Titel:
Erfolgloser Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die sofort vollziehbare Verfügung der Ausweisung eines wegen Körperverletzung verurteilten türkischen Staatsangehörigen mit Niederlassungserlaubnis
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 53,§ 54,§ 55
EMRK Art. 8
ARB 1/80
Leitsätze:
1. Steht dem Ausländer ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19.9.1980 über die Entwicklung der Assoziation EWG-Türkei (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
2. Er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Bei der Feststellung der in § 53 Abs. 3 AufenthG genannten schwerwiegenden Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, handelt es sich um eine Prognose, die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eigenständig zu treffen habe. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen unter, Sofortvollzugsanordnung, stetige Gewaltdelinquenz, Bewährungsversager, faktischer Inländer, minderjährige deutsche Kinder, Abschiebung, Arbeitsvertrag, aufschiebende Wirkung, Ausweisung, Freiheitsstrafe, Niederlassungserlaubnis, Wiederholungsgefahr, Verhältnismäßigkeit, Rückfallprognose, Kindeswohl, häusliche Gewalt, Bleibeinteresse, türkischer Staatsangehöriger, Verurteilung wegen Körperverletzung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 47379
Tenor
1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung wird abgelehnt.
2. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Ausweisungsverfügung.
2
Der Antragsteller, türkischer Staatsangehöriger, verfügt seit 1999 über eine Niederlassungserlaubnis. Er wurde am … in … als Kind türkischer Eltern geboren. Nachdem seine Mutter die Familie 1992 verlassen hatte, zog ihn seine Großmutter auf. Nach dem Erwerb des Hauptschulabschlusses absolvierte er zunächst ein berufsvorbereitendes Jahr. Im Anschluss daran war er bei verschiedenen Firmen als Arbeiter beschäftigt. Vom 01.04.2004 bis 30.09.2005 und vom 01.10.2006 bis 31.05.2014 war der Antragsteller als … bei der Firma … in … tätig. Von Oktober 2018 bis Oktober 2019 war er als … bei der Firma … in … beschäftigt. Von Dezember 2019 bis April 2022 ging er einer Beschäftigung als … bei der Firma … in … nach. Nach seiner Haftentlassung beabsichtigt er eine Tätigkeit als … im Umfang von 30 Wochenstunden bei einer … aufzunehmen.
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Bereits im Alter von 19 Jahren heiratete der Antragsteller am … seine erste Ehefrau. Aus seiner ersten Ehe gingen die Söhne … (geb. …) und … (geb. …, deutscher Staatsangehöriger) hervor. Die erste Ehe wurde im Jahr 2013 geschieden. Nach den Angaben des Antragstellers und dessen erster Ehefrau lebten die Söhne bei ihr. Für den Sohn … bestehe das gemeinsame Sorgerecht. Vor der Inhaftierung des Antragstellers habe kein geregelter Umgang bestanden. … habe jedoch gelegentlich beim Vater übernachtet. Es habe regelmäßiger Kontakt bestanden und der Antragsteller habe vor seiner Inhaftierung regelmäßig Unterhalt bezahlt. Am … heiratete der Antragsteller seine zweite Ehefrau, die ebenfalls türkische Staatsangehörige ist. Am … wurde der gemeinsame Sohn … (Optionsdeutscher), der nunmehr bei seiner Mutter lebt, geboren. Vor der Inhaftierung des Antragstellers lebten das Paar sowie das gemeinsame Kind in einem Haushalt. Die zweite Ehe des Antragstellers wurde am … geschieden.
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Der Antragsteller hat Schulden aus einer Autofinanzierung (14.000,00 Euro), gegenüber dem Landratsamt aufgrund von Unterhaltsvorschusszahlungen für seine Kinder aus erster Ehe (12.000,00 Euro) und aus einer Finanzierung eines Fernsehers (1.200,00 Euro). Vor seiner Inhaftierung betrug sein monatliches Nettoeinkommen 1.600,00 bis 1.700,00 Euro und er zahlte monatliche Kreditraten in Höhe von 700,00 Euro.
5
Bereits unter dem 16.05.2000 wurde der Antragsteller nach einer Verurteilung durch das Amtsgericht … vom 04.05.2000 (Az. ….) wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jugendarrest von einer Freizeitdauer ausländerrechtlich verwarnt. Nachdem der Antragsteller mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 23.05.2002 (Az. ….) erneut wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von 9 Monaten auf Bewährung verurteilt wurde, sprach die Antragsgegnerin unter dem 28.08.2002 eine verschärfte ausländerrechtliche Verwarnung aus und ermahnte den Antragsteller eindringlich, sich zukünftig an die Vorschriften der deutschen Rechtsordnung zu halten; bei nochmaliger Straffälligkeit werde die Möglichkeit der Ausweisung erneut geprüft. Nachdem der Antragsteller mit Urteil des Amtsgerichts … vom 25.11.2011 (Az. ….) wegen vorsätzlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen verurteilt wurde, wurde er seitens der Stadt … mit Schreiben vom 20.01.2012 abermals ausländerrechtlich verwarnt und mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass bei weiteren Straftaten bzw. Verurteilungen die Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland erfolgen könne. Eine weitere ausländerrechtliche Verwarnung sowie der Hinweis auf eine drohende Ausweisung bei weiteren Straftaten/Verurteilungen erfolgte unter dem 27.05.2014, nachdem der Antragsteller mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 23.04.2014 (Az. ….) wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verurteilt wurde. Darüber hinaus wurde der Antragsteller am 18.11.2015 infolge der Verurteilung des Amtsgerichts … vom 22.10.2015 (Az. ….) wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung ausländerrechtlich verwarnt und auf eine drohende Ausweisung bei weiteren Straftaten hingewiesen. Selbiges erfolgte unter dem 28.04.2016 infolge der Verurteilung durch das Amtsgericht … vom 17.03.2016 (Az. ….) wegen Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung. Eine weitere Verwarnung sprach die Antragsgegnerin anlässlich einer persönlichen Vorsprache des Antragstellers bei der Ausländerbehörde der Stadt … am 27.02.2018 aus. Insoweit wurde der Antragsteller abermals darauf hingewiesen, dass er im Falle eines weiteren Rechtsverstoßes mit seiner Ausweisung rechnen müsse. Hinsichtlich des vergangenen Drogenkonsums erklärte er, derzeit eine Therapie bei der … in … zu absolvieren und dass er mit seiner Verlobten [der zweiten Ehefrau] ein neues Leben beginnen wolle.
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Einem in der Ausländerakte befindlichen polizeilichen Vernehmungsprotokoll der ersten Ehefrau des Antragstellers vom …2014 ist zu entnehmen, dass diese gegenüber der Vernehmungsbeamtin angab, dass es während ihrer Ehe häufiger zu Handgreiflichkeiten gekommen sei. In den zehn Jahren ihrer Ehe sei sie mehrmals vom Antragsteller geschlagen worden. Er habe sie am Hals gepackt, gewürgt, sie an den Haaren gezogen und ihr Ohrfeigen gegeben. Sie habe die Vorfälle allerdings nie zur Anzeige gebracht. Am …2014 setzte die erste Ehefrau des Antragstellers einen Notruf ab und gab an, dass ihr Ex-Mann, der Antragsteller, zu ihrem Anwesen kommen würde und ihr Schläge angedroht habe. Nach dem Eintreffen der Polizeibeamten erklärte die Ex-Ehefrau, dass der Antragsteller sie an den Haaren gezogen habe nachdem es zuvor einen verbalen Streit gegeben habe. Er habe ihr ein Büschel Haare ausgerissen. Um sich zu wehren habe die Ex-Ehefrau dem Antragsteller mit einem Holzstock gegen den Kopf geschlagen. Den Holzstock habe sie bereits seit längerer Zeit in ihrem PKW aufbewahrt, um sich vor dem Antragsteller schützen zu können.
7
In der Zeit von 2012 bis 2017 konsumierte der Antragsteller Crystal Meth und daneben auch Alkohol. Seit seiner (ersten) Inhaftierung vom 24.03.2017 bis 26.10.2018 in der Justizvollzugsanstalt … (vgl. BZR-Auszug, Ziffer 5) konsumiert der Antragsteller eigenen Angaben zufolge weder Alkohol noch Drogen. Er nahm außerdem nach seiner Haftentlassung am 26.01.2018 Suchberatungsgespräche bei der … in … wahr. Nachdem der Antragsteller vollständig abstinent lebte, konnte er auch die MPU erfolgreich absolvieren und so einen Führerschein wiedererlangen.
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Laut Bundeszentralregisterauskunft vom 15.07.2024 ist der Antragsteller zuletzt strafrechtlich wie folgt in Erscheinung getreten:
1. 28.08.2007 AG … – … – Rechtskräftig seit 14.09.2007 Tatbezeichnung: Vorsätzliches unerlaubtes Führen einer verbotenen Waffe Angewandte Vorschriften: WaffG § 52 Abs. 3 Nr. 1, Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.3 zum Waffengesetz, § 54 Abs. 1
15 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe Maßnahme nach: Einziehung des Butterfly-Messers gem. § 54 Abs. 1 WaffG
2. 25.11.2011 AG … – … – Rechtskräftig seit 03.12.2011 Tatbezeichnung: Vors. unerl. Einfuhr von Betäubungsmitteln Datum der letzten Tat: 30.03.2011 Angewandte Vorschriften: StGB § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1
100 Tagessätze zu je 35,00 EUR Geldstrafe Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JArbSchG)
3. 23.04.2014 AG … – … – Rechtskräftig seit 14.05.2014 Tatbezeichnung: Unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln Datum der letzten Tat: 04.01.2014 Angewandte Vorschriften: BtMG § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 33 Abs. 2
60 Tagessätze zu je 40,00 EUR Geldstrafe Verbot der Beschäftigung, Beaufsichtigung, Anweisung und Ausbildung Jugendlicher (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 25 JAarbSchG)
4. 22.10.2015 AG … – … – Rechtskräftig seit 22.10.2015 Tatbezeichnung: Gefährliche Körperverletzung in 2 Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit Bedrohung, im anderen Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung Datum der letzten Tat: 01.12.2014 Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2, § 224 Abs. 1 Nr. 5, § 241 Abs. 1, § 303, § 303c, § 52, § 53, § 56
1 Jahr(e) Freiheitsstrafe Bewährungszeit bis 21.10.2018 Im Rahmen des o.g. rechtskräftigen Urteils wurde folgender Sachverhalt festgestellt:
„Am 23.11.2014 gegen 16.30 Uhr kam es in der Wohnung … in … zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und … [Ex-Freundin]. Im Verlauf der Auseinandersetzung schlug der Angeklagte mindestens 10 Mal mit der Faust in das Gesicht und auf den Körper der … um diese zu verletzen. Anschließend packte er … mit beiden Händen am Hals und drückte für mehrere Sekunden derart fest zu, dass die Geschädigte keine Luft mehr bekam und unter Atemnot litt. Währenddessen drohte der Angeklagte, er bringe sie um. Wie vom Angeklagten beabsichtigt verspürte … aufgrund dieser rohen, lebensgefährdenden Behandlung Todesangst. Dem Angeklagten waren die Folgen des Würgens insbesondere die Gefährlichkeit des Tuns bewusst. Kurz bevor … das Bewusstsein verlor, ließ der Angeklagte von ihr ab. … erlitt Hämatome an den Augen, den Wangen und am gesamten Körper sowie Würgemale.
Am Morgen des 1.12.2014 gegen 5.30 Uhr kam es erneut zu einer Auseinandersetzung zwischen beiden in der Wohnung … in … Der Angeklagte nahm das Handy der … und schlug anschließend mit dem Handy in der Hand dreimal auf die rechte Gesichtshälfte der … um diese zu verletzen. Anschließend trat er ihr ins Gesicht. Als … versuchte aus der Wohnung zu flüchten zog er sie zurück, wobei sie zu Boden fiel. Er schlug ihr nun mit Fäusten ins Gesicht, packte sie mit beiden Händen am Hals und drückte derart fest zu, dass … keine Luft mehr bekam. Auch hier ließ er wieder kurz bevor … das Bewusstsein verlor, von ihr ab. Nunmehr öffnete der Angeklagte seiner an der Tür klingelnden Stiefmutter die Tür, was … zur Flucht nutzte, wobei sie nochmals getreten wurde. Weitere Übergriffe verhinderte die Stiefmutter des Angeklagten. Am Handy entstand ein Schaden in Höhe von ca. 200,- EUR. … erlitt Hämatome im Gesicht und am gesamten Körper sowie eine Gehirnerschütterung.“
5. 17.03.2016 AG … – … – Rechtskräftig seit 17.03.2016 Tatbezeichnung: Körperverletzung in 2 Fällen Datum der letzten Tat: 11.07.2015 Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230 Abs. 1, § 53, § 55, § 56
1 Jahr(e) 4 Monat(e) Freiheitsstrafe Bewährungszeit 3 Jahr(e)
Einbezogen wurde die Entscheidung vom 22.10.2015 + …+ …+AG … Strafaussetzung widerrufen Ende Freiheitsentzug (Strafe): 26.01.2018 Strafrest zur Bewährung ausgesetzt bis 22.01.2021
Ausgesetzt durch: 19.01.2018+ …+ …+StVK …, Zweigstelle … Bewährungshelfer bestellt Ende Freiheitsentzug (Strafe): 26.01.2018 Strafrest erlassen mit Wirkung vom 29.03.2021
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Zum Tatgeschehen sind dem o.g. rechtskräftigen Urteil folgende Feststellungen zu entnehmen:
„Am 11.07.2015 gegen 4.00 Uhr verletzte der Angeklagte vor dem …lokal im …, …, den …, indem der Angeklagte ihn mit der rechten Faust gegen sein linkes Auge schlug. Hierdurch erlitt der Geschädigte, wie vom Angeklagten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, starke Schmerzen und ein Hämatom.
Der Geschädigte wurde aufgrund der Verletzungen in das Klinikum in … verbracht. Er litt aufgrund der Folgen des Schlages noch längere Zeit an Kopfschmerzen.“
(…) „Kurz darauf verletzte der Angeklagte in dem Lokal den …, indem der Angeklagte viermal mit der Faust gegen dessen Gesicht und Schulter schlug. Hierdurch erlitt der Geschädigte, wie vom Angeklagten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, eine Prellung im Bereich des Jochbeins sowie an der Schulter.“
6. 07.12.2017 AG … – … – Rechtskräftig seit 07.12.2017 Tatbezeichnung: Vorsätzl. Körperverletzung Datum der letzten Tat: 22.01.2017 Angewandte Vorschriften: StGB § 223 Abs. 1, § 230, § 56
3 Monat(e) Freiheitsstrafe Strafe erlassen mit Wirkung vom 12.02.2021 Der Verurteilung lag nach den Ausführungen des vorgenannten rechtskräftigen Urteils folgender Sachverhalt zugrunde:
„Am 22.01.2017, gegen 01:00 Uhr, schlug der Angeklagte vor der Gaststätte „…“ im …, …, den Inhaber … mit der Faust einmal auf die linke Wange. Hierdurch erlitt der Geschädigte, wie vom Angeklagten zumindest vorhergesehen und billigend in Kauf genommen, eine schockhafte Beeinträchtigung, wodurch dessen körperliches Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt wurde.“
7. 11.10.2022 LG … – … – Rechtskräftig seit 11.10.2022 Tatbezeichnung: Gefährl. Körperverletzung in Tateinheit mit vorsätzl. Körperverletzung in drei tatmehrheitlichen Fällen Datum der letzten Tat: 13.02.2022 Angewandte Vorschriften: StGB § 224 Abs. 1, § 223 Abs. 1, § 230, § 52, § 53
2 Jahr(e) 6 Monat(e) Freiheitsstrafe Verlust der Amtsfähigkeit und der Wählbarkeit (gesetzlich eingetretene Nebenfolge nach § 45 Abs. 1 StGB)
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Mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts … vom 11.10.2022 (Az. ….) wurde der Antragsteller wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Verurteilung lagen folgende Sachverhalte zugrunde:
„Der Angeklagte führt seit 2018 eine Beziehung mit der Nebenklägerin … Seit dem … sind die beiden miteinander verheiratet. Aus der Beziehung ging der am … geborene Sohn hervor. Die Beziehung war bis zur Inhaftierung des Antragstellers sehr konfliktreich. Es kam häufig zu Streitigkeiten, die auch in körperlichen Auseinandersetzungen gipfelten. In der Zeit von Oktober 2019 und Februar 2022 kam es zu folgenden körperlichen Übergriffen des Antragstellers gegenüber der Nebenklägerin:
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt im November 2019, als die Nebenklägerin mit dem gemeinsamen Kind im 8. Monat schwanger war, kam es in der gemeinsamen Wohnung des Ehepaars, … in …, in der Nähe der Wohnungseingangstür zu einer verbalen Streitigkeit zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin. Schließlich schlug der Angeklagte der Nebenklägerin mindestens zweimal mit der Faust ins Gesicht, um sie zu verletzen. Aus Angst, der Angeklagte werde sie in den Bauch treten und damit ihr Kind schädigen, ging die Nebenklägerin zu Boden und kauerte sich vor der Wohnungstür auf den Boden zusammen und schützte so ihren Bauch. Daraufhin trat der Angeklagte die Nebenklägerin mit dem Fuß gegen den Oberschenkel, um sie zu verletzen. Als die Nebenklägerin anfing, um Hilfe zu rufen, packte der Angeklagte den Kopf der Nebenklägerin von vorne fest am Kinn oder Hals und schlug mit voller Wucht den Hinterkopf gegen das Türblatt der Wohnungseingangstür. Hierdurch erlitt die Nebenklägerin, wie vom Angeklagten beabsichtigt, Hämatome im Gesicht sowie am Oberschenkel, eine Kiefersperre und erhebliche Schmerzen, die über eine Woche andauerten. Dem Angeklagten war bewusst, dass das Schlagen eines Hinterkopfes gegen eine Tür geeignet ist, tödliche Verletzungen hervorzurufen. Er vertraute jedoch darauf, dass seine Ehefrau nicht lebensgefährlich verletzt wird.
Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, vermutlich im Dezember 2019, wenige Tage nach der Entbindung des gemeinsamen Kindes per Kaiserschnitt am …, schlug der Angeklagte der Nebenklägerin in der gemeinsamen Wohnung, … in …, im Rahmen eines Streits unvermittelt mit der Faust ins Gesicht, um sie zu verletzen. Hierdurch erlitt die Nebenklägerin, wie vom Angeklagten beabsichtigt, erhebliche Schmerzen. Die Nebenklägerin äußerte daraufhin ihre Angst, dass durch weitere Schläge, insbesondere in den Bauchbereich, die Kaiserschnittnarbe aufgehen könne. Hierauf entgegnete der Angeklagte nur, dass die Nebenklägerin mit ihm ja nicht abgesprochen habe, dass sie mit Kaiserschnitt entbindet.
Aufgrund einer Brustkrebserkrankung wurden der Nebenklägerin während der Schwangerschaft beide Brüste abgenommen. Zwei bis drei Monate nach der Geburt begann die Nebenklägerin sich mehreren Operationen zum Brustaufbau zu unterziehen. Am 01.06.2021 saß die Nebenklägerin in der Küche der gemeinsamen Wohnung, … in … auf einem Stuhl. Sie hatte ihren zum damaligen Zeitpunkt ein Jahr alten Sohn auf dem Schoß. Die Nebenklägerin fragte den Angeklagten nach einer ihr fremden Haarspange, die sie auf dem Boden gefunden hatte. Sie hielt ihm vor, fremdzugehen. Hierüber geriet das Paar in Streit. Der Angeklagte versuchte zunächst, beschwichtigend auf die Nebenklägerin einzuwirken. Als ihm das nicht gelang, schlug er der Nebenklägerin unvermittelt dreimal mit der Faust in das Gesicht, um sie zu verletzen. Anschließend trat er der sitzenden Nebenklägerin mit dem Fuß in die zu diesem Zeitpunkt frisch operierte Brust. Der Angeklagte wusste, dass die Nebenklägerin sich kurz vorher einer Operation zum Brustaufbau unterzogen hatte und es sich deshalb um einen besonders sensiblen Bereich handelte. Er wusste, dass er ihr damit besonders starke Schmerzen zufügte und sie damit demütigte, was er auch wollte. Als die Nebenklägerin vor Schmerzen schrie, umfasste der Angeklagte die Nebenklägerin von hinten und hielt ihr mit der Hand die Nase und den Mund zu und unterband damit teilweise die Luftzufuhr, so dass die Nebenklägerin unter Atemnot litt. Die Nebenklägerin hatte Todesangst. Sie versuchte, durch Winden aus dem Griff zu entkommen. Das auf ihrem Schoß sitzende Kind fiel beinahe herunter. Schließlich gelang es der Nebenklägerin den Angeklagten von sich zu stoßen und die Wohnung zu verlassen.
Die Nebenklägerin erlitt durch die Schläge und Tritte, wie vom Angeklagten beabsichtigt, erhebliche Schmerzen, insbesondere im Bereich der Brust, des Genicks und der rechten Wange.
Am 13.02.2022 gegen 18.30 Uhr gerieten der Angeklagte und die Nebenklägerin im Kinderzimmer der gemeinsamen Wohnung in der … in … erneut in Streit. Die Nebenklägerin hielt dem Angeklagten vor, ihren Hund schlecht zu behandeln. Der Angeklagte forderte die Nebenklägerin auf, sich zu beruhigen. Als diese das nicht tat, sondern in die Küche ging, packte er die Nebenklägerin plötzlich von hinten und warf sie zu Boden. Als die Nebenklägerin versuchte, sich zu wehren und um sich schlug, schlug der Angeklagte ihr einmal mit der Faust ins Gesicht, um sie zu verletzen. Er traf sie im Bereich des rechten Auges und des Nasenrückens. Hierdurch erlitt die Nebenklägerin, wie vom Angeklagten zumindest billigend in Kauf genommen, Schmerzen im Gesicht und am Rücken sowie eine Schwellung und ein Hämatom unterhalb des rechten Auges. Die Schwellung und die Schmerzen dauerten etwa 3-4 Wochen an.
Nach dem letzten Vorfall erstatte die Nebenklägerin Anzeige bei der Polizei. Sie sagte umfassend gegenüber der Polizei und der Ermittlungsrichterin aus. In der Folge wurde der Angeklagte in Haft genommen. Gleichwohl hält die Nebenklägerin noch zu ihm. Die beiden sind weiterhin ein Paar und stehen in regem Briefwechsel. Die Nebenklägerin hat kein Strafverfolgungsinteresse.“
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Im Rahmen der Strafzumessung führte die 1. Strafkammer des Landgerichts … aus, dass strafmildernd das Teilgeständnis des Antragstellers sowie der Umstand zu berücksichtigen gewesen seien, dass den Taten jeweils wechselseitige verbale Auseinandersetzungen mit seiner Ehefrau vorausgegangen seien. Strafmildernd wirke sich ebenfalls aus, dass die Ehefrau nunmehr kein Strafverfolgungsinteresse mehr habe und der Antragsteller gewillt sei, ein Anti-Aggressions-Training oder eine sonstige Sozialtherapie zu absolvieren. Überdies berücksichtigte die Strafkammer, dass sich der Antragsteller im letzten Wort bei seiner Ehefrau entschuldigt hatte. Strafschärfend wurde in Rechnung gestellt, dass der Antragsteller in der Vergangenheit mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten sei und die Taten zum Teil während laufender Bewährung begangen habe. Die letzten drei Verurteilungen seien einschlägiger Natur. Der Antragsteller sei immer wieder wegen Körperverletzungsdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten und habe diesbezüglich auch schon Haft verbüßt. Hinsichtlich der Tat zum Nachteil der Ex-Freundin … weise die Tat ein ähnliches Tatbild auf. Strafschärfend wertete die Strafkammer darüber hinaus die besondere Verwerflichkeit des Vorgehens des Antragstellers, der gegen seine hochschwangere, am Boden kauernde Ehefrau mit massiver Gewalt vorgegangen sei, kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes ebenfalls gewalttätig gegenüber seiner Ehefrau gewesen sei und diese durch seine Tat gegen die zuvor operierte Brust gedemütigt und ihr dabei besonders schwere Schmerzen zugeführt habe. Auch sei bei dieser Tat der damals ein Jahr alte Sohn anwesend gewesen.
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Der Antragsteller befindet sich seit 26.04.2022 in Haft, zunächst aufgrund des Untersuchungshaftbefehls des Amtsgerichts … vom 07.04.2022 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) … Am 11.10.2022 wurde er zur Strafhaft in die JVA … verlegt und wird sich dort bis längstens 23.10.2024 befinden.
13
Aus dem Therapieplan zur endgültigen Aufnahme in der Sozialtherapeutischen Anstalt der JVA … vom 17.02.2023 geht hervor, dass aus den testpsychologischen Befunden geschlussfolgert werden könne, dass sich der Antragsteller in seiner Persönlichkeit und seinem Belastungsempfinden als relativ unauffällig beschreibe. Er weise jedoch ein ausgeprägtes Basis-Risiko für häusliche Gewalt auf. Die Behandlungsaussichten seien infolgedessen moderat. Einer Niederschrift gemäß Art. 183 BayStVollzG zur Vollzugsplankonferenz vom 08.08.2023 ist zu entnehmen, dass sich der Antragsteller im Kontakt weiterhin zurückhaltend und überfreundlich zeige. Im Umgang mit Mitgefangenen verhalte er sich angepasst. Seit 11.07.2023 sei er Sprecher der … Zu Beginn der Therapie sei eine Depersonalisierung der Tat deutlich geworden. Eine Perspektivübernahme sei dem Antragsteller nur bedingt gelungen. Besonders Bagatellisierungen sowie Rechtfertigungen hätten seine Beschreibung der Tatabläufe gekennzeichnet. Im Verlauf sei es dem Antragsteller gelungen, ihm kritische und besonders gewaltauslösende Anteile zu reflektieren. Der Antragsteller übe sich darin Ärger- und Kränkungsgefühle frühzeitig wahrzunehmen und Strategien anzuwenden. Seine Ehefrau, die auch das Tatopfer sei, besuche ihn mit seinem Sohn regelmäßig. Auch hätten sie regelmäßigen Briefkontakt. Es hätten vier Termine gemeinsam mit der Ehefrau stattgefunden. In den Gesprächen seien Veränderungen der Beziehung durch die Gewalt, mögliche Trennungsgründe und allgemein Problembereiche der Partnerschaft diskutiert worden. Insgesamt sei deutlich geworden, dass die Partnerschaft instabil erscheine. Im Rahmen eines Therapieverlaufsberichts der Sozialtherapeutischen Anstalt der JVA … vom 14.08.2023 wird ausgeführt, dass es dem Antragsteller im Einzelkontakt wichtig gewesen sei, sich trotz seiner Gewalttaten als liebevolle, offene und ruhige Person darzustellen, die keine Ärgergefühle besitze. Daneben sei deutlich geworden, dass der Antragsteller kaum ein Bewusstsein für die Folgen seiner Tat und wenig Verantwortung übernommen habe. Vielmehr sei die Schuld bei der Partnerin gesucht worden. Zudem sei es ihm zu Beginn kaum gelungen ärger-auslösende Situationen zu identifizieren. Ärger und Wut sei vom ihm als kaum vorhanden wahrgenommen und zum Teil negiert worden. Im Verlauf sei es dem Antragsteller gelungen, sich zunehmend selbstbewusster zu zeigen und sich in Selbstreflexion zu üben. Der Antragsteller sei trotz der Behandlungsfortschritte in beschönigendes Verhalten in Form von Selbsttäuschungen geraten. Kognitive Verzerrungen seien deutlich geworden.
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Mit Schreiben vom 22.12.2023 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zur beabsichtigten Ausweisung an; der Bevollmächtigte des Antragstellers nahm mit Schriftsatz vom 11.02.2024 Stellung.
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Mit Schreiben vom 28.12.2023 nahm das Amt für Jugend und Familie der Stadt … Stellung und führte aus, dass in Bezug auf … (geb. am ….) zu erwähnen sei, dass der Antragsteller vor seiner Inhaftierung mit der Kindsmutter und … in einem Haushalt gelebt habe. Die Kindsmutter habe im Rahmen eines Gesprächs angegeben, dass sie sich direkt nach Haftantritt vom Antragsteller getrennt habe. Seitdem sehe der Antragsteller seinen Sohn ca. einmal im Monat in der JVA an Besuchstagen. Hierfür würden die Eltern des Antragstellers … bei der Kindsmutter abholen und nach der Umgangszeit wieder zurückbringen. In letzter Zeit sei es jedoch zu einigen Ausfällen bezüglich des Umgangs gekommen, die die Kindsmutter jedoch nicht habe begründen können. Regelmäßige Umgänge würden sich durch die Inhaftierung schwierig gestalten. Für … bestehe zwar die gemeinsame elterliche Sorge, wichtige Entscheidungen treffe aktuell jedoch nur die Kindsmutter, da der Vater durch seine Inhaftierung nicht greifbar sei. Die Kindsmutter spiele mit dem Gedanken, die alleinige elterliche Sorge für ihren Sohn zu beantragen. Nach der Haftzeit könne sie sich vorstellen, dass weiterhin Umgänge stattfänden. Genaue Vorstellungen/Pläne habe weder sie noch der Kindsvater. Grundsätzlich habe vor der Haftzeit des Antragstellers eine positive Vater-Sohn-Beziehung existiert. … würde die aktuelle Situation aufgrund seines Alters nicht verstehen. Er frage immer seltener nach seinem Vater. … (geb. am ….) habe im Rahmen eines Gesprächs im Beisein seiner Mutter angegeben, dass er nach wie vor Kontakt zu seinem Vater habe. Der letzte Umgang habe vor ca. einem Monat stattgefunden. Durch die Inhaftierung gestalte sich die Umgangsplanung schwierig. Die Kindsmutter habe im Gespräch angegeben, dass es allerdings auch vor der Inhaftierung keinen geregelten Umgang gegeben habe. Dies wäre der Wunsch des Kindsvaters gewesen. Für … wäre dies aber nie ein Problem gewesen. Der Jugendliche habe im Gespräch ein positives Verhältnis zu seinem Vater beschrieben. Er wünsche sich auch nach der Inhaftierung weiterhin Umgang und Kontakt zu ihm. Telefonate zwischen dem Kindsvater und … würden zurzeit nicht stattfinden. Vor der Inhaftierung habe der Jugendliche gelegentlich bei seinem Vater übernachtet. Laut Kindsmutter bestehe für … die gemeinsame elterliche Sorge. Der Antragsteller habe jedoch nie wichtige Entscheidungen für seinen Sohn getroffen. Um Themen wie Schule, Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung etc. habe sich bislang die Kindsmutter gekümmert. Dies habe auch … im Gespräch bestätigt. Im Rahmen der Gesamtbeurteilung wurde festgestellt, dass der Antragsteller vor seiner Inhaftierung seiner Verantwortung als Vater zum Teil nachgekommen sei. Wichtige Entscheidungen bezüglich der Kinder seien laut der Kindsmutter vom Antragsteller nicht getroffen worden, allerdings habe regelmäßiger, wenn auch nicht geregelter Umgang, welchen der Vater wahrgenommen habe, bestanden. Gerade … wünsche sich weiterhin Umgang mit seinem Vater. Auch … habe vor der Inhaftierung ein positives Verhältnis zum Kindsvater gehabt. Bei einer möglichen Aufenthaltsbeendigung drohe ein Kontaktabbruch zwischen Vater und Kindern. In Bezug auf das Wohl der Kinder sei hierbei zu erwähnen, dass ihnen bei einem Kontaktabbruch eine wichtige Bindungsperson aus dem sozialen Umfeld genommen werde.
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Mit Stellungnahme vom 08.01.2024 teilte die JVA … der Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller Behandlungsbereitschaft zur Teilnahme an einer sozialtherapeutischen Maßnahme zeige. Er erscheine regelmäßig und pünktlich zu vereinbarten Einzelgesprächsterminen und erledige seine Aufgaben gewissenhaft. Zudem habe er an Gruppenangeboten zur Bearbeitung seiner Gewaltdelinquenz teilgenommen. Im Umgang mit dem Personal verhalte er sich angemessen, ruhig und freundlich. Disziplinarmaßnahmen in der JVA … habe es bisher nicht gegeben. Der Antragsteller erhalte regelmäßig Besuch von seiner Familie. Bezüglich der Entlasssituation könne angeführt werden, dass der Antragsteller wieder nach … ziehen wolle und angebe, dort eine Mietwohnung durch seinen Vater beziehen zu können. Zudem wolle er wieder im Bereich der Gastronomie (Lieferservice) tätig sein. Er könne sich jedoch auch vorstellen, wieder als … bei der Firma … in … zu arbeiten. Erste vollzugsöffnende Maßnahmen in Form von begleiteten Ausführungen zu Resozialisierungszwecken seien bereits seit August 2023 gewährt worden.
