Inhalt

OLG München, Beschluss v. 11.12.2024 – 31 Wx 124/24 e
Titel:

Personenstandsurkunden, Berichtigung Beschlüsse, Berichtigungsablehnung, Antrag auf Berichtigung, Beschwerdeverfahren, Namensführung des Kindes, Personenstandsregister, Glaubhaftmachung, Standesamtsaufsicht, Beschwerdeführer, Unrichtige, Entscheidung des Amtsgerichts, Registereintragung, Aufhebung, Ausländische Personenstandsurkunde, Neue Tatsachen und Beweismittel, Weitere Ermittlungen, Maßgeblicher Zeitpunkt, Beschwerde gegen, Erfolgreiche Beschwerde

Schlagworte:
Personenstandsregister, Identitätsnachweis, Namensführung, Berichtigung, Beweisanforderungen, Amtsermittlungsgrundsatz, Beschwerdeverfahren
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 26.01.2024 – 721 III 11/23
Fundstellen:
StAZ 2025, 178
BeckRS 2024, 47288

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts München, Az. 721 III 11/23, vom 26.01.2024 mit Berichtigungsbeschluss vom 14.02.2024 und der Nichtabhilfebeschluss vom 30.04.2024 werden auf die Beschwerde des Beschwerdeführers hin aufgehoben.
2. Das Standesamt M…-P… wird angewiesen, dem Geburtenbuch/-register beim Standesamt M…-P… Nr. 969/2008 folgenden Vermerk beizuschreiben:
Berichtigung der Namensführung und der Abstammung:
Kind Geburtsname: W… Vater Familienname: W…
Vornamen: A… N…
3. Die Entscheidung ergeht im Beschwerdeverfahren gerichtsgebührenfrei. Die notwendigen Aufwendungen des Beschwerdeführers werden nicht erstattet.
4. Der Geschäftswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Beteiligte zu 2 als Beschwerdeführer begehrt die Eintragung seines Vor- und Nachnamens als Vater und die Änderung des Geburtsnamens des Kindes im Geburtenregister.
2
Die von den Eltern, den Beteiligten zu 1 und 2, beantragten Eintragungen des väterlichen Namens als Geburtsnamen des Kindes und seines Namens und Vornamens ohne einschränkenden Zusatz, wurde zunächst seitens des Standesamtes abgelehnt, weil die Identität und Vatereigenschaft des Beschwerdeführers nicht geklärt seien. Ein hierzu durchgeführtes gerichtliches Verfahren endete auf die Beschwerde des Kindes mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22.12.2020 (Az. 31 Wx 450/20), in welchem die Beschwerde zurückgewiesen wurde. Im weiteren Verlauf hatten die Beteiligten zu 1 und 2 eine legalisierte Heiratsurkunde vorgelegt, so dass das Standesamt davon ausging, dass der Nachweis der gültigen Eheschließung erbracht sei und das Kind wie gewünscht den Familiennamen des Vaters führen könne. Das Standesamt sah auch den Nachweis der Namensführung als erbracht an und beantragte mit Schreiben vom 28.11.2022 die Berichtigung der Abstammung und Namensführung des Kindes beim Amtsgericht München. Die Beteiligten zu 1 und 2 erklärten ihre Einverständnis mit der entsprechenden Berichtigung. Die Standesamtsaufsicht hingegen sah den Nachweis der Identität des Vaters nicht als erbracht an und äußerte sich bzgl. der Berichtigung ablehnend.
3
Mit Beschluss vom 26.01.2024, zugestellt an die Beteiligten zu 1 und 2 am 01.02.2024, wies das Amtsgericht München – Betreuungsgericht – den Antrag auf Berichtigung des beim Standesamt M…-P… geführten Geburtsregistereintrags Nr. G 969/2008 zurück. Der Nachweis der Identität des Beschwerdeführers sei nach wie vor nicht geführt. Dieser habe jahrelang unter Angabe falscher Personalien in Deutschland gelebt. Das Gericht sei nicht davon überzeugt, dass die Personalien wie beantragt zutreffend seien. Zwar sei nun ein irakischer Ausweis mit der Nr. 197233457002 vorgelegt worden, welcher die Namensführung belege und laut kriminaltechnischer Untersuchung keine Verfälschung aufweise, jedoch gelte gleiches auch für den bei der Geburtsbeurkundung vorgelegten Ausweis mit der Nr. 553049 mit den anderen Personalien des Beschwerdeführers. Es müsse daher eine Bestätigung der irakischen Behörden vorgelegt werden, dass es sich bei dem Personalausweis mit der Nr. 553049 um ein unrichtiges Dokument handle. Es sei jedoch ein Vollbeweis notwendig, eine bloße Glaubhaftmachung genüge nicht. Die früher bestehenden Zweifel an der Identität des Beschwerdeführers seien nach wie vor nicht ausgeräumt. Die Feststellungslast für die Unrichtigkeit der Eintragung treffe den jeweiligen Antragsteller.
