Titel:
Freiheitsstrafen, Verteidigung der Rechtsordnung, Strafzumessung, Gefährliche Körperverletzung, Gesamtfreiheitsstrafe, Minder schwerer Fall, Rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, Tatgeschehen, Gesamtwürdigung, Vollständige Vollstreckung, Schuldangemessenheit, Geschädigten, Hauptverhandlung, Tateinheit, Kostenentscheidung, Gefährliches Werkzeug, Persönliche Verhältnisse, Ware, Nachträgliche Gesamtstrafe, Ergebnis der Beweisaufnahme
Normenkette:
StGB § 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 Nr. 4 Nr. 5, 240 Abs. 1, Abs. 2, 25 Abs. 2, 52
Schlagworte:
Gefährliche Körperverletzung, Nötigung, Strafzumessung, Bewährungsstrafe, Verfahrensverzögerung, Beweiswürdigung, Lebensgefährdende Behandlung
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 09.04.2025 – 1 StR 371/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 47119
Tenor
I. Die Angeklagten A., geboren am […], B., geboren am […], und C., geboren am […], sind jeweils schuldig der Gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung.
II. Der Angeklagte A. wird deswegen zu eine Freiheitsstrafe in Höhe von 1 Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
III. Der Angeklagte B. wird deswegen zu eine Freiheitsstrafe in Höhe von 7 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
IV. Der Angeklagte C. wird deswegen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus den Urteilen
- des Landgerichts München I vom 25.06.2021, rechtskräftig seit 03.07.2021, Az. 8 KLs 122 Js 115051/19, und
- des Amtsgerichts München vom 01.10.2021, rechtskräftig seit 09.10.2021, Az. 1117 Ds 111 Js 138641/21,
und unter Auflösung der im Urteil des Landgerichts München I gebildeten Ge- samtstrafe zu eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 1 Jahr 11 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.
V. Es wird festgestellt, dass das Verfahren rechtsstaatswidrig verzögert worden ist.
VI. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
I. Persönliche Verhältnisse:
1
Am 03.10.2019 kurz vor 23:58 Uhr trafen sich die Angeklagten und eine unbekannte weitere männliche Person entsprechend ihrer vorherigen Verabredung in unmittelbarer Nähe der „M“-Filiale in […] M. oder suchten diesen Ort bereits gemeinsam auf. Sie fassten zuvor oder spätestens dort den Plan, sogleich in die „M“-Filiale zu stürmen, um den dort in Begleitung von D. und E. befindlichen, ihnen wegen seiner Zugehörigkeit zum Lager des Rockerclubs „XY“ verhassten Geschädigten F. zu verprügeln und mit ihren mit Turnschuhen beschuhten Füßen auf ihn einzutreten. Die Tritte sollten auch gegen den Kopf des Geschädigten F. gerichtet und mit hoher Wucht ausgeführt werden. Der Angeklagte A. sollte dem Plan entsprechend mit zwei mitgebrachten kreisrunden Trainingsringen aus Hartplastik, welche üblicherweise zum Aufhängen von Seilen für eine Trainingseinheit bestimmt waren, auf den Geschädigten einschlagen. Ein mögliches Einschreiten seitens der Begleiter sollte durch Drohungen oder den Einsatz von Gewalt unterbunden werden.
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Gegen 23:58 Uhr stürmten die Angeklagten und der unbekannte Mittäter dann diesem Plan entsprechend in die „M“-Filiale. Als der Geschädigte F. die Angeklagten erkannte, versuchte er wegzulaufen. Dabei schnitt ihm der Angeklagte C. den Weg ab und schlug ihn mit der rechten Faust Richtung Kopf zu Boden. Zeitgleich bedeutete der Angeklagte B. dem Geschädigten D. durch teilweises Vorzeigen einer ihrer Art nach nicht näher bekannten Waffe sowie eine entsprechende Handbewegung, dem Geschädigten F. nicht zu helfen, was der Geschädigte D. daraufhin auch nicht tat. Direkt nachdem der Geschädigte F. zu Boden gegangen war, versuchte der unbekannte weitere Täter, dem Geschädigten F. mit Anlauf und voller Wucht gegen den Kopf zu treten, verfehlte den Kopf hierbei jedoch knapp. Der Angeklagte A. trat hinzu und schlug mit je einem der genannten Trainingsringe in den Händen auf den Oberkörper und den Kopf des Geschädigten F. ein. Die Angeklagten C., B. und der unbekannte weitere Täter traten zeitgleich mit erheblicher Wucht auf den Geschädigten F. ein, wobei der Angeklagte C. bewusst den Kopf des Geschädigten F. traf.
