Titel:
Unterhaltsanspruch für Berufsausbildung trotz Studienwechsel
Schlagworte:
Unterhaltsanspruch, Ausbildungsunterhalt, Studiengebühren, Leistungsfähigkeit, Studienwechsel, Wohnbedarf, Schonvermögen
Vorinstanz:
AG München, Endbeschluss vom 19.09.2024 – 563 F 564/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 46948
Entscheidungsgründe
1
Die zulässige Beschwerde hat nach Aktenlage ganz überwiegend keine Aussicht auf Erfolg.
2
1. Der Anspruch der Antragsgegnerin folgt aus § 1601, § 1610 Abs. 1, Abs. 2 BGB. Danach hat die Antragsgegnerin Anspruch auf angemessenen Unterhalt für den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten für eine angemessene Ausbildung zu einem Beruf. Ein Ausbildungsanspruch kann dabei für die gesamte Ausbildungsdauer nur entweder bejaht oder verneint werden (BGH FamRZ 1998, 671).
3
Geschuldet wird die den Eltern wirtschaftlich zumutbare Finanzierung einer optimalen begabungsbezogenen Berufsausbildung ihres Kindes, die dessen Neigungen gerecht wird, ohne dass sämtliche Neigungen und Wünsche berücksichtigt werden müssen, insbesondere nicht solche, die sich nur als flüchtig oder vorübergehend erweisen oder mit den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes oder den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern nicht zu vereinbaren sind (BGH FamRZ 2006, 1100). Zur Darlegung der sachlichen Berechtigung gehört auch, dass der gewählte Studiengang nicht auch an einer staatlichen Universität oder anderen Ausbildungsstätte mit geringeren Kosten verwirklicht werden kann (OLG Düsseldorf Beschl. v. 26.7.2013 – II-3 WF 149/13, BeckRS 2014, 7380).
4
1.1 Die Antragsgegnerin hat (in dem Schriftsatz vom 08.02.2024) begründet dargelegt, dass das gewählte Studium nicht nur Kenntnisse im Design, sondern auch in Betriebswirtschaftslehre, Marketing und Management vermittelt, und in dieser Kombination einzigartig in Deutschland sei. Es ist nachvollziehbar und zu billigen, eine Ausbildung zu wählen, die das Mode- und Designstudium mit betriebswirtschaftlichen Aspekten kombiniert, da dies der späteren Bedarfsdeckung der Antragsgegnerin dient, von der auch der Antragsteller profitiert. Die Antragsgegnerin hat Erkundigungen bei vergleichbaren Anbietern eingeholt und substantiiert dargelegt, dass es kein vergleichbares Studium mit geringeren Kosten gibt. Insbesondere ist die Antragsgegnerin nicht auf eine Fachhochschulausbildung zu verweisen, da sie die Voraussetzungen der allgemeinen Hochschulreife hat. Damit ist die Antragsgegnerin ihrer Darlegungslast nachgekommen. Der Antragsteller hat den Vortrag nicht qualifiziert bestritten.
5
1.2 Die Antragsgegnerin hat sich dem Studium ernsthaft gewidmet. Sie studiert seit März 2022. Aus der Leistungsbescheinigung der Akademie (Anl. 10 zur Beschwerdeerwiderung) ergibt sich, dass sie laufend zwischen fünf und sieben Kurse je Fachsemester besucht hat und in fünf von sieben Fachsemestern 148 von 210 nötigen Credits erworben hat. Es wurde kein Kurs mit „nicht bestanden“ oder „nicht erbracht“ beendet.
6
2. Der Studienwechsel der Antragsgegnerin lässt den Anspruch nicht entfallen. Jedem jungen Menschen ist grundsätzlich zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Dabei wird ein Ausbildungswechsel um so eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet (BGH NJW 2001, 2170, 2173). Dem Bedürftigen ist eine Orientierungsphase allenfalls in den ersten drei Semestern zuzugestehen (BGH FamRZ 1997, 470).
7
2.1 Der Wechsel der Antragsgegnerin von dem Studium der Psychologie, das sie am 10.01.2021 aufgenommen hat, zu dem derzeitigen Studium erfolgte im März 2022. Die Antragsgegnerin hat lediglich ein Semester zur Orientierung benötigt. Dies ist grundsätzlich anzuerkennen.