4
Mit Schriftsatz vom 01.03.2024 legte der Beteiligte zu 2 Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ein. Diese wurde jedoch nicht begründet.
5
Mit Beschluss vom 30.04.2024 half das Amtsgericht der Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht München zur Entscheidung vor.
6
Mit Schreiben vom 12.07.2024 teilte die Standesamtsaufsicht mit, dass die Identität des Beschwerdeführers inzwischen durch den von ihm vorgelegten Militärausweis (Wehrentlassungsausweis Muster vgl. Anlage) Nr. 7270543138 und der Ausweis „Sportverein der Luftwaffe“ als ältere Dokumente, welche die Angaben des Beteiligten in die Identität „A… N… W…“ u. E. untermauern nachgewiesen sei. Zudem sei vom irakischen Innenministerium unter Aktenzeichen 2882 vom 07.08.2024 unter Bezugnahme auf die Anfrage des irakischen Justizministeriums (Aktenzeichen 2007 vom 06.08.2024) bestätigt, dass die ID-Karte Nr. 553049 für eine Person A… M… K… nicht bekannt sei. Eine Berichtigung der Eintragung werde daher befürwortet. Die Originaldokumente lagen dem Oberlandesgericht zur Einsichtnahme vor.
II.
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Die nach den §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde (§ 65 Abs. 1 FamFG) hat in der Sache Erfolg. Die amtsgerichtliche Entscheidung ist aufgrund der im Beschwerdeverfahren veränderten Beweislage inzwischen unrichtig und damit aufzuheben.
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1. Die Voraussetzungen für die Berichtigung des abgeschlossenen Registereintrags gem. § 47 PStG liegen nicht vor.
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Ein abgeschlossener Registereintrag kann durch die Behörde selbst nur unter den engen Voraussetzungen des § 47 PStG berichtigt werden. Sonst ist eine Berichtigung durch das Gericht auszusprechen, § 48 PStG.
10
a) Eine Berichtigung nach § 47 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 PStG ist nicht möglich, weil der richtige oder vollständige Sachverhalt sich nicht aus Personenstandsurkunden ergibt.
11
Eintragungen können nach § 47 Abs. 1 Satz 3 Nr.1 PStG berichtigt werden, wenn der richtige oder vollständige Sachverhalt durch Personenstandsurkunden festgestellt wird. Unter den Begriff der Personenstandsurkunde fallen sowohl inländische, wie auch ausländische Personenstandsurkunden. Wie bei Vorlage einer inländischen Personenstandsurkunde, muss der richtige und vollständige Sachverhalt durch die vorgelegten (deutschen oder ausländischen) Personenstandsurkunden festgestellt werden können. Dabei kann eine Personenstandsurkunde die eigenständige Berichtigung durch das Standesamt nur dann rechtfertigen, wenn der Gegenstand der Berichtigung ohne weitere Sachaufklärung allein der Personenstandsurkunde zu entnehmen ist. Sind darüber hinaus weitere Ermittlungen erforderlich, so führt dies zur Notwendigkeit einer gerichtlichen Anordnung der Berichtigung nach § 48 Abs. 1 PStG.
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b) Eine Berichtigung nach § 47 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 PStG ist nicht möglich, weil der richtige oder vollständige Sachverhalt sich nicht aus Dokumenten im Sinn der Nr. 2 ergibt.
13
Nach § 47 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 PStG könnten sonstige unrichtige oder unvollständige Eintragung berichtigt werden, wenn der richtige oder vollständige Sachverhalt durch Dokumente des Heimatstaates, die zum Grenzübertritt berechtigen, festgestellt werden kann, soweit dadurch ein erläuternder Zusatz zur Identität oder zur Namensführung im Personenstandsregister gestrichen werden soll. Unter § 47 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 PStG fallen insbesondere Reisepässe. Auch § 47 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 PStG setzt aber voraus, dass allein aus der Urkunde selbst der richtige und vollständige Sachverhalt festgestellt werden kann und keine weiteren Ermittlungen erforderlich sind (vgl. OLG München, Beschluss vom 29.07.2021 – 31 Wx 229/18 –, juris, Rn. 3 f.).
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2. Eine Berichtigung des abgeschlossenen Registereintrages kann daher nur nach § 48 Abs. 1 S. 1 PStG durch das Gericht erfolgen, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift vorliegen. So liegt es hier. Die notwendige Überzeugung von der Unrichtigkeit der Eintragung und der Richtigkeit der beantragten Eintragung konnte gewonnen werden.
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a) Die Berichtigung nach § 48 Abs. 1 S. 1 PStG setzt voraus, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass die vorhandene Eintragung unrichtig und die beantragte Eintragung richtig ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2024 – I-3 Wx 31/24 –, juris, Rn. 10). An den Nachweis der Richtigkeit der begehrten Berichtigung sind im Hinblick auf die besondere Beweiskraft der Personenregister (§ 54 Abs. 1 PStG) strenge – aber keine übertriebenen – Anforderungen zu stellen; eine bloße Glaubhaftmachung, dass die bestehende Registereintragung unzutreffend ist und der zu berichtigende Inhalt den Tatsachen entspricht, genügt nicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. März 2024 – I-3 Wx 31/24 –, juris, Rn. 10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. April 2023 – I-3 Wx 62/22 –, juris, Rn. 14 m.w.N.).
