Inhalt

LG Memmingen, Beschluss v. 11.11.2024 – StVK 280/17
Titel:

Terminsverlegung, Mündliche Anhörung, Therapiebereitschaft, Einstweilige Unterbringung, Gefahrenprognose, Gefährliche Körperverletzung, Persönliche Anhörung, Strafvollstreckungskammer, Straftaten von erheblicher Bedeutung, Sozialprognose, Gefährlicher Eingriff, Prognosegutachten, Besonderes öffentliches Interesse, Freiheitsstrafe, Legalprognose, Fortdauerentscheidung, Erhebliche Straftat, Gutachterliche Stellungnahme, Maßregelanordnung, Prüfungsfrist

Schlagworte:
Gefährlichkeitsprognose, Therapieresistenz, Kriminalprognose, Zwangsmedikation, Verhältnismäßigkeit, Anhörungsverzicht
Vorinstanz:
LG München II, Urteil vom 15.03.2012 – 1 JKLs 22 Js 1640/10
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 14.03.2025 – 6 Ws 216/24
OLG München, Beschluss vom 03.04.2025 – 6 Ws 216/24
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 22.05.2025 – 2 BvR 726/25
Weiterführende Hinweise:
Rechtskräftig mit Ablauf des 14.03.2025.
Fundstelle:
BeckRS 2024, 46916

Tenor

1. Die Fortdauer der mit Urteil des Landgerichts München II vom 15.03.2012 (Az. 1 JKLs 22 Js 1640/10) angeordneten Unterbringung des Ralf B in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
2. Die Frist zur erneuten Überprüfung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus endet am 20.08.2025.

Gründe

I.
1
Mit dem im Beschlusstenor bezeichneten, seit dem 02.08.2012 rechtskräftigen Urteil wurde die Unterbringung des Ralf B in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
2
Zu den Taten, die Anlass für die Verurteilung und die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus waren, traf das Landgericht München II im Urteil vom 15.03.2012 die folgenden Feststellungen:
1. Am 23.12.2009 gegen 17.45 Uhr hielt sich der Beschuldigte am B.-platz in ... Starnberg auf. Er führte ein Tierabwehrpfefferspray sowie ein Reizstoffsprühgerät in Form einer kleinen Pistole (Größe: 9 cm) mit sich. Zur selben Zeit hielt sich der am xx.07.1996 geborene F. R. am B.-platz auf. Der Beschuldigte forderte F. R. auf, seine Baseballkappe abzunehmen. Als F. R. dieser Aufforderung nicht nachkam, versuchte der Beschuldigte, F. R. die Kappe vom Kopf zu nehmen. Als F. R. die Hand des Beschuldigten abwehrte, schlug dieser ihm mit der flachen rechten Hand auf die linke Wange. Anschließend holte er das Reizstoffsprühgerät in Form einer kleinen Pistole aus seiner Jackentasche und zielte damit auf die Bauchregion des F. R. Dieser fühlte sich, wie vom Beschuldigten beabsichtigt, hierdurch bedroht, er wusste nicht, ob es sich um eine scharfe Schusswaffe oder eine Tränengaspistole handelte. Durch den Schlag ins Gesicht erlitt F. R. – wie vom Beschuldigten beabsichtigt – 20 Minuten lang Schmerzen.
Der Beschuldigte wurde nach dem Vorfall auf die Polizeiinspektion S. verbracht, wo ein Atemalkoholtest einen Wert von 1,96 Promille ergab.
Die Staatsanwaltschaft hielt wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
2. Am 04.04.2010 gegen 20.55 Uhr hielt sich der Beschuldigte in alkoholisiertem Zustand im Bereich der Toiletten der Gaststätte „H...“, ... München, auf. Dort fiel er Ch. S., einem Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Gaststätte, auf, da er den Beschuldigten bereits am Nachmittag desselben Tages der Gaststätte verwiesen hatte. Ch. S. forderte den Beschuldigten auf, die Gaststätte zu verlassen. Anstatt der Aufforderung nachzukommen, schlug der Beschuldigte mit seiner linken Faust in Richtung des Gesichts von Ch. S., um diesem zumindest nicht unerhebliche Schmerzen zuzufügen, traf Ch. S. aber nicht.
Strafantrag wurde von Ch. S. form- und fristgerecht am 04.04.2010 gestellt.
3. Am 15.04.2010 gegen 00.15 Uhr stieg der Beschuldigte am ...hotel, ... Erding, in das Taxi des C. S. ein und beauftragte diesen mit einer Fahrt nach Starnberg. Der Beschuldigte nahm hierbei auf dem Beifahrersitz des Taxis Platz. Bereits nach zehn Fahrminuten fragte der Beschuldigte C. S. mehrfach, wann sie endlich da seien. Auch beschwerte er sich mehrmals über die von C. S. gewählte Fahrtstrecke. Auf der Bundesautobahn A 9 in Fahrtrichtung München bei Kilometer 524.500 im Gemeindegebiet von München befuhr C. S. die mittlere Fahrspur mit einer Geschwindigkeit von ca. 120 km/h. Das Taxi hatte soeben das Autobahnkreuz München-Nord passiert und befand sich auf dem Weg zur Anschlussstelle Fröttmaning-Süd. Plötzlich und unvermittelt schrie der Beschuldigte C. S. an, warum er nicht die Ausfahrt nach Starnberg genommen habe. Gleichzeitig griff er so heftig ins Lenkrad des Taxis, dass dieses plötzlich ins Schleudern und auf die linke Fahrspur geriet. Ein auf der linken Spur schräg hinter dem Taxi fahrendes Fahrzeug musste abbremsen und ausweichen, um einen Zusammenstoß mit dem Taxi zu verhindern. Durch ein reaktionsschnelles Gegenlenken gelang es C. S., das Fahrzeug zunächst wieder auf die mittlere Fahrspur zu bringen und sodann auf dem Standstreifen anzuhalten. Nur durch Zufall und die schnelle Reaktion von C. S. kam es nicht zu einem Unfall, bei dem C. S. oder der Fahrer des ausweichenden Fahrzeugs verletzt wurden oder ein nicht unerheblicher Sachschaden an dem ausweichenden Fahrzeug entstanden wäre. Der Beschuldigte wusste, dass er durch das plötzliche In-das-Lenkrad-Greifen die Verkehrssicherheit beeinträchtigte. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte er die konkrete Gefährdung des C. S. sowie des Fahrers des ausweichenden Fahrzeugs erkennen können und müssen.
Nachdem C. S. sein Taxi auf dem Standstreifen zum Stehen gebracht hatte, verständigte er die Polizei. Diese verbrachte den Beschuldigten auf die Verkehrspolizeiinspektion Freising, wo ein um 01.45 Uhr durchgeführte Atemalkoholtest eine Konzentration von 1,31 mg/l ergab.
4. Am 06.11.2010 gegen Mittag hielt sich der Beschuldigte auf der S... in ... Starnberg auf. Da er erheblich alkoholisiert war und Passanten angepöbelte, wurde ihm durch Polizeibeamte der Polizeiinspektion S. ein Platzverweis erteilt, welchem er zunächst auch nachkam. Gegen 14.30 Uhr teilte eine Kioskpächterin der Polizei mit, dass sich der Beschuldigte wieder auf der Seepromenade aufhalte und dort Passanten anpöble. Die Polizeibeamten POM W. und POM H. nahmen daraufhin den Beschuldigten in Gewahrsam und verbrachten ihn auf die Polizeiinspektion S.,... In der Ausnüchterungszelle der Polizeiinspektion forderten die Polizeibeamten den Beschuldigten auf, seine Oberbekleidung auszuziehen. Da der Beschuldigte der Aufforderung nicht nachkam, wurde er durch POM W. und POM H. entkleidet. Dabei wurde der Beschuldigte plötzlich und unvermittelt aggressiv. Er wehrte sich aktiv die Maßnahme, um diese zu verhindern, indem er um sich schlug, weshalb POM H. ihn festhielt. Während POM W. dem Beschuldigten sein Oberhemd ausziehen wollte, gelang es diesem, sich aus den Haltegriffen von POM H. zu befreien und POM W. mit der rechten Faust einen gezielten Schlag in dessen Genitalien zu versetzen. Hierdurch erlitt POM W. – wie vom Beschuldigten beabsichtigt – nicht unerhebliche Schmerzen.
Strafantrag wurde durch POM W. am 06.11.2010 sowie durch den Leiter des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord am 22.12.2010 jeweils form- und fristgerecht gestellt.
Der Beschuldigte entschuldigte sich in der Hauptverhandlung bei POM W.