8
2.2 Daran ändert im Ergebnis auch die Tatsache nichts, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller von dem Studienwechsel nicht vorab informiert hat. Die Belange des Unterhaltsverpflichteten erfordern es grundsätzlich, dass das Kind sich über seine geänderten Ausbildungspläne mit dem Unterhaltspflichtigen als Ausfluss des Gegenseitigkeitsprinzips zu verständigen versucht (BGH NJW 2001, 2170, 2173). Das hat die Antragsgegnerin nicht getan. Der Verstoß gegen das Gegenseitigkeitsprinzip wiegt aber nicht so schwer, dass er zu einem Entfallen der Anerkennung des Studienwechsels führen würde.
9
3. Das Eigeneinkommen der Antragsgegnerin ist mit Ausnahme des Praxissemesters in voller Höhe überobligatorisch. Einen Studenten, der sich – auch im Interesse des Unterhaltspflichtigen – mit ganzer Kraft und Fleiß dem Studium widmen soll – trifft neben dem Studium in der Regel keine Erwerbsobliegenheit. Dies gilt auch für die Semesterferien, soweit die zur Verfügung stehende Zeit ohnehin nicht bereits durch Studienarbeiten ausgeschöpft ist (BGH NJW 1995, 1215).
10
3.1 Dies gilt für die Antragsgegnerin auch in Anbetracht der Tatsache, dass sie seit Mitte 2022 zwischen 500 und 1.000 Euro monatlich neben dem Studium verdient hat und das Studium auch im Hinblick auf die Praxisorientierung und Zuverdienstmöglichkeiten gewählt hat (siehe Vortrag Bl. 4 des Schriftsatzes vom 08.02.2024). Die Frage der Anrechnung eigenen Einkommens kann nicht deshalb anders beurteilt werden, weil die Antragsgegnerin davon ausging bzw. in Anbetracht der Weigerung des Antragstellers, die Studiengebühren zu übernehmen, davon ausgehen musste, dass sie die Studiengebühren selbst erwirtschaften muss. Es ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Auf die Darlegung der einzelnen Monatsverdienste der Antragsgegnerin kommt es damit nicht an.
11
3.2 Die Einkünfte, die die Antragsgegnerin während des Praktikumssemesters ab September 2023 bis Januar 2024 in Höhe von 1.000 € erzielt hat, sind grundsätzlich ebenfalls als Teil der während des Studiums erzielten Einkünfte überobligatorisch. Der Senat ist der Auffassung, dass die Antragsgegnerin in den Monaten, in denen sie zusammenhängend über mehrere Monate nach dem vorgesehenen Studienplan ausschließlich in der Praxis tätig ist, jedoch darauf verwiesen werden kann, die Hälfte ihres Einkommens zur Bedarfsdeckung heranzuziehen.
12
4. Der angemessene Unterhaltsbedarf des studierenden Kindes beträgt 2025 nach der Düsseldorfer Tabelle, IV., 990 € bei 440 € Wohnkosten. Der Bedarf wird durch das Kindergeld in Höhe von 250 € gedeckt.
13
4.1 Die Antragsgegnerin kann angesichts der Fahrtstrecke nicht darauf verwiesen werden, von dem Wohnort der Mutter in Teisendorf zum Studium in München zu pendeln. Zwar sind Eltern gemäß § 1612 Abs. 2 BGB grundsätzlich berechtigt, gegenüber ihrem unverheirateten Kind zu bestimmen, auf welche Art und Weise der Unterhalt gewährt wird. Damit ist grundsätzlich auch die Möglichkeit eröffnet, dem Kind einen Wohnort zuzuweisen, bei dem der Wohnbedarf als Naturalunterhalt gewährt wird. Bei dieser Bestimmung haben sie jedoch auf die Interessen des Kindes Rücksicht zu nehmen. Dazu gehört insbesondere, dass das Kind in die Lage versetzt werden muss, die von ihm gewählte Berufsausbildung erfolgreich abschließen zu können.