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Mit Auftrag vom 09.08.2023 holte die JVA … ein forensisch-psychologisches Gutachten über den Antragsteller ein, welches seitens der Gutachterin (Dr. …, Psychologische Psychotherapeutin, Forensische Sachverständige für Strafrecht/Jugendstrafrecht) unter dem 15.02.2024 vorgelegt wurde. Demnach könne das Vorliegen eines Vollbilds einer Persönlichkeitsstörung nicht bestätigt werden. Auch sei nach derzeitigem Informationsstand nicht vom Bestehen ausgeprägter psychopathischer Persönlichkeitszüge auszugehen. Im Rahmen der zusammenfassenden Beurteilung führt die Gutachterin aus, dass beim Antragsteller eine durch einige Auffälligkeiten gekennzeichnete soziobiographische Entwicklung festzustellen sei. Ordne man die erhobenen Befunde diagnostisch zu, würden sich weder aus der Anamnese des Probanden noch anhand der klinischen Untersuchung Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis sowie einer wahnhaften Störung ergeben. Beim Antragsteller seien weiterhin keine Auffälligkeiten hinsichtlich der Intelligenz oder Hinweise auf eine erworbene hirnorganische Störung oder das Vorliegen einer affektiven Erkrankung ersichtlich. In der Persönlichkeit des Antragstellers fänden sich vermeidend-selbstunsichere, paranoide und histrionische Persönlichkeitsanteile, ohne dass diese in ihrer Ausprägung bereits pathologisch wirkten. Insgesamt wirke der Antragsteller als emotional gehemmt und beinahe gefühlsblind, es falle ihm sichtlich schwer, sowohl die eigenen Erlebensweisen wahrzunehmen als auch sich in die anderen Menschen hineinzuversetzen. Die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel habe sich bei ihm offensichtlich erst während der aktuellen Behandlung ergeben. Für die hier führende Deliktkategorie der Körperverletzungsdelikte würden die Basisraten eine spezifische Rückfallrate von 25 bis 50% und eine unspezifische Rückfallwahrscheinlichkeit von ca. 65% ergeben. Zu berücksichtigen sei allerdings, dass es sich bei den Basisraten um sehr allgemeine Größen handele, die für den individuellen Verlauf (noch) nicht richtungsweisend seien. Betreffend zukünftiger Gewaltdelikte bilde sich ein im Durchschnittsbereich liegendes Wiederholungsrisiko ab, das Gleiche gelte auch für die Rückfallwahrscheinlichkeit für ein beliebiges Delikt. Allerdings sei die ermittelte Wahrscheinlichkeit eines erneuten einschlägigen Gewaltdelikts im sozialen Nahbereich, explizit zum Nachteil einer (ggf. zukünftigen) Intimpartnerin als hoch einzustufen, wodurch eine ungünstige Initialhypothese formuliert werden könne. Betrachte man die Delinquenzgenese des gewalttätigen Verhaltens müsse davon ausgegangen werden, dass diese überwiegend auf personale Faktoren zurückzuführen sei. Dafür spreche der frühe Beginn der delinquenten Entwicklung. Nach gegenwärtiger Kenntnis habe der Antragsteller zwar keine offensichtlich gewaltaffine Sozialisation erfahren, jedoch vermittle er den Eindruck, dass die Fähigkeit die eigene Ehre, notfalls auch körperlich, verteidigen zu können, einen bedeutenden Wert für ihn darstelle. Der Antragsteller gehöre zu den Tätern, die in der Vorgeschichte zwei Arten von Gewalt, nämlich nicht-häusliche und häusliche Gewalt ausgeübt hätten. Nach sachverständiger Einschätzung unterschieden sich die zugrundeliegenden Deliktsmechanismen jedoch nicht so gravierend voneinander und könnten daher gemeinsam erörtert werden. Es könne vermutet werden, dass der Antragsteller bereits während der gewaltsamen Auseinandersetzungen in der Zeit, als er in den kriminalitätsnahen Kreisen verkehrt habe, die Erfahrung habe machen können, dass die dazu gehörenden körperlichen Handlungen (Attackieren, Zuschlagen etc.) ihm eine emotionale Entlastung und ein schnelles Abreagieren verschafft hätten. Neben einer instrumentell und bewusst eingesetzten Gewalt habe demnach auch eine innere Not bzw. Hilfslosigkeit bestanden, die der Antragsteller damit vorübergehend habe reduzieren können. Dies sei, den Angaben des Antragstellers zufolge, insbesondere in der Zeit nach seiner ersten Trennung für ihn notwendig gewesen. Die Eskalation innerhalb der Beziehung zu seiner damaligen Freundin Frau .. habe in Gewalttaten seinerseits gemündet, die ebenfalls eine Ventilfunktion für ihn gehabt hätten. Seine Hemmschwelle für das gewalttätige Verhalten dürfte durch den Konsum von Methamphetamin und Alkohol zusätzlich gesenkt worden sein. Als es zu einer erneuten emotionalen Überforderung, diesmal innerhalb der Beziehung zu seiner jetzigen Ehefrau gekommen sei, sei der Antragsteller mehrmals gewalttätig geworden. Als „Trigger“ könne dabei die Kommunikationsart seiner Frau gewirkt haben, die in ihren Aussagen dem Antragsteller gegenüber wohl respektlos und beleidigend aufgetreten sei. Er selbst habe über keine sozialen und emotionalen Kompetenzen verfügt, um die partnerschaftlichen Konflikte ohne Gewalt lösen zu können. Im Nachhinein habe der Antragsteller ratlos und folgend auch hilflos imponiert, da ihm seine aggressiven Handlungsimpulse fremd und nicht zu seinem Selbstbild und Wertesystem passend erschienen seien. Desto problematischer sei für ihn die Erfahrung gewesen diese immer wieder in Form eines Impulsdurchbruchs bei sich beobachtet zu haben. Zweifelsfrei liege eine spezifische Vorgeschichte und eine konflikthafte Beziehungsdynamik zwischen dem Antragsteller und seiner Frau vor, jedoch zeige sich bei ihm eher eine generelle Tendenz in emotional überfordernden Situationen und ggf. bei zur verbalen Aggressionen neigenden Partnerinnen impulshaft gewalttätig zu reagieren, um die Kontrolle über die Situation zu erlangen. Aus der individualprognostischen Perspektive sei bei der Tathergangsanalyse die in der Akte geschilderte Intensität von Gewaltanwendung und die besondere Lage des Opfers (Gewalt während der Schwangerschaft, nach der Brustamputation, kurz nach der Geburt, nach einer erneuten Brustoperation etc.) bedeutsam und als deutlich negativ zu bewerten. Ungünstig zeige sich ebenfalls die Tatsache, dass der Antragsteller strafrechtlich bereits mehrfach einschlägig in Erscheinung getreten sei und er sich während der verfahrensgegenständlichen Straftaten noch unter laufender Bewährung befunden habe. Prognostisch günstig erscheine, dass beim Antragsteller keine Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren gewesen sei. Bei einer zusammenfassenden Betrachtung der für den Einzelfall relevanten prognostischen Parameter würden sich in der Gesamtbewertung jedoch überwiegend negative Aspekte ergeben. Zu der postdeliktischen Entwicklung könne zusammenfassend festgestellt werden, dass diese bis jetzt überwiegend intramural verlaufen sei. Während der aktuellen Exploration habe sachverständigenseits festgestellt werden können, dass der Antragsteller eine Motivation zeige, an dem therapeutischen Prozess mitzuwirken. Den eigenen Angaben zufolge, beteilige er sich an der Behandlung nicht nur aus pragmatischen Überlegungen (mögliche Verkürzung des Haftaufenthalts), sondern auch aufgrund seiner Bedürfnisse nach Selbsterkenntnis und nach Tataufarbeitung. Ein authentisch wirkender Wunsch, die Hintergründe seines Verhaltens zu verstehen und nicht mehr gewalttätig zu werden, sei zu erkennen gewesen. Im Rahmen der aktuellen Exploration habe der Antragsteller die einzelnen Straftaten ausführlich und ausreichend detailliert geschildert, dabei habe er wenig bagatellisierend gewirkt. Er habe sich in der Lage gezeigt, die der Anlasstat vorausgehende Entwicklung darzustellen, wobei hier wiederholt eine gewisse Ratlosigkeit über sich selbst und eine Abspaltung der aggressiven Gefühle wahrnehmbar gewesen seien. Nach dem klinischen Eindruck habe der Antragsteller jedoch ausreichend introspektionsfähig imponiert und es sei ihm gelungen seine Erkenntnisse aus den einzelnen Therapieangeboten wiederzugeben und einen Bezug zu seiner Person herzustellen. Auch eine Verantwortungsübernahme für die Taten finde inzwischen statt. Es sei ihm gelungen zukünftig relevante Risikofaktoren kognitiv zu erfassen und zu verbalisieren. Auch einige Überlegungen für das individuelle Risikomanagement habe er nachvollziehbar darstellen können (z. B. Situationen vermeiden, in denen er vermehrt im Kontakt zu seiner Frau wäre, Stärkung seiner Kommunikationsfähigkeit, Suchtmittelabstinenz etc.). Beim Antragsteller handele es sich um einen Probanden, der deutlich aggressionsgehemmt und in seinen Reaktionen überkontrolliert wirke. Übereinstimmend mit der Einschätzung des Behandlungsteams würden eine weitere Sensibilisierung für den Zugang zu den eigenen Aggressions- und Wutgefühlen, sowie dessen Management als wichtig erachtet. Kurzfristig, beispielsweise im Rahmen von Vollzugslockerungen, seien keine konkreten Rückfallrisiken hinsichtlich erneuten, insbesondere einschlägig delinquenten Verhaltens erkennbar. Als potentielles Opfer könnte grundsätzlich seine Ehefrau gefährdet sein, sollte es zu erneuten konflikthaften Auseinandersetzungen kommen. Der Antragsteller habe im Explorationsgespräch in Bezug auf die Trennung insgesamt abgeklärt und ausreichend distanziert gewirkt. Es seien keine Racheimpulse gegenüber der Ehefrau erkennbar gewesen. Jedoch sei eine mögliche Kontaktaufnahme zur Ehefrau im Rahmen von Vollzugslockerungen kritisch zu sehen. Zum Zeitpunkt der Begutachtung scheine die eheliche Beziehung seitens der Ehefrau beendet worden zu sein, womit der Antragsteller, seinen Angaben zufolge, insgesamt zurechtkomme. Allerdings sei in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass nach aktuellem Kenntnisstand die Beziehung insgesamt von starken Ambivalenzen gekennzeichnet gewesen sei, sodass eine Versöhnung nicht auszuschließen sei. Für den Fall, dass der Antragsteller und seine Ehefrau erneut eine Partnerschaft miteinander eingingen, wäre die prognostische Aussage zu korrigieren und alle erneut aufkommenden Risiken wären zu berücksichtigen. Die Entlassung in die eheliche Wohngemeinschaft sei aus gutachterlicher Sicht als kritisch zu sehen. Neben bereits vorhandenen Konfliktherden dürfte die Trennung der Partnerin vom Antragsteller kränkend sein bzw. seine männliche Außenwirkung negativ beeinflusst haben, was zu erneuten Eskalationen innerhalb der Beziehung führen könne. Insgesamt sei bei der Entlassung eine eigenständige Wohnsituation zu favorisieren. Nach aktueller sachverständiger Einschätzung handele es sich beim Antragsteller um einen Probanden, der zwar von der spezialisierten Täterbehandlung profitiere, die bisher jedoch ausschließlich auf theoretischer Basis und im geschützten Raum verlaufen sei. Die von dem Behandlungsteam beschriebene Abspaltung der aggressiven Impulse sei auch während der aktuellen Exploration noch wahrnehmbar. Eine therapeutische Begleitung sei somit nach der Haftentlassung zu empfehlen, um eine gewaltfreie Beziehungsgestaltung und die sozial adäquate Konfliktfähigkeit des Antragstellers weiterhin zu fördern.
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Mit Bescheid vom 01.08.2024 wies die Stadt … den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer I), ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an, das auf die Dauer von sieben Jahren ab Ausreise bzw. Abschiebung aus dem Bundesgebiet befristet wurde (Ziffer II) und ordnete darüber hinaus den Sofortvollzug der Ziffern I und II des Bescheides an (Ziffer III). Ferner wurde die Abschiebung des Antragstellers unmittelbar aus der Haft heraus, ggf. im Rahmen eines Verfahrens nach § 456a StPO, angeordnet, wobei die Abschiebung frühestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids erfolgen sollte (Ziffer IV). Für den Fall, dass eine Abschiebung während der Haft nicht möglich sein sollte, wurde der Antragsteller aufgefordert, das Bundesgebiet binnen 30 Tagen nach Haftentlassung zu verlassen, andernfalls werde ihm die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen zur Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat angedroht (Ziffer V).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller infolge der durch das Landgericht … am 10.11.2022 abgeurteilten Tat erheblich gegen die hier geltende Rechtsordnung verstoßen habe. Wegen gefährlicher Körperverletzung sei der Antragsteller zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt worden, so dass ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vorliege. Daneben bestünden aufgrund der vorgenannten sowie der weiter im Bundeszentralregister gelisteten Vorstrafen besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen nach § 54 Abs. 1a Buchst. b AufenthG sowie schwerwiegende Ausweisungsinteressen i.S.v. § 54 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG und § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG. Da der Antragsteller im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, liege ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Zudem übe er das Sorge- und Umgangsrecht für seine beiden minderjährigen ledigen deutschen Kinder aus, weshalb überdies ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG erfüllt sei. Da der Antragsteller einer mindestens vierjährigen ordnungsgemäßen Beschäftigung i.S.d. Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 nachgegangen sei, sei ihm ein Aufenthaltsrecht nach dem Assoziationsrecht erwachsen, so dass er gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG nur aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen werden könne. Im Rahmen der an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit geleiteten Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise des Antragstellers mit seinen privaten Interessen seien im vorliegenden Fall keine Umstände ersichtlich, die das überragende öffentliche Interesse an seiner Ausreise hätten aufwiegen können. Angesichts seines bisher gezeigten Verhaltens bestehe eine konkrete Wiederholungsgefahr. Der Antragsteller sei bereits mehrmalig wegen Gewaltdelikten vorbestraft. Trotz der verhängten Strafen habe sich keine Verringerung der Gewalttätigkeit abgezeichnet. Zudem sei er aufgrund der aktuell im Bundeszentralregister eingetragenen Taten sowie weiterer inzwischen getilgter (überwiegend einschlägiger) Straftaten bereits am 16.05.2000, 28.08.2002, 20.01.2012, 27.04.2014, 18.11.2015, 28.04.2016 und 27.02.2018, teilweise verschärft, ausländerrechtlich verwarnt worden. Darüber hinaus sei er anlässlich eines persönlichen Gesprächs in der Ausländerbehörde der Stadt … am 27.02.2018 eindringlich ermahnt worden, sich künftig an die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland zu halten, da bei einem erneuten Verstoß mit einer Ausweisung zu rechnen sei. Gleichwohl habe der Antragsteller kurz darauf erneut eine ähnlich gelagerte Straftat begangen. Mildere Maßnahmen ausländerrechtlicher Prävention, abseits einer Ausweisungsverfügung, seien im Fall des Antragstellers damit bereits ausgeschöpft. Bei Anwendung praktischer Vernunft sei vorliegend mit neuen Verfehlungen zu rechnen. Der Antragsteller zähle nicht zur Gruppe der sogenannten Erstverbüßer, hinsichtlich derer Straf- und Verwaltungsgerichte davon ausgingen, dass die erstmalige Verbüßung einer Haftstrafe unter Umständen die Reifung fördern und die Gefahr eines neuen Strafffälligwerdens mindern könne. Der Antragsteller habe sich bereits vom 24.03.2017 bis 26.01.2018 in Haft in der JVA … befunden und sich davon wenig beeindrucken lassen. Er habe in der Folge nicht von weiteren Gewalttaten abgesehen. Auch handele es sich bei ihm nicht um einen Heranwachsenden, dessen Findungs- bzw. Orientierungsphase, in welcher die Persönlichkeitsentwicklung noch nicht abgeschlossen sei, möglicherweise noch andauere, sondern um einen Erwachsenen von immerhin 41 Jahren. Dass sich der Antragsteller während der Haft gut führe, führe zu keiner anderen Beurteilung, da er derzeit unter dem Druck des Wohlverhaltens stehe. Zwar sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller sich seit seiner Geburt rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, hier seine Schulbildung absolviert habe und bis auf wenige Zeiten der Arbeitslosigkeit einer Beschäftigung nachgegangen sei. Auch wünschten sich seine minderjährigen deutschen Kinder weiterhin Umgang mit dem Antragsteller. Allerdings hätten ihn diese familiären Bindungen in der Vergangenheit nicht von weiteren Straftaten abhalten können. Es müsse dem Antragsteller sowie seiner weiteren Familie zugemutet werden, den weiteren Kontakt ggf. in anderweitiger Form, z. B. durch Telefonate, E-Mails, Internet oder Besuche im Heimatland, aufrechtzuhalten. Der Eingriff in das geschützte Recht auf Ehe und Familie sei aus Gründen der Gefahrenabwehr und aufgrund überwiegender öffentlicher Interessen notwendig und erforderlich. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die Schwere der vom Antragsteller begangenen Straftaten. Auch verfüge der Antragsteller über die für ein Leben in der Türkei erforderlichen Sprachkenntnisse bzw. habe er sich diese erforderlichenfalls anzueignen.
