Inhalt

AG Erding, Beschluss v. 18.12.2024 – 206 F 507/23
Titel:

Antragsgegner, Umgangspflegschaft, Sachverständigengutachten, Festsetzung von Ordnungsmitteln, Umgangspfleger, Verfahrenswert, Elektronisches Dokument, Aufgabe zur Post, Umgangsvereinbarung, Elterliche Sorge, Elektronischer Rechtsverkehr, Umgangsregelung, Regelung des Umgangsrechts, Verfahrensbevollmächtigter, Herausgabe des Kindes, Beschwerdeführer, Beschwerdeschrift, Beschwerde gegen, Wert des Beschwerdegegenstandes, Beschwerdeeinlegung

Schlagworte:
Umgangsrecht, Kindeswohl, Elternkonflikt, Umgangspflegschaft, Loyalitätskonflikt, Beeinflussung des Kindes, Verfahrensbeistand
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 06.06.2025 – 16 UF 108/25 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 47096

Tenor

1. Der Umgang des Antragstellers mit dem gemeinsamen Kind ... wird wie folgt geregelt:
a) Ein persönlicher Umgang findet an den Wochenenden in den ungeraden Kalenderwochen von Freitag nach der Schule bis Montag vor Schulbeginn statt. Diese Wochenendumgänge beginnen in der Kalenderwoche 1/2025.
Der Antragsteller holt ... am Freitag auf eigene Kosten an der Schule ab und bringt ihn am Montag wieder dorthin zurück. Die Antragsgegnerin hat hierbei nicht anwesend zu sein. An Schließ- oder Krankheitstagen (bei Transportfähigkeit des Kindes) erfolgen die Abholung am Freitag um 13:00 Uhr und/oder die Rückgabe am Montag um 09:00 Uhr am Wohnort der Antragsgegnerin (gegenwärtig ...).
b) Ein persönlicher Umgang findet in den geraden Kalenderwochen von Donnerstag nach der Schule bis Freitag vor Schulbeginn statt. Dieser zusätzliche Umgang beginnt in der Kalenderwoche 2/2025.
Der Antragsteller holt ... auf eigene Kosten an der Schule ab und bringt ihn wieder dorthin zurück. Die Antragsgegnerin hat hierbei nicht anwesend zu sein. An Schließ- oder Krankheitstagen (bei Transportfähigkeit des Kindes) erfolgen die Abholung am Donnerstag um 13:00 Uhr und/oder die Rückgabe am Freitag um 09:00 Uhr am Wohnort der Antragsgegnerin (gegenwärtig).
c) In den bayerischen Schulferien (hierbei teilweise abweichend von a) bis b) und den dortigen Regelungen insoweit vorgehend) findet ein persönlicher Umgang wie folgt statt:
(1) Weihnachtsferien: 20.12.2024 – 25.12.2024. Der Antragsteller holt ... am Freitag auf eigene Kosten an der Schule ab. Die Antragsgegnerin hat hierbei nicht anwesend zu sein. Bei einem Krankheitstag (bei Transportfähigkeit des Kindes) erfolgt die Abholung um 13:00 Uhr am Wohnort der Antragsgegnerin (gegenwärtig ...). Die Rückführung erfolgt am 25.12.2024 um 15:00 Uhr am Wohnort der Antragsgegnerin (gegenwärtig ...).
(2) Jeweils in den gesamten Herbstferien. Der Antragsteller holt ... am Freitag vor den Ferien auf eigene Kosten an der Schule ab und bringt ihn am Montag wieder dorthin zurück. Die Antragsgegnerin hat hierbei nicht anwesend zu sein. Die Abholung erfolgt hierbei jeweils nach der Schule, an Schließ- oder Krankheitstagen (bei Transportfähigkeit des Kindes) um 13:00 Uhr am Wohnort der Antragsgegnerin (gegenwärtig ...). Eine Rückführung erfolgt dann jeweils am Sonntag um 15:00 Uhr am Wohnort der Antragsgegnerin (gegenwärtig ...).
