Titel:
Mietwagenkosten, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Schadenminderungspflicht, Elektronisches Dokument, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Haftpflichtversicherer, Kfz-Werkstatt, Rechtsverfolgungskosten, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Erstattung, Kostenentscheidung, Anderweitige Erledigung, Auslagenpauschale, Dokumentenpauschale, Vertragliche Nebenpflicht, Berufungsverfahren, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Gegenstandswert, Unverhältnismäßige Aufwendungen
Schlagworte:
Schadensminderungspflicht, Mietwagenkosten, Erklärungsbote, Zumutbarkeit, Werkvertrag, Rechtsanwaltskosten, Berufungsverfahren
Vorinstanz:
AG Bad Kissingen, Urteil vom 25.04.2023 – 72 C 3/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 47302
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 25.04.2023, Az. 72 C 3/23, teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.247,22 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 05.10.2022 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 199,45 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 25.01.2023 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 1.366,28 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
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Das Amtsgericht Bad Kissingen hat mit Urteil vom 25.04.2023 dem Kläger einen Betrag in Höhe von 1.251,22 € zugesprochen. Dieser setzte sich zusammen aus restlichen Reparaturkosten in Höhe von 38,68 €, weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 40,71 € und eines weiteren Teilbetrags der Unkostenpauschale in Höhe von 5,00 €, sowie Mietwagenkosten in Höhe von 1.666,83 €.
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten bleibt in der Sache weitestgehend ohne Erfolg.
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Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen werden durch die Beklagte nicht dargelegt.
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Soweit das Amtsgericht Bad Kissingen der Klage zugunsten des Klägers stattgegeben hat, hält dies einer rechtlichen Überprüfung stand. Bezüglich eines zugesprochenen Teilbetrags von 84,39 € wurde das Urteil der 1. Instanz nicht (mehr) mit der Berufung angegriffen. Hinsichtlich der zugesprochenen Mietwagenkosten in Höhe von 1.166,83 € dürfte dem Erstgericht ein Rechenfehler unterlaufen sein und daher lediglich 1.162,83 € zugesprochen werden.
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Der Kläger kann von der Beklagten die Erstattung eines Betrags in Höhe von 1.162,83 € für Kosten des Mietwagens und einen Betrag in Höhe von weiteren 199,45 € für vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten jeweils nebst der begehrten Zinsforderung verlangen.
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I. Das Erstgericht kommt in seiner Entscheidung zutreffend zu der Ansicht, dass der Kläger nicht das durch die Beklagte unterbreitete günstigere Angebot eines Mietwagens hätte gegen sich gelten lassen müssen, um seiner Schadensminderungspflicht aus § 254 Abs. 2 BGB Genüge zu tun. Lediglich in der Höhe des zugesprochenen Betrags ist dem Erstgericht ein Rechenfehler unterlaufen, da dem Kläger ein Betrag in Höhe von nur 1.162,83 € zusteht. Denn seitens der Beklagten wurden bereits 414,00 € anstatt der angesetzten 410,00 € erstattet.
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1. Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 BGB ist ein Geschädigter grundsätzlich gehalten, den ihm entstandenen Schaden möglichst gering zu halten. Es handelt sich dabei um eine Obliegenheit. Entscheidend ist, welche Maßnahmen dem Geschädigten nach Treu und Glauben zumutbar sind, um den Schaden im Interesse des Schädigers zu mindern. Ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Minderung des Schadens kann auch dann vorliegen, wenn der Geschädigte den Schaden durch unnötige oder unverhältnismäßige Aufwendungen zur Herstellung des „schadensfreien“ Zustands vergrößert (Looschelders in BeckOGK, Stand 01.12.2023, § 254, Rn. 245 f.).
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Dem geschädigten Kläger wäre das preisgünstigere Mietwagenangebot der Beklagten dann im Rahmen der Schadensminderungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 Alt. 3 BGB entgegenzuhalten, wenn feststeht, dass dem Geschädigten ein günstigerer Tarif in der konkreten Situation „ohne weiteres“ zugänglich gewesen wäre. In einem solchen Fall kann auch das Angebot des Haftpflichtversicherers an den Geschädigten beachtlich sein (siehe auch BGH, Urt. v. 12.02.2019, VI ZR 141/18).