5. Am 29.04.2011 gegen 21.20 Uhr hielt sich der Beschuldigte in alkoholisiertem Zustand am Bahnhof in ... Starnberg auf. Zur selben Zeit hielten sich dort der am xx.07.1994 geborene M. B. und der am xx.05.1995 geborene M. C. zusammen mit ihrem Freund A. K, den sie vom Bahnhof abgeholt hatten, auf. Während sich M. B. einige Meter von M. C. und A. K. entfernte, um ungestört mit seinem Mobiltelefon zu telefonieren, ging der Beschuldigte auf M. C. zu, sprach diesen mit unverständlichen Worten an und berührte ihn am Oberkörper. Der Aufforderung M. C.s wegzugehen, kam der Beschuldigte nicht nach, weshalb M. C. ihn von sich wegschubste. Daraufhin schlug der Beschuldigte unvermittelt mit der rechten Faust auf den Solarplexus von M. C. Dieser erlitt hierdurch – wie vom Beschuldigten beabsichtigt – nicht unerhebliche Schmerzen. Anschließend rannte der Beschuldigte in die nahegelegene Bahnhofsunterführung davon. Im Weglaufen rief er M. C. zu, dass er ihm in den Solarplexus geschlagen habe. M. B., zwischenzeitlich auf die Situation aufmerksam geworden, lief dem Beschuldigten durch die Unterführung hinterher, holte ihn ein, tippte ihm von hinten auf die Schulter und fragte ihn, warum er M. C. geschlagen habe. Ohne zu antworten, drehte sich der Beschuldigte um und schlug M. B. mit der linken Faust ins Gesicht. Er traf den rechten Wangenknochen von M. B., wodurch dieser – wie vom Beschuldigten beabsichtigt – nicht unerhebliche Schmerzen erlitt. M. B. schlug reflexartig zurück, wobei er den Beschuldigten im Gesicht traf. Der Beschuldigte holte mit seiner rechten Hand, in welcher er eine Bierflasche hielt, aus und schlug mit der Flasche in Richtung des Kopfes von M. B., um diesen erheblich zu verletzen. M. B. konnte den Schlag mit dem linken Arm abwehren. Daraufhin versetzte der Beschuldigte. M. B. einen zweiten Faustschlag ins Gesicht, wo er dessen linke Wange traf. Hierdurch erlitt M. B. – wie vom Beschuldigten beabsichtigt – nicht unerhebliche Schmerzen. M. B. schlug wiederum zurück, wobei er den Beschuldigten im Gesicht traf. Mehrere herbeigeeilte Passanten trennten den Beschuldigten und M. B. Hierbei mussten sie den Beschuldigten festhalten, da dieser nochmals auf M. B. losgehen wollte. Der Beschuldigte schrie, dass er M. B. fertig machen würde, er könne Taekwondo.
Als der zweite Faustschlag von M. B. das Gesicht des Beschuldigten traf, ging dabei die Brille des Beschuldigten zu Bruch. Der Beschuldigte erlitt eine Schnittwunde an der linken Augenbraue. M. B. erlitt am rechten Handrücken oberhalb der Grundglieder des Ringfingers und des kleinen Fingers eine Platzwunde und die Glasscherben der Brillengläser verletzten die Sehnen des Ringfingers und des kleinen Fingers. Die Wunde wurde im Klinikum S. mit mehreren Stichen genäht, M. B. nahm zwei Wochen lang Schmerztabletten ein. Die Handaußenseite ist bis heute geschwollen, an beiden Fingern besteht bis heute eine Streckhemmung.
Die Staatsanwaltschaft hielt wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
6. Am 17.08.2011 gegen 11.15 Uhr hielt sich der Beschuldigte im Kassenbereich des T.-Supermarktes,..., ... Starnberg auf. Aufgrund eines bestehenden Hausverbots wurde er von U. B., einem Mitarbeiter des Supermarktes, aufgefordert, den Markt zu verlassen. Als der Beschuldigte dieser Aufforderung nicht nachkam, fasste U. B. den Beschuldigten am Arm, um ihn aus dem Supermarkt hinauszuschieben. Plötzlich und unvermittelt schlug der Beschuldigte mit der rechten Faust in Richtung des Gesichts und sodann mit der linken Faust in Richtung des Bauches von U. B. Der erste Schlag streifte das Jochbein von U.B., der zweite Schlag traf U. B. auf dem Bauchnabel. Hierdurch erlitt U. B. – wie vom Beschuldigten beabsichtigt – kurzzeitig nicht unerhebliche Schmerzen.
Ein um 11.38 Uhr auf der Polizeiinspektion S. durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 1,09 mg/l.
Strafantrag wurde durch U. B. am 17.08.2011 form- und fristgerecht gestellt.
3
Die vom Sachverständigen Dr. Dr. Karl-Heinz C., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, beratene Jugendkammer hat seinerzeit festgestellt, dass die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten zu allen Tatzeitpunkten aufgrund einer überdauernden krankhaften seelischen Störung in Gestalt einer paranoiden Schizophrenie im Sinne des § 20 StGB aufgehoben war.
4
Der Untergebrachte befand sich zunächst seit dem 09.09.2011 in einstweiliger Unterbringung gemäß § 126a StPO im I.-A.-Klinikum M.. Er wurde nach Rechtskraft des die Unterbringung anordnenden Urteils unter dem 16.01.2013 aus dem I.-A.-Klinikum zur Fortsetzung der Vollstreckung der Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in das Bezirkskrankenhaus S. verlegt. Am 17.10.2016 wurde der Untergebrachte aus dem BKH S. in die Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus G. aufgenommen; er befindet sich seither ununterbrochen zum Vollzug der Maßregel im BKH G..
5
Die Kammer hat zuletzt mit Beschluss vom 21.08.2023 die Fortdauer der Maßregel angeordnet. Die hiergegen durch den Untergebrachten eingelegte sofortige Beschwerde blieb erfolglos, sein Rechtsmittel wurde mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 28.09.2023 (1 Ws 498/23) als unbegründet verworfen.
6
Mit Schreiben vom 20.06.2024 nahm das Bezirkskrankenhaus G. zu den Fragen des weiteren Verlaufs der Unterbringung, des Behandlungsergebnisses und einer eventuellen Aussetzung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung gutachterlich Stellung.
7
Den weiteren Behandlungsverlauf beschrieb das Bezirkskrankenhaus im Wesentlichen wie folgt:
„Behandlungsverlauf
Im aktuellen Behandlungszeitraum fand keine Veränderung in der Therapie- und Medikamentencompliance bei Herrn B. statt. Der Patient verweigert weiterhin jegliche Behandlungsangebote. Der Therapieverlauf wird mithilfe der äußeren Beobachtung verfasst. Daraus kann entnommen werden, dass in diesem zeitlichen Abschnitt mehrere Auffälligkeiten und Regelverstöße im Verhalten des Patienten zu verzeichnen sind.“
Herr B. ist mehrmals mit unangemessenem Verhalten gegenüber Mitpatienten aufgefallen.
Im Mai 2023 kam es zu einer verbalen Auseinandersetzung mit dem Mitpatienten Herr G.-S.. Herr B. behauptete, dass Herr G.-S. seine Nudeln aus dem Kühlschrank entwendet habe, was zu abwertenden Äußerungen seitens Herr B. führte. „Du gehörst nach Straubing“, „Geh zurück, wo du hingehörst!“ Beide Kontrahenten brüllten sich daraufhin an, sodass die Pflege die Situation deeskalieren musste. Herr B. wurde zur Mäßigung gemahnt, quittierte dies aber mit frechen Aussagen gegenüber der weiblichen Pflegekraft. Um den Provokationen zu entgehen, aß Herr G.-S. danach in der Nische anstatt in der B-Küche.
Der Patient hat seine Angriffe aber nicht unterlassen. Ende Juni 2023 kam Herr B. mit seinem Essenstablett in die B-Küche, während Mitpatient Herr G.-S. essend am Tisch saß. Herr B. sagte zu ihm: „“Du hast heute Morgen ein unerlaubtes Achselshirt getragen und hast du dich heute schon gewaschen/geduscht?“. Der Mitpatient versuchte, sich gegenüber Herrn B. zu rechtfertigen. Dieser fiel ihm fortwährend ins Wort, verbat ihm jede weitere Äußerung mit folgenden Worten: „Aus! Aus! Aus!“ Dann erhob Herr G.-S. sich vom Tisch und versuchte, sich Herrn B. zu nähern, welcher ihn weiter beschimpfte. Im nächsten Augenblick schlug Herr B. unvermittelt Herrn G.-S. mit der Hand/Faust ins Gesicht. Das Opfer versuchte, sich mit Händen und Füßen zu wehren, traf dabei Herrn B. im Gesicht, sodass seine Brille unbeschädigt zu Boden fiel. Mittlerweile löste die Kollegin Alarm aus, Herr B. entfernte sich sofort aus der Küche. Er wurde bei geschlossener Tür ins KIZ geführt. Drei Tage später behauptete Herr B. wieder, dass Herr G.-S ein „Abschaum“ sei.
Am 24. Juni geriet Herr B. in Streit mit Mitpatienten Herrn L., nur durch Eingreifen des Pflegepersonals konnten die Patienten getrennt und die Situation entschärft werden. Im Klärungsgespräch gab Herr L an, dass Herr B. ihn als „Junkie und Abschaum“ bezeichne und ständig beschimpfe oder etwas unterstelle, was er nicht getan habe. Kurz danach hat Herr B. den obengenannten Mitpatienten gefragt, ob der Kaffee in der Kanne ihm gehöre und Herr L antworte „ne, meiner Mutter“, dann ging Herr B. auf den Mitpatienten aktiv zu, beleidigte und beschimpfte ihn, sagte, dass „er nach Straubing gehört“. Dann stellte Herr B. sich in die Position, in der linken Hand eine Porzellantasse und mit der rechten Hand angewinkelt in der Position um auszuholen oder abzuwehren und rief „komm doch her!“. Herr L. antworte ihm „von dir lass ich mich nicht beschimpfen“. Die beiden Kontrahenten waren 30 cm voneinander entfernt. Das Pflegepersonal musste wieder eingreifen, um die Patienten zu trennen. Der Alarm wurde ebenfalls ausgelost, Herr B. hat sich sehr schnell in sein Zimmer gezogen. Ihm wurde Zimmergebot ausgesprochen.