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Diese Gewalteinwirkungen, welche insgesamt acht Sekunden andauerten, waren jedenfalls in ihrer Summe geeignet, das Leben des Geschädigten F. zu gefährden. Die Angeklagten erkannten dabei die Umstände, aus denen sich diese Gefährlichkeit ergab, insbesondere die Wucht und die Zielrichtung ihrer gemeinsamen Schläge und Tritte. Der Geschädigte erlitt durch die Gewaltanwendung, wie von den Angeklagten zumindest vorhergesehen oder billigend in Kauf genommen, eine Benommenheit sowie ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma (=Gehirnerschütterung) mit starken Kopfschmerzen.
1. Persönliche Verhältnisse:
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Die Feststellungen zum Tatgeschehen beruhen auf den geständigen Einlassungen der Angeklagten, auf dem Inhalt eines den Tatablauf zeigenden Videos, welches von einer Überwachungskamera des „M“ aufgenommen und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen wurde, sowie aufgrund des übrigen Ergebnisses der Beweisaufnahme.
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Die drei Angeklagten haben sich in der nachfolgend wiedergegebenen Reihenfolge eingelassen wie folgt:
„Der Verteidiger des Angeklagten C., Rechtsanwalt M., erklärte für seinen Mandanten, dass der Angeklagte die Person auf dem Video sei. Die Vorwürfe der Anklage seien im Wesentlichen zutreffend. Der Angeklagte könne sich nicht exakt an jedes Detail erinnern, erinnere sich an den Vorfall aber so, wie er in der Anklage stehe. Der Angeklagte bedauere, dass er sich zu der Tat habe hinreißen lassen. Er habe sich damals in einer psychischen Ausnahmesituation befunden und sich psychotherapeutisch behandeln lassen. Der Angeklagte C. selbst erklärte hierzu, dass das zutreffe und dass er sich die Erklärung des Verteidigers zu eigen mache.“
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Der Verteidiger des Angeklagten A., Rechtsanwalt B., erklärte für seinen Mandanten, dass dieser die Vorwürfe im Anklagesatz einräume mit der Maßgabe, dass Verletzungen des Geschädigten F. nur in dem Umfang entstanden seien, wie vom sachverständigen Zeugen K. dargelegt (hierzu s.u.). Es habe in der Zeit heftige Auseinandersetzungen mit den „XY“ gegeben, darunter zwei versuchte Tötungsdelikte gegen die Angeklagten A. und B. Durch einen anstehenden Prozess gegen ein „XY“-Mitglied wegen eines der Tötungsdelikte habe sich große Aufregung und eine gestresste Situation ergeben, aus der heraus es zum Tatgeschehen gekommen sei. Der Geschädigte F. sei als „Prospect“ ein Teil der „gegnerischen Truppe“ gewesen. Der Angeklagte A. selbst erklärte hierzu, dass die Erklärung des Verteidigers zutreffend sei und er sie sich zu eigen mache. Weiter erklärte der Angeklagte, dass die Plastikringe ganz dünn und leicht gewesen seien. Es habe sich um Sportgeräte zum „Dranhängen“ von Seilen für eine Trainingseinheit gehandelt. Die Ringe seien bei der Aktion kaputtgegangen, so dass er sie entsorgt habe.
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Die Verteidigerin des Angeklagten B., Rechtsanwältin W., erklärte für ihren Mandanten, dass die Anklagevorwürfe mit der von Rechtsanwalt B. genannten Maßgabe eingeräumt werden. Vorausgegangen sei eine „massive Tatprovokation“. Der Angeklagte B. bezeichnete diese Erklärung als „richtig“.
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Diese drei Einlassungen ergänzen einander, ohne dass sich Widersprüche ergeben haben. Inhaltlich decken sie – bis auf die Feststellungen zu den durch den Geschädigten F. erlittenen Verletzungen – sämtliche Feststellungen zum Tatgeschehen ab, wobei bezüglich der Zugehörigkeit des Geschädigten F. zu den „XY“ sowie zur üblichen Funktion der Trainingsringe lediglich der Angeklagte A. Angaben machte.