14
4.2 Die Antragsgegnerin hat eine einfache Reisezeit von Teisendorf nach München von 1:36 h mit dem Auto als kürzeste Reisezeit dargelegt. Eine solche Reisezeit zum Studienort ist einem Studierenden bereits nicht zuzumuten, so dass es auf die Frage eines zusätzlichen Bedarfs eines PKW nicht ankommt. Zu berücksichtigen ist, dass Studenten neben dem Besuch von Lehrveranstaltungen den Studienstoff in Eigenarbeit erarbeiten müssen. Letztendlich würde die Antragstellerin täglich über drei Stunden verlieren, die ihr nicht für ihr Studium zur Verfügung stünden. Es bestünde dann die Gefahr, dass sie ihrer Verpflichtung, das Studium während der Regelstudienzeit erfolgreich zu beenden, nicht nachkommen könnte (so auch OLG Celle FamRZ 2001, 116).
15
4.3 Die Wohnkosten von 654 € sind anzuerkennen. Als objektivierter Vergleichsmaßstab können – wie es die Unterhaltsrechtsreform 2024 vorgesehen hatte – die Wohngeldsätze nach dem WoGG herangezogen werden, die in der für München gültigen Stufe VII. bei 633 € liegen.
16
5. Der Unterhaltsbedarf liegt daher 2025 bei (990 € – 250 € + (654 € – 440 €)) 954 €, nach der Düsseldorfer Tabelle für 2023 und 2024 bei (930 € – 250 € + (654 € – 410 €)) 924 € sowie 2022 bei (860 € – 219 € + (654 € – 375 €) 920 €.
17
6. Die Antragsgegnerin ist nicht gehalten, Vermögen zur Bedarfsdeckung einzusetzen. Die Höhe des Schonvermögens, unter dem der Berechtigte sich nicht nach § 1602 Abs. 2 BGB aus seinem Vermögen selbst unterhalten muss, wird der Höhe nach unter Heranziehung des sozialhilferechtlichen Schonbetrags angesetzt (BGH NJW 2006, 2037 Rn. 26). Dieser beträgt nach § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuchs 10.000,00 Euro.
18
Die Antragsgegnerin hat durch Schriftsatz vom 08.02.2024 ein Vermögen von 2.813,10 € beauskunftet und belegt durch zwei Depotauszüge und einen Kontoauszug. Der Betrag liegt trotz möglicher Schwankungen weit im Schonvermögen.
19
7. Den Eltern ist grundsätzlich zuzumuten, die anfallenden Studiengebühren von 725,00 € als Mehrbedarf neben dem Basisbedarf zu bezahlen. Studiengebühren, die von einigen Hochschulen – vor allem von privaten – erhoben werden, sind nicht als Sonderbedarf, sondern als unterhaltsrechtlicher Mehrbedarf zu behandeln, da sie vorhersehbar sind (OLG Brandenburg FamRZ 2014, 847). Wer einen über den Normalbedarf hinausgehenden Mehrbedarf geltend macht, muss im Einzelnen darlegen und im Falle des Bestreitens beweisen, dass die kostenverursachende Maßnahme sachlich gerechtfertigt ist und die sich ergebenden Mehrkosten angemessen sowie dem Unterhaltsverpflichteten nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen wirtschaftlich zumutbar sind (vgl. hierzu Wendl/Dose/Klinkhammer § 2, Rn. 532 f). Der Unterhaltspflichtige muss sich folglich nur an einem berechtigten Mehrbedarf beteiligen.
20
7.1 Zur Angemessenheit gehört auch, dass die Finanzierung den Eltern angesichts deren Nettogehalts zumutbar ist. Selbst Eltern in wirtschaftlich beengten Verhältnissen sind allerdings grundsätzlich ebenfalls zur Finanzierung einer auch aufwändigen Ausbildung verpflichtet, wenn sie den Fähigkeiten des Kindes entspricht (Wendl/Dose/Klinkhammer § 2 Rn. 73).
21
7.2 Es ist auf die Einkommensverhältnisse der Eltern abzustellen.
22
a) Auszugehen ist von dem Nettoeinkommen des Antragstellers von 6.738,26 Euro.