Im November 2023 wurde ein Patient, Unterbringung nach § 64, zu ihm ins Zimmer verlegt.
Herr B. äußerte sich diesbezüglich lautstark „was macht ein Junkie aus Kasachstan bei mir im Zimmer?!“. Er zeigte sehr deutlich, dass er den Wohnraum mit dem Zuverlegten nicht teilen wollte, so zog er aus dem Zimmer aus und schlief im Gang. Mitte Februar 2024 aß Herr B. das Essen von den Tabletts der Mitpatienten ohne sie vorher um Erlaubnis zu fragen. Er nannte die Mitpatienten mit Spitznamen, so bezeichnete er Herrn W. „Bärchen“ in der Sporttherapie. Anfang März bekam Herr B. einen neuen Zimmerkollegen, danach zeigte der Patient sich zunehmend unordentlich im Zimmer und nach der Vermutung des Mitpatienten, urinierte absichtlich auf die Klobrille. Um die Situation zu deeskalieren wurde der Zimmernachbar in ein anderes Zimmer verlegt.
Der Patient fällt negativ bei der Zimmer- und Kühlschrankkontrolle auf. Ende Mai 2023 musste ein Müllsack bei Herrn B. mit alten, verdorbenen Lebensmitteln entsorgt werden. Er beschimpfte dabei anwesendes Personal. Nächste Kontrolle, die nach 14 Tage erfolgte, lief genau gleich. Dabei wurden diverse Lebensmittel wie beispielsweise Karottensalat, Salat, abgelaufene Hauptspeise von Vortagen entsorgt. Patient war dabei weitestgehend kooperativ jedoch provokant. Am 10. Juni 2023 hat Herr B. laut Nachtdienst einen Hefeteig gemacht, aber nicht ersichtlich verarbeitet. Er wurde daraufhin angesprochen und er behauptet, keinen gemacht zu haben. Der Teig wurde aktiv vom Pflegepersonal gesucht, ohne Fund.
Herr B. verweigert immer wieder den Küchendienst. Er wird dabei sehr laut und kommt bedrohlich nahe an das Pflegepersonal, das den Küchendienst abnimmt. Herr B. spricht die Idee aus, dass die Patienten die Küche nachts extra schmutzig machen, damit er morgens mehr Arbeit hat.
Am 3. Juni 2023 erhält Herr B. einen Regelverstoß für die überfällige Abgabe des Stationslaptops. Um später die Situation zu klären, geht seine Bezugstherapeutin in Begleitung vom Stationsleiter auf ihn zu. Der Patient schreit die Therapeutin an. Sie solle sich „besser fern von ihm halten“ und sich besser mit „ihren § 64 beschäftigen“. Er habe vor, die russische und die ukrainische Botschaft anzuschreiben, um festzustellen, warum sie jetzt für ihn zuständig sei (seine Bezugstherapeutin spricht mit osteuropäischem Akzent) er habe sich doch früher für die Rechte russischer Bürgerrechtler engagiert. Die Bezugstherapeutin müsse endlich mal den deutschen Gesetzen folgen.
Am gleichen Tag möchte der Patient seinen Blutdruck gemessen bekommen. Ihm wird erklärt, dass er seine Medizin dafür nehmen sollte, da er bekanntlich Bluthochdruck hat. Dem Wunsch, die Messung durchzuführen, wird nachgegangen. Der festgestellte Wert betrug 175/100, sein Puls war 65. Ihm werden einige Effekte eines zu hohen Blutdrucks aufgezeigt, daraufhin wird der Patient laut und impulsiv. Er kläre alles mit dem Arzt und habe schon einen Brief an Fr. Prof. Dr. D. verfasst, dabei schrie er „Der Laden wird jetzt sowieso geschlossen“. Das Gespräch wurde beendet, da der Patient sich wiederholt massiv im Ton vergreift.
Herr B. verhält sich wiederholt unangemessen dem Personal gegenüber. Seinem Empfinden nach entsteht auf der Station ein „Personalschwund“. Da er einige Pflegekräfte zurzeit seltener sieht, hat er bereits manche gefragt „Leben Sie noch?“. In Bezug auf die Kollegin, die sich aktuell in Elternzeit befindet, meinte er noch, ob man nun wisse, wer denn der Vater sei?! Das Pflegepersonal hat ihn hingewiesen, dass es ihn nichts angeht und er sich nicht darum sorgen müsse. Der Patient hatte bereits früher immer über diese Kollegin Gerüchte verbreitet.
Ende August hat Herr B. zur Stationsassistentin gesagt als sie das Frühstück abgeräumt hat, „Heben Sie das jetzt dem Hr. M. auf? Sie stehen doch auf Kinder …!“ Er beschimpfte sie weiter als „eine fette Sau“.
Während der nächsten Zimmerkontrolle war Herr B. anwesend und beleidigte das Personal mehrfach.
- „Sie können nicht lesen und schreiben, weshalb sie Krankenpfleger geworden sind“ – „Sie werden gekündigt, da Sie dem Kinderfickerclan angehören“.
Der Patient fiel mehrmals damit auf, dass er sich grenzüberschreitend gegenüber seiner Bezugstherapeutin verhalten hat. Nach einem klärenden Gespräch hat er aber dieses Verhalten unterlassen.
Bei der Kühlfachkontrolle im November 2023 kamen zum wiederholten Mal verschimmelte Essensreste (Gulasch mit Soße, verdorbene Nachtische, verfaultes Obst, abgelaufene Lebensmittel) zum Vorschein. Herr B. kommentierte den Ablauf mit beleidigenden, abwertenden, lautstarken Äußerungen wie zum Beispiel: „Fr. S., Sie sind nicht berechtigt, mein Fach auszuräumen, sie werden von mir angezeigt, das ist Diebstahl. Sie haben keine abgeschlossene Berufsausbildung“. Dem Stationsleiter warf er vor, Personal zu beschäftigen, welches sich im Drogenmilieu mit Prostitution seinen Unterhalt verdient. Des Weiteren sei er verantwortlich, dass sich auf Station Drogenhändler, Kinderfi…r befänden, deshalb habe er auch mit einer Anzeige zu rechnen.
Ende Dezember 2023 wurde eine Zimmerkontrolle durchgeführt. Herr B. hatte wiedereinmal über 10 Teile Bettwäsche im Schrank. Der Fund wurde komplett herausgenommen. Das Zimmer war außerdem wieder voll mit Zeitungen und Lebensmitteln. Die verschimmelten Lebensmittel wurden entsorgt, die Zeitungen wurden in Kartonagen zusammengepackt und im Zimmer stehen gelassen. Zu dieser Zeit verhielt sich der Patient gegenüber dem Sozialdienst grenzüberschreitend, „Theresa…das ist ja eine konservative Erziehung“, und lief grinsend davon. Im Mai 2024 zeigte sich Herr B. während des Hofgangs sexuell enthemmt und sprach unangebracht mit der begleitenden Pflegekraft: „Wir gehen erst nach oben, wenn Sie hier nackt im Regen für uns tanzen“, „Der Regen ist super, wenn wir hier einen Wet-T-Shirt-Contest veranstalten würden“. Es war auch nicht möglich, den Patienten beim Einmischen in die Gespräche zwischen Personal und anderen Mitpatienten zu begrenzen.
Am 13. März 2024 wurde eine Routinekontrolle im Zimmer des Patienten durchgeführt. Herr B. fiel anfänglich auf, indem er sich ungewöhnlich ruhig verhalten hat. Er verließ das Zimmer. Dann kehrte der Patient zurück und schlug das Pflegepersonal ohne jegliche Ankündigung mit der Faust ins Gesicht. Darauffolgend trat Herr B. dem auf dem Boden Liegenden mit den Füßen in den Oberkörper. Dank der Hilfe von anwesenden Kollegen wurde der Patient vom Geschädigten auf die Seite geschoben. Herr B. wurde zuerst auf der Station 58.1 im KIZ isoliert, anschließend kam er auf die Station 58.2. Der Patient befindet sich weiterhin auf dieser Station. Eine Zwangsmedikation wurde vom Behandlungsteam beantragt. Der Antrag wurde bewilligt und am 14. Juni 2024 die erste Depotspritze, Ciatyl-Z (200 mg), verabreicht. Es wird er im weiteren Verlauf möglich sein, eine belastbare Aussage zur Wirksamkeit der Maßnahme zu treffen.
Am 14. März 2024 wurde die Zimmerkontrolle vollendet. Es wurde massive Verschmutzung festgestellt. So lagen Unmengen von alten Zeitungen, Ausschnitte aus Zeitschriften, vermengt mit Lebensmittel, auf den Regalen und in den Kartons. Herr B. ist oft dadurch in Erscheinung getreten, dass er probierte, nicht bewilligte/angemeldete Gegenstände und Geld in die Klinik einzuschleusen. Der Patient versuchte dabei, das Klinikpersonal zu täuschen.
Der Patient klagte im aktuellen Behandlungsraum oft über körperliche Beschwerden. Er hatte häufig Zahnschmerzen, Hautausschlag, Bauchschmerzen und Schmerzen im Arm. Dabei ließ er sich oft nicht untersuchen. In den Fällen, in denen er eine Untersuchung zuließ, konnten oft keine physischen Ursachen der Befindlichkeitsstörungen festgestellt werden.
