Titel:
Genehmigung des Anbaus von Balkonen und Dachfenstern
Normenkette:
WEG § 20 Abs. 1
Leitsätze:
1. In einem Beschluss kann auf schriftliche Angebote Bezug genommen werden, wenn dies hinreichend eindeutig passiert, die Publizität wird dadurch gewährt, dass auch dieses Schriftstück in den Beschluss-Sammlung aufgenommen wird. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weder der Anbau eines Balkons, noch der von Dachflächenfenster stellt eine grundlegende Umgestaltung dar. (Rn. 30 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
bauliche Veränderung, Balkon, Dachflächenfenster, grundlegende Umgestaltung, Bestimmtheit
Fundstellen:
ZMR 2025, 641
BeckRS 2024, 47971
LSK 2024, 47971
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 30.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin zu 1) ist als Eigentümerin der in der betroffenen Wohnungseigentümergemeinschaft befindlichen Wohnung Nr. … Mitglied der Beklagten.
2
Der Kläger zu 2) ist als Eigentümer eines …stel Miteigentumsanteils, verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit der Nr. … gekennzeichneten Wohnung Mitglied der Beklagten.
3
Das Anwesen verfügt über zwei zu Wohnzwecken ausgebaute Dachgeschossebenen (… Obergeschoss). Die gesamte obere Dachgeschossebene (… Obergeschoss) gehört zu der im Sondereigentum des Klägers zu 2) stehenden Wohnung Nr. … und ist über eine Treppe vom … Obergeschoss aus zu erreichen. In der darunterliegenden Dachgeschossebene (… Obergeschoss) befindet sich neben der Wohnung Nr. … die Wohnung Nr. ….
4
Die Wohnung der Klägerin zu 1) befindet sich im … Obergeschoss unter der Wohnung Nr. ….
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Die gegenständliche Teilungserklärung enthält in der Anlage I (Gemeinschaftsordnung) u.a. folgende Regelungen:
„7. Jeder Wohnungs- und Teileigentümer hat das unwiderrufliche Recht, Wohnungs- und Teileigentumseinheiten zu unterteilen, Wohnungseigentum in Teileigentum und umgekehrt umzuwandeln, mehrere Wohnungs- und Teileigentumseinheiten, sowohl rechtlich als auch tatsächlich durch Änderung/Durchbrechung der vorhandenen Wohnungstrennwände und/oder – decken zwischen diesen Einheiten zu einer Einheit zusammenzufassen und anschließend bei Bedarf, wiederum zu rechtlich und tatsächlich eigenen Einheiten, wie bereits vorhanden, zu trennen und zu verselbständigen, desweiteren Wohnungseingangstüren anzubringen bzw. zu entfernen. Der Eigentümer ist berechtigt zur Vornahme sämtlicher notwendigen Handlungen und Maßnahmen, die baulich, technisch oder rechtlich notwendig sind, um den genannten Zustand zu erreichen. Dies gilt auch; soweit von diesen Maßnahmen tatsächlich und rechtlich gemeinschaftliches Eigentum betroffen ist. Sondereigenturn der übrigen Einheiten darf jedoch nicht betroffen sein.