(3) In den übrigen Ferien mit Ausnahme der Faschingsferien erfolgt grundsätzlich eine hälftige Teilung der Betreuungszeiten, wobei der Antragsteller ... in der jeweils ersten Ferienhälfte, beginnend mit dem Freitag, 13:00 Uhr betreut. Die Abholung erfolgt hierbei jeweils nach der Schule (die Antragsgegnerin hat hierbei nicht anwesend zu sein), an Schließ- oder Krankheitstagen (bei Transportfähigkeit des Kindes) um 13:00 Uhr am Wohnort der Antragsgegnerin (gegenwärtig ...). Eine Rückführung erfolgt dann jeweils am Sonntag um 15:00 Uhr am Wohnort der Antragsgegnerin (gegenwärtig ...).
2. Den Eltern steht es frei, die konkreten Modalitäten im wechselseitigen Einvernehmen abzuändern. Sofern einer von ihnen nicht uneingeschränkt zustimmt, bleibt es jeweils bei der vorstehenden Regelung.
3. Kann der Umgang aus einem wichtigen Grund in der Person des Kindes, insbesondere einer schweren Erkrankung verbunden mit einer Transportunfähigkeit des Kindes nicht stattfinden, so ist dies seitens der Antragsgegnerin auf geeignete Weise – bei Erkrankung sowie Transportunfähigkeit des Kindes – durch Vorlage eines detaillierten und tagesaktuellen ärztlichen Attests nachzuweisen. Diese Nachweispflicht entfällt, wenn der Antragsteller ausdrücklich auf einen Nachweis verzichtet. Sollte ein Umgang aus einem solchen in der Person des Kindes zu verortenden wichtigen Grundes ausfallen, wird er exakt eine Woche später nach den für den ursprünglichen Umgang festgelegten Modalitäten nachgeholt. Keinen wichtigen, zu einem Umgangsausfallenden führenden Grund stellen beispielsweise Termine des Kindes bei Ärzten, in der Schule oder ähnlichen Einrichtungen dar, die ohne Weiteres auch von dem Antragsteller begleitet werden können.
Kann der Umgang aus einem in der Person des Antragstellers zu verortenden Grundes nicht stattfinden, so entfällt er ersatzlos und wird nicht nachgeholt.
Eine etwaige Verhinderung oder Erkrankung der Antragsgegnerin berührt die Umgangsregelung nicht und führt insbesondere zu keinem Entfallen eines Umgangs.
4. Die Eltern der Kinder haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis der gemeinsamen Kinder zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. Insbesondere haben es der Antragsteller und die Antragsgegnerin zu unterlassen, vor dem Kind zu streiten oder sich Vorwürfe zu machen. Dies gilt ganz besonders für die Übergabesituationen und insbesondere dann, wenn die Abholung und Rückführung des Kindes vor der Wohnung der Antragstellerin stattfindet. Der Inhalt der Gespräche hat sich dann auf Themen und Informationen der elterlichen Sorge für das Kind zu beschränken (Elternebene) und andere Inhalte aus der persönlichen Beziehung der Eltern (Partnerebene) sind nicht vor dem Kind zu besprechen. Für den Fall, dass das Kind bei der Abholung oder der Rückführung nicht zum jeweils anderen Elternteil wollen sollte, haben beide Elternteile jeweils das Kind in Ausübung ihrer elterlichen Verantwortung aktiv hierzu positiv zu motivieren und davon zu überzeugen. Ein unangemessen übertriebenes emotionales Abschiedsverhalten bei den Situationen der Abholung und Rückführung des Kindes haben beide Elternteile jeweils zu unterlassen, da ansonsten die Gefahr von Konflikten für das Kind besteht.