23
b) Zutreffend hat der angegriffene Beschluss die Zahlungen des Antragstellers zur Tilgung des Darlehens der im Alleineigentum der Ehefrau des Antragstellers stehenden Immobilie in Höhe von derzeit 2.644,05 € monatlich nicht von seinem unterhaltsrelevanten Einkommen in Abzug gebracht. Der Antragsteller überwies insgesamt bis Juni 2023 an seine Ehefrau einen monatlichen Betrag in Höhe von 3.300,00 € und ab Juli 2023 einen Betrag in Höhe von 3.100,00 €.
24
c) Der Bundesgerichtshof lässt in ständiger Rechtsprechung zu, dass der Unterhaltsverpflichtete und gleichermaßen der Unterhaltsberechtigte neben der gesetzlichen Rentenversicherung in angemessenem Umfang zusätzlichen Vorsorgeaufwand betreiben (BGH FamRZ 2020, 21). Der BGH nimmt dabei Bezug auf die steuerliche Förderung der sog. „Riester-Rente“ und den darin geregelten Höchstförderungssatz von 4 % des Gesamtbruttoeinkommens bis zur Beitragsbemessungsgrenze und 22,6 % bzw. aktuell 23 % (SüdL 10.1) darüber hinaus (BGH FamRZ 2020, 21 Rn. 35). Das kann dann auch durch die Rückführung eines Kredits geschehen, wenn das Familienheim erworben wird und der Verpflichtete damit Wohnkosten sparen wird, wenn er die Kreditverpflichtungen (und zwar sowohl Zins- als auch Tilgungsanteile) zurückgeführt haben wird (BGH FamRZ 2005, 1817). Die Altersvorsorge muss tatsächlich geleistet werden und eine vermögensbildende Investition des Verpflichteten oder Berechtigten sein; fiktive Abzüge kommen insoweit nicht in Betracht (BGH FamRZ 2003, 860).
25
d) Die Zahlung des Antragstellers stellt einen Vermögenstransfer im Rahmen des Familienunterhalts auf seine Ehefrau dar, der sich nicht auf die Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind auswirkt. Es handelt sich nicht um eine Mehrung des eigenen Vermögens, sondern um eine – im Verhältnis zur Antragsgegnerin nicht unterhaltsrelevante – Zahlung an einen Dritten.
26
aa) Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Antragsteller die Darlehensverträge zur Finanzierung der Immobilie, die im Alleineigenturn seiner Ehefrau steht, mitunterzeichnet hat. Vorrangig ist, in welchem Verhältnis die Beteiligten die Darlehensschulden im Innenverhältnis zu tragen haben. Nach § 426 Abs. 1 S. 1 BGB haften Gesamtschuldner zu gleichen Anteilen, wenn nicht ein anderes bestimmt ist. Eine abweichende Bestimmung kann sich aus dem Gesetz, einer Vereinbarung, dem Inhalt und Zweck des Rechtsverhältnisses oder der Natur der Sache, mithin aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens ergeben (BGH FamRZ 2015, 1272 Rn. 16). Hinsichtlich der von den Ehegatten im Innenverhältnis zu tragenden Quoten ist auf das Eigentum an dem finanzierten Grundstück zu verweisen, wenn sich nicht aus einer Vereinbarung oder besonderen Umständen des Falles etwas anderes ergibt (BGH FamRZ 2015, 1272 Rn. 17). Soweit sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft Überlagerungen ergeben, gebietet dies keine von der Eigentümerstellung abweichende vermögensrechtliche Zuordnung der gesamtschuldnerischen Verbindlichkeit im Innenverhältnis der Ehegatten.