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Die Einlassungen der Angeklagten zum Tatgeschehen werden bestätigt und ergänzt durch das Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen, insbesondere die von dem polizeilichen Hauptsachbearbeiter, dem Zeugen M., beim „M“ sichergestellten und in Augenschein genommenen Videoaufnahmen, die von der dortigen Überwachungskamera im Tatzeitraum aufgezeichnet worden sind. In dem Video sind die im Tatgeschehen beschriebenen Bewegungen der Angeklagten und des vierten unbekannten Beteiligten gegen den Geschädigten F. – soweit dies die niedrige Bildrate von durchschnittlich fünf Bildern pro Sekunde zulässt – sowie deren Dauer von Minute 13:33 bis Minute 13:41 des Videos erkennbar. Ergänzend hierzu hat der Zeuge M. glaubhaft angegeben, dass die drei Angeklagten durch die damaligen „Rocker-Sachbearbeitung“, insbesondere die Zeugin S., beim Betrachten des Videos als Akteure identifiziert worden seien. Die Zeugin S. hat glaubhaft angegeben, dass sie alle drei Angeklagten identifiziert habe, und zwar zunächst den Angeklagten A., dann den Angeklagten B. und – nach mehrmaligem Anschauen – schließlich auch den Angeklagten C. Gemäß der glaubhaften Aussage des Zeugen M. gehört der Geschädigte F. dem Lager der „XY“ an.
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Zur Lebensgefährlichkeit der Handlungen der drei Angeklagten und des vierten Mitbeteiligten wurde die rechtsmedizinische Sachverständige Dr. G. angehört. Gemäß der Sachverständigen handelt es sich bei den Schlägen und Tritten jedenfalls in ihrer Gesamtheit um eine lebensgefährdende Behandlung, selbst dann, wenn nicht genau feststellbar ist, welcher Schlag oder Tritt mit welcher Wucht getroffen hat, weil dies seitens der Täter nicht beherrschbar ist, zumal auch bereits ein einzelner Tritt gegen den Kopf dazu geeignet ist, Verletzungen in Form von intrakraniellen Blutungen herbeizuführen, welche den Tod zur Folge haben. Die Kammer tritt den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen, welche von hoher Sachkunde geprägt waren, aufgrund eigener Überzeugungsbildung bei.
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Die eingetretenen Tatfolgen für den Geschädigten F. ergeben sich
- zum einen aus dem Video, aus welchem zu erkennen ist, dass der Geschädigte zu Boden gegangen ist und erst wieder aufgestanden ist, nachdem die drei Angeklagten und der Mittäter von ihm abgelassen hatten, wobei ihm das Wiederaufstehen nicht auf Anhieb gelang und er von anderen anwesenden Personen gestützt werden musste, so dass er einen benommenen Eindruck machte, sowie - zum anderen aus der Aussage des Arztes und sachverständigen Zeugen K., welcher gemäß seinen glaubhaften Angaben den Geschädigten in der Tatnacht in der Notaufnahme der Klinik behandelt hat und dabei eine Gehirnerschütterung diagnostiziert hat, und zwar im Wesentlichen aufgrund der damaligen anamnestischen Angaben des Geschädigten, welcher über starke Kopfschmerzen geklagt hat.
IV. Rechtliche Würdigung:
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Die Angeklagten haben sich daher der Gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 4, Nr. 5, 240 Abs. 1, Abs. 2, 25 Abs. 2, 52 StGB schuldig gemacht.
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Hierbei bewertet die Kammer die Verwendung der Trainingsringe aus Hartplastik als Begehung der Körperverletzung mittels eines gefährlichen Werkzeugs gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB, wobei sie davon ausgeht, dass die Trainingsringe aufgrund ihrer üblicherweise vorgesehenen Verwendung für das Aushalten einer nicht unerheblichen Zugspannung und das Tragen eines nicht unerheblichen Gewichts konstruiert waren, so dass sie über eine nicht unerhebliche Masse verfügt haben müssen, ohne dass der Kammer eine konkrete zahlenmäßige Bemessung insoweit möglich war.
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Weiter bewertet die Kammer das abgesprochene Verhalten des Angeklagten B., die Begleiter des Geschädigten durch das Vorzeigen der Waffe vom Einschreiten abzuhalten, als Nötigung gemäß § 240 Abs. 1, Abs. 2 StGB.