5. Zur Gewährleistung des in Ziffer 1 angeordneten Umgangs sowie zur Unterstützung der Beteiligten wird für das gemeinsame Kind ... eine Umgangspflegschaft angeordnet, § 1684 Abs. 3 S. 4 BGB.
Die Umgangspflegschaft umfasst das Recht, die Herausgabe des Kindes zur Durchführung des Umgangs zu verlangen und für die Dauer des Umgangs dessen Aufenthalt zu bestimmen. Die Umgangspflegerin bereitet den Umgang zwischen Umgangselternteil und Kind durch Gespräche vor, überwacht seine Durchführung und bereitet den Umgang mit beiden Eltern in Gesprächen nach.
Zur Umgangspflegerin wird gemäß §§ 1693, 1809 Abs. 1 BGB  ... bestimmt. Der Wirkungskreis umfasst die Durchführung des Umgangs. Die Umgangspflegerin übt die Umgangspflegschaft berufsmäßig aus.
Die Umgangspflegschaft wird vorerst bis 19.06.2025 befristet.
6. Für jeden Fall der zu vertretenden Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Regelung des Umgangsrechts kann das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld in Höhe von jeweils bis zu 25.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen. Verspricht die Anordnung von Ordnungsgeld keinen Erfolg, so kann das Gericht sofort Ordnungshaft für eine Dauer von bis zu 6 Monaten anordnen. Weiterhin kann das Gericht zur Vollstreckung unmittelbaren Zwang anordnen, wenn die Festsetzung von Ordnungsmitteln erfolglos geblieben ist, die Festsetzung von Ordnungsmitteln keinen Erfolg verspricht oder eine alsbaldige Vollstreckung unbedingt geboten erscheint.
7. Der Verfahrenswert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.
8. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern des Kindes ... . Den Eltern des Kindes steht die elterliche Sorge gemeinsam zu. Die Eltern leben nicht nur vorübergehend getrennt und wurden mit Beschluss des Amtsgerichts Erding vom ... (...) rechtskräftig geschieden.
2
Zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin sind am hiesigen Amtsgericht Erding bereits zahlreiche Verfahren geführt worden. Diese betrafen in der Vergangenheit beispielsweise Scheidung (...), Kindesunterhalt (...) oder elterliche Sorge. Bezüglich des letztgenannten Verfahrensgegenstandes wird derzeit unter dem Aktenzeichen ... auf Antrag des Antragstellers und Kindsvaters ein Verfahren hinsichtlich der Frage der Übertragung der Teilbereiche medizinische und schulische Angelegenheiten für das gemeinsame Kind ... geführt. Dort wird zeitnah ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden.
3
Der Antragsteller beantragt in dem hiesigen Verfahren, seinen künftigen Umgang mit dem gemeinsamen Kind ... verbindlich zu regeln, um eine verlässliche Planungsgrundlage zu schaffen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die entsprechende Schriftsätze der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, insbesondere auf den verfahrenseinleitenden Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers vom 09.10.2023 verwiesen. Seitens der Antragsgegnerin wurde kein konkreter Antrag gestellt.