27
bb) Eine familienrechtliche Überlagerung kann nur eingreifen, soweit die eheliche Lebensgemeinschaft und die mit ihr verknüpften Rechtsfolgen konkrete Auswirkungen hinsichtlich der zu zahlenden Raten haben. So liegt in der Leistung von Darlehensraten in der Regel ein Beitrag zum Familienunterhalt nach § 1360 BGB, der eine Rückforderung nach § 1360 b BGB ausschließt. Soweit es sich – hinsichtlich der Tilgungsanteile – um eine im Rahmen des Unterhalts grundsätzlich nicht geschuldete Vermögensbildung handeln sollte, ändert dies nichts daran, dass es auch insoweit um in der ehelichen Lebensgemeinschaft wurzelnde Leistungen geht. Diese wirken sich bei gesetzlichem Güterstand als ehebezogene Zuwendungen in der Regel nur im Zugewinnausgleich aus und unterliegen daneben keinem gesonderten Ausgleich (BGH FamRZ 2020, 231). Es gehört nicht zu den Zwecken des Ehegattenunterhalts, und damit auch des Familienunterhalts, dem Unterhaltsberechtigten die Bildung von Vermögen zu ermöglichen (BGH NJW 1998, 753 (754)).
28
cc) Die laufende Zahlung verfolgt somit keinen unterhaltsrechtlich billigenswerten Zweck. Sie kann daher nicht dazu führen, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes geschmälert wird. Sie ist daher weder als eigene Altersvorsorge des Antragstellers, noch im Übrigen bezüglich des verfahrensgegenständlichen Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin gegen den Antragsteller aus Billigkeitserwägungen anzuerkennen. Der Antragsteller ist im gesetzlichen Güterstand mit seiner Ehefrau verheiratet. Über den Zugewinnausgleich neutralisiert sich die Zahlung, wenn die Ehe endet. Der Antragsteller könnte sich direkt Vermögen für das Alter bilden, was er mit der Zahlung gerade nicht tut. Vielmehr läuft er Gefahr, dass die Ehefrau ihr Vermögen im Übrigen abschmilzt. Unterschiede in der Altersvorsorge würden im Fall der Scheidung über den Versorgungsausgleich ausgeglichen. Vor diesem Hintergrund ist die Zahlung auch nicht als Altersvorsorge zugunsten der Ehefrau berücksichtigungswürdig.
29
dd) Eine Berücksichtigung kann allenfalls insoweit erfolgen, als der Antragsteller mit der Zahlung seinen Wohnvorteil sichert. Der Antragsteller wohnt mietfrei bei seiner Ehefrau und hat einen entsprechenden Wohnwert. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 18.01.2017 – XII ZB 118/16 (NJW 2017, 1169) zum Elternunterhalt festgelegt, dass neben den Zinsen die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abzuziehen seien, ohne dass dies seine Befugnis zur Bildung eines zusätzlichen Altersvorsorgevermögens schmälere. In den Entscheidungen BGH NJW 2018, 2638 und BGH NZFam 2022, 208 legt er diese Grundsätze auch für den nachehelichen Unterhalt zugrunde. In der Folge dieser Rechtsprechung sind vom Wohnvorteil grundsätzlich nicht nur die Zinsbelastung, sondern auch die Tilgungen in voller Höhe abzuziehen. Die Entscheidungen betreffen jedoch Konstellationen, in denen der Unterhaltsverpflichtete Eigentümer der Wohnimmobilie ist. Für die vorliegende Konstellation des Alleineigentums des Unterhaltsbedürftigen ist nach der vor 2017 ergangenen Rechtsprechung an sich jedoch nur der Zins abzugsfähig (BGH FamRZ 1998, 87). Ob dies im Lichte der Rechtsprechungsänderung Bestand hat, wird von der Literatur diskutiert (Borth FamRZ 2019, 160, 161 f.; Born UnterhaltsR-HdB/B. Heiß/H. Heiß 3. Kap. Rn. 744). Nachdem der angegriffene Beschluss keinen Wohnwert berücksichtigt, kommt es hier auf diese Frage jedoch nicht an.
30
e) Was die von dem Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung geltend gemachten Abzüge für Kranken- und Pflegeversicherung unter Berücksichtigung der Arbeitgeberzuschüsse betrifft, führt dies nicht zu einer Schmälerung des bereinigten Einkommens des Antragstellers, sondern zu einer Erhöhung, außer im Jahr 2024 in Höhe von 17,99 €: Grundsätzlich ist eine Zahlung nur für den Antragsteller (und nicht für …) anzuerkennen. Der angegriffene Beschluss berücksichtigt für 2022 Abzüge (jeweils Krankenversicherung und Pflegeversicherung addiert) in Höhe von 161,09 €, der Antragsteller trägt lediglich 64,58 € vor. In 2023 sind lt. Beschluss 174,62 € abzuziehen, nach dem Vortrag des Antragstellers lediglich 77,72 €. Nur in 2024 werden in dem Beschluss 80,39 € abgezogen, wohingegen der Antragsteller 98,38 € vorträgt.