Im Rahmen vorstehender Maßnahmen ist der Einbau von Fensterelementen, Fenster- und/oder Fenstertürelementen, Dachflächenfenster und Dachgauben, sowie der Anbau von Balkonen gestattet. Ferner ist es gestattet, nicht mehr benötigte Kamine abzubrechen oder diese als Schächte für Ver- und Entsorgungsleitungen zu verwenden. Soweit im Rahmen vorstehen – der Maßnahmen Ver- und Entsorgungsleitungen notwendig sind, dürfen diese auch im Treppen – haus angebracht werden, wobei darauf zu achten ist, dass dies so unauffällig und so platzsparend wie möglich erfolgt. Hierbei anfallende Kosten sind vom betreffenden Nutzer zu bezahlen. Es ist in diesem Zusammenhang insbesondere bei Umwandlung der im Erdgeschoß befindlichen Teileigentumseinheiten gestattet, kleinere oder größere Fenster (Schaufenster) anzubringen und auch in Absprache mit dem Verwalter die Fassade zu Werbemaßnahmen zu benützen.“
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Mit Schreiben vom 13.10.2023 wurden die Eigentümer zur Eigentümerversammlung vom 08.11.2023 eingeladen. Dem Einladungsschreiben waren die drei Beschlussanträge der Eigentümer … in der Fassung vom 15.06.2023 mit den Anlagen 1 und 2 zu diesen Beschlussanträgen beigefügt. Mit Email vom 20.10.2023 verlegt die Verwalterin die Versammlung auf den 13.11.2023. Mit Email vom 11.11.2023 wurden allen Eigentümern die drei konkretisierten Beschlussanträge vom 15.06.2023 mit den Anlagen 3 und 4 zu den Anträgen übersandt. Die drei Beschlussanträge vom 15.06.2023 mit den Ergänzungen vom 11.11.2023 mit den Anlagen 1-4 zu diesen Beschlussanträgen wurden den Eigentümern in der Eigentümerversammlung vom 13.11.2023 zur Einsichtnahme vorgelegt.“
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In der Eigentümerversammlung vom 13.11.2023 wurden u.a. folgende Beschlüsse gefasst:
„TOP 6 Beschlussanträge … – Balkone im Innenhof
Antrag 1: Den Eigentümern der Sondereigentumseinheit Nr. … wird der Anbau eines Balkons an der hofseitigen Fassade (Westseite) gestattet (bei Draufsicht auf die Fassade links vom Liftschacht 3. und 4. Gaube), sowie die zur Errichtung u. Nutzung des Balkons erforderlichen Maß – nahmen – siehe hierzu beiliegende Ausführungsdetails.
Antrag 2: Den Sondereigentümern wird der Einbau zweier Dachflächenfenster statt der derzeit bestehenden Gaube im Bereich der hofseitigen Fassade (Westseite) gestattet (bei Draufsicht auf die Fassade 2. Gaube von links vom Liftschacht) – siehe hierzu beiliegende Ausführungsdetails.
Antrag 3: Den Sondereigentümern wird der Anbau eines Balkons an der hofseitigen Fassade (Westseite) gestattet (bei Draufsicht auf die Fassade links vom Liftschacht 1. Gaube) und die zur Errichtung u. Nutzung des Balkons erforderlichen Maßnahmen insbesondere die Vergrößerung des Fensters in Balkontürelemente und etwaiger erforderliche Anpassungen der Gaube 1 lins vom Lichtschacht werden ebenfalls gestattet. – siehe hierzu beiliegende Ausführungsdetails.“
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Die drei Beschlussanträge vom 15.06.2023 mit den Ergänzungen vom 11.11.2023 samt den Anlagen 1-4 zu diesen Beschlussanträgen wurden zusammen mit dem Protokoll der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung abgeheftet.
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Die Klägerin zu 1) bestreitet, dass die Beschlussanträge mit Anlagen zum Protokoll genommen worden seien. Es gebe außerdem verschiedene Versionen.
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Die Klägerin zu 1) führt aus, dass durch die genehmigte bauliche Veränderung die Wohnanlage grundlegend umgestaltet werde. Die Fassade würde nach oben verlängert und die bislang durchlaufende Traufe durchbrochen werden. Außerdem würde die bisherige einheitliche optische Struktur der Dachgestaltung (untere Dachhälfte Gaube, obere Dachhälfte Dachflächenfenster) aufgehoben werden. Die Klägerin sei als einzige der Eigentümer von den gestatteten baulichen Veränderungen betroffen und unbillig benachteiligt: Die geplanten Balkone führten zu einer erheblichen Verschattung der Wohnung der Klägerin. Außerdem würde die Privatsphäre der Klägerin erheblich beeinträchtigt, da die Bewohner der Einheit Nr. … von dem geplanten Balkon auf den einzigen Balkon der Klägerin blicken könnten. Derzeit sei der Balkon der Klägerin nicht bzw. nur kaum einsehbar. Insbesondere der im Bereich der Küche der Wohneinheit Nr. … geplante Balkon führe zu zusätzlichen Lärm- und Geruchsbelästigungen. Dieser liege oberhalb des Kinderzimmers. Im Übrigen liege eine unbillige Benachteiligung aller vor, da die anderen Einheiten nur einen Balkon hätten. Der Beschluss habe daher nach § 20 Abs. 4 WEG nicht gefasst werden dürfen. Es sei nicht sichergestellt, dass die Statik des Anwesens aufrechterhalten werde. Die Entwässerung sei nicht ausreichend geklärt. Nachdem kein Fall des § 2 Nr. 7 der Teilungserklärung vorliege, sei die beschlossenen Gestattung rein an den gesetzlichen Vorgaben zu messen. Die Unterteilung der Wohnung Nr. … sei faktisch quasi ausgeschlossen, deshalb habe die Klägerin zu 1) auch nicht mit der Anbringung von Balkonen an dieser Einheit rechnen müssen.