Herr B. präsentierte weiterhin wahnhafte Ideen zur politischen und wirtschaftlichen Lage in der Welt. Er stellte dabei nicht nachvollziehbare Zusammenhänge zu seiner Unterbringung her. So meinte der Patient, dass seine Verlegung nach Regensburg verhindert worden sei, da sich nach der Wahl in Bayern die politische Situation verschlechtert habe. Ein Herr XY, welcher auf regionaler politischer Ebene verantwortlich sei, sei in einem Prozess angeklagt, dessen Ausgang richtungsweisend für sein Anliegen sei.
Als auf der Station die Lampen am Stationseingang ausgefallen sind, versuchte Herr B. dem Pflegepersonal wahnhafte anmutende Theorien in Zusammenhang mit der Abschaltung der Atomkraftwerke zu erläutern. Diese hatten inhaltlich keinerlei Realitätsbezug. Herr B. ließ sich nicht davon überzeugen, dass die Glühbirnen einfach durchgebrannt sein könnten.
Da Herr B. im Gespräch nicht auslenkbar war und die Pflegekraft diesen „Theorien“ nicht mehr folgen konnte, wurde das Gespräch beendet. Im weiteren Verlauf des Abends zeigte sich Herr B. sehr auf das Stationszimmer fixiert und versuchte immer wieder „Theorien und Thesen“ zu erläutern. Die Nachtzeiten verlaufen bei dem Patienten immer ruhig unauffällig. Hr. B. nimmt regelmäßig die Hofgänge wahr.
Die Beobachtungen des vergangenen Berichtszeitraums lassen erkennen, dass bislang keine Behandlungsfortschritte und keine Verbesserung der Psychopathologie herbeigeführt werden konnten. Noch immer erscheint eine medikamentöse Therapie absolut indiziert, um die schizophrene Symptomatik adäquat zu behandeln. Diese wird von Herrn B. jedoch weiterhin dezidiert abgelehnt. In diesem Zustand sind keine zielführenden Gespräche mit dem Patienten möglich und Lockerungen können nicht gewährt werden. Außerdem ist er nicht motiviert, die erste Lockerungsstufe (A1) zu beantragen. Die Befunde des forensisch toxikologischen Labors ergaben keine Hinweise auf einen Alkoholkonsum. Dysfunktionale Verhaltensmuster werden von Herrn B. weiterhin wiederholt, sodass eine intrinsische Veränderungsmotivation derzeit nicht vorliegt.
Abschließende Einschätzungen und Prognosen Bei dem oben beschriebenen Behandlungsverlauf ergaben sich im Vergleich zum letzten Behandlungsabschnitt keine wesentlichen Veränderungen. Entsprechend bestehen unsere Prognosen unverändert fort.
Behandlungsprognose incl. aktueller diagnostischer Einschätzung:
Diagnostisch bestehen bei Herrn B. eine paranoide Schizophrenie (ICD-10: F20.0) sowie eine Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung (ICD-10: F 10.21). Da diese Erkrankungen angesichts der fehlenden Krankheitseinsicht, der fehlenden Behandlungsbereitschaft sowie der fehlenden psychopharmakologischen Therapie nicht behandelt werden konnten und sich auch derzeit keine Änderung der Einstellung des Patienten erkennen lässt, ist die medizinische Prognose negativ zu stellen.
Sozialprognose: Der Patient war vor der Unterbringung nie über eine längere Dauer beruflich tätig. Infolgedessen sowie aufgrund der aktuellen Psychopathologie, ist es nicht möglich, Herrn B. auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Selbst eine niederschwellige Beschäftigung erscheint angesichts der Strukturlosigkeit des Patienten, der fehlenden Bereitschaft zur Integration und insbesondere aufgrund seiner ausgeprägten Größenideen kaum möglich. Auf der Basis des Verhaltens, welches er in der Klinik gegenüber den Mitpatienten und dem Personal zeigt, ist auch die Unterbringung in einer Wohngruppe nicht möglich. Aus diesen Gründen ist die Sozial- und Wiedereingliederungsprognose als ungünstig zu stellen.
Kriminalprognose: Die Kriminalprognose ist aktuell weiterhin als negativ zu werten. Wenn Herr B. entlassen würde, würde er sehr zeitnah wieder Alkohol trinken, wodurch die Hemmschwelle gesenkt und mit hoher Wahrscheinlichkeit Straftaten zu erwarten wären, welche hinsichtlich der Art und Schwere dem Anlassdelikt ähneln und die Opfer entweder direkt körperlich oder seelisch schädigen oder zumindest in die Gefahr einer körperlichen oder seelischen Schädigung bringen würden.
Empfehlungen: Zusammenfassend kann eine Aussetzung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (zur Bewährung gemäß § 67d Abs. 2 StGB) zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus medizinisch-therapeutischer Sicht nicht empfohlen werden.
8
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten der gutachterlichen Bewertung durch das Bezirkskrankenhaus auf die gutachterliche Stellungnahme vom 20.06.2024 verwiesen.
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Die Kammer hat zur diesjährigen Prüfung ein Prognosegutachten eines externen Sachverständigen eingeholt. Die Kammer hat den Sachverständigen Dr. med. Christian P.-S., Chefarzt der Abteilung Forensische Psychiatrie und Psychotherapie II, LVR-Klinik K., mit der Begutachtung des Untergebrachten beauftragt.
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Der externe Sachverständige kommt in seinem schriftlichen Gutachten vom 27.08.2024, welches er vor der Kammer in der Anhörung am 08.11.2024 erläutert hat, zusammengefasst zu folgendem Ergebnis:
V. Zusammenfassung und kriminalprognostische Beurteilung
Es sei zu Beginn darauf hingewiesen, dass eine tiefer gehende geordnete Gutachtenexploration aufgrund der Ablehnung des Probanden hinsichtlich der Erstellung eines Prognose gutachtens nicht möglich war und somit die Ausführungen sich im Wesentlichen natürlich auf die in den Akten niedergelegten Informationen beziehen, andererseits war im Rahmen des 2-stündigen Gespräches für den Sachverständigen eine Einschätzung des psychopathologischen Zustandes des Probanden durchaus möglich.
Zur lebensgeschichtlichen Entwicklung kann man zusammenfassend feststellen, dass der noch 59 Jahre alte Proband bürgerlichen Verhältnissen entstammt und als Einzelkind bei seinen Eltern aufwuchs, bis diese sich Mitte der 80er Jahre scheiden ließen. Da der Sohn zu diesem Zeitpunkt bereits erwachsen war, dürfte dies für die weitere Entwicklung keine wesentliche Rolle gespielt haben. Nach allen vorliegenden Informationen verliefen Kindheit und Jugend im Wesentlichen unauffällig. Auch in der Schule gab es keine besonderen Auffälligkeiten. Nach Besuch der Hauptschule konnte der Proband ein Aufbaugymnasium besuchen und 1984 das Abitur mit einer durchschnittlichen Note abschließen. Nach dem Grundwehrdienst bei der Marine studierte er 5 Semester Jura in Münster, dann noch Politologie und Volkswirtschaftslehre in München, wobei er keines dieser Studien abschloss. Nach Verlust der BAföG-Leistungen 1992 arbeitete er als Schlafwagenschaffner in Italien und lebte ab 1993 von Sozialhilfe. 1995 gründete er ein privates Forschungsinstitut, für das er auch von Stiftungen finanzielle Unterstützung erhielt.
Nach allen vorliegenden Informationen trat 1999 bei dem damals 35 Jahre alten Mann erstmals eine psychotische Symptomatik auf und in der Folgezeit entwickelte der Proband in 22 Jahren ein chronifiziertes Wahnerleben, das sich inhaltlich um diverse politische Verschwörungen und Verstrickungen bewegt. Dabei ist der Wahn inhaltlich bestimmt von früheren Interessen des Herrn B., der sich mit russischen Bürgerrechtlern befasste und ein ausgeprägtes Interesse an politischen Themen und dem Zusammenwirken von Institutionen hatte. Es ist der Vorgutachterin Frau Dr. S. und der Klinik zuzustimmen, dass der Knick in der Lebenslinie des Probanden, der 1992 auftrat, starke Hinweise darauf liefert, das zu diesem Zeitpunkt bereits eine Prodromalsymptomatik der sich dann manifestierenden Schizophrenie vorlag.
Ähnlich wie bei der Vorsachverständigen war auch im Gespräch mit dem Unterzeichner festzustellen, dass Herr B. eine Person ist, der es sehr um ihre gesellschaftliche Reputation geht. Auch im aktuellen Gespräch zeigte sich in allen Ausführungen des Probanden eine Bedeutungssetzung in Bezug auf die eigene Person, der somit eine besondere Wichtigkeit zugeschrieben wird. Die zahlreichen Andeutungen, die der Proband während des Gespräches machte mit Bezug auf Personen des öffentlichen Lebens, die aber aufgrund der hohen assoziativen Lockerung der Gedankengänge stets im Vagen blieben, sollten demgegenüber aber zum einen die Bedeutsamkeit der Person des Probanden deutlich machen und Hinweise dafür liefern, dass dieser über besondere Kenntnisse verfügt.