16
b) Im Rahmen des geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes ist bei Zweifeln eine Überprüfung der vorgelegten Urkunden im Wege der Amtshilfe vorzunehmen.
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Das Verfahren nach § 48 PStG unterliegt gem. § 51 Abs. 1 S. 1 PStG i.V.m. § 26 FamFG dem Amtsermittlungsgrundsatz. Das Gericht hat eine Berichtigung zu veranlassen, wenn es aufgrund einer umfassenden Amtsermittlung zum Ergebnis gelangt, dass der Registereintrag unrichtig ist. Die objektive Feststellungslast für die Unrichtigkeit trägt der Antragsteller, so dass eine Berichtigung zu unterbleiben hat, wenn sich eine Unrichtigkeit nicht feststellen lässt (BGH StAZ 2017, 303 = NJW 2017, 3152 Rn. 13). Gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 PStG, § 37 I FamFG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (so OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 12). Die Beweiskraft der Personenstandsregister und -urkunden verbietet es, nicht nachgewiesene Tatsachen als nachgewiesen anzusehen, nur weil ein Antragsteller sich in einer ggf. unverschuldeten Beweisnot befindet (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20. August 2013 – 2 W 54/13 –, juris, Rn. 26).
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c) Das Rechtsmittel führt zu einer umfassenden rechtlichen und tatsächlichen Nachprüfung des angefochtenen Beschlusses. Das Beschwerdegericht tritt in den Grenzen der Beschwerde vollständig an die Stelle des Gerichts erster Instanz (BGH, Beschluss vom 5. Januar 2011 – XII ZB 240/10 – FGPrax 2011, 78, Rn. 8; BGH, Beschluss vom 14.08.2013 – XII ZB 206/13, BeckRS 2013, 15534, Rn. 9; Sternal, in: Sternal, FamFG, 21. Auflage 2023, § 65 FamFG, Rn. 11). Gemäß § 65 Abs. 3 FamFG kann die Entscheidung in der Beschwerde auch auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überzeugungsbildung des Senats ist dabei der Zeitpunkt der Entscheidung (BGH, Beschluss vom 5. Januar 2011 – XII ZB 240/10 – FGPrax 2011, 78, Rn. 8; BGH, Beschluss vom 14.08.2013 – XII ZB 206/13, BeckRS 2013, 15534, Rn. 9). Eine Veränderung der Sachlage kann die Beschwerde rechtfertigen und zur Aufhebung der Vorentscheidung führen, auch wenn diese nach der damaligen Sachlage zu Recht ergangen war (vgl. Sternal, a.a.O., Rn. 12).
19
d) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist eine Unrichtigkeit der Eintragung und die Richtigkeit der beantragten Eintragung im vorliegenden Fall zur Überzeugung des Senats nunmehr festgestellt.
20
Das Standesamt hat inzwischen mitgeteilt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Namensführung durch die Vorlage des Wehrausweises im Original mit Übersetzung ausreichend nachgewiesen ist. Überdies hat der Beschwerdeführer eine Bescheinigung des irakischen Innenministeriums beigebracht, die bestätigt, dass der von ihm verwendete unrichtige Namen, A… M… K…, welcher in einer vorgelegten irakischen ID-Karte Nr. 553049 enthalten war, den Behörden im Irak nicht bekannt ist. Hiervon hat sich auch der Senat überzeugt.
21
Die Entscheidung des Amtsgerichts war daher aufgrund der veränderten Sachlage aufzuheben.
22
In der Sache konnte der Senat selbst nach § 48 PStG entscheiden, da alle erforderlichen Angaben und Nachweise auch im Original vorlagen. Das Standesamt konnte die Berichtigung – wie zunächst angenommen – nicht selbst nach § 47 PStG vornehmen, da die Voraussetzungen nicht vorlagen. Deshalb entscheidet der Senat entgegen des erteilten Hinweises vom 17.09.2024 in der Sache nunmehr selbst.
III.
23
Für die erfolgreiche Beschwerde werden keine Gerichtskosten erhoben (§ 25 Abs. 1 GNotKG). Die notwendigen Aufwendungen des Beschwerdeführers werden nicht erstattet, da der Beschwerdeführer die zunächst ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts durch seine mangelnde Mitwirkung im Verfahren, zu welcher er verpflichtet war (vgl. § 27 FamFG) selbst verursacht hat (§ 81 Abs. 2 FamFG).
24
Die Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
IV.
25
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erfordert, § 70 Abs. 2 FamFG. Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):
Übergabe an die Geschäftsstelle am 11.12.2024.
…, JAng Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle