Titel:
Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Verhandlungsunfähigkeit
Normenkette:
ZPO § 85 Abs. 2, § 227 Abs. 1 S. 1, § 337, § 345
Leitsätze:
1. Eine Säumnis ist nicht schuldhaft, wenn die Partei bzw. – bei notwendiger Vertretung – ihr Prozessvertreter, dessen Verschulden sich die Partei als eigenes zurechnen lassen muss, an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins unverschuldet verhindert war, mithin die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei gewahrt hat, und der Termin deshalb hätte verlegt oder vertagt werden müssen. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erhebliche Gründe iSd § 227 Abs. 1 ZPO sind regelmäßig solche, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Liegen solche Gründe vor, verdichtet sich das Ermessen des Gerichts zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Soll die Verhinderung der Teilnahme an einer Verhandlung mit einem ärztlichen Attest unterfüttert werden, muss dieses die Art und Schwere der Erkrankung sowie das Maß etwaiger Beeinträchtigungen der Reise- und Verhandlungsfähigkeit erkennen lassen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
zweites Versäumnisurteil, ärztliches Attest, Termin zur mündlichen Verhandlung, Terminsverlegung, Terminsverlegungsantrag, Erkrankung, Verschulden, Prozessvertreter, Attest
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 14.12.2023 – 6 O 4868/21
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 31.10.2024 – 36 U 456/24 e
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 15.05.2025 – IX ZA 19/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 47436
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Zweite Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 14.12.2023, Az. 6 O 4868/21, gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.09.2024.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin begehrt im Wege der offenen Teilklage Schadensersatz wegen einer behaupteten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte.
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1. Der Entscheidung liegt folgender Sach- und Streitstand sowie Verfahrensgang zugrunde:
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Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 02.04.2021 Klage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zur Zahlung von 1.269.606,88 € zzgl. 5% Zinsen über Basiszins seit 18.10.2017 zu verurteilen. Das Landgericht München I hat mit Verfügung vom 28.02.2023 Haupttermin auf 31.08.2023, 9:00 Uhr, bestimmt. Diese Verfügung ist den Klägervertretern am 01.03.2023 zugestellt worden.
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In der mündlichen Verhandlung vom 31.08.2023 ist für die Klägerseite niemand erschienen. Das Landgericht München I hat sodann mit Versäumnisurteil die Klage abgewiesen.
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Gegen das am 28.09.2023 zugestellte Versäumnisurteil hat die Klägerin am 12.10.2023 Einspruch eingelegt. Mit Verfügung vom 16.10.2023 hat das Landgericht München I Termin zur Verhandlung über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil und die Hauptsache auf 14.12.2023, 11:30 Uhr, bestimmt. Die Ladung ist den Klägervertretern am 17.10.2023 zugestellt worden.
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Im Termin am 14.12.2023 ist für die Klägerseite niemand erschienen. Der Vorsitzende hat bekannt gegeben, dass die Kanzlei der Klägervertreter kurz vor 9:00 Uhr mitgeteilt habe, Rechtsanwalt … sei erkrankt und könne zum Termin nicht erscheinen. Der Vorsitzende habe der Kanzlei der Klägervertreter mitgeteilt, dass im Falle einer glaubhaft gemachten Erkrankung kein Versäumnisurteil ergehen werde. Zur Glaubhaftmachung käme jede denkbare Art in Betracht, allerdings müsse sie daraufhin prüfbar sein, ob Rechtsanwalt … lediglich erkrankt oder gar verhandlungsunfähig sei. Das Büro der Klägervertreter habe erklärt, dies an Rechtsanwalt … oder dessen Vertreter weiterzugeben; eine entsprechende Glaubhaftmachung werde erfolgen. Der Vorsitzende hat weiter festgestellt, dass um 9:40 Uhr ein Schriftsatz der Klägervertreter mit Antrag auf Terminsverlegung eingegangen war, dem ein Attest beigelegen habe mit der Bescheinigung: „Herr … ist aufgrund einer orthopädischen Verletzung am 14.12.2023 verhandlungsunfähig.“
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Ausweislich des Vermerks des Vorsitzenden über das Telefonat hatte er der Kanzlei der Klägervertreter im Vorfeld des Termins außerdem mitgeteilt, dass die Glaubhaftmachung nicht in einem bloßen Attest über die Arbeitsunfähigkeit oder ähnlichem bestehen dürfe. Der erwähnte Schriftsatz der Klägervertreter enthielt über die Bemerkung hinaus, der alleinige Sachbearbeiter, Rechtsanwalt …, sei erkrankt und könne daher den Termin nicht wahrnehmen, keine weiteren Ausführungen zur gesundheitlichen Situation, sondern verwies auf das Attest.