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Der Kläger zu 2) gibt an, dass dem Protokoll keine „Ausführungsdetails“ beigefügt seien.
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Der Kläger zu 2) führt aus, dass die Beschlüsse unbestimmt seien. Der Verweis auf „beiliegende Ausführungsdetails“ sei ungenügend. Keines der von den Eigentümern der Wohnung … vorgelegten Dokumente sei so bezeichnet, dem übersandten Protokoll seien auch keine Unterlagen beigefügt gewesen. Auch aus der Zusammenschau mit den Unterlagen ergebe sich kein klar geregelter Beschlussinhalt. Es sei daher nicht klar geregelt, in welcher Art und Weise und mit welchen Auswirkungen auf das gemeinschaftliche Eigentum die baulichen Veränderungen im Bereich des Gemeinschaftseigentums gestattet wurde. Ebenso sei unklar, welchen Sondereigentümern die Veränderung gestattet worden sei. Der Beschluss verstoße gegen § 20 Abs. 3 WEG, da der Kläger in einem Maße in seinen Rechten verletzt sei, das bei einem geordneten Zusammenleben nicht unvermeidlich sei. Die Fenster der vom Kläger zu 2) als Wohn- bzw. Schlafzimmer genutzten Räume befinde sich unmittelbar über den geplanten Balkonen; wegen der damit zwangsläufig einhergehenden Geräuscheinwirkungen sei ein nicht nur ganz unerheblicher, bagatellartiger Nachteil gegeben. Bei Installation der zwei Dachfenster anstelle der kleineren Dachgaube sei zu befürchten, dass die Abluft der darunter befindlichen Küche direkt in den darüber liegenden Wohn- und Schlafbereich der klägerischen Wohnung aufsteigen bzw. durch die vermehrte Nutzung der Fenster zur Lüftung eine nicht unerhebliche Geräuschbeeinträchtigung des Klägers zu 2) eintrete. Durch die Zusammenlegung mit der Wohnung Nr. … handele es sich bei den Räumen im oberen Dachgeschoß auch um Wohnräume. Die in der Teilungserklärung enthaltene Gestattung, Balkone anzubauen, stehe in klarem Zusammenhang mit den davor im Text aufgeführten Maßnahmen. Eine solche liege hier nicht vor, so dass sich kein Anspruch auf Gestattung aus der Teilungserklärung ergebe. Im Übrigen habe der Voreigentümer das Recht zur Umgestaltung für die Wohnung Nr. … bereits ausgeübt. Der Umfang der vorgesehenen Maßnahme stelle sich als grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage dar und benachteilige auf Grund der Geräusch- und Geruchsbelästigungen im Übrigen auch den Kläger gegenüber den restlichen Wohnungseigentümern unbillig nach § 20 Abs. 4 WEG.
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Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) beantragen jeweils:
Die in der Eigentümerversammlung vom 13.11.2023 unter TOP 6 gefassten Beschlüsse:
„Antrag 1: Den Eigentümern der Sondereigentumseinheit Nr. … wird der Anbau eines Balkons an der hofseitigen Fassade (Westseite) gestattet (bei Draufsicht auf die Fassade links vom Liftschacht 3. und 4. Gaube), sowie die zur Errichtung u. Nutzung des Balkons erforderlichen Maßnahmen – siehe hierzu beiliegende Ausführungsdetails.