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Im Rahmen der Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots seien das strafrechtliche Verhalten des Antragstellers im Bundesgebiet sowie seine schutzwürdigen Interessen berücksichtigt worden.
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Die spezialpräventive Zielsetzung der Ausweisung rechtfertige und erfordere die ausnahmsweise Anordnung des Sofortvollzugs, da ansonsten in Kauf genommen werden müsse, dass sich die Wiederholungsgefahr ggf. im Rahmen eines evtl. längerfristigen Hauptsachverfahrens realisieren könnte. Aufgrund seiner Persönlichkeit, seiner charakterlichen Mängel sowie der hohen Schulden sei davon auszugehen, dass er sich sofort wieder auf schwere Straftaten einlasse. Der Antragsteller verletze das Recht auf körperliche Unversehrtheit seiner Opfer, welches eines der höchsten Rechtsgüter darstelle und nicht umsonst Verfassungsrang besitze. Die von ihm ausgeübten Straftaten würden nicht nur körperliche Verletzungen verursachen, vielmehr sei davon auszugehen, dass es bei den Opfern teilweise zu gravierenden psychischen Schäden gekommen sei.
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Der Antragsteller befinde sich derzeit auf richterlicher Anordnung in Haft und werde darüber hinaus aufgrund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG i.V.m. § 53 AufenthG ausgewiesen. Es sei daher davon auszugehen, dass er sich auch ausländerrechtlichen Maßnahmen nicht beuge und insbesondere das Bundesgebiet nicht freiwillig verlassen werde, so dass von der Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise abzusehen sei. Seine Abschiebung in die Türkei werde deshalb angeordnet. Sollte eine Abschiebung bis zum Ende der Haft nicht durchführbar sein und der Antragsteller aus der Haft entlassen werden, werde er gleichzeitig zum Verlassen des Bundesgebiets binnen 30 Tagen nach Entlassung aufgefordert, § 59 Abs. 1 AufenthG.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12.08.2024, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid der Stadt … vom 01.08.2024 erhoben, die diesseits unter dem Az. B 6 K 24.761 anhängig ist. Darüber hinaus beantragte der Antragstellerbevollmächtigte im Wege des Eilrechtsschutzes,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnungen des Bescheids vom 01.08.2024 anzuordnen,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO zu verpflichten, das vorläufige Bleiberecht in Form der Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland zu erteilen sowie hilfsweise, dem Antragsteller eine Duldung gemäß § 60a AufenthG zu erteilen und der Antragsgegnerin die Abschiebung des Antragstellers zu untersagen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass der Bescheid vom 01.08.2024 rechtswidrig sei und den Antragsteller in seinen Rechten verletze. Die Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet komme aufgrund der positiven Zukunftsprognose nicht in Betracht. Vom Antragsteller gehe keine Gefahr aus. Er habe sich vor der gegenständlichen Verurteilung nichts zu Schulden kommen lassen und sei einer regelmäßigen Arbeit nachgegangen. Die entsprechenden Unterlagen der deutschen Rentenversicherung und eine Auflistung der Beschäftigungszeiten würden vorgelegt. Überdies werde er nach seiner Haftentlassung einer regelmäßigen Arbeit nachgehen. Er habe bereits eine Zusage für eine Vollzeitarbeitsstelle in der … in … Der entsprechende Arbeitsvertrag werde vorgelegt. Der Antragsteller habe insgesamt drei Kinder. Alle Kinder wohnten in der Stadt … und hätten Kontakt zum Antragsteller. Der Antragsteller wolle die Beziehung zu seinen Kindern nach seiner Haftentlassung ausbauen und seinen Platz als Vater wieder einnehmen. Das Bleibeinteresse des Antragstellers überwiege das öffentliche Ausweisungsinteresse. Er sei in der Vergangenheit nie straffällig geworden und in der JVA nicht disziplinarisch aufgefallen. Bei seiner Entlassung habe er seine Strafe und seine Schuld vor der Gesellschaft – wie jeder andere Strafgefangene in der Bundesrepublik – verbüßt. Daher sei eine Ausweisung nicht verhältnismäßig. Durch die Ausweisung werde dem Antragsteller jegliche Möglichkeit genommen, eine Beziehung zu seinen Kindern aufzubauen.
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Mit Schriftsatz vom 24.08.2024 führt der Antragstellerbevollmächtigte aus, dass der Antragsteller den Aufenthalt in der JVA … zu einer erfolgreichen Versöhnung mit seiner Familie genutzt habe. Die Familie, insbesondere die Ehefrau … und die Kinder … und … würden den Antragsteller unterstützen. Die Eheleute würden seit geraumer Zeit eine Eheberatungsstelle besuchen. Es wird auf eine eidesstaatliche Versicherung der Frau … vom 24.08.2024 verwiesen, die jedoch (auch nach gerichtlicher Aufforderung) nicht vorgelegt wurde. Der Antragsteller habe sich von seiner Betäubungsmittelsucht losgesagt. Er konsultiere eine Suchtberatungsstelle und sei frei von der Sucht. Der Antragsteller habe nach dem Verlust seines Führerscheins die MPU-Prüfung mittels Begutachtung und Abstinenznachweisen erfolgreich absolviert. Entsprechende Belege (Gutachten des TÜV- …, Teilnahmebestätigung an einer verkehrspsychologischen Beratung, Teilnahmebestätigung an einer Suchtberatung, Zertifikate über freiwillige Kontrollen der Drogenabstinenz und Protokoll über die Vorbereitung zu einer MPU-Prüfung) werden vorgelegt. Die Kinder sowie die Ehefrau unterstützten den Antragsteller in der JVA. Im Falle seiner Freilassung aus der JVA … sei bereits in der Familie abgesprochen, dass der Antragsteller zu seiner Ehefrau und seinen Kindern ziehe. Zudem habe der Antragsteller bereits angekündigt, dass er nach seiner Haftentlassung seinen in … lebenden Eltern beistehen werde. Der Antragsteller erhalte von seinem Bruder und seiner ganzen Familie Unterstützung. Dagegen verfüge er in der Türkei über keine Familie und keine Bindungen. Im Falle seiner Ausweisung werde er alleine ohne jegliche Unterstützung sein. Auch wären die Folgen für die Kinder und die Familie des Antragstellers nicht absehbar. Die Kinder würden ihren Vater verlieren. Die Ehefrau, die den Antragsteller soeben erfolgreich mit der Familie vereint habe, werde ihre Familie wieder verlieren. Der Antragsteller sei bereits seit 30 Jahren in der Bundesrepublik. Es bestünden keinerlei persönliche, familiäre und wirtschaftliche Bindungen im Herkunftsland Türkei. Zudem könne er sich dort keine wirtschaftliche Existenz aufbauen.
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Mit Schriftsatz vom 03.09.2024 beantragt der Antragstellerbevollmächtigte,
dem Antragsteller Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung zu gewähren.
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Zudem führt er aus, dass der Antragsgegnerin bei Verfügung der Ausweisung nicht die wichtige Beurteilung des Amtes für Jugend und Familie der Stadt … vom 23.08.2024 vorgelegen habe. Die Auseinandersetzung des Bescheides vom 01.08.2024 mit den privaten Interessen des Antragstellers sei unzureichend; es liege ein Abwägungsdefizit vor. Die Antragsgegnerin habe vor ihrer Entscheidung weder die frühere Ehefrau Frau … noch die Kinder des Antragstellers angehört noch das Jugendamt eingebunden. Vor seiner Inhaftierung habe sich der Antragsteller um seine Kinder gekümmert und seine Aufgabe als Vater in der Erziehung wahrgenommen. Demgegenüber gehe der gegenständliche Bescheid davon aus, dass eine Verantwortungsübernahme für die Kinder seitens des Antragstellers vor der Inhaftierung nur zum Teil stattgefunden habe. Dies widerspreche der Stellungnahme des Jugendamtes vom 23.08.2024. Der Bescheid vom 01.08.2024 beruhe somit auf falschen Tatsachen. Auch der Umstand, dass der Antragsteller ein enges Verhältnis zu seinem minderjährigen Sohn pflege und eine endgültige Trennung negative Folgen für das Kindeswohl hätte, habe keine Berücksichtigung gefunden. Überdies sei die persönliche Entwicklung des Antragstellers außer Acht gelassen worden. Dem forensischen-psychologischen Sachverständigengutachten aus Februar 2024 sei zu entnehmen, dass der Antragsteller keinerlei Hinweise auf ausgeprägte psychopathische Persönlichkeitszüge zeige. Ein Rückfall zu alten Verhaltensweisen sei als unwahrscheinlich betrachtet worden. Es seien keinerlei Rückfallrisiken hinsichtlich eines erneuten, insbesondere einschlägigen delinquenten Verhaltens angenommen worden.
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Mit Schriftsatz vom 30.09.2024 trägt der Antragstellerbevollmächtigte ergänzend vor, dass die Antragsgegnerin die in der Sozialtherapeutischen Anstalt vollzogene Wandlung des Antragstellers bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt habe. Der Antragsteller habe erfolgreich an einem umfassenden Therapieprogramm zur Behandlung von Gewaltstraftätern teilgenommen. Darüber hinaus sei die persönliche und starke Verbundenheit des Antragstellers zu seinen Kindern unzureichend gewürdigt worden. Zu diesen habe er auch während der Inhaftierung eine hervorragende Beziehung gepflegt. Alle Kinder würden auf die Entlassung des Vaters und darauf, dass er seine Vaterrolle in Freiheit übernehme, warten. Die Ausweisung würde zu einem Zerreißen der sehr guten Vater-Kind-Verhältnisse führen. Der Antragstellerbevollmächtigte übermittelt eine Stellungnahme der ersten Ehefrau und Mutter der beiden älteren Söhne des Antragstellers vom 29.09.2024 aus der hervorgeht, dass die beiden Söhne in Kontakt zu ihrem Vater stünden und sich auf dessen Entlassung freuten.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 13.08.2024 wurde der Antragstellerbevollmächtigte zu einer sachgerechten Antragstellung bis 20.08.2024 angehalten.
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Mit Schriftsatz vom 15.08.2024 beantragt die Stadt …, den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 13.08.2024 ausgeführt, dass bei der Abwägung des Ausweisungsinteresses gegen das Bleibeinteresse im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts vorliegend das Ausweisungsinteresse überwiege. Hierfür würden die wiederholte und zahlreiche Straffälligkeit des Antragstellers seit 1998 (Beginn seiner Strafmündigkeit) mit insgesamt sieben Eintragungen im Bundeszentralregister sowie die hohe Rückfallgeschwindigkeit sprechen. Das Bleibeinteresse werde dadurch abgeschwächt, dass eine gelungene Integration in die Rechts- und Werteordnung der Bundesrepublik in einem Zeitraum von über 15 Jahren nicht stattgefunden habe. Im Zeitraum von 2014 bis 2019 sei der Antragsteller insgesamt viermal aufgrund von Körperverletzungsdelikten rechtskräftig verurteilt worden. Bereits im Jahr 1998 sei erstmalig eine Resozialisierungsmaßnahme in Form eines Anti-Aggressionstrainings eingeleitet worden (Urteil des Amtsgerichts …, rechtskräftig seit 22.10.1998, Az. ….). Am 27.02.2018 sei es zu einer persönlichen Vorladung gekommen, im Rahmen derer der Antragsteller nochmals eingeräumt habe, dass er sich künftig an die Rechtsordnung halten wolle, da er mit seiner Verlobten neu beginnen wolle. Gleichwohl sei der Antragsteller im Jahr 2019 erneut straffällig und wegen gefährlicher Körperverletzung vom Landgericht … rechtskräftig verurteilt worden. Ausweislich des rechtspsychologischen Gutachtens vom 15.02.2024 sei die ermittelte Wahrscheinlichkeit eines erneuten einschlägigen Gewaltdelikts im sozialen Nahbereich, explizit zum Nachteil der Ehefrau, als hoch einzuschätzen. Auch könne nach den Ausführungen des Jugendamtes vom 23.08.2024 das bloße Erleben von häuslicher Gewalt auf Elternebene eine Gefährdung des Kindeswohls darstellen. Die seitens des Antragstellers beabsichtigte Zusammenkunft der Familie nach seiner Haftentlassung würde daher zu einem hohen Risiko von weiteren Gewalttaten führen. Selbst eine gute Haftführung entkräfte dies nicht, da Entsprechendes grundsätzlich erwartet werde. Der Antragsteller habe sich auch in der Vergangenheit von verhängten Bewährungs- oder Haftstrafen sowie von den vier ausländerrechtlichen Verwarnungen (01/2012, 05/2014, 11/2015) und den drei verschärften ausländerrechtlichen Verwarnungen (08/2002, 04/2016, 02/2018) nicht abhalten lassen, weitere Gewaltdelikte auszuüben. Für eine negative Zukunftsprognose spreche auch die Tatsache, dass der Antragsteller in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen gestanden habe. Seine Schulden beliefen sich nach dem Urteil des Landgerichts … vom 11.10.2022 im Jahr 2022 mindestens auf 27.200,00 Euro. Hinsichtlich der zeitnahen Haftentlassung und der damit verbüßten Strafe sei anzumerken, dass eine Ausweisungsverfügung keine Bestrafung für vergangenes Verhalten darstelle, sondern zur General- bzw. Spezialprävention beitragen solle. Mit weiterem Schriftsatz vom 05.09.2024 wird ausgeführt, dass eine Zusammenführung der Familie und die Versöhnung mit seiner Ehefrau im Rahmen des forensischen Gutachtens vom 15.02.2024 besonders kritisch gesehen worden seien. Das Gutachten stelle ausdrücklich fest, dass die prognostischen Aussagen im Falle einer erneuten Partnerschaft des Antragstellers und seiner Ehefrau zu korrigieren seien und alle erneut aufkommenden Risiken zu berücksichtigen wären. Insbesondere die Entlassung in die eheliche Wohngemeinschaft, die ausdrücklich geplant sei, sei aus gutachterlicher Sicht kritisch zu sehen. Infolgedessen werde von einem hohen Risiko erneut gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen den Ehegatten ausgegangen, woraus sich mittelbar auch eine Kindeswohl-Gefährdung durch die erlebte Gewalt auf Elternebene ergebe.