4
Im Rahmen der Anhörung am 06.11.2023 verständigten sich die Beteiligten auf den Abschluss eines Zwischenvergleichs zur Regelung des Umgangs des Antragstellers mit dem gemeinsamen Kind ... . Darin wurde unter anderem vereinbart, dass der Antragsteller bis zum Abschluss des hiesigen Hauptsacheverfahrens regelmäßigen Umgang ausüben kann, wobei noch keine konkreten Termine festgelegt wurden. Eine konkrete Festlegung von Umgangszeiten erfolgte jedoch erst mit Zwischenvereinbarung vom 03.06.2024. Darin einigten sich die Beteiligten unter anderem darauf, dass der Antragsteller jeden Freitag nach dem Ende der Schule bis 15:30 Uhr einen persönlichen Umgang mit dem gemeinsamen Kind ausüben wird. Hinsichtlich der Einzelheiten wird vollumfänglich auf den Anhörungsvermerk vom 03.06.2024 verwiesen und Bezug genommen. Zur Sicherung der Umgangsvereinbarung wurde mit Beschluss vom 15.07.2024 eine Umgangspflegschaft eingerichtet und ... zur Umgangspflegerin bestellt. Dieser Umgangsvergleich wurde durch das Gericht nach Maßgabe von § 156 Abs. 2 FamFG gebilligt. Nachdem diese Umgangsvereinbarung zunächst durchaus in Teilen umgesetzt werden konnte, kam es ab November 2024 zu massiven Problemen. So wurde seitens der Kindsmutter und Antragsgegnerin mehrfach die Herausgabe des Kindes verweigert, dies mit der Begründung, dass das Kind krank oder nicht willens sei, einen Umgang mit seinem Vater auszuüben. In einem Fall wurde von der Antragsgegnerin sogar mit dem gemeinsamen Kind eine Polizeidienststelle aufgesucht, in einem anderen Fall versuchten die Großeltern mütterlicherseits einen Umgang zu verhindern. Mittlerweile liegen dem Gericht von Seiten des Antragstellers drei Ordnungsgeldanträge hinsichtlich insgesamt fünf Vorfällen eines Verstoßes gegen die oben genannte Umgangsvereinbarung vor, die wegen einer der Antragsgegnerseite gewährten Fristverlängerung bislang noch nicht verbeschieden werden konnten. Hinsichtlich des Verlaufs der Umgänge wird auf die Berichte der Umgangspflegerin vom 19.09.2024, 03.11.2024 und vom 06.12.2024 sowie auf das schriftsätzliche Vorbringen des Antragstellers und der Antragsgegnerin verwiesen und Bezug genommen. Hinsichtlich der Ordnungsgeldanträge wird vollumfänglich auf die eingereichten Anträge sowie das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten verwiesen und Bezug genommen.
5
Das Gericht hat die Eltern mehrfach persönlich angehört, § 160 FamFG. Das Gericht hat außerdem das Jugendamt mehrfach angehört, § 162 FamFG. Auf die Anhörungsvermerke vom 06.11.2023, 03.06.2024 und vom 18.11.2024 wird im Übrigen verwiesen und vollumfänglich Bezug genommen. Das Gericht hat das Kind zweimal persönlich angehört, § 159 FamFG. Auf die Anhörungsvermerke vom 20.10.2023 und vom 05.12.2024 wird verwiesen und vollumfänglich Bezug genommen. Das Gericht hat zudem einen Verfahrensbeistand für das Kind bestellt, § 158 FamFG. Im Übrigen wird auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten und des Jugendamtes samt Anlagen Bezug genommen.
6
Überdies hat das Gericht mit Beweisbeschluss vom 28.11.2023 ein Sachverständigengutachten darüber, welche Art und welcher zeitliche und räumliche Umfang der Ausübung des Umgangsrechts des Antragstellers mit dem gemeinsamen Kind dem Wohl des Kindes am besten entspricht, in Auftrag gegeben. Mit der Erstattung des Gutachtens wurde betraut. Das finale Gutachten wurde ... sodann am 30.09.2024 schriftlich erstattet und dem Gericht zugeleitet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Sachverständigengutachten vom 30.09.2024 vollumfänglich verwiesen und Bezug genommen.
II.
7
Der zulässige Antrag des Antragstellers auf Regelung des Umgangs des gemeinsamen Kindes ... mit dem Antragsteller ist größtenteils begründet.
8
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist das angerufene Gericht sachlich und örtlich zuständig, §§ 23a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2, 23b GVG, 111 Nr. 2, 151 Nr. 2, 152 Abs. 2 FamFG.
9
2. Die Entscheidung zur Regelung des Umgangs beruht auf § 1684 Abs. 3 BGB.
10
Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt, § 1684 Abs. 1 BGB. Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen, § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB. Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln, § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB.