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Bei den drei Angeklagten kommt für die Tat jeweils der Strafrahmen des § 224 Abs. 1 Alt. 2 StGB, der Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorsieht, zur Anwendung, weil die Voraussetzungen für einen minder schweren Fall nach Abwägung aller tat- und täterbezogenen Umstände vorliegen, und zwar wegen ganz erheblicher strafmildernder Umstände, welche auch unter Berücksichtigung der strafschärfenden Umstände die Anwendung des Regelstrafrahmens unangemessen machen.
- haben alle drei Angeklagten die Tat begangen, obwohl sie einschlägig und, was die Angeklagten B. und C. betrifft, auch erheblich vorbestraft waren,
- haben die Angeklagten in Tateinheit den Tatbestand der Nötigung verwirklicht und drei verschiedene Qualifikationstatbestände innerhalb des § 224 Abs. 1 StGB erfüllt, wobei die lediglich aus Plastik bestehenden Trainingsringe die Kriterien für ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB allerdings nur an der unteren Grenze erfüllen, und
- haben die Angeklagten die Tat im öffentlichen Raum begangen, jedoch liegen zu Gunsten der Angeklagten erhebliche strafmildernde Umstände vor, nämlich
- dass die Angeklagten ein frühzeitiges Geständnis abgelegt und dabei ein erhebliches Maß an Einsicht und Reue gezeigt haben, wobei ein Tatnachweis ohne das Geständnis der Angeklagten sehr schwierig geworden wäre, weil die Mitglieder der Kammer die Angeklagten auf dem in Augenschein genommenen Tatvideo nicht erkannt haben und die Zeugin S. nicht substantiiert angeben konnte, anhand welcher konkreter Merkmale sie die drei Angeklagten identifiziert hat,
- dass das Tatgeschehen nur von kurzer Dauer war,
- dass der Geschädigte F. kein erkennbares Strafverfolgungsinteresse gezeigt hat; er hat keine Anzeige erstattet und hat auch sonst nichts getan oder gesagt, was aus Sicht der Kammer auf ein Strafverfolgungsinteresse hindeuten würde,
- dass der Geschädigte F. durch die Tat keine größeren Verletzungen, welche mit der Verwirklichung des Tatbestands der gefährlichen Körperverletzung üblicherweise einhergehen, davongetragen hat sowie
- dass zwischen Tat und Verurteilung ein erheblicher Zeitraum von viereinhalb Jahren liegt und das Verfahren gegen die Angeklagten ähnlich lange gedauert hat, weil gemäß der glaubhaften Aussage des Zeugen M. das Verfahren gegen die drei Angeklagten bereits nach deren Identifizierung anhand des Videos am 07.10.2019 eingeleitet wurde und allen drei Angeklagten jeweils im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung am 22.10.2019 der Tatvorwurf eröffnet worden ist.
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Zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten A. werden bei der Strafzumessung im engeren Sinn jeweils die oben bei der Prüfung eines minder schweren Falles genannten Gesichtspunkte berücksichtigt.
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Außerdem wirkt zu seinem Lasten, dass er die Schläge mit den Trainingsringen eigenhändig ausgeführt hat und dass er nicht nur einschlägig, sondern erheblich vorbestraft ist, wobei die Taten allerdings weit überwiegend schon länger zurückliegen. Zwar ist insbesondere die vorletzte Vorstrafe (Freiheitsstrafe von 2 Jahren wegen Gefährlicher Körperverletzung u.a.) vom 02.03.2011 einschlägig und erheblich, lag jedoch zum Tatzeitpunkt bereits achteinhalb Jahre zurück.
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Die Kammer hält nach Berücksichtigung und Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände beim Angeklagten A. eine Freiheitsstrafe in Höhe von 1 Jahr für tat- und schuldangemessen.
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Die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe mit der Geldstrafe von 30 Tagessätzen aus der Verurteilung vom 04.04.2020 ist wegen zwischenzeitlicher vollständiger Vollstreckung der Strafe nicht mehr möglich. Stattdessen kann auch keine nachträgliche Gesamtstrafe mit den Geldstrafen aus der Verurteilung vom 19.05.2022 gebildet werden, weil die aus diesen Geldstrafen gebildete Gesamtstrafe ebenfalls zwischenzeitlich vollständig vollstreckt ist. Eine auszugleichende Härte ist nicht entstanden, weil eine Einbeziehung der Geldstrafe vom 04.04.2020 oder der Geldstrafen vom 19.05.2020 in eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe und die dadurch bewirkte – wenn auch nur geringfügige – Erhöhung der Freiheitsstrafe ein mindestens ebenso großes Strafübel dargestellt hätte, wie deren vollständige Vollstreckung als Geldstrafe.