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Mit Schreiben vom 23.08.2024 nahm das Amt für Jugend und Familie der Stadt … Stellung und führte aus, dass am selben Tag ein Gespräch mit Frau …, der Mutter von … (geb. ….), stattgefunden habe. Diese habe geschildert, dass seit April 2024 zwischen ihr, dem Antragsteller und dem gemeinsamen Kind wöchentliche Umgänge stattfänden. Im Rahmen der Gewalttherapie komme es auch zu Umgängen außerhalb des klassischen Haftumfelds. Frau … beschreibe ein enges emotionales Verhältnis zwischen Vater und Sohn. So zeige der Sohn bei Kontakt aufrichtige Freude und kämpfe außerhalb der Umgangszeiten mit dem fehlenden Vater im Alltag. Dementsprechend bestehe eine persönliche Verbundenheit. Eine endgültige Trennung hätte negative Folgen für das Kindeswohl. Nach Angabe der Kindsmutter hätten die delinquenten Handlungen des Antragstellers bisher keinen Einfluss auf das Vater-Sohn-Verhältnis genommen. Grundsätzlich stelle nach Maßgabe des bayerischen Landesjugendamtes das bloße Erleben von Gewalt auf der Elternebene eine Gefährdung des Kindeswohls dar. Die Auswirkungen der erlebten Gewalt ließen sich aufgrund des Alters des Kindes nicht abschließend feststellen. In einem Verfahren vor dem Amtsgericht … im Mai 2024 sei die einvernehmliche Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindsmutter erfolgt. Ein Recht des Antragstellers auf Umgang bestehe weiterhin. Mit weiterem Schreiben vom 04.09.2024 teilt das Jugendamt mit, dass ein telefonisches Gespräch mit … und dessen Mutter stattgefunden habe. … habe seine Beziehung zu seinem Vater als gut beschrieben. Vor der Inhaftierung hätten sie viel miteinander unternommen. Die Mutter habe ergänzt, dass … seinen Vater in der JVA nicht so oft habe besuchen können, da es ihn emotional sehr belastet habe. Er sei danach immer sehr traurig gewesen. In knapp fünf Wochen werde der Vater entlassen und … freue sich sehr darauf. Die Kindsmutter führt weiter aus, dass ihr Sohn das Schuljahr wiederholen müsse, da er durch die Situation des Vaters sehr belastet sei und er ihn sehr vermisse.
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Mit Schreiben vom 17.09.2024 führt die Sozialtherapeutische Anstalt der JVA … aus, dass der Antragsteller nach wie vor Behandlungsbereitschaft zur Teilnahme an einer sozialtherapeutischen Maßnahme zeige. Er erscheine weiterhin regelmäßig und pünktlich zu vereinbarten Einzelgesprächen. Seit der Prüfung der Ausweisung wirke der Antragsteller zunehmend gestresst. Teilweise zeigten sich dadurch dysfunktionale Copingstrategien, die teilweise in Konflikten mit Mitgefangenen endeten. Allerdings gelinge es dem Antragsteller diese Konflikte im Nachgang zu thematisieren und aufzuarbeiten. Disziplinarmaßnahmen in der JVA … habe es nicht gegeben. Besuch in der Haft erhalte der Antragsteller regelmäßig von seiner Partnerin (Tatopfer) und seinem jüngsten Sohn. Bezüglich der Entlasssituation könne angeführt werden, dass der Antragsteller wieder nach … ziehen wolle und angebe, bei seinem Vater leben zu wollen. Allerdings wolle er sich ebenfalls regelmäßig bei seiner Partnerin aufhalten. Zudem plane er nach seiner Operation (Ohr) einer Berufstätigkeit nachzugehen. Dies könne er sich weiterhin in der Gastronomie (Lieferservice) oder als … bei der Firma … in … vorstellen. Zustimmend mit dem forensischen Gutachten sehe die JVA … es kritisch, wenn der Antragsteller nach der Entlassung wieder bei seiner Partnerin lebe. Das Paar habe sich entschieden erneut eine Liebesbeziehung einzugehen. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass das Risiko erhöht sei, dass es zu einer erneuten Gewalttat im häuslichen Bereich komme. Gleichzeitig könne festgehalten werden, dass der Antragsteller bereit sei, sich weiterhin mit seiner Gewaltproblematik auseinanderzusetzen. So hätten in der Vergangenheit zwei Termine bei einer externen Paarberatung stattgefunden.
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Dem Antragstellerbevollmächtigten wurde letztmalig Fristverlängerung zur Stellungnahme auf die neuerlichen Unterlagen bis 30.09.2024 gewährt; eine Stellungnahme ist innerhalb offener Frist nicht eingegangen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die seitens des Gerichts angeforderten Straf- und Strafvollstreckungsakten Bezug genommen.
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1. Gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehend dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Infolgedessen scheidet auch die Beiordnung eines Rechtsanwaltes gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO aus.
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2. Der seitens des anwaltlich vertretenen Antragstellers formulierte Antrag ist – trotz bereits erfolgten gerichtlichen Hinweises, auf den nicht reagiert wurde – gemäß § 88 VwGO als Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffern I bzw. II sowie IV bis V des Bescheids der Antragsgegnerin vom 01.08.2024 auszulegen. Der vom Antragstellbevollmächtigten formulierte Antrag gemäß § 123 VwGO wäre gemäß § 123 Abs. 5 VwGO nicht statthaft und ist hinsichtlich der Bezugnahme auf eine asylrechtliche Aufenthaltsgestattung, über die der bis zur Ausweisung niederlassungsberechtigte Antragsteller, der zu keiner Zeit ein Asylverfahren in der Bundesrepublik Deutschland betrieb, nicht verfügt, schon nicht nachvollziehbar.
38
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
39
a) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist hinsichtlich Ziffer II des Bescheids vom 01.08.2024 als Antrag auf Wiederherstellung und im Übrigen als Antrag auf Anordnung (vgl. § 84 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG, Art. 21a VwZVG) der aufschiebenden Wirkung der Klage zulässig.
40
b) Der Antrag erweist sich jedoch als unbegründet.
41
aa) Das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Ausweisung ist in einer den Formerfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise damit begründet worden, dass ein Eintreten der Wiederholungsgefahr bereits kurzfristig während eines evtl. längerfristigen Hauptsacheverfahren zu befürchten sei, wofür insbesondere die Persönlichkeit des Antragstellers, seine charakterlichen Mängel sowie hohe Schulden sprechen würden. Der Antragsteller verletze das Recht auf körperliche Unversehrtheit seiner Opfer, welches eines der höchsten Rechtsgüter darstelle und nicht umsonst Verfassungsrang besitze. Die von ihm ausgeübten Straftaten würden nicht nur körperliche Verletzungen verursachen, vielmehr sei davon auszugehen, dass es bei den Opfern teilweise zu gravierenden psychischen Schäden gekommen sei. Damit hat die Antragsgegnerin in hinreichender Weise einzelfallbezogen zum Ausdruck gebracht, dass sie das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Ausweisung damit begründet, dass eine erneute Straffälligkeit des Antragstellers und damit verbundene Gefahren für die Allgemeinheit noch vor Rechtskraft im Hauptsacheverfahren verhindert werden sollen (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2022 – 19 CS 22.1755 – juris Rn. 10). Die Frage, ob die gegebene Begründung inhaltlich trägt, ist nicht Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung der Einhaltung des Formerfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO (vgl. NdsOVG, B.v. 15.5.2021 – 13 ME 243/21 – juris Rn. 23).
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bb) Ist mithin das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug (hier) der Ausweisung in einer den Formerfordernissen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet worden, setzt die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Da die Ausweisung eine schwerwiegende und mit schwer zu behebenden Folgen für den Ausländer verbundene Maßnahme darstellt, deren Gewicht durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch erheblich verschärft wird, setzt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Weiteren die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffende Feststellung voraus, dass der Sofortvollzug schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich ist (vgl. BVerfG, B.v. 13.6.2005 – 2 BvR 485/05 – NJW 2005, 3275; BayVGH, B.v. 14.3.2019 – 19 CS 17.1784 – juris Rn. 7, B.v. 19.2.2009 – 19 CS 08.1175 – juris Rn. 49 jeweils m.w.N.). Bei der im Übrigen vorzunehmenden Folgenabwägung sind die konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich die Ausweisung nachträglich als rechtmäßig erweist, den konkreten Folgen des Sofortvollzugs für den Ausländer, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte, gegenüberzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 4.10.2006 – 1 BvR 2403/06 – juris). Für das Vorliegen des besonderen Vollziehungsinteresses i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO kommt es auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung an (vgl. OVG NW, B.v. 5.8.2009 – 18 B 331/09 – juris; BayVGH, B.v. 25.10.2022 – 19 CS 22.1755 – juris Rn. 11). Bei der Entscheidung über einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat im Rahmen der üblicherweise vorzunehmenden summarischen Prüfung gerade dann, wenn – wie hier – die (sofortige) Vollziehung einer Maßnahme mit einem schwerwiegenden Grundrechtseingriff verbunden ist, eine – soweit dies unter den Bedingungen eines Eilverfahrens im konkreten Fall möglich ist – vertiefte Prüfung der maßgeblichen Sach- und Rechtsfragen zu erfolgen, um wirksamen Rechtsschutz i.S.d. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zu gewährleisten (BayVGH, B.v. 16.3.2023 – 19 CS 23.269 – juris Rn. 6; B.v. 18.3.2022 – 10 CS 21.1570 – juris Rn. 4).
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Gemessen an diesen Grundsätzen fällt die vom Gericht anzustellende Interessenabwägung zu Ungunsten des Antragstellers aus. Die in Ziffer I des Bescheides vom 01.08.2024 verfügte Ausweisung erweist sich voraussichtlich als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller bereits aus diesem Grund nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erforderlichen Abwägung überwiegt daher das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse des Antragstellers.
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Die Ausweisungsverfügung findet in § 53 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 53 Abs. 3 AufenthG ihre Rechtsgrundlage. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 18; U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8 m.w.N.).
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(1) Steht dem Ausländer – wie hier – ein Aufenthaltsrecht nach dem Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrats vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation EWG-Türkei (ARB 1/80) zu, sind an die Qualität der erforderlichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erhöhte Anforderungen zu stellen. Er darf nach § 53 Abs. 3 AufenthG nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und wenn die Ausweisung zur Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Bei der Feststellung der in § 53 Abs. 3 AufenthG genannten schwerwiegenden Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (zu diesem Maßstab vgl. EuGH, U.v. 8.12.2011 – C-371/08, Ziebell – juris Rn. 82 ff.), handelt es sich um eine Prognose, die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eigenständig zu treffen haben (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Die Indizien, die für diese Prognose heranzuziehen sind, ergeben sich nicht nur aus dem Verhalten im Strafvollzug und danach. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 6.00 – BVerwGE 112, 185, juris Rn. 14; vgl. auch BVerwG, B.v. 4.5.1990 – 1 B 82.89 – NVwZ-RR 1990, 649, juris Rn. 4). Für die Annahme einer konkreten Wiederholungsgefahr als Tatbestandsvoraussetzung einer spezialpräventiven Ausweisung genügt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der erneuten Begehung vergleichbarer (nicht gleichartiger) Straftaten durch den Ausländer. Bei besonders schweren und schädlichen Delikten sind an den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts regelmäßig nur geringe Anforderungen zu stellen (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, B.v. 7.3.2024 – 19 ZB 22.2263 – juris Rn. 10; U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – Rn. 18).
46
Anlass für die Ausweisung ist die Verurteilung des Antragstellers vom 11.10.2022 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in drei tatmehrheitlichen Fällen. Das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG ist ein hohes Rechtsgut, dessen Verletzung schwer ins Gewicht fällt.
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Darüber hinaus besteht zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls und des Gewichts der bedrohten Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass vom Antragsteller die Gefahr der Begehung weiterer Straftaten, insbesondere von Köperverletzungsdelikten im häuslichen Bereich, ausgeht. Zunächst ist festzuhalten, dass es sich bei den Anlasstaten, die der Verurteilung durch das Landgericht … vom 11.10.2022 zugrunde lagen, um massive, besonders verwerfliche Gewaltdelikte im häuslichen Bereich handelte und jedenfalls die Tathandlung aus November 2019 (Schlagen des Kopfes der Ex-Ehefrau gegen die Wohnungseingangstür) geeignet war, tödliche Verletzungen herbeizuführen, so dass wegen der hohen Bedeutung des bedrohten Rechtsguts ohnehin bereits ein geringeres Rückfallrisiko ausreichend wäre, um eine Wiederholungsgefahr anzunehmen.
48
Schon das Verhalten des Antragstellers in der Vergangenheit legt allerdings eine Rückfallgefahr mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit nahe. Bereits im Jugend- und jungen Erwachsenenalter trat der Antragsteller wegen Körperverletzungsdelikten strafrechtlich in Erscheinung. So wurde erstmalig im Jahr 1998 eine Resozialisierungsmaßnahme in Form eines Anti-Aggressionstrainings (AG …, U.v. 22.10.1990 – ….) angeordnet. Im Jahr 2000 wurde dem Antragsteller wegen gefährlicher Körperverletzung ein Jugendarrest von einer Freizeitdauer auferlegt, im Jahr 2002 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von neun Monaten auf Bewährung und im Jahr 2007 wegen vorsätzlichen unerlaubten Führens einer verbotenen Waffe (Butterfly Messer) zu einer Geldstrafe verurteilt. Sodann folgten in den Jahren 2011 und 2014 Verurteilungen wegen Betäubungsmitteldelikten, wobei der Antragsteller schon im Jahr 2014 wiederum wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt wurde. Selbiges folgte im Jahr 2015, wobei der Verurteilung durch das Amtsgericht … vom 22.10.2015 (Az. ….) ebenfalls häusliche Gewaltdelikte zum Nachteil einer Ex-Partnerin zugrunde lagen. Weitere Körperverletzungsdelikte beging der Antragsteller in den Jahren 2016 und 2017. Damit zieht sich die Gewaltbereitschaft des Antragstellers letztlich wie ein roter Faden durch sein komplettes Jugend- und Erwachsenenleben.
49
In Rechnung zu stellen ist weiterhin, dass der Antragsteller mit den Anlasstaten nicht erstmals im Bereich häuslicher Gewalt in Erscheinung trat. Vielmehr wurde er bereits im Jahr 2015 (s.o.) wegen ähnlicher Taten verurteilt. Ausweislich der Feststellungen des Amtsgerichts … (U.v. 22.10.2015 – ….) schlug er seiner Ex-Freundin am 23.11.2014 im Verlauf einer Auseinandersetzung mindestens zehn Mal mit der Faust ins Gesicht und auf den Körper, packte sie anschließend mit beiden Händen am Hals und drückte für mehrere Sekunden derart fest zu, dass die Geschädigte keine Luft mehr bekam und unter Atemnot litt. Unter dem weiteren Ausspruch von Todesdrohungen ließ er erst kurz bevor sie das Bewusstsein verlor von ihr ab. Schon am 01.12.2014 schlug der Antragsteller seine Ex-Freundin erneut, diesmal mit einem Handy ins Gesicht, trat ihr ins Gesicht und zog sie beim Fluchtversuch zurück, so dass sie zu Boden fiel. Anschließend würgte er sie wiederum bis fast zur Bewusstlosigkeit. Darüber hinaus gibt es Anhaltspunkte dafür, dass es bereits im Rahmen der ersten Ehe (2002 bis 2013) häufiger zu Handgreiflichkeiten kam. So gab die erste Ehefrau des Antragstellers am …2014 anlässlich einer polizeilichen Vernehmung an, dass sie in den zehn Jahren ihrer Ehe mehrmals vom Antragsteller geschlagen worden sei. Er habe sie am Hals gepackt, gewürgt, sie an den Haaren gezogen und ihr Ohrfeigen gegeben. Überdies soll es auch nach der Trennung zu Drohungen und Übergriffen gekommen sein. Den Anlasstaten lag sodann ein ähnliches Verhaltensmuster des Antragstellers zugrunde, wobei diese sich hinsichtlich ihrer Verwerflichkeit nochmals von den vorangegangenen Taten deutlich negativ abheben. Denn nach den Feststellungen des Landgerichts … (U.v. 11.10.2022 – ….) schlug der Antragsteller im November 2019 seine im achten Monat schwangere zweite Ehefrau mindestens zweimal mit der Faust ins Gesicht. Als diese sodann aus Angst um ihr ungeborenes Kind zu Boden ging, sich vor der Wohnungstüre zusammenkauerte und so ihren Bauch schützte, trat der Antragsteller ihr mit dem Fuß gegen den Oberschenkel. Nachdem sie um Hilfe schrie, packte der Antragsteller den Kopf seiner zweiten Ehefrau von vorne fest an Kinn und Hals und schlug mit voller Wucht und damit in lebensgefährdender Art und Weise den Hinterkopf gegen das Türblatt der Wohnungseingangstür. Wenige Tage nach der Entbindung des gemeinsamen Kindes per Kaiserschnitt schlug der Antragsteller seiner zweiten Ehefrau wiederum im Verlauf eines Streits mit der Faust ins Gesicht. Als diese ihre Angst äußerte, dass durch weitere Schläge, insbesondere in den Bauchbereich, die Kaiserschnittnarbe aufgehen könnte, entgegnete der Antragsteller lediglich, dass der Kaiserschnitt mit ihm nicht abgesprochen gewesen sei. Noch verwerflicher stellte sich das festgestellte Tatgeschehen vom 01.06.2021 dar, im Rahmen dessen er seiner zweiten Ehefrau, die sich im Zuge einer Brustkrebserkrankung mehreren Operationen unterziehen musste und die zum Tatzeitpunkt den ein Jahr alten Sohn auf dem Schoß hatte, zunächst anlässlich eines Streits unvermittelt dreimal mit der Faust ins Gesicht schlug und sie anschließend mit dem Fuß in die zu diesem Zeitpunkt frisch operierte Brust trat. Als sie vor Schmerzen schrie, umfasste der Antragsteller seine zweite Ehefrau von hinten und hielt ihr mit der Hand die Nase und den Mut zu, so dass sie unter Atemnot litt, Todesangst verspürte und das Kleinkind beinahe herunterfiel. Im Rahmen eines weiteren Tatgeschehens am 13.02.2022 packte der Antragsteller seine zweite Ehefrau im Kinderzimmer nach einem Streit plötzlich von hinten, warf sie zu Boden und schlug ihr anschließend mit der Faust ins Gesicht. Im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigte die 1. Strafkammer des Landgerichts … zwar zugunsten des Antragstellers, dass dieser ein Teilgeständnis abgelegt hatte, den Taten jeweils wechselseitige verbale Auseinandersetzungen vorausgingen, die geschädigte Ex-Frau kein Strafverfolgungsinteresse mehr hatte, der Antragsteller sich gewillt zeigte, ein Anti-Aggressions-Training zu absolvieren und sich bei seiner Frau entschuldigte. Strafschärfend wurde allerdings gewertet, dass der Antragsteller die Taten während laufender Bewährung begangen hat, die letzten drei Verurteilungen einschlägiger Natur waren, der Antragsteller wegen Körperverletzungsdelikten schon Haft verbüßt hatte und die Taten zum Nachteil seiner Ex-Freundin ein ähnliches Tatbild aufwiesen. Zu Lasten des Antragstellers wurde weiter die besondere Verwerflichkeit seines Vorgehens in Rechnung gestellt, der gegen seine hochschwangere, am Boden kauernde Ehefrau mit massiver Gewalt vorgegangen ist, kurz nach der Geburt des gemeinsamen Kindes ebenfalls gewalttätig gegenüber seiner Ehefrau geworden ist und diese durch seine Tat gegen die zuvor operierte Brust gedemütigt und ihr dabei besonders schwere Schmerzen zugefügt hat und darüber hinaus bei dieser Tat der damals ein Jahr alte Sohn anwesend gewesen ist.
