Inhalt

LG München I, Beschluss v. 26.06.2024 – 34 OH 26984/13
Titel:

Antragsgegner, Anwaltsvergütung, Gesamtschuldnerische Haftung, Gesamtschuldnerhaftung, Gesamtschuldverhältnis, Auftraggeberhaftung, Zustellungskosten, Elektronisches Dokument, Anrechnung, Elektronischer Rechtsverkehr, Festsetzungsantrag, Rechtsanwaltes, Wert des Beschwerdegegenstandes, Teilbetrag, Rechtsbehelf der Erinnerung, Zahlungsbetrag, Gesetzliche Vergütung, Sofortige Beschwerde, Qualifizierte elektronische Signatur, Restbetrag

Schlagworte:
Anwaltsvergütung, Gesamtschuldverhältnis, Einzelschuldnerhaftung, Zahlungserfüllung, Tilgungsreihenfolge, Festsetzungsantrag, Kostenaufteilung
Rechtsmittelinstanzen:
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 21.08.2024 – 34 OH 26984/13
OLG München, Beschluss vom 14.04.2025 – 11 W 1368/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 46656

Tenor

1. Die von der Antragsgegnerin zu 2 an Rechtsanwalt … gem. § 11 RVG zu zahlende gesetzliche Vergütung wird auf … € (in Worten: … Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB hieraus seit 04.01.2024 festgesetzt.
2. Die Festsetzung gegen die Antragsgegnerin zu 1 und den Antragsgegner zu 3 wird abgelehnt.