Antrag 2: Den Sondereigentümern wird der Einbau zweier Dachflächenfenster statt der derzeit bestehenden Gaube im Bereich der hofseitigen Fassade (Westseite) gestattet (bei Draufsicht auf die Fassade 2. Gaube von links vom Liftschacht) – siehe hierzu beiliegende Ausführungsdetails.
Antrag 3: Den Sondereigentümern wird der Anbau eines Balkons an der hofseitigen Fassade (Westseite) gestattet (bei Draufsicht auf die Fassade links vom Liftschacht 1. Gaube) und die zur Errichtung u. Nutzung des Balkons erforderlichen Maßnahmen insbesondere die Vergrößerung des Fensters in Balkontürelemente und etwaiger erforderliche Anpassungen der Gaube 1 lins vom Lichtschacht werden ebenfalls gestattet. – siehe hierzu beiliegende Ausführungsdetails.“
werden für ungültig erklärt.
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Die Beklagte beantragt:
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Die Beklagte führt aus, dass einziger Prüfungsmaßstab § 20 Abs. 4 WEG sei, nachdem positive Mehrheitsbeschlüsse vorlägen. Nachdem der Einbau von Dachflächenfenstern und der Anbau von Balkonen in der Teilungserklärung bereits angelegt sei, sei ein solcher auch nicht als grundlegende Umgestaltung zu werten oder führe bei einzelnen Eigentümern zu einer unbilligen Benachteiligung im Sinne von § 20 Abs. 4 WEG. Es mache dabei keinen Unterschied, dass vorliegend keine Unterteilung der Wohnung Nr. … erfolge. Nachdem sie bei Unterteilung der Wohnung bereits ohne Beschluss direkt aus der Teilungserklärung zur Durchführung der nun gestatteten Maßnahmen berechtigt wären, müsse ihnen dies auch ohne Unterteilung durch Beschluss gestattet werden können. Eine grundlegende Umgestaltung liege nicht vor. Eine solche sei nur im Ausnahmefall gegeben, wenn tiefgreifende Veränderungen oder ganz strukturelle Gebäudeeingriffe vorgenommen würden, was hier nicht der Fall sei. Eine unbillige Benachteiligung der Kläger im Sinne des § 20 Abs. 4 WEG liege ebenfalls nicht vor. Eine solche sei nur gegeben, wenn einem Wohnungseigentümer im Vergleich zu den anderen ein Sonderopfer abverlangt würde, welches schlechterdings nicht zugemutet werden könne. Hierfür genüge es nach der Rechtsprechung des BGH nicht, dass sich ein verständiger Durchschnittseigentümer nach der Verkehrsanschauung nachvollziehbar beeinträchtigt fühlen könne. Nachdem die Wohnung der Klägerin zu 1) auf der Westseite liege, komme es wegen der schräg stehenden Sonne zu keiner Verschattung. Im Übrigen sei die Klägerin zu 1) nicht unbillig benachteiligt, weil die Wohnungen im EG, im 1. OG und im 2. OG jeweils durch die darüberliegenden Balkone genauso „verschattet“ seien. Bei Wohnungen in Großstadtlage sei es allgemein üblich und hinzunehmen, dass ein Balkon der darüber liegenden Wohnung zu einer zeitweisen Verschattung führen könne. Der Blick auf den Balkon der Klägerin zu 1) sei bereits jetzt aus den Fenstern der Dachgauben gegeben, ebenso aus den anderen Dachfenstern sowie von der Dachterrasse des Klägers zu 2) aus. In Großstadtlage sei die Einsehbarkeit eines Balkons außerdem kein Sonderopfer. Die zweckentsprechende Nutzung der Balkone führe nicht zu einer erhöhten Lärm- oder Geruchsbelästigung und stelle ebenfalls weder für die Klägerin zu 1) noch für den Kläger zu 2) ein Sonderopfer dar. Gleiches gelte für die Dachflächenfenster. Die Nutzung der Balkone stelle sich nicht anders dar als die Nutzung der bereits vorhandenen Balkone und der Dachterrasse. Bei den Räumen in der oberen Dachgeschosshälfte handle es sich nach der Zweckbestimmung um Speicherräume, so dass der Kläger zu 2) insoweit eine Störung in seinen Wohn- und Schlafräumen ohnehin nicht einwenden könne. Durch Zusammenlegung würden aus Speicherräumen keine Wohnräume. Nachdem die Arbeiten laut Beschluss fachgerecht durch Fachfirmen unter Berücksichtigung sämtlicher technischer und baulicher Vorschriften durchzuführen inklusive Statik und Prüfstatik durchzuführen seien, sei die Aufrechterhaltung der Statik des Gebäudes sichergestellt. Gleiches gelte für die Entwässerung. Die Kosten und Folgekosten trügen laut Beschluss die durchführenden Eigentümer der Einheit Nr. ….
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Soweit in den drei Beschlüssen zu TOP 6 im Protokoll der ETV vom 13.11.2023 auf die „beiliegende Ausführungsdetails“ verwiesen werde, handele es sich dabei für jedermann erkennbar und zweifelsfrei um die drei Beschlussanträge vom 15.06.2023 mit den Ergänzungen vom 11.11.2023 samt den Anlagen 1-4 zu diesen Beschlussanträgen. Im Protokoll werde im Vorspann zu TOP 6 sogar ausdrücklich auf die Beschlussanträge vom 15.06.2023 und die Ergänzungen vom 11.11.2023 verwiesen. Die drei Beschlussanträge vom 15.06.2023 mit den Ergänzungen vom 11.11.2023 samt den Anlagen 1-4 zu diesen Beschlussanträgen seien zusammen mit dem Protokoll der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung abgeheftet worden. Der Beschluss beziehe sich auch unzweifelhaft auf die Eigentümer der Wohnung Nr. …. Die damalige Gestattung der Veränderung für den Voreigentümer sei irrelevant. Die Rüge der mangelnden Bestimmtheit der Klägerin zu 1) sei verspätet und daher nicht zu berücksichtigen.
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Im Übrigen wird auf die jeweiligen Schriftsätze der Parteien, insbesondere die eingereichten Lichtbilder und Pläne, sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
18
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht München als Wohnungseigentumsgericht gem. §§ 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2 c GVG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig.
19
Die angefochtenen Beschlüsse sind weder nichtig noch entsprechen sie aus innerhalb der jeweiligen Anfechtungsfrist gerügten Gründen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
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1. Die angefochtenen Beschlüsse sind ausreichend bestimmt.
21
Der Inhalt eines Beschlusses muss klar und hinreichend bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Dies ist durch objektive Auslegung zu ermitteln. Wird in einem Beschluss – was zulässig ist – inhaltlich Bezug genommen auf bestimmte Ereignisse, Tatsachen, oder auch Schriftstücke, so muss der in Bezug genommene äußere Umstand selbst wiederum zweifelsfrei bestimmbar sein, z.B. durch Bezugnahme auf ein ggf. datumsmäßig bestimmtes Sanierungskonzept oder schriftliches (nicht nur mündliches) Angebot. Nur dann ist sichergestellt, dass ein Dritter, insbes. der Sonderrechtsnachfolger eines Wohnungseigentümers, dem Beschluss entnehmen kann, welchen Inhalt dieser genau hat. Die Publizität des Beschlusses wird dann auch dadurch gewährleistet, dass das in Bezug genommene Schriftstück konsequenterweise auch in die Beschluss-Sammlung oder eine Anlage zu dieser aufzunehmen ist (Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 23 Rn. 88 ff. m.w.N.).