31
7.3 Das Einkommen der Ehefrau des Antragstellers ist durch den angegriffenen Beschluss mit einem zu geringen Betrag berücksichtigt worden. Damit reduziert sich der Betrag, den der Antragsteller seiner Ehefrau monetarisiert schuldet. Die Leistungsfähigkeit des Antragstellers erhöht sich entsprechend.
32
a) Das Einkommen der Ehefrau des Antragstellers ist insofern um die „Pauschale Finanzierung Haus“ zu bereinigen, als die Zahlung bezogen auf die Ehefrau zwar den Wohnvorteil sichert, jedoch nicht von der Ehefrau aufgebracht wird, sondern von dem Antragsteller, und damit die Zahlungen solche im Rahmen der Unterhaltspflicht sind (s.o.). Die erneute Berücksichtigung als Abzugsposten bei dem Wohnwert würde zu einer doppelten Berücksichtigung der Zahlung führen.
33
b) Die sekundären Altersvorsorgeaufwendungen der Ehefrau des Antragstellers sind auf 4 % des Bruttoeinkommens des jeweiligen Jahres (BGH NZFam 2022, 208 Rn. 36) zu begrenzen (BGH FamRZ 2012, 956).
34
7.4 Die Mutter der Antragsgegnerin hat kein den angemessenen Eigenbedarf von 1.600 € (2025) übersteigendes Einkommen, so dass der Antragsteller für den Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin alleine haftet.
35
a) Die Antragsgegnerin ist ihrer Darlegungslast für das Einkommen der Mutter nachgekommen. Darlegungs- und beweispflichtig für den jeweiligen Haftungsanteil ist das volljährige Kind, somit auch für das Einkommen des nicht in Anspruch genommenen Elternteils. Es genügt seiner Darlegungslast, wenn es das ihm zumutbare getan hat, um den Haftungsanteil des anderen Elternteils zu ermitteln (Grüneberg/von Pückler, 82. Aufl. 2023, § 1606 Rn. 20). Die Antragsgegnerin hat zu dem Einkommen ihrer Mutter den Krankengeldbezug von August 2021 bis August 2022 (Anl. 22 zu Schriftsatz vom 08.02.2024) sowie ab 01.09.2022 bis Ende 2023 Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung mit acht Wochenstunden (Anl. 29,30 zu Schriftsatz vom 08.02.2024) vorgetragen und belegt.
36
b) Die Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich nicht auf ein fiktives Einkommen des nicht in Anspruch genommenen Elternteils (Grüneberg/von Pückler, 82. Aufl. 2023, § 1606 Rn. 20; OLG Köln Beschl. v. 16.3.2011 – 14 WF 20/11, BeckRS 2012, 3601). Das volljährige Kind muss sich grundsätzlich nicht auf fiktive Einkünfte eines Elternteils verweisen lassen (Wendl/Dose/Klinkhammer, 10. Aufl. 2019, § 2 Rn. 567). Das beantragte Sachverständigengutachten ist daher bereits aus Rechtsgründen nicht zu erholen.
37
8. Es entspricht der Billigkeit, den Antragsteller zur Zahlung der Studiengebühren heranzuziehen.
38
8.1 Diese sind für sich genommen nicht gering. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Mutter der Antragsgegnerin nicht anteilig für den Unterhalt haftet, und der Antragsteller somit den Anspruch der Antragsgegnerin alleine erfüllt, ist jedoch unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, insbesondere angesichts der guten Einkommensverhältnisse des Antragstellers, eine Heranziehung zur Zahlung auch der Studiengebühren zumutbar.