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Angesichts des Umstands, dass der Antragsteller ganz offensichtlich nicht nur gegenüber seiner zweiten Ehefrau, sondern vielmehr gegenüber mehreren Partnerinnen Gewalt anwandte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anlasstaten in einer vermeintlich toxischen Beziehung zu seiner zweiten Ehefrau wurzelten. Ausweislich der vorgenannten Feststellungen kann von einer grundsätzlich fehlenden (häuslichen) Gewaltbereitschaft, die von den seitens seiner zweiten Ehefrau vorgeblich mitverursachten Gewalttaten durchbrochen wurde, nicht die Rede sein. Insoweit genügt der Verweis auf die aktuelle Bundeszentralregisterauskunft, die neben den häuslichen Gewalttaten gegen seine Ex-Partnerin im Jahr 2015 und abgesehen von den Anlasstaten gegenüber der zweiten Ehefrau zwei weitere Körperverletzungsdelikte (aus dem nicht-häuslichen Bereich) ausweist und eine enorme Rückfallgeschwindigkeit im Gewaltbereich belegt, die auch mit zunehmendem Alter des Antragstellers nicht abgeklungen ist. Eingedenk der Übergriffe gegenüber mehreren Ex-Partnerinnen ist anzunehmen, dass der Antragsteller Gewalt als probates Mittel zur Demonstration seiner Überlegenheit in seinen Beziehungen nutzt. Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller die Delikte zum Nachteil seiner zweiten Ehefrau begangen hat, nachdem er bereits u.a. wegen der Gewalttaten gegenüber seiner Ex-Freundin im Jahr 2015 eine Haftstrafe verbüßt hatte und diesbezüglich zum Zeitpunkt der Anlasstaten noch unter offener Reststrafenbewährung stand.
51
Auch die gutachterlichen Einschätzungen rechtfertigen keine abweichende Beurteilung der Wiederholungsgefahr. Zwar sieht das forensisch-psychologische Gutachten vom 15.02.2024 „kurzfristig (…) im Rahmen von Vollzugslockerungen (…) keine konkreten Rückfallrisiken hinsichtlich erneuten, insbesondere einschlägig delinquenten Verhaltens“ und geht von einem authentisch wirkenden Wunsch des Therapiemotivation zeigenden Antragstellers aus, die Hintergründe seines Verhaltens zu verstehen und nicht mehr gewalttätig zu werden. Es wird hinsichtlich zukünftiger Gewaltdelikte ein im Durchschnittsbereich liegendes Wiederholungsrisiko angenommen. Gleichzeitig wird allerdings ausgeführt, dass der Antragsteller emotional gehemmt, beinahe gefühlsblind wirke und es ihm schwer falle, sowohl die eigenen Erlebensweisen wahrzunehmen als auch sich in andere Menschen hineinzuversetzen. Die Fähigkeit zum Perspektivwechsel habe sich bei ihm erst während er aktuellen Behandlung in der Sozialtherapeutischen Anstalt der JVA … ergeben. Darüber hinaus wird die ermittelte Wahrscheinlichkeit eines erneuten einschlägigen Gewaltdelikts im sozialen Nahbereich, explizit zum Nachteil einer (ggf. zukünftigen) Intimpartnerin als hoch eingestuft und eine ungünstige Initialhypothese formuliert. Nach den Ausführungen der Gutachterin vermittle der Antragsteller den Eindruck, dass die Fähigkeit, die eigene Ehre, notfalls auch körperlich, verteidigen zu können, einen bedeutenden Wert für ihn darstelle. Diese Ausführungen des forensisch-psychologischen Gutachtens korrelieren mit dem delinquenten Verhalten des Antragstellers, der sich schon im Jugendalter vermeintlichen Ehrverletzungen mittels Gewalt zur Wehr setzte. Entsprechendes liegt auch den Verurteilungen durch das AG … vom 17.03.2016 (Az. ….) und das AG … vom 07.12.2017 (Az. ….) zugrunde. Darüber hinaus sieht die forensisch-psychologische Gutachterin für den Fall, dass der Antragsteller und seine zweite Ehefrau erneut eine Partnerschaft eingingen, wobei ihrer Auffassung nach eine Versöhnung aufgrund der von starken Ambivalenzen gekennzeichneten Beziehung nicht auszuschließen sei, auch ein kurzfristiges Rückfallrisiko für erneute häusliche Gewaltübergriffe des Antragstellers. Sie verweist überdies darauf, dass die bislang erfolgreiche Therapie des Antragstellers im geschützten Raum verlaufen und eine weitere therapeutische Begleitung nach der Haftentlassung zu empfehlen sei. Mithin ist auch nach den Einschätzungen der Gutachterin vorliegend eine kurzfristige Wiederholungsgefahr anzunehmen, da der Antragsteller aktuell wiederum mit seiner zweiten Ehefrau eine Beziehung führt und beabsichtigt, mit dieser nach seiner Haftentlassung wieder in häuslicher Gemeinschaft zu leben (so der Vortrag des Antragstellerbevollmächtigten) bzw. sich jedenfalls regemäßig bei ihr und dem gemeinsamen Sohn … aufzuhalten, während er zunächst bei seinem Vater unterkommen will (so die jüngsten Ausführungen der JVA ….). Selbst wenn eine Trennung des Antragstellers von seiner zweiten Ehefrau stattfinden würde, wäre eine kurzfristige Wiederholungsgefahr im vorliegenden Fall angesichts der in der Vergangenheit gezeigten Rückfallgeschwindigkeit, des weiteren therapeutischen Behandlungsbedarfs und insbesondere künftigen vom Antragsteller empfundenen Ehrverletzungen oder Beziehungskonflikten mit einer etwaig neuen Partnerin, welche den Antragsteller nach den Ausführungen der Gutachterin triggern würden, zu bejahen.
52
Soweit der Antragstellerbevollmächtigte darauf rekurriert, dass sich ausweislich eines Gutachtens des TÜV … zur Wiedererlangung der Fahrerlaubnis, eine positive Sozialprognose ergebe, ist zunächst in Rechnung zu stellen, dass dieses Gutachten auf einer Untersuchung des Antragstellers am 03.05.2019 beruht und inzwischen mehr als fünf Jahre alt ist. Zwar mag sich daraus ergeben, dass der Antragsteller seit geraumer Zeit drogen- und alkoholabstinent lebt. Eine Prognoseeinschätzung hinsichtlich künftiger Gewaltdelikte lässt sich diesem Gutachten jedoch nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich aus den Darlegungen des Antragstellers gegenüber dem Gutachter, wonach er sein Leben grundlegend geändert habe, dass seine vergangenen Gewaltdelikte auf seine Drogensucht zurückzuführen gewesen seien, dass er die bereits erlittene Strafhaft als Chance sehe, dass seine zweite Ehefrau, mit der er zum Zeitpunkt der damaligen Begutachtung noch verlobt war, sein „bester Kumpel“ sei und dass er seine Probleme inzwischen durch Gespräche löse, eindrucksvoll, dass es dem Antragsteller gelingt, sich in einem positiven Licht darzustellen. Denn nur wenige Monate nach dem Untersuchungstag ereigneten sich die besonders verwerflichen Taten, die der Verurteilung des Landgerichts … vom 11.10.2022 und damit der gegenständlichen Ausweisung zugrunde lagen. Gegen einen beim Antragsteller vollzogenen Sinneswandel in Bezug auf seine Gewaltbereitschaft spricht zudem, dass sowohl die forensische Gutachterin unter dem 15.02.2024 ausführte, dass er „überkontrolliert“ wirke, als auch dass die Sozialtherapeutische Anstalt der JVA … unter dem 08.08.2023 sowie mit Therapieverlaufsbericht vom 14.08.2023 ausführte, dass der Antragsteller als unterwürfig angesehen werden könne und es ihm wichtig sei, sich als liebevolle, offene und ruhige Person darzustellen, dem es erst im Laufe der Therapie gelungen sei, die Schuld für die begangenen Taten nicht bei seiner Partnerin zu suchen. Gewichtige Anhaltspunkte für eine fortbestehende Gewaltbereitschaft des Antragstellers insbesondere in Krisensituationen lassen sich zudem der neuerlichen Stellungnahme der JVA … vom 17.09.2024 entnehmen, die darauf verweist, dass der Antragsteller seit der Prüfung seiner Ausweisung zunehmend gestresst wirke und sich dadurch dysfunktionale Copingstrategien gezeigt hätten, die teilweise in Konflikten mit Mitgefangenen geendet hätten. Zwar wird weiter ausgeführt, dass es dem Antragsteller im Nachgang gelungen sei, diese Konflikte zu thematisieren und aufzuarbeiten. Allerdings ist in Rechnung zu stellen, dass sich der Antragsteller in diesen Krisensituationen im geschützten Umfeld der sozialtherapeutischen Anstalt befand und ihm bei Bedrängnissen in Freiheit kein kurzfristiger sachverständiger Beistand zur Verfügung stehen wird.
53
Das beanstandungsfreie Verhalten des Antragstellers während der neuerlichen Haft steht der Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht entgegen. Denn insoweit ist in Rechnung zu stellen, dass der Antragsteller im Hinblick auf Vollzugslockerungen und die unter dem 22.12.2023 erfolgte Anhörung zur beabsichtigen Ausweisung unter dem Druck des Wohlverhaltens stand und die hier im Rahmen der Ausweisung zu treffende Prognose gerade auch auf das Verhalten des Antragstellers in Freiheit abzustellen hat. Insoweit ging neben der forensischen Gutachterin auch die JVA … im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 17.09.2024 davon aus, dass die Gefahr neuerlicher häuslicher Gewalttaten insbesondere bei einer Rückkehr des Antragstellers zu seiner zweiten Ehefrau erhöht ist.
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(2) Die Antragsgegnerin hat die vorliegend bestehenden Ausweisungsinteressen mit den Bleibeinteressen des Antragstellers rechtmäßig abgewogen. Zu Lasten des Antragstellers sprechen besonders schwerwiegende Ausweisungsinteressen (dazu unter aa), zu seinen Gunsten jedoch auch besonders schwerwiegende Bleibeinteressen (dazu unter bb). Insgesamt überwiegt im Rahmen der Abwägung das öffentliche Interesse an der Ausweisung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet.
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(a) Infolge der Verurteilung durch das Landgericht … vom 11.10.2022 (Az. ….) wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten besteht beim Antragsteller ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Darüber hinaus liegt damit auch ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AufenthG vor.
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(b) Dem stehen vertypte, besonders schwerwiegende Bleibeinteressen des Antragstellers gemäß § 55 Abs. 1 AufenthG gegenüber. So verfügt der Antragsteller seit 1999 über eine Niederlassungserlaubnis und hält sich bereits seit seiner Geburt und damit deutlich mehr als fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet auf, so dass ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht. Überdies übt der Antragsteller jedenfalls sein Umgangsrecht mit seinen minderjährigen ledigen deutschen Kindern aus, so dass auch der Tatbestand des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG erfüllt ist. Ausweislich der Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt … vom 23.08.2024 hat der Antragsteller bis zu seiner Inhaftierung mit seiner zweiten Ehefrau und dem am … geborenen Sohn … in häuslicher Gemeinschaft gelebt und in dieser Zeit auch elterliche Verantwortung für sein Kind übernommen. Seit April 2024 fänden zwischen der Kindsmutter, dem Antragsteller und dem Sohn … wöchentliche Umgänge – im Rahmen der Gewalttherapie auch außerhalb des klassischen Haftumfeldes – statt. Nach den Ausführungen der Kindsmutter bestehe ein enges emotionales Verhältnis zwischen dem Antragsteller und …, der bei Kontakt aufrichtige Freunde zeige und außerhalb der Umgangszeiten mit dem fehlenden Vater im Alltag kämpfe. Zwar erfolgte hinsichtlich … im Mai 2024 die einvernehmliche Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindsmutter. Ein Recht auf Umgang besteht jedoch nach § 1684 BGB weiterhin. Einer weiteren Stellungnahme des Jugendamtes der Stadt … vom 28.12.2023 ist zu entnehmen, dass auch der ältere minderjährige deutsche Sohn des Antragstellers (. …, geb. ….) angegeben habe, nach wie vor Kontakt zu seinem Vater zu haben. Zwar stelle sich die Umgangsplanung angesichts der Inhaftierung des Antragstellers nach den Ausführungen der Kindsmutter schwierig dar. Auch habe ausweislich ihrer Angaben schon vor der Inhaftierung kein geregelter Umgang bestanden, jedoch habe es regelmäßige Treffen gegeben und der Jugendliche gelegentlich bei seinem Vater übernachtet. Überdies beschrieb … gegenüber dem Jugendamt ein positives Verhältnis zu seinem Vater und dass er sich auch nach dessen Haftentlassung weiterhin Umgang und Kontakt wünsche. Ausweislich einer neuerlichen Stellungnahme des Jugendamtes vom 04.09.2024 gab die Mutter des Jugendlichen an, dass dieser seinen Vater in der Haft nicht so oft habe besuchen können, da es ihn emotional sehr belastet habe; infolgedessen müsse er auch das Schuljahr wiederholen. … freue sich sehr auf die bevorstehende Haftentlassung des Vaters. Zwar mag der Antragsteller damit das vermeintlich für … noch bestehende gemeinsame Sorgerecht tatsächlich nicht ausüben, da er nach den Ausführungen der Kindsmutter noch nie wichtige Entscheidungen für seinen Sohn getroffen habe, allerdings übt er nach den vorstehenden Ausführungen jedenfalls sein Umgangsrecht aus.
57
(c) Ein Ausländer kann – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nur dann ausgewiesen werden, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (§ 53 Abs. 1 AufenthG). In die Abwägung sind somit die in § 54 AufenthG und § 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Die gesetzliche Unterscheidung in besonders schwerwiegende und schwerwiegende Ausweisungs- und Bleibeinteressen ist für die Güterabwägung zwar regelmäßig prägend (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 39). Eine schematische und alleine den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkretem Gewicht, zuwiderlaufen würde, ist aber unzulässig (BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – juris Rn. 41 bereits zum früheren Ausweisungsrecht; BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 39). Im Falle der Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen führt § 53 Abs. 3 AufenthG nicht zu einer Verdrängung der wertenden und gewichtenden Ausweisungsbestimmungen nach §§ 53 Abs. 1, 54, 55 AufenthG; ihnen kommt auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG die Bedeutung von gesetzlichen Umschreibungen spezieller Interessen mit dem jeweiligen Gewicht zu (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 24). Im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit der Ausweisung nach § 53 Abs. 3 AufenthG ist zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 6 GG und Art. 8 EMRK sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation der Betroffenen kennzeichnend sind, zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, U.v. 3.2.2015 – 10 BV 13.421 – juris Rn. 77 m.w.N.). Unerlässlichkeit ist dabei nicht im Sinne einer „ultima ratio“ zu verstehen, sondern bringt den in der Rechtsprechung des EuGH für die Ausweisung von Unionsbürgern und Assoziationsberechtigten entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass das nationale Gericht eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen hat (BayVGH, B.v. 27.9.2017 – 10 ZB 16.823 – juris Rn. 20; B.v. 7.3.2024 – 19 ZB 22.2263 – juris Rn. 37f.).
58
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass selbst schwerwiegende Beeinträchtigungen familiärer Beziehungen nicht stets das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung verdrängen. Vielmehr ist anhand der sogenannten „Boultif-Kriterien“ ein gerechter Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu finden (vgl. z.B. EGMR, U.v. 18.10.2006 – 46410/99 „Üner“ – juris Rn. 57ff.; BVerfG, B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 23; vgl. auch BayVGH, B.v. 25.10.2022 – 19 CS 22.1755 – juris Rn. 27). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewährt und allein aufgrund formal-rechtlicher Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen nicht entfaltet (vgl. BVerfG, B.v. 1.12.2008 – 2 BvR 1830/08 – juris).
59
Bei der Ausweisung hier geborener bzw. als Kleinkinder nach Deutschland gekommener Ausländer („faktische Inländer“) ist der besonderen Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen. Im Hinblick auf den lebenslangen Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet und seiner insoweit geltend gemachten Stellung als „faktischer Inländer“ ist zu berücksichtigen, dass die Bezeichnung eines Ausländers als „faktischer Inländer“ nicht davon entbindet, die im jeweiligen Einzelfall gegebenen Merkmale der Verwurzelung zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht auch für sogenannte „faktische Inländer“ kein generelles Ausweisungsverbot (vgl. BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – juris Rn .19; B.v. 25.8.2020 – 2 BvR 640/20 – juris Rn. 24). Auch nach der Rechtsprechung des EGMR bietet Art. 8 EMRK bei sogenannten „Zuwanderern der zweiten Generation“ keinen absoluten Schutz vor einer Aufenthaltsbeendigung (vgl. EGMR, U.v. 18.10.2006 – 46410/99 „Üner“ – juris Rn. 54; BayVGH, B.v. 25.10.2022 – 19 CS 22.1755 – juris Rn. 28). Im Rahmen der Ermittlung der privaten Belange ist in Rechnung zu stellen, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert ist. Als Gesichtspunkte für das Vorhandensein von anerkennenswerten Bindungen können Integrationsleistungen in persönlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht von Bedeutung sein, der rechtliche Status, die Beachtung gesetzlicher Pflichten und Verbote, der Grund für die Dauer des Aufenthalts und Kenntnisse der deutschen Sprache. Diese Bindungen des Ausländers im Inland sind in Beziehung zu setzen zu den (noch vorhandenen) Bindungen an seinen Heimatstaat. Hierzu gehört die Prüfung, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters, seiner persönlichen Befähigung und seiner familiären Anbindung im Heimatland von dem Land seiner Staatsangehörigkeit bzw. Herkunft entwurzelt ist (BayVGH, B.v. 25.10.2022 – 19 CS 22.1755 – juris Rn. 29).
60
Für den weiteren Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet spricht, dass seine Eltern und Geschwister sich hier rechtmäßig aufhalten, dass seine drei deutschen Kinder, von denen ein Sohn bereits volljährig ist, hier leben, seine erhebliche rechtmäßige Aufenthaltsdauer in der Bundesrepublik Deutschland sowie seine (teilweise) wirtschaftliche Integration.
61
Im Hinblick auf die familiären Bindungen im Bundesgebiet werden die Beziehungen des Antragstellers zu seinen volljährigen in der Bundesrepublik lebenden Verwandten voraussichtlich nicht von entscheidender Bedeutung sein, da bislang keine zusätzlichen Elemente einer Abhängigkeit glaubhaft gemacht wurden, die über die üblichen emotionalen Bindungen hinausgingen (vgl. EMGR; U.v. 17.4.2003 – 52853/99 – NJW 2004, 2147 Rn. 44).
62
Der langjährige Aufenthalt des Antragstellers ist isoliert betrachtet nicht ausschlaggebend, vielmehr kommt es darauf an, inwieweit sich der Antragsteller während seiner Aufenthaltsdauer in Deutschland integrieren konnte. Insoweit ist festzustellen, dass dem Antragsteller eine wirtschaftliche Integration jedenfalls teilweise gelungen ist. Denn nach Erwerb des Hauptschulabschlusses und Absolvierung eines berufsvorbereitenden Jahres ging er zunächst einer langjährigen Beschäftigung als … bei der Firma … nach. Dem schlossen sich Tätigkeiten als … sowie als … an. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es sich dabei jeweils ungelernte Tätigkeiten handelte, der Antragsteller bis heute keine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen kann und er überdies trotz seiner weitgehenden Erwerbstätigkeit im Erwachsenenalter nicht völlig unerhebliche Schulden (nach den Feststellungen des Landgerichts … im Urteil vom 11.10.2022, Az. …, S. 3, mindestens 27.200,00 Euro) angehäuft hat. Die letztgenannten Umstände lassen seine wirtschaftliche Integration im Bundesgebiet jedenfalls als defizitär erscheinen.
63
Darüber hinaus muss die gesellschaftliche Integration des Antragstellers in der Bundesrepublik angesichts seiner steten Delinquenz und erheblichen Rückfallgeschwindigkeit, insbesondere im Bereich der Gewaltdelikte, als gescheitert angesehen werden. Der Antragsteller ist seit dem Jugendalter und seither fortwährend strafrechtlich in Erscheinung getreten, dabei hat er sich weder durch mindestens sieben ausländerrechtliche Verwarnungen (mit Schreiben vom 16.05.2000, 28.08.2002, 20.01.2012, 27.05.2014, 18.11.2014 und 28.04.2016 sowie im Rahmen einer Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 27.02.2018) und die Geburt seiner Kinder noch durch eine bereits erlittene Strafhaft von der Begehung weiterer Straftaten abhalten lassen.
64
Soweit der Antragsteller vorträgt, dass er in der Türkei keine sozialen Kontakte mehr habe, ist er als volljähriger und erwerbsfähiger Mann nicht auf familiäre Kontakte angewiesen. Es erscheint überdies nicht glaubhaft, dass er vor dem Hintergrund der Herkunft seiner Eltern über keinerlei Verwandte in der Türkei verfügen will. Zudem ist er nach Aktenlage der türkischen Sprache mächtig, so dass von einer Entwurzelung nicht auszugehen ist.
65
Zu Gunsten des Bleibeinteresses des Antragstellers ist im Lichte des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK maßgeblich zu berücksichtigen, dass er Umgang mit seinen beiden minderjährigen deutschen Söhnen pflegt. Die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde und das Gericht, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalls (BayVGH, B.v. 12.11.2020 – 10 ZB 20.2257 – juris Rn. 6; BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 13f.). Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls stellt sich eine Trennung des Antragstellers von seinen beiden minderjährigen Kindern für den Zeitraum des Einreise- und Aufenthaltsverbots von sieben Jahren nicht als unverhältnismäßiger Eingriff in die Rechte der Betroffenen aus Art. 6 GG, Art. 8 EMRK dar.
66
Vorliegend lebte der Antragsteller vor seiner Inhaftierung am 26.04.2022 mit seinem am … geborenen Sohn … in häuslicher Gemeinschaft. Zudem pflegte er regelmäßig, wenn auch nicht geregelt, und in unterschiedlichen Zeitabständen Umgang mit seinem minderjährigen Sohn … (geb. ….) aus erster Ehe. Auch nach der Inhaftierung bestand nach den Ausführungen des Jugendamts und dem Vortrag der Antragstellerseite regelmäßig Kontakt zwischen dem Antragsteller und seinen minderjährigen Söhnen, die ihn wiederholt in der Strafhaft besuchten.
67
Das einzustellende Gewicht der Bleibeinteressen des Antragstellers hinsichtlich der minderjährigen Kinder ist im konkreten Einzelfall zwar als hoch, letztlich aber nicht als überwiegend anzusehen. Kann die Lebensgemeinschaft zwischen einem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland stattfinden, so drängt die Pflicht des Staates, die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück. Bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die den Umgang mit einem Kind berühren, ist maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes abzustellen und im Einzelfall zu untersuchen, ob tatsächlich eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist. Dabei ist grundsätzlich eine umfassende Betrachtung geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalles (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 48; B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris, Rn. 12). Dementsprechend ist im Einzelfall zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für die gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte. In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass der persönliche Kontakt des Kindes zu seinen Eltern und der damit verbundene Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in der Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris m.w.N.; BayVGH, 25.10.2022 – 19 CS 22.1755 – juris Rn. 35). Ein hohes, gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechendes Gewicht haben die Folgen einer vorübergehenden Trennung insbesondere, wenn ein noch sehr kleines Kind betroffen ist, das den nur vorübergehenden Charakter einer räumlichen Trennung möglicherweise nicht begreifen kann und diese rasch als endgültigen Verlust erfährt (vgl. BVerfG, B.v. 9.12.2021 – 2 BvR 1333/21 – juris Rn. 13f. m.w.N.). Eine Aufenthaltsbeendigung für einen Elternteil aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung – jedenfalls bei besonders schweren Straftaten und langfristig ungünstiger Prognose – ist nicht generell und unter allen Umständen ausgeschlossen. Das zwischen dem Ausländer und seinen minderjährigen deutschen Kindern bestehende Familienleben bzw. das Kindeswohl hat nicht generell und ausnahmslos Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse (BVerwG, B.v. 10.2.2011 – 1 B 22.10 – juris Rn. 4; B.v. 21.7.2015 – 1 B 26.15 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 12.8.2022 – 10 ZB 22.1511 – juris Rn. 17).
68
Ausweislich der Stellungnahmen des Jugendamtes besteht aus Sicht der beiden minderjährigen Kinder eine persönliche Verbundenheit mit dem Antragsteller. Selbst wenn der Antragsteller demnach das Sorgerecht für seine minderjährigen Kinder zuletzt nicht ausgeübt hat und für den 16-jährigen Sohn nach Angaben der Kindsmutter nie wichtige Entscheidungen getroffen hat, so wurde und wird jedenfalls hinsichtlich beider Kinder auch derzeit das Umgangsrecht gepflegt. Die Aufrechterhaltung einer persönlichen Bindung zum Antragsteller – in der Intensität wie sie im Rahmen der Inhaftierung stattgefunden hat – ist aus Kindeswohlgesichtspunkten für die beiden minderjährigen Söhne auch wichtig. Gemäß den Ausführungen des Jugendamtes in seiner Stellungnahme vom 23.08.2024 zeige der fünfjährige Sohn … im Rahmen der seit April 2024 wöchentlich stattfindenden Umgangstermine aufrichtige Freude und kämpfe außerhalb der Umgangszeiten mit dem fehlenden Vater im Alltag. Auch der inzwischen 16-jährige Sohn … beschreibe laut der Stellungnahmen des Jugendamtes vom 28.12.2023 und vom 04.09.2024 ein positives Verhältnis zum Antragsteller und wünsche sich nach der Haftentlassung weiterhin Umgang sowie Kontakt zum Vater. Überdies erklärte die Mutter des Jugendlichen, dass ihn die Inhaftierung des Vaters sehr belastet habe und er infolgedessen das Schuljahr wiederholen müsse. Hinsichtlich des fünfjährigen Sohnes stellen sich die regelmäßigen Besuchskontakte unter Kindeswohlgesichtspunkten nach Auffassung der Kammer als positiv dar und werden aus der maßgeblichen Sicht des Kindes zu einer Trennungs- bzw. Verlusterfahrung im Fall der Abschiebung bzw. Ausreise des Antragstellers führen, da wöchentlich bis monatlich regelmäßige persönliche Treffen nach einer Abschiebung nicht möglich sein werden. Gleichwohl ist in Rechnung zu stellen, dass die Präsenz des Vaters im Alltag seit dessen Inhaftierung im Frühjahr 2022 und damit in einer prägenden Altersphase des Kindes (zweieinhalb bis fünf Jahre) nicht gegeben war; vielmehr war der Kontakt auf monatliche und seit April 2024 wöchentliche Treffen (zunächst in der Haftanstalt) beschränkt. Weniger einschneidend stellen sich die Folgen für den 16-jährigen Sohn des Antragstellers dar, der offenbar bereits vor und während der Inhaftierung keinen in regelmäßig wiederkehrenden Zeitabständen stattfindenden Besuchskontakt hatte und daher eher mit künftig längeren Abwesenheiten des Vaters und vereinzelten Besuchen sowie einem Kontaktaufrechterhalten per Telefon oder Videotelefonie umgehen können wird, auch wenn ihn dies emotional belastet.
69
Letztlich steht dem Überwiegen der vorgenannten familiären Belange in der Abwägung entscheidend entgegen, dass die bei einem Rückfall beeinträchtigten Rechtsgüter des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit hoch sind. Wie bereits im Rahmen der Wiederholungsgefahr ausführlich dargelegt, besteht beim Antragsteller nach Auffassung der Kammer ein erhebliches Gefahrenpotential für künftige Gewaltdelikte, insbesondere im häuslichen Bereich. Gewalttätige Übergriffe seitens des Antragstellers sind bei von ihm angenommenen Ehrkränkungen erheblich wahrscheinlich. Dies gilt umso mehr, wenn der Antragsteller tatsächlich beabsichtigt, wiederum eine häusliche Lebensgemeinschaft mit seiner zweiten Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn (. ….) aufzunehmen bzw. sich angesichts der Versöhnung regelmäßig bei diesen aufhalten will, da die zweite Ehefrau ihn ausweislich seiner eigenen Angaben gegenüber der forensischen Gutachterin durch ihre verletzende Kommunikationsart „triggere“.
70
Dem angenommenen Zurückstehen der Bleibeinteressen des Antragstellers hinter dem erforderlichen Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung stehen auch die Stellungnahmen des Amtes für Jugend und Familie der Stadt … nicht entgegen. Zwar betonen diese, dass die minderjährigen Kinder des Antragstellers im Falle eines Kontaktabbruchs eine wichtige Bezugsperson aus dem sozialen Umfeld verlieren würden und eine endgültige Trennung negative Folgen für das Kindeswohl hätte. Jedoch steht ein endgültiger Kontaktabbruch vorliegend schon nicht im Raum. Vielmehr ist es der Familie des Antragstellers offenbar auch während der Zeit seiner Inhaftierung in … gelungen, dem Antragsteller zu ermöglichen, seinen fünfjährigen Sohn regelmäßig zu sehen. Zwar werden Besuche des Fünfjährigen bei seinem Vater im Falle dessen Abschiebung oder Ausreise in die Türkei nicht in ähnlicher Frequenz möglich sein, allerdings besteht angesichts des im Dezember 2024 bereits sechsjährigen Sohnes die Möglichkeit weiteren Kontakt über Fernkommunikationsmittel wie Telefon oder Videotelefonie zu pflegen. Gleiches gilt umso mehr für den 16-jährigen Sohn, der auch derzeit nicht in geregeltem Kontakt zum Antragsteller steht. Überdies ist insoweit in Rechnung zu stellen, dass der fünfjährige Sohn … in der Vergangenheit bei gewalttätigen Übergriffen des Antragstellers auf seine Mutter zugegen war und sich ausweislich der Stellungnahme des Jugendamtes vom 23.08.2024 das bloße Erleben von Gewalt auf Elternebene nach Maßgabe des bayerischen Landesjugendamtes als eine Gefährdung des Kindeswohls darstellt. Zwar wird weiter ausgeführt, dass sich Auswirkungen der erlebten Gewalt aufgrund des Alters des Kindes … derzeit nicht abschließend feststellen ließen, jedoch muss insoweit zwingend berücksichtigt werden, welches Verhalten und Rollenverständnis der Antragsteller seinem Sohn durch die Übergriffe auf seine Frau vorlebte und dass angesichts der Versöhnung des Antragstellers mit seiner zweiten Ehefrau und des geplanten regelmäßigen Aufenthalts des Antragstellers in der Familienwohnung eine erhöhte Gefahr neuerlicher häuslicher Gewalt und damit des weiteren Miterlebens durch das Kind bestehen. Gewichtig hinzutritt, dass schon in den vergangenen Jahren und damit in prägenden Entwicklungsphasen des Kindes … infolge der Inhaftierung die Vater-Kind-Beziehung nur sehr eingeschränkt gelebt werden konnte, so dass der Sohn die weitgehende Abwesenheit des Vaters bereits gewohnt ist. Da auch die erste Ehefrau und Mutter des 16-jährigen Sohnes … anlässlich einer polizeilichen Vernehmung im Jahr 2014 von gewalttätigen Übergriffen während ihrer zehnjährigen Ehe mit dem Antragsteller berichtete, bestehen gewisse Anhaltspunkte dafür, dass auch dieser Gewalt auf Elternebene miterlebt hat und somit die Eignung des Antragstellers als positives väterliches Vorbild für seine beiden minderjährigen Söhne mehr als zweifelhaft erscheint.
71
Obgleich hier eine Ausreise bzw. Abschiebung des Antragstellers seine minderjährigen Söhne belasten würde, sprechen die Art und Schwere der vom Antragsteller begangenen Straftaten für das Überwiegen der Ausweisungsinteressen. Aufgrund der Schwere der Straftaten, der gezeigten beachtlichen Rückfallgeschwindigkeit trotz mehrfacher ausländerrechtlicher Verwarnungen und trotz bereits erfolgter Haftverbüßung sowie der verletzten Rechtsgüter hält das Gericht die Ausweisung für verhältnismäßig. Hierbei ist im Rahmen der Abwägung einzustellen, dass sich der Antragsteller auch durch die Geburt seiner drei Kinder nicht von weiteren Gewaltdelikten abhalten ließ. In die Abwägung einzustellen ist weiterhin, dass der Antragsteller offenbar in drei vergangenen Beziehungen mit jeweils ähnlichem Muster Gewalt gegenüber seinen Partnerinnen anwandte und zuletzt in besonders verwerflicher und rücksichtloser Art und Weise gegen seine zweite Ehefrau vorging, indem er sie hochschwanger, unmittelbar nach der Entbindung sowie kurz nach einer Brustoperation im Zuge einer Krebserkrankung und zudem in Anwesenheit des Sohnes … körperlich attackierte. Ebenso von Relevanz ist, dass der Antragsteller seine am Boden kauernde und ihren Bauch schützende hochschwangere Ehefrau zunächst mit Füßen trat und sodann ihren Kopf in lebensgefährdender Art und Weise gegen das Türblatt der Wohnungseingangstür schlug. Bei der Aufenthaltsbeendigung handelt es sich daher um die Folge der massiven Straffälligkeit des Antragstellers, die ihm auch zuzumuten ist.
72
(d) Die Ausweisung stellt sich nicht als unverhältnismäßig dar. Dem Antragsteller ist es zumutbar, in die Türkei auszureisen. Er spricht die Landessprache und wuchs in einer türkischen Familie auf. Seine beruflichen Aussichten als Hilfsarbeiter in der Türkei sind nicht schlechter als in der Bundesrepublik Deutschland. Auch kann er dort von seiner Familie besucht werden. Die gängigen Kommunikationsmittel erleichtern den Kontakt aus der Türkei zur Familie, der auch während der zuletzt zweieinhalbjährigen Haft nur eingeschränkt möglich war. Für die beiden minderjährigen Kinder wäre es zwar grundsätzlich wünschenswert, wenn der Vater dauerhaft persönlichen und regelmäßigen Besuchskontakt – wie in der Zeit der Inhaftierung jedenfalls bezüglich des fünfjährigen Sohnes … – zu ihnen halten könnte. Allerdings besteht für sie die Möglichkeit (für … gemeinsam mit der Kindsmutter) den Antragsteller in der Türkei zu besuchen sowie den Kontakt daneben durch Fernkommunikationsmittel aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus ist es dem Antragsteller nach § 11 Abs. 8 AufenthG grundsätzlich möglich, Betretenserlaubnisse zum Besuch seiner Kinder zu beantragen.
73
Zusammenfassend kommt das Gericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit wie die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis, dass die Ausweisung nicht gegen höherrangiges Recht verstößt und dem Antragsteller eine Rückkehr in das Land seiner Staatsangehörigkeit zuzumuten ist.
74
cc) Das besondere öffentliche Interesse für den Sofortvollzug einer Ausweisungsverfügung ist gegeben.
75
Da die Ausweisung eine schwerwiegende und mit ggf. schwer zu behebenden Folgen für den Ausländer verbundene Maßnahme darstellt, deren Gewicht durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch erheblich verschärft wird, setzt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Weiteren die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffende Feststellung voraus, dass der Sofortvollzug schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich ist. Bei der im Übrigen vorzunehmenden Folgenabwägung sind die konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich die Ausweisung nachträglich als rechtmäßig erweist, den konkreten Folgen des Sofortvollzugs für den Ausländer, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte, gegenüberzustellen (BayVGH, B.v. 25.10.2022 – 19 CS 22.1755 – juris Rn. 11; B.v. 2.8.2021 – 19 CS 21.330 – juris Rn. 2; B.v. 21.5.2021 – 19 CS 20.2977 – juris Rn. 7; jeweils m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht dazu dient, nach Art eines strafvollstreckungsrechtlichen Bewährungsbeschlusses dem Betreffenden die Möglichkeit einer nachträglichen Verbesserung seiner rechtlichen Situation einzuräumen und ihm hierzu Handlungsempfehlungen aufzugeben, sondern zu prüfen ist, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt eine Vollziehung der streitgegenständlichen Maßnahme rechtmäßig ist (BayVGH, B.v. 16.3.2023 – 19 CS 23.269 – juris Rn. 6; B.v. 18.3.2022 – 10 CS 21.1570 – juris Rn. 4).
76
Der sehr lange Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet steht dem Sofortvollzug der Ausweisung nicht etwa von vorneherein entgegen. Auch bei sehr langem Voraufenthalt und selbst bei im Bundesgebiet geborenen und aufgewachsenen Ausländern kann die sofortige Vollziehung einer Ausweisungsverfügung rechtmäßig sein (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2023 – 19 CS 23.123; B.v. 16.3.2023 – 19 CS 23.269; B.v. 25.10.2022 – 19 CS 22.1755; B.v. 2.8.2021 – 19 CS 21.330; B.v. 21.5.2021 – 19 CS 20.2977 – alle juris). Auch der erhöhte Ausweisungsschutz gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG steht als solcher der Anordnung des Sofortvollzugs nicht entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 21.5.2021 – 19 CS 20.2977 – juris Rn. 8).
77
Die oben ausführlich dargestellte Gefahr weiterer Straftaten besteht hier gerade schon während der Dauer des Hauptsacheverfahrens. Der Antragsteller hat in der Vergangenheit eine enorme Rückfallgeschwindigkeit an den Tag gelegt und sich weder durch strafrechtliche Sanktionen, mehrfache ausländerrechtliche Verwarnungen oder die Geburt seiner Kinder von insbesondere weiteren gewalttätigen Übergriffen abhalten lassen. Die vom Antragsteller ausgehende Gefahr kann sich im Falle beispielsweise von Kränkungen oder von ihm empfundener Ehrverletzungen sowie insbesondere dann, wenn der Antragsteller nach der Haft wieder eine häusliche Gemeinschaft mit seiner zweiten Ehefrau bzw. regelmäßige Aufenthalte bei ihr anstrebt, kurzfristig realisieren. Dafür spricht insbesondere der seitens der forensischen Gutachterin angenommene fortwährende Therapiebedarf, so dass derzeit – auch in Anbetracht der vergangenen stetigen Delinquenz im Gewaltbereich – nicht von einer hinreichenden Festigung des Antragstellers auszugehen ist. Die bei einem Aufschub des Vollzugs drohenden Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen dabei die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung. Die Kammer verkennt nicht, dass die sofortige Vollziehung der Ausweisung durch die Aufenthaltsbeendigung eine einschneidende Maßnahme ist, die erheblich in die Lebensgestaltung eingreift. Dem stehen jedoch aufgrund drohender weiterer Straftaten irreparable Schäden für hochrangige Rechtsgüter gegenüber. Demgegenüber stehen für den Fall, dass sich die Ausweisung im Hauptsacheverfahren nach erfolgter Aufenthaltsbeendigung (entgegen der dargestellten gewichtigen Faktenlage) nicht als rechtmäßig erweisen sollte, weitgehend reparable Nachteile (insbesondere die zeitweise Erschwerung des Umgangs mit den minderjährigen Söhnen wie ähnlich schon während der zweieinhalbjährigen Haft und der sonstigen sozialen Kontakte im Bundesgebiet sowie der beabsichtigten Hilfsarbeitertätigkeit in einer ….) für den Antragsteller gegenüber. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Kammer im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren bereits eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage vorgenommen hat. Dass sich wesentliche, hiervon abweichende Erkenntnisse ergeben, die im Hauptsacheverfahren eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, hält die Kammer für sehr unwahrscheinlich. Insbesondere ist aufgrund der umfangreichen Aktenlage und der wiederholt erfolgten ausführlichen psychologischen Begutachtungen des Antragstellers nicht zu erwarten, dass eine Beweiserhebung in Form einer erneuten forensischen Begutachtung im Hauptsacheverfahren angezeigt ist bzw. zu neuen verfahrensrelevanten Erkenntnisse führen würde.
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dd) Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist auch unbegründet, soweit er sich gegen die Regelung in Ziffer II des Bescheides vom 01.08.2024 richtet. Das angeordnete und auf sieben Jahre befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot erweist sich aller Voraussicht nach ebenfalls als rechtmäßig. Gerichtlich überprüfbare Ermessensfehler i.S.d. § 114 Satz 1 VwGO liegen nicht vor. Im Falle der Ausweisung infolge einer strafrechtlichen Verurteilung oder einer vom Ausländer ausgehenden schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit lässt § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG die Überschreitung des Fristrahmens des § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bis zu einer (grundsätzlichen) Höchstfrist von zehn Jahren zu. Innerhalb des gesetzlich eröffneten Fristrahmens muss die Ausländerbehörde bei der allein unter präventiven Gesichtspunkten festzusetzenden Frist das Gewicht des Ausweisungsinteresses und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck berücksichtigen. Hierzu bedarf es in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das seiner Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die auf diese Weise an der Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist muss von der Behörde in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2 Abs. 1, Art. 6 GG) sowie unions- und konventionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 7 GrC und Art. 8 EMRK gemessen und gegebenenfalls relativiert werden (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 27/16 – juris Rn. 23; U.v. 16.2.2022 – 1 C 6/21 – juris Rn. 58).
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Nach diesen Maßstäben ist die behördliche Befristungsentscheidung nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung der oben bereits ausführlich gewürdigten vielfachen Straffälligkeit, der enormen Rückfallgeschwindigkeit trotz ausländerrechtlicher Verwarnungen und Hafterfahrung, erweist sich die Frist von sieben Jahren trotz des langen Aufenthalts des Antragstellers im Bundesgebiet und seiner hier lebenden minderjährigen deutschen Söhne angesichts des in hohem Umfang bestehenden spezialpräventiven Ausweisungsinteresses als verhältnismäßig. Es ist nicht ersichtlich, dass die vom Antragsteller ausgehende Gewaltbereitschaft durch Zeitablauf einer erheblichen Wandelbarkeit unterliegt. Angesichts seines Alters von 41 Jahren, seiner steten Delinquenz im Gewaltbereich und der ihm attestierten weiteren Behandlungsbedürftigkeit trotz Teilnahme an einer sozialtherapeutischen Behandlung bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte für eine künftige Reduktion seines Gefahrenpotentials, so dass die Behörde die zur Erreichung des Ausweisungszwecks ermittelte Höchstfrist von zehn Jahren in einem ersten Schritt sehr weit ausschöpfen durfte. Eingedenk der hohen Gefährlichkeit des Antragstellers wurden die mit seiner Ausweisung einhergehenden Folgen für seine beiden minderjährigen Kinder seitens der Antragsgegnerin im weiteren Fortgang der Befristungsentscheidung im Lichte des Art. 6 GG zutreffend relativiert. Zwar führt die gewählte Frist von sieben Jahren zu einem weitgehenden Ausfall des Vaters in der Entwicklung insbesondere des sechsjährigen Sohnes. Allerdings sind diesbezüglich die erheblich geminderte Eignung des Antragstellers als positives väterliches Vorbild für seine beiden minderjährigen Söhne sowie der Umstand in Rechnung zu stellen, dass im Falle eines weiteren Miterlebens von häuslicher Gewalt auf (Stief-)Elternebene auch eine beachtliche Kindeswohlgefährdung droht. Zu berücksichtigen ist insoweit weiterhin, dass die Vater-Kind-Beziehung seit Inhaftierung des Antragstellers nur in beschränkten Umfang gelebt werden konnte, der Antragsteller in prägenden Entwicklungsphasen des Kindes … – bis auf die stattgefundenen Besuchskontakte – weitgehend abwesend war und hinsichtlich des Jugendlichen … vor und während der Haft in nur unregelmäßigen Zeitabständen Umgang gepflegt wurde. Mithin sind die Kinder bereits an längere Abwesenheitszeiten des Vaters gewohnt; eine Aufrechterhaltung des Kontakts ist zudem durch Fernkommunikationsmittel sowie Besuche der Kinder im Heimatland des Vaters möglich. Überdies steht es dem Antragsteller nach § 11 Abs. 8 AufenthG frei, Betretenserlaubnisse für kurzfristige Besuche im Falle besonderer Anlässe zu beantragen.
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e) In der Sache ohne Erfolg bleibt zudem der gegen die Ziffern IV und V gerichtete Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Abschiebungsandrohung bzw. Anordnung der Abschiebung aus der Haft kann sich in rechtlich zulässiger Weise auf § 59 Abs. 1 und Abs. 5 AufenthG stützen (vgl. VG Bayreuth, B.v. 28.3.2023 – B 6 S 23.206 – juris Rn. 68; BayVGH, B.v. 25.10.2022 – 19 CS 22.1755 – juris Rn. 1 u. 39; VG Ansbach, U.v. 27.11.2019 – AN 5 K 18.01356 – juris Rn. 19 u. 46; B.v. 09.11.2020 – AN 5 S 20.1515 – BeckRS 2020, 47522 Rn. 9 u. 57; VG Augsburg, U.v. 29.01.2020 – Au 6 K 19.1083 – juris Rn. 24 u. 122). Die Voraussetzungen für den Erlass der Abschiebungsandrohung i.S.v. § 59 AufenthG sind erfüllt (vgl. insbesondere § 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG), wobei es hier gemäß §§ 59 Abs. 5 Satz 1, 58 Abs. 3 Nr. 1 AufenthG keiner Fristsetzung bedarf. Der Antragsteller wird grundsätzlich aus der Haft abgeschoben. An der Vereinbarkeit des § 59 Abs. 5 Satz 1 AufenthG mit Unionsrecht bestehen hier keine durchgreifenden Zweifel. Dies gilt vor allem im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4 der RL 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (Rückführungsrichtlinie), wonach die Mitgliedstaaten davon absehen können, eine Frist für die freiwillige Ausreise zu gewähren, wenn die betreffende Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die nationale Sicherheit darstellt. Diese Voraussetzungen sind jedenfalls dann erfüllt, wenn die Abschiebungsandrohung auf einer Ausweisung beruht, die – wie hier – mit spezialpräventiven Gründen gerechtfertigt wird (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 15.4.2021 – OVG 3 S 22/21 – BeckRS 2021, 8162 Rn. 4; U.v. 27.2.2018 – OVG 3 B 11.16 – juris Rn. 60; OVG NW, B.v. 8.5.2019 – 18 B 176/19 – juris Rn. 28; VGH BW, U.v. 29.3.2017 – 11 S 2029/16 – juris Rn. 90ff.). Die Ausweisung ist vorliegend darauf zurückführen, dass der Antragsteller mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts … vom 11.10.2022 (Az. ….) wegen gefährlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in drei tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt wurde und sich nach wie vor in Haft befindet.
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3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffern 8.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs.