Mit Schreiben vom 14.03.2024 lud die Verwaltung für den 17.04.2024 zu einer Eigentümerversammlung der Gesamtgemeinschaft ein.
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In der Versammlung am 17.04.2024 waren von den 18 Stellplatzeigentümern sieben anwesend.
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Unter TOP 2 a wurde mit 718 Ja-Stimmen zu 52 Nein-Stimmen mehrheitlich folgender Beschluss gefasst:
„Die Eigentümer der WEG ... beschließen, das Kostenangebot Nr. 246001 vom 17.01,2024 in Höhe von 25.720,66 € (brutto) der ... umzusetzen. Der WEG-Verwalter wird beauftragt und bevollmächtigt, das vorliegende Kostenangebot im Namen und auf Rechnung der ... anzunehmen. Auf der Grundlage von § 21 Absatz V Satz 1 WEG wird festgelegt, dass alle damit im Zusammenhang stehenden Kosten und Folgekosten auf alle Stellplatzeinheiten mit den Nummern 101 – 118 laut Aufteilungsplan nach dem Verhältnis der auf diese Stellplätze entfallenden MEA (Miteigentumsanteile) verteilt werden.“
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Unter TOP 3 wurde mit 449 Ja-Stimmen, 305 Enthaltungen und 16 Nein-Stimmen beschlossen:
„Die Finanzierung der unter TOP 2a beschlossenen Maßnahme aus dieser ordentlichen Eigentümerversammlung erfolgt durch die Erhebung einer Sonderumlage in Höhe von insgesamt 26.000,00 € (für TOP 2a), zu verteilen auf alle Stellplatzeigentümer nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile (MEA) entsprechend dem Beschluss zu TOP 2a 12024 aus dieser Eigentümerversammlung. Die Gesamthöhe des jeweiligen Betrags wird den zahlungspflichtigen Eigentümern mit einem separaten Schreiben mitgeteilt. Die Sonderumlage ist innerhalb von 10 (in Worten: zehn) Tagen nach Anforderung durch den WEG-Verwalter fällig und auf das Gemeinschaftskonto zu bezahlen. Sofern ein Wohnungseigentümer der Verwaltung ein SEPA-Mandat erteilt hat, wird hiervon Gebrauch gemacht. Der Sonderumlagebetrag wird der Erhaltungsrücklage Tiefgarage zugeführt, aus der diese Maßnahme dann finanziert wird.“
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Zur Umsetzung der beschlossenen Maßnahme müssen auch Arbeiten im Wohngebäude vorgenommen werden. Da der Hausanschlussraum für den Aufbau der beschlossenen Ladeinfrastruktur nicht genügend Platz bietet, muss die gesamte Basisinstallation der Ladeinfrastruktur im Waschraum des Wohngebäudes erfolgen. Ferner muss die Bestandszählerverteilung umgerüstet werden, um den individuellen Stromverbrauch, der durch das Laden von elektrisch betriebenen Fahrzeugen in der Tiefgarage entsteht, erfassen zu können. Auch die Bestandszählerverteilung befindet sich im Wohngebäude. Da sich die gesamte Ladeinfrastruktur im Wohngebäude befinden wird, während die Wallboxen im Bereich der TGStellplätze installiert werden, muss zwischen Wohngebäude und Tiefgaragengebäude ein Wanddurchbruch hergestellt werden, um die Leitungen zwischen der im Wohngebäude vorhandenen Ladeinfrastruktur und den Wallboxen an den TG-Stellplätzen verlegen zu können.
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Die Kläger tragen vor, kein einziger Eigentümer habe die beschlossene Maßnahme von der WEG verlangt, so dass es für einen diesbezüglichen Beschluss schon an der ersten Voraussetzung des § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 WEG mangele, dass ein Eigentümer diese konkret verlangt habe. Die Beschlussfassung durch die gesamte WEG sei einzig und allein deshalb erfolgt, weil es für den Beschluss unter den Stellplatzeigentümern keine ausreichende Mehrheit gegeben habe – von den 7 in der Versammlung anwesenden Stellplatzeigentümern haben 4 mit Nein und 3 mit Ja gestimmt. Sie sind der Ansicht, die angegriffenen Beschlüsse hätten nur in einer Teilversammlung der Untergemeinschaft „Tiefgarage“ gefasst werden dürfen, und die Wohnungseigentümer hätten von ihrem Stimmrecht keinen Gebrauch machen dürfen. Sie rügen, aus dem Protokoll gehe nicht hervor ob die Beschlüsse mit mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile gefasst worden seien. Sollte die Hälfte der Miteigentumsanteile nicht erreicht sein, dürften unter Anwendung des § 21 Abs. (2) Satz 1 WEG die Eigentümer, die mit Nein gestimmt haben, nicht mit Kosten belastet werden. Unter Anwendung des § 21 Abs. (5) dürften sie deshalb auch nicht mit Kosten belastet werden. Die Beschlussfassung sei daher in jedem Fall unter Missachtung der Teilungserklärung und wahrscheinlich unter fehlerhafter Anwendung des § 21 WEG erfolgt.
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Mit Schriftsatz vom 10.09.2024 machen sie geltend, sofern es sich um einen beliebigen, willkürlich gewählten Schlüssel handele, für den es keine sachliche Grundlage gäbe, könne ein entsprechender Beschluss nur rechtsmissbräuchlich sein.
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Die Kläger beantragen,
1.
die Nichtigkeit der Beschlüsse 2a/2024 und 3/2024 der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.4.2024 festzustellen,
2.
ersatzweise die Beschlüsse 2a/2024 und 3/2024 der Wohnungseigentümerversammlung vom 17.4.2024 für ungültig zu erklären.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, seitens der Klägerin zu 2) liege keine wirksame Klageerhebung vor, da diese die Klageschrift vom 17.05.2024 nicht unterzeichnet habe. Die angegriffenen Beschlüsse seien weder nichtig, noch widersprächen sie ordnungsgemäßer Verwaltung.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 14.11.2024. Beweis wurde nicht erhoben.

Entscheidungsgründe

I.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, §§ 43 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2 c GVG.
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2. Der angegriffene Beschluss zu TOP 2 a ist weder nichtig, noch widerspricht er aus den innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG vorgetragenen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung.
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a) Die Beschlusskompetenz der Gesamtgemeinschaft war gegeben. Bei der zu TOP 2 a beschlossenen Maßnahme handelt es sich nicht um eine Angelegenheit, welche ausschließlich das Garagengebäude betrifft. Unstreitig müssen zur Umsetzung der beschlossenen Maßnahme auch Arbeiten im Wohngebäude vorgenommen werden, insbesondere muss die Basisinstallation der Ladeinfrastruktur im Waschraum des Wohngebäudes erfolgen, die im Wohnhaus befindliche Bestandszählerverteilung muss umgerüstet werden, und zwischen Wohngebäude und Tiefgaragengebäude muss ein Wanddurchbruch hergestellt werden, um die Leitungen zwischen der im Wohngebäude vorhandenen Ladeinfrastruktur und den Wallboxen an den TG-Stellplätzen verlegen zu können. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass die Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung der Gesamtgemeinschaft und nicht in einer Teilversammlung der Untergemeinschaft „Tiefgarage“ und mit den Stimmen auch der Wohnungseigentümer erfolgte. Denn wie sich aus §§ 7 Ziff. 5, 10 Ziff. 4 der Teilungserklärung ergibt, besteht die wirtschaftliche Trennung zwischen Wohngebäude und Tiefgarage und das damit einhergehende Blockstimmrecht nur für solche Angelegenheiten, die ausschließlich entweder nur das Wohngebäude betreffen oder nur die Tiefgarage. Handelt es sich hingegen um eine Angelegenheit, die nicht ausschließlich entweder nur das Wohngebäude betrifft oder nur die Tiefgarage, ist die Gesamtgemeinschaft für eine Beschlussfassung zuständig.
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b) Die zu TOP 2 a auf der Grundlage des § 21 Abs. 5 S. 1 WEG beschlossene Kostenverteilung, wonach alle im Zusammenhang mit der beschlossenen Maßnahme stehenden Kosten und Folgekosten auf alle Stellplatzeinheiten nach dem Verhältnis der auf diese Stellplätze entfallenden Miteigentumsanteile verteilt werden, ist ebenfalls nicht zu beanstanden:
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Wie die Beklagte zutreffend ausführt, kommt als gesetzlicher Kostenverteilerschlüssel entweder § 21 Abs. 2 WEG (Kostenverteilung auf alle) oder § 21 Abs. 3 WEG (Kostenverteilung nur auf die Zustimmenden) in Betracht. Gemäß § 21 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 WEG sind die Kosten für die bauliche Maßnahme auf alle Eigentümer zu verteilen, wenn der Beschluss über die Vornahme der baulichen Maßnahme mit der doppelt-qualifizierten Mehrheit im Sinne von § 21 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 WEG gefasst worden ist. Dass vorliegend die doppelt-qualifizierte Mehrheit im Sinne von § 21 Abs. 2 S. 1. Nr. 1 WEG nicht gewahrt worden wäre, legen die Kläger nicht substantiiert dar, die insoweit nur rügen, aus dem Protokoll gehe nicht hervor, ob die Beschlüsse mit mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile gefasst worden seien. I. ü. war die doppelt-qualifizierte Mehrheit vorliegend gegeben, da 718/1000 Miteigentumsanteile dem Beschlussantrag zugestimmt haben. Auf die zutreffende Berechnung der doppelt-qualifizierten Mehrheit im Schriftsatz der Beklagtenpartei vom 05.08.2024 wird Bezug genommen.
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Aufgrund des Erreichens der doppelt-qualifizierten Mehrheit im Sinne von § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG wären die Kosten für die zu TOP 2 a) beschlossene Maßnahme daher grundsätzlich von allen Eigentümer nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile zu tragen gewesen und nicht gemäß § 21 Abs. 3 WEG nur von den Eigentümern, die für den Beschluss gestimmt haben.
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Daher war es zulässig, auf der Grundlage von § 21 Abs. 5 S. 1 WEG einen abweichenden Kostenverteilerschlüssel zu beschließen. Da nach dem gesetzlichen Kostenverteilerschlüssel des § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 WEG die Kosten auf alle Eigentümer zu verteilen gewesen wären, wird durch den beschlossenen abweichenden Kostensverteilungsschlüssel kein Eigentümer mit Kosten belastet, der bei Anwendung des gesetzlichen Kostenverteilerschlüssels keine Kosten zu tragen hätte, so dass ein Verstoß gegen § 21 Abs. 5 S. 2 WEG nicht vorliegt.
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c) Soweit die Kläger mit Schriftsatz vom 10.09.2024 geltend machen, sofern es sich um einen beliebigen, willkürlich gewählten Schlüssel handele, für den es keine sachliche Grundlage gäbe, könne ein entsprechender Beschluss nur rechtsmissbräuchlich sein, liegt bereits keine substantiierte Beschlussmängelrüge vor. I. ü. räumen die Kläger selbst ein, dass der Verteilerschlüssel im vorliegenden Fall nicht beliebig ist, weil nur die betroffenen Eigentümer belastet werden. Jedenfalls erfolgte der Einwand erst nach Ablauf der materiellen Ausschlussfristen des § 45 WEG und ist daher vom Gericht nicht zu prüfen.
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3. Auch der angegriffene Beschluss zu TOP 3 ist weder nichtig, noch widerspricht er aus den innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG vorgetragenen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung. Bei diesem Beschluss handelt es sich um einen reinen Finanzierungsbeschluss, der mit einfacher Mehrheit gefasst werden kann. Auch der Kostenverteilungsschlüssel ist nicht zu beanstanden, da für die Erhebung der Sonderumlage der Kostenverteilungsschlüssel in Ansatz gebracht wurde, welcher zuvor unter TOP 2 a) auf der Grundlage von § 21 Abs. 5 S. 1 WEG zulässigerweise beschlossen wurde.
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4. Nachdem die Klage aus den vorstehenden Gründen unbegründet ist, kann dahingestellt bleiben, ob seitens der Klägerin im Hinblick auf die nicht unterschriebene Klageschrift die materiellen Ausschlussfristen des § 45 Satz 1 WEG eingehalten wurden oder nicht.
II.
27
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 GKG. Die Kosten für die Kläger betragen nach deren Angaben 1.444,44 EUR. Das 7,5fache dieses Betrags ergibt 10.833,33 EUR. Die Gesamtkosten für die WEG als Gesamtinteresse liegen mit 26.000,00 EUR höher, so dass nach § 49 GKG der Betrag von 10.883,33 EUR als Streitwert festzusetzen war.