Eine weitere Auffälligkeit in der Lebensgeschichte des Probanden stellen die zwischen 2005 und 2011 angesammelten 30 Eintragungen im Bundeszentralregister dar, die sich auf Betrug, Beleidigung, Nötigung, Bedrohungen, fahrlässiger und versuchter gefährlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Diebstahl bezogen und sämtlich wegen Schuldunfähigkeit eingestellt wurden. Auch dies verweist bereits darauf, dass das Auftreten von Kriminalität im Leben des Herrn B. in engen Zusammenhang mit der Manifestation der psychischen Erkrankung zu sehen ist und deren weitestgehend unbehandelten Verlauf. Sie sind auch ein Abbild der Wesensänderung durch die psychische Erkrankung und der Verformung der Persönlichkeit des bis dahin sozial kompetenten und vielfältig interessierten und engagierten Mannes.
In der Zusammenschau der Informationen aus der Aktenlage und des eigenen Eindrucks aus dem 2-stündigen Gespräch mit dem Probanden ergeben sich keinerlei Zweifel am Vorliegen der Diagnose einer paranoiden Schizophrenie (ICD-10 F20.00) bei dem Probanden. Der Proband weist Störungen des formalen Denkens, des Antriebs und der Affektregulation auf. Zugleich besteht inhaltlich ein Wahnerleben. Bedingt durch die Erkrankung kommt es immer wieder zu raptusartigen Impulsdurchbrüchen, wie sie über die gesamten Verlaufsbeschreibungen der behandelnden Klinik hin und auch der letzten Stellungnahme aus diesem Jahr beschrieben sind. Zumeist handelt es sich um verbale Beschimpfungen; immer wieder und auch zuletzt kommt es aber auch zu körperlichen Übergriffen sowohl auf Mitpatienten als auch auf Personal.
Bereits Frau Dr. S. hat auf die in diesem Falle vorliegenden Faktoren für einen ungünstigen Verlauf hingewiesen: Die beschriebenen Auffälligkeiten in der Bildgebung, der langjährige Alkoholkonsum, die Chronifizierung von wahnhaften Ideen und der insgesamt schleichende und nicht durch akute Phasen gekennzeichnete Verlauf.
Daneben besteht eine Störung durch Alkohol, Abhängigkeitssyndrom, gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung (ICD-10 F 10.21), die sich in der Vergangenheit negativ auf den Krankheitsverlauf ausgewirkt hat und durch die Minderung der Impulskontrolle und Steigerung der Aggressivität auch zu den Straftaten beigetragen hat. Eine gefestigte Abstinenz besteht nicht und konnte therapeutisch nicht erarbeitet werden, so dass im Falle einer Entlassung ein hohes Rückfallrisiko besteht.
Es haben sich im Verlauf seit der Begutachtung durch Frau Dr. S. auch keinerlei neuen Aspekte oder Entwicklungen ergeben, die zu einer Verbesserung der von der Sachverständigen beschriebenen Situation und Psychopathologie geführt hätten. Insofern kann man an den von der Vorsachverständigen gemachten Ausführungen hinsichtlich der besonderen forensischen Bedeutung des Svmptomkomplexes aus Impulsivität und geringer Affektkontrolle in Verbindung mit dem überwertigen, selbstbezüglichen und zu Verschwörungsideen neigenden Denkinhalten festhalten und auch weiterhin betonen, dass außerhalb des Maßregelvollzuges des dort vorhandenen reizarmen Milieus weiterhin ein sehr hohes Risiko besteht, dass vom Probanden genau jene Verhaltensweisen gezeigt werden, wie sie im Einweisungsurteil als Grundlage für die Anordnung der psychiatrischen Maßregel beschrieben worden sind.
Weder in den Verlaufsbeschreibungen der Klinik im Anschluss an das Vorgutachten, noch in der eigenen Exploration ergaben sich Anhaltspunkte dafür, dass an diesen Feststellungen nicht festgehalten werden muss.
Ebenso wenig bestehen Zweifel daran, dass die von Herrn B. gebotene Delinquenz kausal auf andere Ursachen zurückzuführen ist als die zu diagnostizierende paranoide Schizophrenie und deren Auswirkungen auf die Realitätswahrnehmung, die Affektkontrolle und die Impulsivität. Der bis zum Ausbruch der Erkrankung sozial unauffällige und insbesondere nicht durch Gewalttätigkeit und Aggressivität aufgefallene Mann hat im Anschluss an den Ausbruch der Erkrankung eine erhebliche affektive Instabilität und Impulsdurchbrüche mit aggressiven und gewalttätigen Verhalten gezeigt. Es kann aus Sicht des Unterzeichners auch kein Zweifel daran bestehen, dass im Falle einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug auch zukünftig aufgrund der völlig unveränderten Psychopathologie mit den Einweisungsdelikten analogen Gewaltstraftaten gerechnet werden muss.
Auch hinsichtlich möglicher Therapieempfehlungen ergeben sich keine neuen Aspekte.
Auch wenn nicht davon auszugehen ist, das durch eine regelmäßige Psychopharmakotherapie mit Antipsychotika noch eine Vollemission der wahnhaften Symptomatik erreicht wer den könnte, so besteht doch eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass vor alledem die affektiven Spitzen und die Wahndynamik in Ausmaß gemindert werden könnten, die zu einer Reduktion des Risikos für gewalttätiges Verhalten fuhren würden. Es liegen zahlreiche Untersuchungen im Hinblick auf die medikamentöse Behandlung aggressiven Verhaltens vor, welche die Überlegenheit einzelner Antipsychotika, insbesondere von Clozapin, zeigen (Citrome und Volakava 2011, Meyer et al. 2016). Es liegt empirisch gesicherte Evidenz vor, das Depot-Antipsychotika bei Patienten mit Gewaltrisiko positive klinische und antiaggressive Effekte haben (Mohr et al. 2017). Grundsätzlich existieren auch zunehmend Hinweise für eine Wirksamkeit der Elektrokonvulsionstherapie bei medikamentös therapieresistenten Schizophrenien oder solchen mit persistierender Positivsymptomatik trotz hinreichender Pharmakotherapie. Solche Effekte konnten in einer dänischen Studie auch bei forensisch-psychiatrischen Patienten gezeigt werden (Kristensen et al. 2012).
Die effektive Behandlung der psychotischen Symptomatik ist von besonderer Bedeutung, da das Risiko aggressiven Verhaltens mit der Zahl der Positivsymptome ansteigt und mit TCOsowie depressiven Symptomen assoziiert ist (Hodgkins et al. 2011).
Letztlich muss man aber konstatieren, dass alle Therapieempfehlungen natürlich ins Leere laufen, solange der Patient in keiner Weise bereit ist, an einer Therapie mitzuwirken und vor alledem eine regelmäßige antipsychotische Therapie zu akzeptieren. Nach den vorliegenden Unterlagen wurde eine Zwangsmedikation mit Ciatyl-Z durchgeführt; der Sachverständige kann nicht beurteilen, ob sich klinisch hierdurch Verbesserungen hinsichtlich der Affektdynamik ergeben haben, die Verlaufsberichte der Klinik jedoch verweisen eigentlich auf ein völlig unverändertes Verhalten. Dennoch sollte erwogen werden, ob nicht eine Zwangsmedikation mit einem anderen Antipsychotikum, z. B. Aripiprazol- oder Olanzapin-Depot durchgeführt werden sollte. Beide Präparate weisen eine deutlich geringere Nebenwirkungsrate auf und zeigten positive Auswirkungen auf aggressives Verhalten.
Die Erwartungen an eine Pharmakotherapie dürften aber auch nicht zu hochgesteckt werden. Wie bereits dargelegt ist nicht zu erwarten, dass die wahnhafte Symptomatik noch zur Remission gebracht werden kann. Dennoch könnte durch eine Verringerung der affektiven Wahndynamik eine Verbesserung im Hinblick auf das aggressive und raptusartige Gewaltverhalten erreicht werden, was zumindest die Möglichkeiten für eine spätere Unterbringung in einem geschlossenen Wohnheim verbessern könnte.
Legalprognose
Die Kriterienliste der Schweizer Fachkommission des Strafvollzugskonkordats der Nordwest- und Innerschweiz (sog. Dittmann-Liste, 2017) ist eine Prognosecheckliste, anhand derer die relevanten Aspekte der Legalprognose dargestellt werden sollen.
1. Analyse der Anlasstaten
Die Einweisungsstraftaten wurden als Körperverletzungen und gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gewertet. Die Basisraten für Rückfälligkeit, bezogen auf einen Zeitraum von 2-6 Jahren, liegen für Körperverletzung bei 25%. Das Kriterium ist als ungünstig zu werten.
2. Bisherige Kriminalitätsentwicklung
Herr B. ist vorbestraft, der BZR-Auszug weist 30 Eintragungen auf. Das Kriterium ist als un günstig zu werten.
3. Persönlichkeit, vorhandene psychische Störungen
Es besteht mindestens seit 1999 eine schizophrene Erkrankung, die chronifiziert ist und bereits vor der Einweisungsstraftat zu aggressivem und gewalttätigem Verhalten bei dem Probanden führte. Zugleich bestand in der Vergangenheit ein schwerer Alkoholmissbrauch. Das Kriterium ist als ungünstig zu bewerten.
4. Einsicht des zu Beurteilenden in seine Persönlichkeit oder vorhandene psychische Störung
Im aktuellen Untersuchungsgespräch zeigte der Proband sich bezüglich der Krankheitseinsicht uneinsichtig. Das Kriterium ist insgesamt als ungünstig zu bewerten.
5. Soziale Kompetenz
Die sozialen Kompetenzen sind defizitär. Die psychosoziale Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt. Es bestehen kaum stabile soziale Kontakte. Herr B. verfügt über keinen Studiumsabschluss und keine Berufsausbildung. Das Kriterium ist als ungünstig zu werten.
6. Persönlichkeitsspezifisches und situatives Konfliktverhalten
Es ist erkennbar, dass der Proband in der Vergangenheit immer wieder in ähnliche Konfliktsituation geriet und hierauf mit aggressivem und auch gewalttätigem Verhalten reagierte. Die Frustrationstoleranz war gering. Das Kriterium ist als ungünstig zu werten.
7. Auseinandersetzung mit der Tat
Aufgrund der weiter symptomatischen psychischen Erkrankung war der Proband bis zum heutigen Zeitpunkt nicht dazu in der Lage, sich mit seinen Straftaten auseinanderzusetzen. Diese werden bis heute bagatellisiert oder negiert. Das Kriterium ist als ungünstig zu bewerten.
8. Allgemeine Therapiemöglichkeiten
Grundsätzlich ist für die Behandlung der schizophrenen Störung eine gut wirksame Behandlungsmethode in Form einer Kombination aus psychopharmakologischer und psychotherapeutischer Behandlung, ergänzt durch sozio-milieutherapeutische Maßnahmen, bekannt. Dies gilt mit gewissen Einschränkungen auch für die Suchterkrankung. Das Kriterium ist als günstig zu werten.
9. Reale Therapiemöglichkeiten
Mit der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie des Bezirkskrankenhauses G. ist eine Institution vorhanden, die das für die Behandlung des Probanden benötigte Therapiekonzept und den entsprechenden Rahmen anbietet. Der Proband verweigert allerdings jegliche Behandlung. Das Kriterium ist daher als neutral zu beurteilen.
10. Therapiebereitschaft
Schon vor Aufnahme in den Maßregelvollzug hat der Proband keine Therapiebereitschaft gezeigt. Seit er sich im Maßregelvollzug befindet, lehnt er alle therapeutischen Maßnahmen ab. Insofern muss das Kriterium insgesamt als ungünstig gewertet werden.
11. Sozialer Empfangsraum im Hinblick auf die Prognose
Ein belastbarer sozialer Empfangsraum außerhalb des Maßregelvollzuges ist gegenwärtig nicht erkennbar. Herr B. verfügt über keine Lockerungen. Es gibt keine Sozialkontakte, die sich erwartbar deliktpräventiv auswirken würden. Das Kriterium ist daher als ungünstig zu werten.
12. Bisheriger Verlauf nach der Anlasstat
Trotz jahrelanger Behandlung besteht weiterhin ein psychopathologisch auffälliges Bild mit einer Mischung aus formalen Denkstörungen, Wahnerleben und affektiven Auffälligkeiten. Insgesamt konnten in der Therapie keine Fortschritte erreicht werden. Auch intramural kommt es immer wieder zu aggressiven und zum Teil auch körperlich gewalttätigem Verhalten. Das Kriterium ist als ungünstig zu bewerten.
Zusammenfassende Behandlungs-, Sozial- und Kriminalprognose
Die Behandlungsprognose ist ungünstig. Die seit 1999 vorliegende paranoide Schizophrenie, die auch ursächlich für die Begehung der Einweisungsstraftaten ist, ist auch weiterhin und unverändert symptomatisch. Prognostisch ungünstig ist das gleichzeitige Vorliegen einer komorbiden Suchterkrankung. Eine Abstinenzmotivation konnte therapeutisch nicht erarbeitet werden. Hinsichtlich der psychotischen Erkrankung gab es auch aufgrund der Weigerung des Probanden, sich behandeln zu lassen, keinerlei Fortschritte oder Veränderungen. Auch eine zwischenzeitlich installierte Zwangsmedikation hat zu keiner Verbesserung des psychopathologischen Befundes geführt.
Die Sozialprognose ist ebenfalls ungünstig. Aufgrund der weiterhin vorhandenen psychopathologischen Symptomatik war es nicht ansatzweise möglich, rehabilitative Maßnahmen einzuleiten.
Der Proband ist vor der Maßregel keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen, hat zwei Studiengänge nicht abgeschlossen. Eine Integration in Ergo- oder Arbeitstherapie war bisher nicht möglich. Ein sozialer Empfangsraum ist auch längerfristig nicht erkennbar.
Bei Patienten mit schizophrenen Erkrankungen ist die Kriminalprognose eng an die Behandlungs- und Sozialprognose gebunden und im vorliegenden Fall ungünstig. Zunächst muss man feststellen, dass die Erkrankung, welche die Einweisungsdelikte bedingte, weiterhin unverändert fortbesteht. Es besteht weiterhin eine ausgeprägte Symptomatik mit Wahn, formalen Denkstörungen und Affektinstabilität.
Der Proband negiert bzw. bagatellisiert seine Eingangsdelikte und ist auch psychopathologisch zu keiner Deliktbearbeitung in der Lage.
Selbst unter den vergleichsweise reizarmen Bedingungen des stationären Maßregelvollzugs kommt es immer wieder zu aggressiven und zum Teil auch körperlich gewalttätigem Verhalten. Außerhalb des Maßregelvollzugs und der sichernden und schützenden Strukturen mit einem professionell agierenden Personal ist mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass Herr B. erneut Gewaltstraftaten in Form von Körperverletzungen, aber auch gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr begehen wird. Im Falle eines nicht auszuschließenden erneuten erheblichen Konsums von Alkohol, den Herr B. auch in der Vergangenheit betrieben hat, und für den keine gefestigte Abstinenz besteht, würde sich das Risiko noch weiter erhöhen.
VI. Beantwortung der Fragen
1. Ob vom Untergebrachten infolge seines Zustands in Freiheit weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten erwarten sind, durch welche Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist?
Wie oben in der Kriminalprognose ausgeführt, muss im Falle einer aktuellen Entlassung davon ausgegangen werden, dass außerhalb der sichernden und schützenden Strukturen des Maßregelvollzugs und der dort gewährleisteten professionellen Betreuung, es in Freiheit aufgrund der fortbestehenden Krankheitssymptomatik und eines zu erwartenden Rückfalls in Alkoholkonsum zu erheblichen rechtswidrigen Taten kommen würde, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden. Zu erwarten sind hier Delikte analog in Schwere und Form zu den in der Einweisungsdelinquenz gezeigten Straftaten. Die in den Einweisungsstraftaten zutage getretene Gefährlichkeit besteht unverändert fort.
2. Gegebenenfalls: welche konkrete Art von rechtswidrigen Taten vom Untergebrachten drohen und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies der Fall ist (Häufigkeit und Rückfallfrequenz)?
Es ist davon auszugehen, dass Straftaten analog des Einweisungsdeliktes begangen werden, also Körperverletzungen und möglicherweise auch gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr. Hinsichtlich der Häufigkeit des Auftretens solcher Straftaten kann man feststellen, dass dies in Abhängigkeit vom psychopathologischen Befund zu sehen ist. Da dieser bisher aber unverändert ist, muss man davon ausgehen, dass Herr B. wieder in jeglicher Situation, die er im Rahmen seiner wahnhaften Realitätsverkennung fehlinterpretieren würde oder die für ihn einen aversiven Reiz darstellen würden, es jederzeit und raptusartig zu gewalttätigen Übergriffen auf zufällig ausgewählte Personen kommen könnte. Dabei wäre grundsätzlich jede Person gefährdet, die in irgendeiner Form die Aufmerksamkeit von Herrn B. erregen würde, sei es durch ihre Kleidung oder ihr Verhalten, ohne dass dies für die Person oder die Umwelt in irgendeiner Form vorhersehbar wäre. Der Kreis möglicher Opfer wäre also in keiner Weise eingrenzbar. Besonders gefährdet wären natürlich Personen, die sich Herrn B. und seinem aggressiven Verhalten entgegenstellen würden oder von denen er aus nur für ihn nachvollziehbaren Gründen vermuten würde, dass es sich um Personen handelt, die an irgendwie gearteten Unternehmungen gegen seine Person beteiligt sind. Naturgemäß lässt sich eine genaue Frequenz solcher Handlungen nicht voraussagen.
3. Kann eine etwaige vom (Untergebrachten ausgebende Gefahr durch minderschwere Maßnahmen (z.B. Aufenthalt in einer geschlossenen Einrichtung) ausreichend minimiert werden? Sind dazu irgendwelche Vorbereitungsmaßnahmen durch das BKH G. erforderlich, wenn ja welche?
Gegenwärtig und längerfristig bedarf der Proband auch weiterhin der sichernden und schützenden Strukturen des Maßregelvollzuges. Wie bereits oben dargestellt, kann der psychopathologische Befund und die sozialen Defizienzen des Probanden durch ein betreutes Wohnen oder ein Wohnheim nicht in entsprechendem Maße professionell aufgefangen werden. Auch ist nicht davon auszugehen, dass der Proband zu einer irgendwie gearteten Form von Kooperation mit ambulanten Einrichtungen unter Nachsorge in der Lage wäre.
Gegebenenfalls sollen Vorschläge gemacht werden, welche Weisungen bei Entlassungsreife aus gutachterlicher Sicht für erforderlich gehalten werden.
Wie bereits ausgeführt, ergeben sich keine Hinweise auf eine Entlassungsreife des Probanden.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die in den Taten zu Tage getretene Gefährlichkeit des Probanden weiter fortbesteht. Daher kann eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung noch nicht empfohlen werden.
Die Sicherheit der Prognosen resultiert aus dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Im vorliegen den Fall kann unter Berücksichtigung des bisher Dargestellten von einer vergleichsweisen hohen Sicherheit der Prognose ausgegangen werden.
11
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. P.-S. vom 27.08.2024 verwiesen.
12
Die Staatsanwaltschaft München II hat unter dem 31.07.2023 beantragt, die Fortdauer der Unterbringung anzuordnen.
13
Die Kammer hat im Anhörungstermin am 08.11.2024 die Verteidigerin, Herrn Dr. H vom BKH G. sowie den externen Sachverständigen Dr. P.-S. angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Vermerk über die Anhörung vom 08.11.2024 verwiesen.
14
Der Untergebrachte hat, wie schon bei der letzten Jahresprüfung im Kalenderjahr 2023, erneut auf eine persönliche Anhörung durch die Kammer verzichtet. Er war nicht bereit, zur Anhörung nach Memmingen zu kommen. Daher fand der Anhörungstermin am 08.11.2024 ohne ihn statt. Hierzu wird auf die nachfolgenden Ausführungen unter Ziff. III. Bezug genommen.
II.
15
Die weitere Vollstreckung der angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus kann weiterhin nicht nach § 67d Abs. 6 S. 3 StGB für erledigt erklärt werden. Auch eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung nach § 67d Abs. 2 StGB kommt noch immer nicht in Betracht. Es ist vielmehr die Fortdauer der Maßregel anzuordnen.
16
Im Hinblick darauf, dass der Untergebrachte inzwischen über zwölf Jahre in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht ist, richtet sich deren Fortdauer nach den Voraussetzungen des § 67d Abs. 6 S. 3 StGB. Demnach ist eine länger als zehn Jahre andauernde Unterbringung für erledigt zu erklären, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte erhebliche Straftaten begeht, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Es kommt also darauf an, ob eine positive Gefahrenprognose zu stellen ist, die eine Fortsetzung der Vollstreckung gestattet.
17
Vorliegend ist weiterhin die Prognose zu stellen, dass vom Untergebrachten außerhalb des Maßregelvollzugs aufgrund seiner Erkrankung mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit weitere schwere Gewalttaten zu erwarten sind, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden (§§ 67d Abs. 2, Abs. 6 S. 3 i.V.m. Abs. 3 S. 1 StGB) und er deshalb für die Allgemeinheit weiterhin gefährlich ist und sich schließlich der weitere Vollzug der Maßregel als verhältnismäßig im engeren Sinne erweist.
18
Grundlage für diese Bewertung durch die Kammer sind die Darlegungen des Bezirkskrankenhauses G. in seiner Stellungnahme vom 20.06.2024 und die ergänzenden Ausführungen hierzu von Herrn Dr. H. im Anhörungstermin am 08.11.2024 sowie das Gutachten des externen Sachverständigen Dr. med. Christian P.-S. vom 27.08.2024, welches er im Anhörungstermin erläutert hat. Nach der genannten gutachterlichen Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses und nach dem Gutachten des externen Sachverständigen, die in sich stimmig und ohne weiteres nachvollziehbar sind, besteht beim Untergebrachten eine paranoide Schizophrenie sowie eine Alkoholabhängigkeit, gegenwärtig abstinent, aber in beschützender Umgebung.
19
Die Strafvollstreckungskammer schließt sich nach eigener kritischer Prüfung der angeführten Einschätzung des Bezirkskrankenhauses G. und dem Gutachten des externen Sachverständigen an. Es ist danach weiterhin beim Untergebrachten vom Vorliegen von Erkrankungen auszugehen, die die Fortdauer der Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus erfordern und davon, dass zum Schutz der Allgemeinheit die Fortdauer der Unterbringung notwendig ist. Das mit einer Entlassung verbundene Risiko wäre derzeit nicht zu verantworten.
20
Im Zeitraum seit der letzten Prüfung sind letztlich keine Fortschritte festzustellen, die eine von der seinerzeit getroffenen Entscheidung abweichende Bewertung zulassen würden.
21
Letztlich fehlte es auch in den vergangenen zwölf Monaten an einer Mitwirkungsbereitschaft des Untergebrachten, um seine Situation in eine solche Richtung zu verändern, die Perspektiven aufzeigen, die schließlich in einer Beendigung der Maßregel münden könnten. Da der Untergebrachte therapieresistent ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er sich bei einer Entlassung entsprechenden Auflagen und Weisungen beugt, bzw. diese sorgfältig befolgt.
22
Die drohende Gefahr der Begehung weiterer erheblicher Straftaten wird mindestens teilweise auch durch die beim Angeklagten vorhandene Schizophrenie mitverursacht.
23
Beim Untergebrachten sind im Falle einer Entlassung zum jetzigen Zeitpunkt nach der gutachterlichen Stellungnahme des Bezirkskrankenhauses vom 20.06.2024 und nach dem Gutachten des externen Sachverständigen vom 27.08.2024 weiterhin den Anlassdelikten vergleichbare Straftaten, insbesondere Körperverletzungsdelikte, zu erwarten. Basierend auf den derzeitigen Tatsachengrundlagen steht für die Kammer außer Frage, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs, mindestens mitverursacht durch seine Erkrankung, weitere erhebliche rechtswidrige Taten entsprechend der Anlasstaten und der bereits früher seitens des Untergebrachten begangenen erheblichen Straftaten begehen wird.
24
Dem Untergebrachten ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine negative Legalprognose zu stellen. Derzeit kann nur im Rahmen des Maßregelvollzugs der durch die Erkrankung bestehenden konkreten, erhöhten Gefahr der Begehung von erheblichen Straftaten im Sinne des § 67d Abs. 6 S. 3 i. V. m. Abs. 3 S. 1 StGB begegnet werden. Beim Untergebrachten besteht nach wie vor die Gefahr, dass er im Falle seiner Entlassung erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Nach den Feststellungen des Bezirkskrankenhauses G. ist von einer Gefahr der Begehung vergleichbarer Anlassdelikte, dem Spektrum der Gewaltsdelinquenz entstammend, durch den Untergebrachten auszugehen.
25
Eine Straftat von erheblicher Bedeutung liegt vor, wenn sie mindestens der mittleren Kriminalität zuzurechnen ist, den Rechtsfrieden empfindlich stört und geeignet ist, das Gefühl der Rechtssicherheit der Bevölkerung erheblich zu beeinträchtigen (BeckOK StGB/Ziegler, 47. Edition, Stand: 01.08.2020, StGB § 67d, Rn. 17). Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe unter fünf Jahren bedroht sind, sind nicht mehr ohne weiteres den Bereich der Straftaten von erheblicher Bedeutung zuzurechnen. Zu den Anlassdelikten gehören hier im Wesentlichen Körperverletzungen; diese sind im Höchstmaß mit fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht. Im Fall 5 der Anlassverurteilung ist zu sehen, dass der Untergebrachte durch den in Richtung des Kopfes des M.B. geführten Schlag mit der Bierflasche, eine – im Versuch steckengebliebene – gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB verübt hat (der Strafrahmen liegt insoweit im Regelfall bei Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zehn Jahren). Gerade eine solche Handlung – Schlag mit einer Bierflasche auf den Kopf – kann zwanglos zu erheblichen Verletzungen beim Opfer bis hin zum Tode führen. Bei dem vom Untergebrachten verübten gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr (Fall 3) kam es allein zufallsbedingt nicht zu einem Zusammenstoß des Taxis mit anderen Fahrzeugen, was zwanglos zu schwerwiegenden (auch tödlichen) Tatfolgen hätte führen können; das Geschehen war nach dem Einwirken des Untergebrachten auf den Taxifahrer insoweit unberechenbar. Zu sehen ist auch, dass – nachdem in den vom der Jugendkammer im Urteil vom 15.03.2012 festgestellten, im öffentlichen Raum verübten Taten eine Vorbeziehung zwischen dem Untergebrachten und den Tatopfern nicht bestanden hat – jedermann im Falle einer Exazerbation der beim Untergebrachten bestehenden psychischen Störung Opfer der Gewalttätigkeit des Untergebrachten werden kann. Damit sind Taten aus dem Deliktskatalog des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 lit. a StGB und mithin erhebliche Straftaten, durch welche die potentiellen Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden, zu erwarten (§ 67d Abs. 6 S. 3 i. V. m. Abs. 3 S. 1 StGB). Gerade auch die konkrete Begehungsweise bei der am 29.04.2011 durch den Untergebrachten verübten Tat (Schlag mit einer Bierflasche auf den Kopf des Opfers; Ziffer 5. der Anlassverurteilung) belegt, dass künftige Opfer der sicher zu erwartenden Taten des Untergebrachten jedenfalls körperlich schwere Schäden werden erleiden müssen. Dass derartige Taten, zumal im öffentlichen Verkehrsraum gegen Zufallsopfer verübt, den Rechtsfrieden empfindlich stören, ist für die Kammer nicht zweifelhaft.
26
Der Untergebrachte ist selbst im eng strukturierten Setting des Maßregelvollzugs zu konfliktfreiem Verhalten nicht in der Lage. Im Gegenteil: Er übt regelmäßig ein verbal ausfälliges, bedrohliches – teils auch körperlich übergriffiges – Verhalten gegenüber seinen Mitpatienten und dem Stationspersonal, wie sich zuletzt am 13.03.2024 gezeigt hat, als der Untergebrachte den Stationspfleger mit der Faust in das Gesicht geschlagen hat. Die Kammer erwartet daher, dass der Untergebrachte, käme er auf freien Fuß, in Freiheit schnell wieder – gegebenenfalls auch unter dem Einfluss von Alkohol – Konflikte suchen wird, die in Gewalttätigkeiten seinerseits münden werden.
27
Bei dieser Ausgangslage bleibt der Kammer keine Grundlage für eine abweichende Bewertung. Es ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, auf die eine Erledigterklärung oder eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung gestützt werden könnten.
28
Die weitere Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ist deshalb auch immer noch verhältnismäßig, § 62 StGB. Die Kammer hat bei ihrer Entscheidung wiederum in den Blick genommen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzugs umso strenger sind, je länger die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus andauert (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 23.05.2018 – 2 BvR 1161/16 –, Rn. 20, juris). Die Dauer der Unterbringung von mittlerweile über zwölf Jahren ist eine lange Zeit. Dennoch ist vorliegend im Hinblick auf die Schwere der Anlasstaten, insbesondere aber auch im Hinblick auf die weiter drohenden Taten, die Fortdauer der Maßregel auch in Ansehung der bisherigen Dauer weiterhin als verhältnismäßig einzuordnen. Dass der weiter bestehenden Gefahr durch weniger belastende Maßnahmen – z.B. mit Mitteln der Führungsaufsicht – ausreichend begegnet werden könnte, kann derzeit nicht festgestellt werden. Entlassvorbereitende Maßnahmen konnten noch nicht durchgeführt werden. Ein konkreter Entlassraum steht nicht zur Verfügung. Es ist auch für die Kammer nicht ersichtlich, dass es überhaupt eine Einrichtung (außerhalb des Maßregelvollzugs) gibt, die angesichts des beim Untergebrachten zu beobachtenden, des bei ihm bestehenden Krankheitsbild geschuldeten, Verhalten zu dessen Aufnahme bereit wäre.
29
Aus Sicht der Kammer bestehen weiterhin große Zweifel daran, ob der Untergebrachte selbst überhaupt ein Interesse an einer Veränderung seiner Situation hat. Die seitens des Bezirkskrankenhauses geschilderte Passivität und mangelnde Mitwirkungsbereitschaft begründen diese Zweifel.
30
Dennoch kann im weiteren Therapieverlauf weiter auf den Untergebrachten eingewirkt werden. In Betracht kommt hier insbesondere ein Zwangsmedikation des Untergebrachten, mittels derer – wie vom Sachverständigen Dr. P.-S. in seinem Gutachten ausgeführt – durch eine Verringerung der affektiven Wahndynamik eine Verbesserung im Hinblick auf das aggressive und raptusartige Gewaltverhalten des Untergebrachten erreicht werden könnte, was zumindest die Möglichkeiten für eine spätere Unterbringung in einem geschlossenen Wohnheim verbessern könnte. Nachdem der Untergebrachte gegen die Anordnung der Zwangsmedikation Rechtsmittel eingelegt hat, bleibt insoweit die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, bei dem sich das Verfahren derzeit befindet, abzuwarten.
III.
31
Die Kammer konnte ohne persönliche Anhörung des Untergebrachten entscheiden.
32
Die Kammer hat beachtet, dass gemäß § 463 Abs. 3 Satz 1 StPO die Vorschriften des § 454 Abs. 1, 3 und 4 StPO entsprechend gelten und somit vor einer Entscheidung zur Frage der Unterbringungsfortdauer die mündliche Anhörung d. Betroffenen vorgeschrieben ist (vgl. OLG München, Beschluss vom 25.04.2017 – 1 Ws 324/17 –).
33
Einer der Ausnahmetatbestände des § 454 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1-3 StPO liegt hier nicht vor.
34
Es ist indes allgemein anerkannt, dass von der mündlichen Anhörung des Untergebrachten auch dann abgesehen werden kann, wenn der Untergebrachte ausdrücklich und eindeutig erklärt, er wolle an der mündlichen Anhörung nicht teilnehmen, (vgl. BGH, Beschlüsse vom 28.01.2000 – 2 StE 9/91 – und vom 12.08.2015 – StB 6/15 –, Rn. 2 [juris]; OLG Hamm, Beschlüsse vom 21.12.2023 – III-3 Ws 458/23 –, Rn. 7 [juris] und vom 09.12.2008 – 5 Ws 423-425/08 –; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.10.1996 – 3 Ws 826, 827/96 –; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.12.1995 – 3 Ws 274/95 –; BeckOK StPO/Coen, 50. Ed. 1.1.2024, StPO § 454 Rn. 11; KK-StPO/Appl, 9. Aufl. 2023, StPO § 454 Rn. 27; BeckOK Strafvollzug Bund/Ganter, 25. Ed. 1.2.2024, StPO § 454 Rn. 40; Schmitt in: Mey-erGoßner/Schmitt, StPO, 66. Auflage 2023, § 454 Rn. 24 m.w.N.).
35
So liegt es hier: der Untergebrachte hatte am 07.11.2024, dem Vortag der Anhörung, der Geschäftsstelle des Landgerichts telefonisch mitgeteilt, er werde zum Anhörungstermin nicht erscheinen. Er hat sich folgerichtig am Tag der Anhörung geweigert, durch die Vorführbeamten nach Memmingen verbracht zu werden. Von einer zwangsweisen Vorführung des Untergebrachten zum Anhörungstermin hat der Vorsitzende abgesehen.
36
Der Untergebrachte hat zudem in einem am 06.11.2024 beim Landgericht Memmingen eingegangenen Schreiben vom 04.11.2024 „Beschwerde“ gegen den Anhörungstermin am 08.11.2024 eingelegt; insoweit wurde ein Sonderheft gefertigt und dieses über die Staatsanwaltschaft dem Strafsenat zur Entscheidung vorgelegt. Auch zum Anhörungstermin im Rahmen der letzten Jahresprüfung 2023 war der Untergebrachte freiwillig nicht erschienen.
37
Der Untergebrachte hat damit freiwillig und wirksam auf sein Recht auf eine persönliche Anhörung durch die Strafvollstreckungskammer verzichtet. Es ist auch nicht geboten, in Ansehung des Verzichts des Untergebrachten eine persönliche Anhörung des Untergebrachten zu erzwingen. Dem persönlichen Eindruck vom Untergebrachten kommt hier aufgrund der aktuell gegebenen Sachlage eine untergeordnete Bedeutung zu. Im letzten Behandlungsabschnitt sind keine derart wesentlichen Änderungen eingetreten, die eine persönliche Anhörung des Untergebrachten unabdingbar machen würden. Eine Aussetzung der Maßregel kommt aktuell nicht in Betracht. Auch in Ansehung des vorliegenden Gutachtens des externen Sachverständigen und dessen Erörterung im Anhörungstermin hat die Kammer davon abgesehen, die Anwesenheit des Untergebrachten gegen dessen Willen zu erzwingen.
IV.
38
Die Kammer hat die Prüfungsfrist des § 67e StGB überschritten.
39
Nach § 67e Abs. 2 Alternative 2 StGB endete angesichts der letzten Fortdauerentscheidung vom 21.08.2023 die Jahresfrist zur Überprüfung der Unterbringung des Untergebrachten am 20.08.2024.
40
Die Kammer hat gesehen, dass die Vorschriften über die regelmäßige Überprüfung der weiteren Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 67d Abs. 2 und Abs. 6, § 67e StGB) der Wahrung des Übermaßverbots bei der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG dienen und ihre Missachtung dieses Grundrecht verletzen kann, wenn es sich um eine nicht mehr vertretbare Fehlhaltung gegenüber dem das Grundrecht sichernden Verfahrensrecht handelt, die auf eine grundsätzlich unrichtige Anschauung von der Bedeutung des Grundrechts schließen lässt (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 22.07.2024 – 2 BvR 2276/20 – m.w.N.).
41
Die Kammer war bestrebt, die Prüfungsfrist einzuhalten. Dies gelang hier nicht.
42
Zur Überschreitung der Überprüfungsfrist kam es aufgrund der folgenden, für die Kammer nicht vorhersehbaren Umstände:
43
Der Vorsitzende hatte bereits unter dem 15.02.2024 den Anhörungstermin in Abstimmung mit der Verteidigerin auf den 09.08.2024 bestimmt (Bl. 3682/3683 d.A.).
44
Dieser Termin wurde auf ausdrücklichen Wunsch der Verteidigerin, die in ihrem Schriftsatz vom 11.04.2024 im Hinblick auf die Verteidigung in einem Schwurgerichtsverfahren am Landgericht Ingolstadt zur Meidung einer Aussetzung der Hauptverhandlung im dortigen Verfahren, einer Haftsache, die Terminsverlegung beantragt hatte (Bl. 3704/3705 d.A.), auf den 06.09.2024 verlegt.
45
Der Termin am 06.09.2024 musste wegen einer Erkrankung des externen Sachverständigen, die dieser am 05.09.2024 (Bl. 3838a d.A.) mitgeteilt hatte, abgesagt werden. Der Vorsitzende hat sich sodann darum bemüht, einen zeitnahen neuen Termin zu finden; aufgrund einer Verhinderung des externen Sachverständigen an den vorgeschlagenen möglichen Terminen kam aber nur der 08.11.2024 als nächst möglicher Termin in Betracht.
46
Die Kammer hat, um den Untergebrachten nicht zu benachteiligen, die Fristüberschreitung dadurch kompensiert, dass das Fristende der nächsten Jahresprüfung – entgegen der Regelung in § 67e Abs. 4 Satz 2 StGB – bereits auf den 20.08.2025 bestimmt wurde.