Gründe

1
Insgesamt ist eine Anwaltsvergütung von … € entstanden, welche teilweise durch Zahlungen getilgt ist. Die Zahlungen wurden in dem Festsetzungsantrag gem. § 11 Abs. 1 S. 2 RVG in Abzug gebracht. Mit Schreiben vom … wurde die in dem Festsetzungsantrag genannte Zahlung aufgeschlüsselt: Die Antragsgegnerin zu 1 hat eine Zahlung von … € geleistet. Der Antragsgegner hat eine Zahlung von … € geleistet.
2
Weiter ist anhand des Schreibens vom … ersichtlich, dass hinsichtlich des Tilgungsbetrags ein Rechenversehen vorliegt. Der Nettobetrag zu dem unter Ziffer 3. dieses Schreibens genannten Betrag von … € ist richtigerweise … € anstatt … €. Die noch offene Anwaltsvergütung beträgt daher … € anstatt … €.
3
Die Auftraggeber haften für die Anwaltsvergütung in einem „eigenartigen Gesamtschuldverhältnis“. Der einzelne Auftraggeber schuldet jene Vergütung, die entstanden wäre, wenn der Rechtsanwalt nur diesen Auftraggeber vertreten hätte, § 7 Abs. 2 S. 1 RVG. Da die tatsächlich angefallene Anwaltsvergütung im vorliegenden Fall die fiktiven Kosten eines Einzelauftraggebers übersteigt, können die Auftraggeber nicht als Gesamtschuldner für die tatsächlich angefallene Anwaltsvergütung haften. Anderenfalls läge ein Verstoß gegen § 7 Abs. 2 S. 1 RVG vor.
4
Der nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG geschuldete Betrag setzt sich aus zwei Teilbeträgen zusammen: ein Teil dieses Betrags unterliegt der Einzelhaftung, der verbleibende Teil der gesamtschuldnerischen Haftung. Erfolgte Zahlungen sind zunächst auf denjenigen Teil des von dem Zahlenden gem. § 7 Abs. 2 S. 1 RVG geschuldeten Betrags anzurechnen, für den er alleine haftet. Übersteigt die Zahlung den als Einzelschuldner geschuldeten Betrag, so ist der Überschuss auf die Gesamtschuld anzurechnen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2009 – 24 U 150/08).
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Der von dem OLG Düsseldorf in der vorgenannten Entscheidung verwendete Rechenweg für die Ermittlung der als Gesamtschuldner bzw. Einzelschuldner geschuldeten (Teil-)Beträge ist für das hiesige Verfahren nicht anwendbar. Nach diesem Rechenweg würden die Beteiligten für einen höheren Betrag als Gesamtschuldner haften, als sie nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG schulden. Eine Haftung über den § 7 Abs. 2 S. 1 RVG geschuldeten Betrag kommt jedoch nicht in Betracht, da sich aus dem Gesetz keine Ausnahme von dem § 7 Abs. 2 S. 1 RVG ergibt.
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Auch eine „Deckelung“ der gesamtschuldnerischen Haftung auf den nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG geschuldeten Betrag kommt aus folgendem Grund nicht in Betracht: Der Betrag nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG bleibt im vorliegenden Fall hinter der tatsächlichen Anwaltsvergütung zurück. Würden die Auftraggeber mit dem vollständigen nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG geschuldeten Betrag als Gesamtschuldner haften, könnte der Rechtsanwalt insgesamt nur den nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG geschuldeten Betrag von seinen Auftraggebern verlangen. Es wäre ihm jedoch nicht möglich, auch den Differenzbetrag zu der tatsächlich angefallenen Vergütung zu verlangen.
7
Daher muss der als Gesamtschuldner geschuldete Teilbetrag der angefallenen Anwaltsvergütung im vorliegenden Fall niedriger sein als der nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG geschuldete Betrag.
Ermittlung der Teilbeträge:
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Angefallen ist eine Vergütung i.H.v. … €. Gemäß § 7 Abs. 2 S. 1 RVG schuldet jeder Auftraggeber … €, wobei der Rechtsanwalt insgesamt nicht mehr als die tatsächlich angefallene Vergütung verlangen darf, § 7 Abs. 2 S. 2 RVG.
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Im vorliegenden Fall gibt es drei Auftraggeber. Zahlt einer der Auftraggeber den vollen gem. § 7 Abs. 2 S. 1 RVG geschuldeten Betrag von … €, darf der Rechtsanwalt den Restbetrag von … € nur von den beiden weiteren Auftraggebern verlangen. Nachdem dieser Restbetrag nicht mehr von allen Auftraggebern verlangt werden darf, sondern nur noch von jenen, die nicht bezahlt haben, kann dieser Restbetrag nicht der gesamtschuldnerischen Haftung unterliegen. Umgekehrt hat die erfolgte Zahlung des einen Auftraggebers die verbleibenden Auftraggeber ebenfalls zum Teil von ihrer Schuld befreit – ansonsten dürfte der Rechtsanwalt von ihnen mehr als nur insgesamt den Restbetrag von … € verlangen.
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Da die Auftraggeber in dem hiesigen Verfahren nicht unterschiedlich am Rechtsstreit beteiligt waren, ist der Restbetrag den Auftraggebern zu gleichen Teilen zuzuordnen. Im hiesigen Fall entfallen demnach … € auf jeden der verbleibenden Auftraggeber. Dieser Betrag ist zugleich – für jeden der drei Auftraggeber – in dem von ihm jeweils nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG geschuldeten Betrag enthalten. Jeder der Auftraggeber schuldet demnach einen Betrag i.H.v. … € als Einzelschuldner
11
Insgesamt werden von der tatsächlich angefallenen Anwaltsvergütung von … € also … € (3x … €) als Einzelschuldner geschuldet. Den weiteren Betrag von … € schulden die Auftraggeber als Gesamtschuldner.
Anrechnung der erfolgten Zahlungen:
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Die Antragsgegnerin zu 1 hat laut Schreiben des Rechtsanwalts vom … einen Betrag von … € bezahlt. Der bezahlte Betrag ist zunächst auf den von der Antragsgegnerin zu 1 als Einzelschuldnerin geschuldeten Betrag anzurechnen ( … €). Soweit die Zahlung den als Einzelschuldner geschuldeten Betrag übersteigt, ist sie auf die Gesamtschuld anzurechnen.
13
Der Antragsgegner zu 3 hat laut Schreiben des Rechtsanwalts vom … einen Betrag von … € bezahlt. Dieser ist auf den von dem Antragsgegner zu 3 als Einzelschuldner geschuldeten Betrag anzurechnen ( … €). Soweit die Zahlung den als Einzelschuldner geschuldeten Betrag übersteigt, ist sie auf die Gesamtschuld anzurechnen.
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Eine Festsetzung gegen die Antragsgegnerin zu 1 scheidet bereits deswegen aus, weil ihr Zahlungsbetrag dem nach § 7 Abs. 2 S. 1 RVG höchstens von ihr geschuldeten Betrag entspricht. Die Festsetzung gegen die Antragsgegnerin zu 1 ist daher abzulehnen.
15
Eine Festsetzung gegen den Antragsgegner zu 3 kann ebenfalls nicht vorgenommen werden. Er hat durch seine Zahlung seinen Einzelschuld-Betrag vollständig beglichen. Auch wurde durch seine Zahlung und die Zahlung der Antragsgegnerin zu 1 der gesamtschuldnerisch geschuldete Betrag vollständig beglichen. Für den noch nicht bezahlten Betrag haftet der Antragsgegner zu 3 daher nicht mehr mit.
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Soweit die Zahlungen die Einzelschuld der Antragsgegnerin zu 1 und des Antragsgegners zu 3 und die Gesamtschuld übersteigen, hat die Anrechnung auf den von der Antragsgegnerin zu 2 geschuldeten Betrag erfolgen, § 11 Abs. 1 S. 2 RVG.
17
Einwendungen nichtgebührenrechtlicher Art wurden nicht erhoben.
18
Die Zustellkosten waren nur in der Höhe festzusetzen, wie sie für Zustellungen an die Antragsgegnerin zu 2 entstanden sind.
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Zusammengefasst sind folgende Beträge festsetzbar:
Kosten für Zustellungen … €
Anwaltskosten … €
Summe … €