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Die Beklagtenvertreter haben sich gegen eine Vertagung des Termins ausgesprochen und beantragt,
den Einspruch zu verwerfen und ein Zweites Versäumnisurteil zu erlassen.
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Das Landgericht München I hat den Terminsverlegungsantrag unverzüglich zurückgewiesen, da in dem ärztlichen Attest keinerlei Symptomschilderung enthalten sei. Es lasse sich daher nicht feststellen, ob Rechtsanwalt … tatsächlich verhandlungsunfähig sei. Das Attest sei keiner Überprüfung zugänglich.
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Sodann hat das Landgericht München I mit Zweitem Versäumnisurteil den Einspruch der Klägerin gegen das Versäumnisurteil vom 31.08.2023 verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Behauptung der Klägerin, ihr sachbearbeitender Prozessbevollmächtigter sei verhandlungsunfähig erkrankt, trotz entsprechender Aufforderung nicht glaubhaft gemacht worden sei. Das vorgelegte ärztliche Attest weise lediglich eine Diagnose, aber keinerlei Beschreibung des tatsächlichen Zustands auf. Damit sei erkennbar, dass die handelnden Personen im Vergleich zum Parallelverfahren des Landgerichts München I, Az. 32 O 5931/17 (Oberlandesgericht München, 5 U 4518/19; BGH, IX ZR 219/22), einen anderen Grund dargelegt haben, um eine Säumnisentscheidung abzuwenden. Gleichwohl liege eine solche (Anm.: gemeint wohl eine Säumnis) vor.
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2. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.
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Entgegen der Auffassung des Landgerichts habe die Klägerin bzw. ihr sachbearbeitender Prozessbevollmächtigter mit dem Attest vom 14.12.2023 die unverschuldete Säumnis ausreichend glaubhaft gemacht. Die Behauptung, das Attest weise nur eine Diagnose, aber keine Beschreibung des tatsächlichen Zustands auf, sei unzutreffend, da dieser mit dem Begriff „Verhandlungsunfähigkeit“ ausreichend beschrieben werde und weitere Einzelheiten, insbesondere Symptome, das Gericht nichts angingen.
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Im Weiteren wiederholt die Klägerin zur Sache ihren Klagevortrag vom 02.04.2021 und trägt ergänzend zum Streitgegenstand, zu der aus ihrer Sicht bestehenden deliktischen Haftung der Beklagten, zum Schaden sowie zu den Verfahrenskosten vor.
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Die Klägerin beantragt,
I. Unter Abänderung des zweiten Versäumnisurteils des LG München I vom 14.12.2023 wird das erste Versäumnisurteil vom 31.08.2023 aufgehoben und die Berufungsbeklagte verurteilt, an die Berufungsklägerin € 1.269.606,88 zzgl. 5% Zinsen über Basiszins seit 18.10.2017 zu zahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Berufungsbeklagte verpflichtet ist, der Berufungsklägerin darüber hinaus sämtliche weitere Schäden zu ersetzen, die ihr und den Zedenten im Jahre 2018 entstanden sind.
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Das Urteil des Landgerichts erweist sich als zutreffend. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist unzulässig.
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1. Der Klägerin steht gegen das Zweite Versäumnisurteil des Landgerichts München I vom 14.12.2023 gemäß § 345 ZPO kein weiterer Einspruch zu. Die Berufung gegen das Zweite Versäumnisurteil ist wiederum nur insoweit statthaft, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat (§ 514 Abs. 2 S. 1 ZPO).
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Von der Schlüssigkeit der Darlegung hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels ab. Der Sachverhalt, der die Zulässigkeit des Rechtsmittels rechtfertigen soll, ist vollständig und schlüssig innerhalb der Frist der Berufungsbegründung vorzutragen (BGH, Beschluss vom 18.02.2020, XI ZB 11/19, NJW-RR 2020, 575, juris Rdnr. 8; BGH, Beschluss vom 23.02.2017, III ZB 137/15, NJW-RR 2017, 638, juris Rdnr. 8; BGH, Beschluss vom 14.09.2005, IV ZB 63/04, juris Rdnr. 7; juris Rdnr. 5; BGH, Urteil vom 14.09.2023, IX ZR 219/22, NJW-RR 2024, 62, juris Rdnr. 10). Schlüssig ist der betreffende Vortrag, wenn die Tatsachen, die die Zulässigkeit der Berufung rechtfertigen sollen, innerhalb der Frist zur Berufungsbegründung so vollständig und frei von Widersprüchen vorgetragen werden, dass sie, ihre Richtigkeit unterstellt, den Schluss auf fehlendes Verschulden erlauben. Dabei dürfen die Gerichte die Anforderungen an den auf § 514 Abs. 2 ZPO gestützten Parteivortrag mit Blick auf den verfassungsrechtlichen garantierten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör nicht überspannen (BGH, Beschluss vom 23.06.2022, VII ZB 58/21, NJW-RR 2022, 1361, juris Rdnr. 13 f.; BGH, Beschluss vom 14.09.2005, IV ZB 63/04, juris Rdnr. 7).