11
Bei der Entscheidung hat sich das angerufene Gericht in weiten Teilen an den Vorstellungen der Beteiligten orientiert. Diese waren im Rahmen der Anhörung am 18.11.2024 eingehend thematisiert worden. Eine einvernehmliche Regelung scheiterte damals wegen der Uneinigkeit hinsichtlich der Vereinbarung einer Regelung zur Nachholung des Umgangs.
12
Das Gericht stützt sich hierbei maßgeblich auch auf die Feststellungen der Sachverständigen in ihrem Gutachten vom 30.09.2024. Demnach halte das Kind ... eine positive Beziehungsqualität zu beiden Eltern aufrecht und wünsche sich und profitiere auf psychologischer Sicht von regelmäßigen und erweiterten Umgangskontakten mit dem Antragsteller und Kindsvater. Seitens der Sachverständigen wird ausdrücklich ein Residenzmodell, in dem der Antragsteller das Kind alle vierzehn Tage von Freitag bis Montag betreut und einen zusätzlichen Tag mit Übernachtung in der wochenendumgangsfreien Woche Umgang ausübt. Zudem plädiert die Sachverständige für eine hälftige Aufteilung der Ferienzeiten und die Einrichtung eines Umgangspflegschaft.
13
Der festgelegte Umgang entspricht auch dem Wohl und dem Willen des Kindes. Zwar äußerte ... im Rahmen der Anhörung am 05.12.2024, seinen Vater auf keinen Fall mehr sehen zu wollen, diese Äußerungen stellen nach Ansicht des Gerichts aber keineswegs die Manifestation eines zielgerichtet, stabil, intensiv, autonom und in nachvollziehbarer Art und Weise geäußerten Kindeswillens ist. Der Kindeswille muss ernsthaft sein und auf subjektiv beachtlichen oder verständlichen Gründen basieren. Lediglich ein solcher muss Berücksichtigung finden. Ein stabiler, ernsthafter und zielgerichteter Wille setzt voraus, dass eine Willenstendenz über eine gewisse Zeit, auch unter unterschiedlichen Umständen, beibehalten wird. Intensiv ist der Wille, wenn er Ausdruck eines Herzenswunsches, d. h. dem Kind wichtig ist. Weigert sich das Kind, den anderen Elternteil zu besuchen, ist für die Bewertung maßgeblich, ob dieser Haltung ein selbständiges Urteil zugrunde liegt, das vernünftig und gewichtet ist, ob nur mehr oder weniger versteckte Forderungen des anderen Elternteils wiederholt werden oder ob offener Druck von seiner Seite eine Rolle spielt. Kennzeichnend für einen autonomen Willen ist, dass er Ausdruck der eigenen Bedürfnisse und nicht nur Reaktion auf die – gegebenenfalls auch nur vermeintlichen – Wünsche eines Elternteils ist.
14
Das Gericht davon aus, dass die zuletzt am 05.12.2024 geäußerte Haltung ... nicht Ausfluss einer eigenen autonomen Willensbildung ist, sondern auf einer bewussten und unbewussten Beeinflussung durch die Kindsmutter und Antragsgegnerin beruht. Hierbei ist besonders zu berücksichtigen, dass von der Umgangspflegerin, der Verfahrensbeiständin und der Sachverständigen geschildert wird, dass ... eine positiv geprägte Beziehung zu seinem Vater aufweist, sich auf die Kontakte mit ihm freut und die Umgangszeiten genoss. Auffällig war, dass ... – für sein Alter extrem untypisch – sehr genau über angebliche Vorfälle und Zustände, die ausschließlich das Verhältnis seiner Eltern zueinander betreffen, Bescheid zu wissen schien. Seine Äußerungen in der Anhörungen wirkten beinahe einstudiert und „abgespult“, auf keinen Fall alterstypisch. Die Angaben zu den Gründen für den Umgangsausfall divergieren sehr stark. ... selbst gab – insoweit in Widerspruch zu den Angaben seiner Mutter – an, dass er nicht krank, sondern nicht willens gewesen sei, einen Umgang auszuüben.
