Titel:
Vollstreckbarkeitserklärung eines inländischen Schiedsspruchs
Normenkette:
ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 2, § 180, § 1060 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine Verzinsung „ab Zustellung des Schiedsspruchs“ ist hinreichend bestimmt und kann im Verfahren nach § 1060 ZPO berücksichtigt werden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Zustellung an den Geschäftsführer einer GmbH kann auch dann in den Geschäftsräumen erfolgen, wenn das Schriftstück eine persönliche Angelegenheit des gesetzlichen Vertreters betrifft. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schiedsspruch, Vollstreckbarkeitserklärung, Zustellung, Geschäftsräume, Geschäftsführer, Bestimmtheit, Verzinsung
Fundstellen:
DGVZ 2024, 262
BeckRS 2024, 4762
LSK 2024, 4762
Tenor
I. Der in dem Schiedsverfahren ICC 2...7/FS/GL zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und dem Antragsgegner als Schiedsbeklagten durch das Schiedsgericht, bestehend aus dem Einzelschiedsrichter …, am 4. August 2022 in München ergangene Endschiedsspruch wird mit folgendem Inhalt für vollstreckbar erklärt:
1. Der Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin einen Betrag in Höhe von EUR 1.500.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
- aus einem Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2018,
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2019,
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2020,
– aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2021 und
– aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2022 zu zahlen.
2. Der Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin
a. hinsichtlich der Parteikosten des Verfahrens einen Betrag in Höhe von EUR 332.053,37 und
b. hinsichtlich der vom ICC Gerichtshof festgesetzten Verfahrenskosten einen Betrag in Höhe von EUR 80.000,00
jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 11. August 2022 zu zahlen.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Vollstreckbarkeitsverfahrens zu tragen.
III. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Streitwert wird auf EUR 1.500.000,00 festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs.
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In dem zwischen den Parteien am Schiedsort München geführten Schiedsverfahren erließ das Schiedsgericht durch den Einzelschiedsrichter … am 4. August 2022 folgenden Endschiedsspruch:
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1. Der Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin einen Betrag in Höhe von EUR 1.500.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
- aus einem Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2018,
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2019,
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2020,
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2021 und
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2022
2. Der Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin
a) hinsichtlich der Parteikosten des Verfahrens einen Betrag in Höhe von EUR 332.053,37 und
b) hinsichtlich der vom ICC Gerichtshof festgesetzten Verfahrenskosten einen Betrag in Höhe von EUR 80.000,00
jeweils zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Schiedsspruchs an den Schiedsbeklagten zu zahlen.
3. Im Übrigen werden alle etwaigen weiteren Anträge und Rügen der Parteien zurückgewiesen.
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Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 20. Juli 2023 beantragt,
den in dem ICC-Schiedsverfahren zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht bestehend aus dem Schiedsrichter … als Einzelschiedsrichter ergangenen und den Parteien am 10. August 2022 übersandten Schiedsspruch, durch den der Antragsgegner zur Zahlung von
a) EUR 1.500.000,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
- aus einem Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2018,
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2019,
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2020,
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2021,
- aus einem weiteren Betrag von EUR 300.000,00 seit dem 01.01.2022,
b) EUR 332.053,37 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Schiedsspruchs,
c) EUR 80.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Zustellung des Schiedsspruchs,
verurteilt worden ist, für vollstreckbar zu erklären.
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Zur Begründung hat sie unter anderem ausgeführt, sie begehre gemäß § 1060 Abs. 1 ZPO die Vollstreckbarerklärung des am 4. August 2022 erlassenen Schiedsspruchs. Das Schiedsverfahren sei aufgrund einer in einem Anteilskauf- und Anteilsabtretungsvertrag enthaltenen („Share Transfer Agreement“) Schiedsvereinbarung durchgeführt worden. Der Schiedsspruch sei den Parteien am 10. August 2022 zugestellt worden. Aufhebungsgründe lägen nicht vor. Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2024 hat sie eine anwaltlich beglaubigte Abschrift des Schiedsspruchs eingereicht.
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Der Antragsgegner, der sich am 1. Juli 2023 in die Islamische Republik Iran abgemeldet hat, ist Geschäftsführer der … GmbH, die ihren Sitz und ihre Geschäftsanschrift in Hamburg hat.
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Die Antragsschrift vom 20. Juli 2023 ist dem Antragsgegner auf Antrag der Antragstellerin gemäß Verfügung der Vorsitzenden des Senats vom 26. September 2023 mit Gelegenheit zur Stellungnahme bis 31. Oktober 2023 durch einen Obergerichtsvollzieher am 6. November 2023 gemäß Postzustellungsurkunde vom selben Tag durch Einlegen in den „zur Wohnung“ der … GmbH gehörenden Briefkasten zugestellt worden, nachdem der Obergerichtsvollzieher zunächst versucht hatte, das Schriftstück dem Zustelladressaten zu übergeben und die Übergabe des Schriftstücks „in der Wohnung“ nicht möglich war. Die anwaltlich vertretene … GmbH hat die Schriftstücke, die am 6. November 2023 in deren Briefkasten eingeworfen worden seien, mit Schriftsatz vom 7. November 2024 zurückgereicht. Gemäß Verfügung der Vorsitzenden des Senats vom 29. Januar 2024 sind dem Antragsteller am 5. Februar 2024 gemäß Postzustellungsurkunde vom selben Tag durch Einlegen in den zum Geschäftsraum der … GmbH gehörenden Briefkasten folgende Schriftstücke zugestellt worden, nachdem der Obergerichtsvollzieher zunächst versucht hatte, diese Schriftstücke dem Zustelladressaten zu übergeben und die Übergabe in dem Geschäftsraum nicht möglich war: Verfügung vom 16. November 2023, mit der eine Frist zur Äußerung innerhalb von drei Wochen ab Zustellung gesetzt worden war, sowie die gerichtlichen Verfügungen vom 1. und 14. Dezember 2023, 9. und 23. Januar 2024, die Schriftsätze der Antragstellerin vom 25. September 2023, 12. Dezember 2023, 4., 23. und 24. Januar 2024 sowie die Schriftsätze der anwaltlichen Vertreter der … GmbH vom 7. und 29. November 2023 und 22. Januar 2024. Eine Abschrift der Antragsschrift der Antragstellerin vom 20. Juli 2023 nebst Anlagen waren vorsorglich nochmals beigefügt.
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Der Antragsgegner hat keine Stellungnahme abgegeben.
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Dem Antrag ist stattzugeben.
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1. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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a) Für den Antrag ist das Bayerische Oberste Landesgericht nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5, § 1043 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu in der seit dem 1. Mai 2020 geltenden Fassung zuständig, weil der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens i. S. d. § 1043 Abs. 1 ZPO in Bayern liegt. Nach Art. 13 des Share Transfer Agreement (Anlage AS 1 zum Antrag vom 20. Juli 2023) ist München zum Ort des Schiedsverfahrens vertraglich bestimmt worden.
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b) Die Antragstellerin hat den Schiedsspruch vom 4. August 2022 in beglaubigter Abschrift vorgelegt, § 1064 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung des Schiedsgerichts entspricht auch den formellen Voraussetzungen des § 1054 ZPO.
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2. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung ist begründet.
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Aufhebungsgründe, die der Vollstreckbarerklärung entgegenstehen könnten (§ 1060 Abs. 2, § 1059 Abs. 2 ZPO), sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.
15
Nach deutschem Vollstreckungsrecht muss ein Vollstreckungstitel den im Wege der Zwangsvollstreckung durchzusetzenden Anspruch des Gläubigers ausweisen und Inhalt und Umfang der Leistungspflicht bezeichnen. Im Rahmen der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung sind Konkretisierungen möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 30. November 2011, III ZB 19/11, SchiedsVZ 2012, 41 Rn. 6). Hier wurde der Beginn der Zinspflicht durch die Bedingung „ab Zustellung des Schiedsspruchs“ festgelegt. Dies ist hinreichend bestimmt. Der Eintritt dieser Bedingung kann bereits im Verfahren nach § 1060 ZPO berücksichtigt werden. Den in Ziffer 2. des Tenors festgelegten Beginn der Zinspflicht hat die Antragstellerin durch Nachweis der Zustellung des Schiedsspruchs am 10. August 2022 (Anlage AS 3 zum Antrag vom 20. Juli 2023) belegt (BGH a. a. O. Rn. 9).
16
Die Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung kann daher gemäß § 1063 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung ergehen (BGH, Beschluss vom 2. März 2017, I ZB 42/16, SchiedsVZ 2017, 200 Rn. 24; Beschluss vom 15. Juli 1999, III ZR 21/98 BGHZ 142, 204 [juris Rn. 7]).
17
3. Der Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör (vgl. § 1063 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ist gewahrt. Die Ersatzzustellungen gemäß § 180, § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO vom 6. November 2023 und 5. Februar 2024 sind wirksam. Die Zustellung an den Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann in deren Geschäftsräumen vorgenommen werden, weil dem Adressaten der Zustellung diese Geschäftsräume (auch) als eigene zugerechnet werden. Dies gilt auch dann, wenn das Schriftstück eine persönliche Angelegenheit des gesetzlichen Vertreters betrifft, denn die den Normzweck des § 178 ZPO bildende Erwartung, dass eine Weitergabe der Zustellungssendung an den Adressaten gewährleistet ist, ist hier ebenso begründet (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. April 2018, 10 S 358/18, juris Rn. 5; OLG Frankfurt, Urt. v. 9. November 2017, 1 U 137/16, Rn. 39 m. w. N.; LG Darmstadt, Beschluss vom 26. Oktober 2018, 5 T 357/18, juris Rn. 15 ff.; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 178 Rn. 19 ff.; Dorndörfer in BeckOK ZPO, 51. Ed. Stand 1. Dezember 2023, § 178 Rn. 12; Häublein/Müller in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 178 Rn. 21; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 178 ZPO Rn. 16; Wittschier in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 178 Rn. 4; vgl. auch RG, Urt. v. 22. Juni 1886, II 174/86, RGZ 16, 349 zur offenen Handelsgesellschaft). Die Zurückweisung der Zustellung durch die … GmbH steht der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen.
18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
19
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen.
20
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1, § 43 Abs. 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. In Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen entspricht der Streitwert dem Wert der zu vollstreckenden Forderungen ohne Nebenforderungen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2023, I ZB 31/22, juris Rn. 5, 9; Beschluss vom 16. Mai 2019, I ZB 46/18, SchiedsVZ 2019, 351 Rn. 5; Beschluss vom 29. März 2018, I ZB 12/17, juris Rn.