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Zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten B. werden bei der Strafzumessung im engeren Sinn jeweils die oben bei der Prüfung eines minder schweren Falles genannten Gesichtspunkte berücksichtigt.
22
Außerdem wirkt zu seinen Lasten, dass er die Nötigungshandlung durch das Vorzeigen der Waffe eigenhändig ausgeführt hat, und zu seinen Gunsten, dass er sich an den Gewalttätigkeiten nur in geringem Ausmaß beteiligt hat. Die Berücksichtigung der Tatbegehung trotz der einschlägigen Vorstrafe zu Lasten des Angeklagten wird dadurch etwas relativiert, dass es sich bei der Strafe nur um eine Geldstrafe handelt.
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Die Kammer hält nach Berücksichtigung und Abwägung aller für und gegen den Angeklagten B. sprechenden Umstände eine Freiheitsstrafe in Höhe von 7 Monaten für tat- und schuldangemessen.
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Zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten C. werden bei der Strafzumessung im engeren Sinn jeweils die oben bei der Prüfung eines minder schweren Falles genannten Gesichtspunkte berücksichtigt.
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Außerdem wirkt zu seinen Lasten, dass er bei den Gewalttätigkeiten gegen den Geschädigten F. im Vergleich zu den beiden anderen Angeklagten die gewichtigste Rolle gespielt hat, weil er die Gewalttätigkeiten begonnen, den Geschädigten zu Boden gebracht und ihm gegen den Kopf getreten hat.
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Die Kammer hält nach Berücksichtigung und Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine Freiheitsstrafe in Höhe von 1 Jahr 1 Monat für tat- und schuldangemessen.
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Aus dieser Einzelfreiheitsstrafe sowie den oben im Einzelnen genannten Strafen aus den Verurteilungen durch das Landgericht München I vom 25.06.2021 und durch das Amtsgericht München vom 01.10.2021 bildet die Kammer unter nochmaliger Abwägung aller tat- und täterbezogenen Umstände eine Gesamtfreiheitsstrafe in Höhe von 1 Jahr 11 Monaten. Zu Gunsten des Angeklagten wurde berücksichtigt, dass sich die Taten im Wesentlichen jeweils gegen das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit gerichtet haben und andere Rechtsgüter allenfalls peripher betroffen waren. Zu seinen Lasten wurde berücksichtigt, dass er die Taten in unterschiedlichen Situationen begangen hat und dass sich die Taten über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren erstreckten.
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Die Freiheitsstrafe von 1 Jahr kann zur Bewährung ausgesetzt werden. Gemäß § 56 Abs. 1 StGB kann von dem Angeklagten A. nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten erwartet werden, dass er sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dies ergibt sich zum einen aus den oben in den Ausführungen zur Strafzumessung herangezogenen Gesichtspunkten, soweit diese in der Person des Angeklagten liegen, insbesondere dem Geständnis des Angeklagten. Zum anderen ergibt es sich aus dem in den Feststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen dargelegten Werdegang des Angeklagten in den letzten Jahren. Seit 2009 hat der Angeklagte – abgesehen von der Tat des gegenständlichen Verfahrens – keine erhebliche Straftat mehr begangen, wegen der er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Seit 2021 hat der Angeklagte überhaupt keine Straftat mehr begangen. Seit zweieinhalb Jahren lebt der Angeklagte in einer neuen Beziehung und ist dabei, sich eine neue wirtschaftliche Existenz als […] aufzubauen.
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Auch die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet nicht die Vollstreckung der Strafe, § 56 Abs. 3 StGB.