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2. Unter Zugrundelegung dieser Erwägungen liegt vorliegend kein Verstoß gegen die dem Kläger treffende Obliegenheit zur Schadensminderung vor. Der Kläger muss das seitens der Beklagten gegenüber einer Mitarbeiterin der KfZ-Werkstatt S. e.K. unterbreitete (günstigere) Mietwagenangebot nicht gegen sich gelten lassen. Denn abweichend von der seitens der Beklagten zitierten Rechtsprechung war das Angebot der Beklagten dem Kläger in der konkreten Situation gerade nicht „ohne weiteres“ zugänglich. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
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2.1 Zunächst ist festzustellen, dass das Angebot durch die Beklagte dem Kläger zu keinem Zeitpunkt selbst unterbreitet wurde. Dieser hatte vom Angebot der Beklagten im Zweifel nicht einmal Kenntnis erlangt. Denn ausweislich des eigenen Vortrags der beklagten Partei wurde das Angebot lediglich gegenüber einer Frau …, die Mitarbeiterin der KfZ-Werkstatt …. ist, in einem Telefongespräch am 21.03.2022 um 14.43 Uhr unterbreitet (vgl. Anlage B2, Bl. 69 ff.), aber zu keinem Zeitpunkt gegenüber dem Kläger selbst.
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2.2 Dem Erstgericht ist insoweit beizupflichten, dass es sich bei der KfZ-Werkstatt … …., respektive deren Mitarbeitern, allenfalls um Erklärungsboten der Beklagten handelt. Eine fehlende Weitergabe der Information über ein günstigeres Mietwagenangebot liegt daher allein im Risikobereich der Beklagten.
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2.3 Entgegen den Ausführungen der beklagten Partei ist auch nicht erkennbar, auf welcher Grundlage sich der Kläger das Wissen der KfZ-Werkstatt … zurechnen lassen müsste. Der Kläger beauftragte die KfZ-Werkstatt … mit der Reparatur des Unfallwagens. Diesem Auftrag liegt regelmäßig ein Werkvertrag gemäß § 631 BGB zugrunde. Die seitens der Werkstatt geschuldete (Haupt-)Leistung bestimmt sich dabei nach § 631 Abs. 1 Var. 1 BGB und erschöpft sich in der Herstellung des versprochenen Werks, hier der Reparatur des unfallbeschädigten Fahrzeugs. Eine vertragliche Nebenpflicht der Werkstatt gegenüber dem Auftraggeber im Sinne einer Pflicht zur Weitergabe ihr vom Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer übermittelter Informationen ist völlig fernliegend.
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2.4 Überdies handelte es sich bei dem Angebot der Beklagten auch nicht um ein Angebot, dass der Kläger zumutbar „ohne weiteres“ mit einem simplen „Ja“ hätte annehmen können. Ausweislich den vorgelegten Unterlagen (Anlage B2, Bl. 69 f.) wurde im Angebot lediglich ausgeführt, wie hoch der Mietzins wäre und das eine für den Kläger kostenfreie Bereitstellung erfolgen würde. Weitergehende Angaben, wie und wann diese erfolgen würde, fehlten gänzlich. Es hätte daher vom Kläger – sofern er vom Angebot überhaupt Kenntnis erlangt hätte – noch weitergehende Informationen eingeholt werden müssen. Unter Berücksichtigung dieses Aspekts wäre das Angebot auch nicht zumutbar gewesen.
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3. Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Mietwagenkosten in Höhe von 1.162,83 € zusteht. Die Differenz in Höhe von 4,00 € zum erstinstanzlich zugesprochenen Betrag ergibt sich daraus, dass dem Kläger durch die Beklagte bereits ein Betrag von 414,00 € statt der in Ansatz gebrachten 410,00 € erstattet wurde.
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II. Anknüpfend an die Ausführungen unter I. steht dem Kläger folglich auch ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe eines weiteren Betrags von 199,45 € zu.
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Dieser Betrag errechnet sich aus dem Gesamtbetrag der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 913,21 €, abzüglich der bereits geleisteten Erstattung von 713,76 €. Maßgeblich ist insoweit der Gegenstandswert von 8.161,06 €. Demnach errechnet sich dieser aus einer 1,3 Gebühr aus 558,00 €, zzgl. 42 € Auslagen für Akteneinsicht, Auslagenpauschale und Dokumentenpauschale, zzgl. 19 % Mehrwertsteuer.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543 Abs. 2 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde gemäß §§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GKG festgesetzt.