22
a) Die Gestattung bezieht sich aus dem Gesamtzusammenhang unzweifelhaft auf die Sondereigentümer der Wohnung Nr. …. Diese haben ausweislich des Protokolls die Beschlussanträge eingebracht und die entsprechenden Unterlagen (vgl. b)) eingereicht. Im Antrag Nr. 1 ist die Sondereigentumseinheit ausdrücklich genannt. Eine anderweitige Auslegung der Beschlüsse ist lebensfremd.
23
b) Unstreitig wurden die Beschlussanträge mit Anlagen der Einladung beigefügt, mit Änderungen vor der Versammlung per Email versandt und lagen in der Versammlung aus und wurden den Verwaltungsunterlagen beigefügt und dem Protokoll angeheftet. Mit den im Beschluss bezeichneten „beiliegenden Ausführungsdetails“ sind unzweifelhaft diese Unterlagen gemeint. Weitere/abweichende Anträge mit Planungsunterlagen existieren unstreitig nicht.
24
Unter (zulässiger) Einbeziehung der zusätzlichen zur Entscheidung vorliegenden Unterlagen ist es damit für einen objektiven Betrachter jederzeit möglich, den Umfang der Gestattung nachzuvollziehen. Dass die Unterlagen nicht zusätzlich auch den übersandten Protokollen beigefügt waren, ändert an dieser Einschätzung nichts.
25
Nachdem die Klägerin zu 1) die Unbestimmtheit der Beschlüsse erst in der Replik vom 07.05.2024 und damit nicht innerhalb der Anfechtungsfrist gerügt hat, ist ihr diesbezügliches Bestreiten unbeachtlich. Zwar sind die beiden Kläger notwendige Streitgenossen, dies ändert jedoch nichts daran, dass jeder „höchstpersönlich“ innerhalb der Anfechtungsfrist seine Klage begründen muss (vgl. BGH, NJW 2009, 2132). Die Klägerin kann sich nicht die Bestimmtheitsrüge des Klägers zu 2) zu eigen machen und nunmehr weit nach Ablauf der Anfechtungsbegründungsfrist entsprechende Argumente vorbringen.
26
2. Hinsichtlich der Entwässerung sind in den Anlagen zu den Beschlüssen zwei konkrete Vorgehensweisen aufgezeigt. Es sind keine substantiierten Gründe vorgetragen, warum diese Lösungen nicht vom Ermessen der WEG gedeckt sein sollten, insbesondere, nachdem im Beschluss ausdrücklich die Ausführung durch eine Fachfirma vorgegeben ist. Gleiches gilt für die Prüfung der Statik.
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3. Die angefochtenen Beschlüsse verstoßen nicht gegen § 20 Abs. 4 WEG. Es liegt weder eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage vor, noch ist einer der beiden Kläger unbillig benachteiligt.
28
a) Beurteilungsmaßstab für die angefochtenen, die bauliche Veränderung gestattenden Beschlüsse ist allein § 20 Abs. 4 WEG. § 20 Abs. 3 WEG regelt hingegen die Voraussetzungen, unter denen ein Eigentümer die Gestattung einer baulichen Veränderung verlangen kann. Ausführungen zu § 20 Abs. 3 WEG sind daher nicht veranlasst.
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Daher ist auch das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.03.2016 (485 C 20206/15 WEG) für die vorliegende Konstellation nicht aussagekräftig, da es zu der alten Rechtslage (§ 22 Abs. 1 S. 1 WEG a.F.) ergangen ist: Hiernach konnten bauliche Veränderungen nur beschlossen oder verlangt werden, wenn jeder Wohnungseigentümer zustimmte, dessen Recht durch die Maßnahmen „über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt“ wurde, d.h. dem anderen Wohnungseigentümer nicht „über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus“ ein Nachteil erwuchs. Dies entspricht vom Prüfungsmaßstab her dem „neuen“ § 20 Abs. 3 WEG. Vorliegend liegt aber gerade ein gestattender Beschluss vor. Prüfungsmaßstab eines solchen Gestattungsbeschlusses ist allein § 20 Abs. 4 WEG.
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b) In der Umsetzung der gestatteten baulichen Veränderungen liegt keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage im Sinne des § 20 Abs. 4 WEG.
31
Entscheidend ist dabei, ob die beschlossene oder begehrte bauliche Veränderung der WEG-Anlage ein „neues Gepräge“ gibt, sich also im konkreten Einzelfall angesichts der Größe und Gestaltung der WEG-Anlage wesentlich auf diese auswirkt und das charakterliche Aussehen der Anlage (Jugendstilvilla, Plattenbau, Reihenhausanlage) bzw. deren besondere Eigenart, mit der sich ein Gebäude von benachbarten Gebäuden im Umfeld prägend abhebt (einzige Backsteinfassade im Umkreis von zwei Kilometern), gravierend beeinträchtigt (Bärmann/Dötsch, 15. Aufl. 2023, WEG § 20 Rn. 356 m.w.N.). Eine erhebliche Umgestaltung kann bei erheblichen Änderungen des äußeren Bestandes des Gebäudes durch umfangreiche Anbauten/Neubauten oder (wesentliche) Teilabrisse, nicht aber schon allein durch die eine Veränderung des optischen Gesamteindrucks vorliegen (vgl. Bärmann, a.a.O., RN 363 m.w.N.).
32
Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den konkreten Einzelfall liegt in der gestatteten baulichen Veränderung keine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage. Die „Durchbrechung“ der Dachlinie durch die vergrößerten Fenster ist in der Gesamtschau der Fassade unter Berücksichtigung der Gestaltung der unteren Stockwerke eine einheitliche optische Weiterführung der Fassadengestaltung nach oben. Gleiches gilt für die Balkone, deren Gestaltung den unteren Balkonen entspricht. Jedenfalls in einem der unteren Stockwerke gibt es auch einen zweiten Balkon.
33
Zu berücksichtigen ist bei dieser Bewertung im Übrigen auch die konkrete Gestattung in § 2 Ziffer 7 der Teilungserklärung: Optische Veränderungen, die inhaltlich dieser Vorschrift entsprechen, können nach Auffassung des Gerichts ohnehin nur im Extremfall eine nach § 20 Abs. 4 WEG unzulässige grundlegende Veränderung darstellen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
34
c) Keiner der beiden Kläger ist durch die gestatteten baulichen Veränderungen unbillig benachteiligt im Sinne des § 20 Abs. 4 WEG.
35
aa) Gem. § 20 Abs. 4 WEG dürfen bauliche Veränderungen, die einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligen, nicht beschlossen oder gestattet werden. Für die Annahme eines unbilligen Nachteils genügt es nicht schon, dass sich ein verständiger Durchschnittseigentümer nach der Verkehrsanschauung nachvollziehbar beeinträchtigt fühlen kann. Eine unbillige Benachteiligung setzt vielmehr voraus, dass die beabsichtigte Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte (BGH, Urteil vom 09.02.2024, V ZR 244/22, ZMR 2024, 391). Der Begriff „Benachteiligung“ ist dabei erheblich restriktiver auszulegen als eine bloße Beeinträchtigung im Sinne des § 20 Abs. 3 WEG (vgl. Hügel/Elzer, 4. Aufl. 2025, WEG § 20 Rn. 154 m.w.N.). Vorliegend ist für die Beurteilung insbesondere auch die Teilungserklärung heranzuziehen.
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bb) Es ist nachvollziehbar, dass sich die Kläger durch die geplanten Veränderungen beeinträchtigt fühlen. Dies allein ist nach § 20 Abs. 4 WEG, gerade im konkreten Fall, aber gerade nicht ausreichend:
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1) Soweit die Klägerin zu 1) die Einsehbarkeit ihres Balkons rügt, so ist zunächst festzuhalten, dass dieser nach den vom Gericht aus den Lichtbildern und Plänen gewonnenen Eindruck bereits jetzt aus den Fenstern der Wohnung Nr. …, aus dem Aufzug sowie von der Dachterrasse des Klägers zu 2) einsehbar ist. Eine wesentlich erhöhte Lärmbeeinträchtigung der Klägerin zu 1) ist im Vergleich zur bestehenden Situation eher nicht zu befürchten, nachdem sich auf der Westseite insgesamt bereits mehrere Balkone und eine Dachterrasse befinden.
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Der Entzug von Licht durch die nachträgliche Anbringung eines Balkons kann grundsätzlich eine unbillige Benachteiligung im Sinne des § 20 Abs. 4 WEG darstellen. Zwar wird die Klägerin zu 1) hier im Ergebnis nicht schlechter gestellt als die Eigentümer der darunter liegenden Wohnungen, bei denen bereits eine entsprechende Verschattung zumindest durch die großen Balkone besteht. Allerdings wird die Verschattung der übrigen Wohnungen nicht durch die aktuell gestattete bauliche Veränderung verursacht, sondern besteht bereits. Im konkreten Fall dringt dieser Einwand jedoch nicht durch (vgl. unten 3))
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2) Soweit der Kläger zu 2) erhöhte Geruchs- und Lärmbelästigungen fürchtet, ist dies auf Grund der konkreten Situation nicht ohne Weiteres nachvollziehbar: Die geplanten Balkone befinden sich unterhalb der jetzigen Dachkante und auf Grund der Dachschräge von den Fenstern des Klägers zu 2) aus gesehen einige Meter nach vorne versetzt. Die Balkone werden im Übrigen vor den bestehenden Gauben errichtet und von diesen damit in Richtung der Fenster des Klägers zu 2) abgeschirmt. Auch die neu geplanten Dachfenster befinden sich auf Grund der Dachschräge nicht unmittelbar unterhalb der Fenster des Klägers, sondern ein gutes Stück nach vorne versetzt. Geplant sind darüber hinaus Fenster, die sich ausschließlich nach vorne öffnen lassen. Der Unterschied des geöffneten Fensters im Vergleich zur derzeit bestehenden Gaube besteht daher im Ergebnis nur darin, dass Luftaustausch nicht nur nach vorne, sondern auch seitlich stattfindet.
40
3) Neben den dargestellten Umständen ist jedoch bei der Abwägung bzw. Beurteilung im konkreten Einzelfall zusätzlich zu berücksichtigen, dass in der Teilungserklärung in § 2 Ziffer 7. eine sehr weitgehende Gestattung der Neuerrichtung bzw. Veränderung von Dachfenstern und Gauben sowie des Anbaus von Balkonen enthalten ist. Zwar ist unstreitig der konkrete Anwendungsfall der Regelung nicht gegeben, nachdem die Wohnung Nr. … nicht unterteilt und in diesem Zusammenhang die baulichen Veränderungen vorgenommen werden sollen.
41
Die Wertung der Teilungserklärung ist nach Auffassung des Gerichts jedoch bei der Beurteilung der unbilligen Benachteiligung im konkreten Einzelfall heranzuziehen: Alle Eigentümer haben sich durch Erwerb der Wohnung dieser Teilungserklärung als dem Regelungswerk der WEG unterworfen. Alle Eigentümer können diese sehr weitgehenden Veränderungsmöglichkeiten für sich in Anspruch nehmen, müssen jedoch im Gegenzug auch damit rechnen, dass auch andere Eigentümer dies tun und sich damit die konkrete Gestaltung – ggf. auch für sie nachteilig – verändert. Eine nachteilige Veränderung ist vor diesem Hintergrund nach Auffassung des Gerichts von den beiden Klägern in einem noch höheren Maße hinzunehmen, als dies in einer WEG ohne eine entsprechende so weitgehende Gestattung in der Teilungserklärung der Fall wäre.
42
Unter Abwägung sämtlicher dargestellter Umstände, insbesondere der weitgehenden Gestattungsregelung in der Teilungserklärung, liegt damit bei beiden Klägern keine unbillige Benachteiligung nach § 20 Abs. 4 WEG vor.
43
d) Der Einwand des Klägers zu 2), dass die Möglichkeit der Umgestaltung durch den Voreigentümer schon „verbraucht“ sei, findet weder in der Teilungserklärung noch im WEG-Recht allgemein eine Grundlage.
44
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 ZPO. Den Streitwert schätzt das Gericht insgesamt auf 30.000 EUR.