15
... gesamtes Verhalten macht offensichtlich, dass er sich in einem extremen Loyalitätskonflikt zwischen seinen Eltern befindet und deren unablässigen Streitigkeiten aus nächster Nähe mitverfolgen muss. Hierbei scheint er Positionen und Äußerungen, insbesondere Ängste und Vorbehalte seiner Mutter gegenüber seinem Vater vollkommen unreflektiert zu übernehmen. Es ist jedoch vorliegend nicht davon auszugehen, dass bereits eine verfestigte psychische Realität entstanden ist, deren Negierung auf Seiten des Kindes auf lange Sicht gesehen durchaus zu Ohnmachtsgefühlen und Selbstwertlabilität führen kann. Bis vor kurzem sah ... dem Umgang freudig entgegen und spielt hingebungsvoll mit seinem Vater. Dies wurde von der Umgangspflegerin deutlich und zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft geschildert. Es fügt sich überdies nahtlos ein und bestätigt die erheblichen Probleme der Eltern auf der Trennungsebene, dass ... nach seinen eigenen Angaben von seiner Mutter auch nicht zu einem Umgang ermutigt wurde, obwohl diese dazu verpflichtet gewesen wäre.
16
Aufgrund der Intensität des Elternkonflikts, der Unsicherheiten des Kindes, der zu befürchtenden respektive nicht auszuschließenden Verstöße gegen die Wohlverhaltenspflicht und die Umgangsregelung sowie der Wichtigkeit eines regelmäßigen Umgangs des Antragstellers mit seinem Kind ist die Anordnung einer Umgangspflegschaft gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 3 BGB veranlasst. Das Gericht geht derzeit nicht davon aus, dass die Pflicht nach § 1684 Abs. 2 BGB nun aufgrund dieser zu befolgenden gerichtlichen Entscheidung durch beide Elternteile nicht mehr dauerhaft oder wiederholt erheblich verletzt werden wird, wozu auch die konkrete Regelung des Umgangs in diesem Beschluss und der Hinweis auf mögliche Ordnungsmittel für jeden Fall der zu vertretenden Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Regelung des Umgangsrechts dienen soll. Es ist vielmehr aufgrund der genannten Gründe zu erwarten, dass aufgrund der mangelnden Kommunikationsbereitschaft und Kooperationsfähigkeit bei Übergaben regelmäßige heftige Auseinandersetzungen auch im Beisein des Kindes entstehen, die dieses massiv belasten und somit sein Wohl nachhaltig beeinträchtigen. Die Befristung der Umgangspflegschaft beruht auf § 1684 Abs. 3 S. 5  BGB.
17
Die Beteiligten haben im Übrigen jegliche Beeinflussung des Kindes und alle anderen Verhaltensweisen zu unterlassen, welche die Erziehung erschweren oder das Verhältnis des Kindes zu dem Sorgeberechtigten bzw. Umgangsberechtigten beeinträchtigen. Das bewilligte Umgangsrecht berücksichtigt ausreichend die Interessen des umgangsberechtigten Elternteils, greift aber in die Rechte des anderen Elternteils nur in vertretbarer Weise ein und entspricht dem Wohle des Kindes (§ 1684 BGB).
18
Die Regelung für Krankheitsfälle soll sicherstellen, dass bei Entfallen eines Umgangskontakts aus einem berechtigten Grund der Antragsgegner einen Beleg für den Grund erhält und den Umgang mit dem Kind exakt eine Woche später nachholen kann.
III.
19
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG.
20
Der Hinweis auf die Vollstreckung durch Anordnung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft beruht auf §§ 89, 90 FamFG.
21
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 45 FamGKG.