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Die Freiheitsstrafe von 7 Monaten kann zur Bewährung ausgesetzt werden. Gemäß § 56 Abs. 1 StGB kann von den Angeklagten B. nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten erwartet werden, dass er sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dies ergibt sich zum einen aus den oben in den Ausführungen zur Strafzumessung herangezogenen Gesichtspunkten, soweit diese in der Person des Angeklagten liegen, insbesondere dem Geständnis des Angeklagten. Zum anderen ergibt es sich aus dem in den Feststellungen zu seinen persönlichen Verhältnissen dargelegten Werdegang des Angeklagten. Abgesehen von der Tat aus dem Jahr 2013, wegen der er zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist, und der Tat des gegenständlichen Verfahrens hat der Angeklagte bislang keine Straftat begangen. Er wird nunmehr erstmals zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zudem dürfte der Angeklagte hinreichend beeindruckt worden sein durch die in diesem Verfahren erlittene Untersuchungshaft.
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Auch die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet nicht die Vollstreckung der Strafe, § 56 Abs. 3 StGB.
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Die Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 11 Monaten kann zur Bewährung ausgesetzt werden. Gemäß § 56 Abs. 1 StGB kann von dem Angeklagten C. nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten erwartet werden, dass er sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lässt und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Dies ergibt sich zum einen aus den oben in den Ausführungen zur Strafzumessung herangezogenen Gesichtspunkten, soweit diese in der Person des Angeklagten liegen, insbesondere das von Reue und Einsicht geprägte Geständnis des Angeklagten. Zum anderen ergibt es sich aus den Feststellungen zum Werdegang des Angeklagten, insbesondere in den letzten Jahren. Seit 11 Jahren lebt der Angeklagte in einer festen Beziehung. Seit 2020 hat er sich eine neue wirtschaftliche Existenz als […] aufgebaut. Während er vorher erheblich strafrechtlich in Erscheinung getreten war, hat er seit drei Jahren keine Straftaten mehr begangen.
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Außerdem liegen nach einer Gesamtwürdigung von Tat und Persönlichkeit des Angeklagten besondere Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB vor. Hierbei stellt die Kammer im Wesentlichen auf folgende Umstände ab: Wie sich aus den Feststellungen des verlesenen Urteils des LG München I vom 25.06.2021, dort S. 17 zu Punkt E., ergibt, hatte der Angeklagte bereits zu diesem Zeitpunkt seine Tätigkeit im Nachtleben beendet und sich vom „Kodex“ der Rockerbanden distanziert. Anhaltspunkte dafür, dass sich hieran etwas geändert hat, haben sich im gegenständlichen Verfahren nicht ergeben. Stattdessen hat sich die zum Zeitpunkt des Urteils vom 25.06.2021 begonnene positive Entwicklung fortgesetzt, da der Angeklagte in der Folgezeit die Umschulung zum […] erfolgreich abgeschlossen hat und seitdem eine Vollzeitbeschäftigung als […] ausübt. Im Übrigen hat der Angeklagte auch im gegenständlichen Verfahren durch sein von Reue und Einsicht geprägtes Geständnis gezeigt, dass er sich von seiner kriminellen Vergangenheit distanziert hat.
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Auch die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet nicht die Vollstreckung der Strafe, § 56 Abs. 3 StGB.
VII. Verfahrensverzögerung:
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Die rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung ergibt sich
- zum einen daraus, dass der polizeiliche Hauptsachbearbeiter KK M. gemäß seiner glaubhaften Aussage bereits im März 2020 den polizeilichen Schlussbericht erstellt hat, und die Staatsanwaltschaft erst mit Datum vom 16.03.2022 Anklage erhoben hat, so dass zwischen polizeilichem Schlussbericht und Anklage zwei Jahre liegen, sowie
- zum anderen daraus, dass, wie in der Hauptverhandlung aus den Akten festgestellt, die nach Anklageübersendung vom Gericht festgesetzte Frist zur Stellungnahme bereits Ende April 2022 abgelaufen war, und die nächste verfahrensfördernde Verfügung des Gerichts, eine zur Terminierung der Hauptverhandlung gestellte Frage an die Verfahrensbeteiligten nach Verhinderungen, vom 19.12.2022 datiert, so dass das Gericht fast acht Monate lang keine verfahrensfördernden Maßnahmen unternommen hat.
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Aus Sicht der Kammer ist die bloße Feststellung der rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung als Kompensation ausreichend, weil die Kammer bereits den großen zeitlichen Abstand zwischen Tat und Urteil sowie die lange Verfahrensdauer in ganz erheblichem Maß strafmildernd berücksichtigt hat.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 464, 465 StPO.