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2. Die Klägerin hat mit der Berufungsbegründung keinen Sachverhalt behauptet, aus dem sich ein Fall unverschuldeter Säumnis entnehmen ließe.
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a) Eine Säumnis ist nicht schuldhaft, wenn die Partei bzw. – bei notwendiger Vertretung – ihr Prozessvertreter, dessen Verschulden sich die Partei als eigenes zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO), an der Wahrnehmung des Verhandlungstermins unverschuldet verhindert war, mithin die Sorgfalt einer ordentlichen Prozesspartei gewahrt hat (BGH, Urteil vom 14.09.2023, IX ZR 219/22, NJW-RR 2024, 62, juris Rdnr. 12), und der Termin deshalb hätte verlegt (§ 227 ZPO) oder vertagt (§ 337 S. 1 ZPO) werden müssen (BGH, Beschluss vom 23.06.2022, VII ZB 58/21, NJW-RR 2022, 1361, juris Rdnr. 16).
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b) Die Säumnis war nicht schon wegen des bloßen Antrags der Klägervertreter vom 14.12.2023 auf Terminsverlegung unverschuldet. Denn der von einer Partei gestellte Antrag auf Verlegung eines Verhandlungstermins entschuldigt eine Versäumnis nach § 337 ZPO nicht, weil die Termine zur mündlichen Verhandlung der Parteidisposition entzogen sind (BGH, Beschluss vom 23.02.2017, III ZB 137/15, NJW-RR 2017, 638, juris Rdnr. 9; BGH, Beschluss vom 07.06.2010, II ZR 233/09, NJW 2010, 2044, juris Rdnr. 7).
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c) Einen erheblichen Grund für eine Terminsverlegung hat die Klägerin nicht aufgezeigt.
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aa) Gemäß § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO (Fassung vom 17.12.2008, gültig bis 18.07.2024) kann ein Termin aus erheblichen Gründen, die auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen sind (§ 227 Abs. 2 ZPO a.F.), aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Ein erheblicher Grund ist nicht das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist (§ 227 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO a.F.).
23
Das Gericht hat bei seiner Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen sowohl das Gebot der Beschleunigung des Verfahrens als auch den Anspruch beider Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs zu berücksichtigen. Erhebliche Gründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO sind regelmäßig solche, die zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebots erfordern. Liegen solche Gründe vor, verdichtet sich das Ermessen des Gerichts zu einer Rechtspflicht, den Termin zu verlegen, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird. Einem Antrag auf Terminsverlegung ist daher regelmäßig aufgrund Vorliegens eines erheblichen Grundes stattzugeben (BGH, Beschluss vom 23.06.2022, VII ZB 58/21, NJW-RR 2022, 1361, juris Rdnr. 21; BGH, Urteil vom 14.09.2023, IX ZR 219/22, NJW-RR 2024, 62, juris Rdnr. 14).
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bb) In der Rechtsprechung ist unter anderem anerkannt, dass die persönliche Verhinderung des Prozessbevollmächtigten (z. B. wegen anderweitiger Verpflichtungen, insbesondere wegen beruflich wahrzunehmender Termine) ein erheblicher Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO sein kann, weil die vertretene Partei erwarten darf, im Termin von demjenigen Anwalt vertreten zu werden, der die Sachbearbeitung des Mandats übernommen hat und ihr Vertrauen genießt (BGH, Beschluss vom 23.06.2022, VII ZB 58/21, NJW-RR 2022, 1361, juris Rdnr. 22; Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Auflage 2024, § 227 Rdnr. 6a).
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Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Verhinderung des Prozessbevollmächtigten nachvollziehbar dargetan werden muss. Beruft sich eine Partei – wie hier – auf eine Verhandlungsunfähigkeit des Parteivertreters, muss sie darlegen, dass eine Verlegung oder Vertagung deshalb geboten war, weil der Parteivertreter aus gesundheitlichen Gründen gehindert war, an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Denn nicht jegliche Erkrankung des Bevollmächtigten ist ein ausreichender Grund für eine Terminsverlegung; eine solche ist vielmehr nur dann geboten, wenn die Erkrankung so schwer ist, dass von dem Bevollmächtigten die Wahrnehmung des Termins nicht erwartet werden kann (BFH, Beschluss vom 08.09.2015, XI B 33/15, BFH/NV 2015, 1690, juris Rdnr. 12).
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cc) Dabei muss der Verhinderungsgrund so genau angegeben werden, dass sich das Gericht aufgrund seiner Schilderung ein Urteil über dessen Erheblichkeit bilden kann (vgl. BFH, Beschluss vom 08.09.2015, XI B 33/15, BFH/NV 2015, 1690, juris Rdnr. 12; BayVGH, Beschluss vom 27.07.2016, 11 ZB 16.30121, NJW 2017, 103, juris Rdnr. 7; BGH, Beschluss vom 12.03.2015, AnwZ (Brfg) 43/14, juris Rdnr. 5). Eine gesteigerte Mitwirkungspflicht des Antragstellers gilt insbesondere dann, wenn der mit einer plötzlichen Erkrankung begründete Terminsänderungsantrag kurzfristig gestellt wird (vgl. BFH, Beschluss vom 05.07.2004, VII B 7/04, BFH/NV 2005, 64, juris Rdnr. 12, 14). Der Verhinderungsgrund muss gerade in solch einem Fall so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht oder nicht. Das Gericht ist – jedenfalls bei einer anwaltlich vertretenen Partei – grundsätzlich weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (BayVGH, Beschluss vom 27.07.2016, 11 ZB 16.30121, NJW 2017, 103, juris Rdnr. 8).
27
Soll die Verhinderung mit einem ärztlichen Attest unterfüttert werden, muss dieses die Art und Schwere der Erkrankung sowie das Maß etwaiger Beeinträchtigungen der Reise- und Verhandlungsfähigkeit erkennen lassen (BGH, Beschluss vom 28.11.2016, AnwZ (Brfg) 23/16, AnwBl 2017, 34, juris Rdnr. 11; BGH, Beschluss vom 12.03.2015, AnwZ (Brfg) 43/14, juris Rdnr. 5). Nicht ausreichend ist ein Attest, mit dem lediglich pauschal „Arbeitsunfähigkeit“ (BFH, Beschluss vom 08.09.2015, XI B 33/15, BFH/NV 2015, 1690, juris Rdnr. 13; BayVGH, Beschluss vom 27.07.2016, 11 ZB 16.30121, NJW 2017, 103, juris Rdnr. 8) oder „Verhandlungsunfähigkeit“ (BFH, Beschluss vom 05.07.2004, VII B 7/04, BFH/NV 2005, 64, juris Rdnr. 12) bescheinigt wird.
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Würden diese Anforderungen an die Begründung des Antrags im Falle einer aus Krankheitsgründen kurzfristig begehrten Terminsänderung nicht gestellt, bestünde die Gefahr, dass die Entscheidung über die Terminsverlegung allein vom Beteiligten abhängen würde. Dies wäre mit dem Ziel einer möglichst zügigen Durchführung des Verfahrens nicht vereinbar (BFH, Beschluss vom 05.07.2004, VII B 7/04, BFH/NV 2005, 64, juris Rdnr. 12).
29
dd) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die Klägerin nicht schlüssig dargetan, dass sie den Einspruchstermin vom 14.12.2023 unverschuldet versäumt hat. Die ärztliche Bescheinigung verhält sich pauschal zu einer „orthopädischen Verletzung“ des Klägervertreters, ohne deren Ausmaß und Auswirkungen auf die Reisefähigkeit, Arbeitsfähigkeit und Verhandlungsfähigkeit des Klägervertreters zu verdeutlichen. Eine orthopädische Verletzung ist kein feststehender Begriff, mit dem ein bestimmtes medizinisches Ereignis verbunden ist, sondern kann eine breite Palette von Leiden erfassen, die von leichtgradig bis schwerwiegend reichen können. Insoweit wäre entgegen der Ansicht der Klägerin eine Erläuterung sehr wohl erforderlich gewesen.
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Dass der das Attest ausstellende Arzt schlagwortartig von Verhandlungsunfähigkeit spricht, ändert daran nichts. Diese Beurteilung obliegt allein dem Gericht, dem dafür ausreichend Anknüpfungspunkte hätten unterbreitet werden müssen, was nicht geschehen ist.
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3. Mit einer stillschweigenden Verlegung des Termins konnte die Klägerin nicht rechnen, auf die Stattgabe des Antrags durfte sie nicht vertrauen. Der Vorsitzende hatte schon im Vorfeld klargemacht, dass ein Versäumnisurteil nur unterbleiben werde, wenn die Glaubhaftmachung hinreichend überprüfbar sei. Der mit der Rechtsprechung vertraute Klägervertreter musste gewahr sein, dass seine unspezifischen Angaben, selbst wenn sie in einer ärztlichen Bescheinigung verschriftet waren, hierfür nicht genügten.
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Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
33
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Verfahrens gemäß §§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO auf 1.333.087,22 € festzusetzen (Hauptforderung 1.269.606,88 €, Feststellungsantrag 5% aus Hauptforderung).