39
8.2 Es handelt sich um eine Entscheidung im Einzelfall. Die insoweit ergangene Rechtsprechung steht dem gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Zwar hat das OLG Düsseldorf (Beschl. v. 26.7.2013 – II-3 WF 149/13, BeckRS 2014, 7380) die Zumutbarkeit bei Studiengebühren in annähernd der Höhe des gewöhnlichen Studienunterhalts und einem Nettoeinkommen der Eltern von je 3.000,00 Euro abgelehnt. Auch hat das OLG Köln (OLG Köln Beschl. v. 2.10.2015 – 10 WF 87/15, BeckRS 2016, 17020) die Finanzierung eines Studiums mit einem Mehrbedarf von 958,00 Euro und einem Nettoeinkommen der Unterhaltspflichtigen zwischen 3.901,00 und 4.300,00 Euro, wobei der andere Elternteil nicht leistungsfähig ist, abgelehnt. Die Fälle sind jedoch mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar. In dem Fall des OLG Düsseldorf hatte die Bedürftige die Notwendigkeit einer Privatuniversität für ihren Studiengang nicht dargelegt. In dem Fall des OLG Köln handelte es sich um Studiengebühren für ein Studium im Ausland, für das die Notwendigkeit nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht gegeben war.
40
9. Der Antragsteller schuldet monatlich Basisbedarf (siehe 6.) laufend (ab 2025) 954 €, für 2023 und 2024 910 €, 2022 920 €, sowie ab März 2022 725 € Studiengebühren mit Ausnahme des Zeitraums September 2023 bis Januar 2024, in denen die Antragsgegnerin ihren Bedarf zusätzlich in Höhe von 500 € gedeckt hat (siehe 4.2).
41
Die Leistungsfähigkeit des Antragstellers ist in Relation zu den diesbezüglichen Ausführungen des angegriffenen Beschlusses in erster Linie wegen des – in Abhängigkeit von der Höhe des Wohnwerts – weitgehenden Entfallens der Unterhaltsverpflichtung gegenüber seiner Ehefrau in größerem Maße gegeben: Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass das Einkommen des Antragstellers, was die Abzüge von Kranken- und Pflegeversicherung betrifft, marginal abweichend zu bemessen ist. Die Höhe der Unterhaltsverpflichtung für den Sohn T. wird dadurch nicht tangiert. Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Ehefrau des Antragstellers ist wesentlich geringer, als der angegriffene Beschluss ausführt. Sie deckt ihren Bedarf nach Aktenlage annähernd selbst.
42
10. Im Ergebnis ergeben sich folgende Unterhaltsansprüche:
- -
-
2022 (01.04.2022 bis 31.12.2022) in Höhe von 9 × (920 € + 725 €) = 14.805 € abzüglich des im April geleisteten Unterhalts von 457 €, somit in Höhe von 14.348 €
- -
-
2023 12 × (924 € + 725 €) – (4 × 500 €), somit in Höhe von 17.788 €
- -
-
2024 8 × (924 € + 725 €) – 500 €, somit in Höhe von 12.692 €.
43
Ab 01.09.2024 ist laufender Unterhalt in Höhe von 1.649 €, ab 01.01.2025 ein solcher in Höhe von 1.679 € geschuldet.
44
11. Die Beschwerde ist daher im Ergebnis ganz weitgehend nicht begründet. Eine Erfolgsaussicht besteht nur im geringfügigen Umfang hinsichtlich der Rückständ für die Jahre 2022 und 2024 (in Höhe von 142 € bzw. 780 €) sowie hinsichtlich des laufenden Unterhalts in Höhe von wenigen Euros monatlich.
45
Im Hinblick auf die mit einer Beschwerdeentscheidung einhergehenden zusätzlichen Gerichtskosten in Höhe von zwei Gerichtsgebühren, die bei einer Beschwerderücknahme erspart werden könnten, regt daher der Senat an, eine Rücknahme der Beschwerde zu erwägen.
46
Die Beteiligten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zu diesem Hinweisbeschluss binnen 3 Wochen ab Zustellung.
47
Der Antragsteller wird um Äußerung in selbiger Frist gebeten, ob er an seiner – ganz überwiegend nicht aussichtsreichen – Beschwerde festhält.
48
Der Senat beabsichtigt, nach Fristablauf ohne erneute mündliche Verhandlung im Bürowege über die Beschwerde zu entscheiden (§ 68 Abs. 3 S. 2, § 117 Abs. 3 FamFG).