Inhalt

OLG München, Beschluss v. 17.07.2024 – 24 U 1393/24 e
Titel:

Darlegungslast des Klägers in Online-Glückspielfällen

Normenketten:
ZPO § 138, § 141, 286 Abs. 1
GlüStV 2021 § 4
BGB § 817 S. 2, § 823 Abs. 2,
Leitsätze:
1. Das zweimalige unentschuldigte Nichterscheinen des Klägers zum Zwecke der Anhörung kann im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO zu dessen Lasten des Klägers berücksichtigt werden. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Bestreiten der Beklagten, der Kläger habe nicht immer von Deutschland aus am Online-Glückspiel teilgenommen, erfolgt nicht ins Blaue hinein. Es ist nicht als völlig außergewöhnlich anzusehen, dass Spieler etwa von einem Urlaubsort außerhalb Deutschlands aus über ihr Spielerkonto an Online-Glücksspielen teilnehmen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Landgericht hat die Klageabweisung zu Recht auch darauf gestützt, dass es – nachdem der Kläger hierzu nicht angehört werden konnte – an einem ausreichenden Sachvortrag dazu fehlte bzw. nicht nachgewiesen war, dass der Kläger selbst keine Kenntnis davon hatte, dass die Online-Glücksspiele gegen den GlüstV 2021 verstießen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Kondiktionsausschluss des § 817 S. 2 BGB ist in Fällen unerlaubten Online-Glücksspiels nicht teleologisch dahin zu reduzieren sei, dass die Vorschrift keine Anwendung findet. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
persönliches Erscheinen, Beweiswürdigung, Fernbleiben, Nichterscheinen, Online-Glückspiel, Auslandsteilnahme, Bestreiten ins Blaue, Parteianhörung, Kenntnis, Rechtswidrigkeit, Darlegungs- und Beweislast
Vorinstanz:
LG Memmingen, Urteil vom 12.04.2024 – 32 O 819/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 46579

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 12.04.2024, Az. 32 O 819/23, durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Es besteht Gelegenheit, zu diesem Hinweis binnen dreier Wochen nach Zustellung des Beschlusses Stellung zu nehmen.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird vorläufig auf 5.387,95 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2
1. Das Landgericht hat seine internationale Zuständigkeit für den Rechtsstreit rechtsfehlerfrei bejaht. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen auf den Seiten 4 und 5 des angegriffenen Urteils, gegen die in der Berufungsbegründung keine Einwände erhoben werden.
3
2. Das Landgericht hat die Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die hiergegen erhobenen Berufungsrügen greifen nicht durch.
4
a) Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger schon die Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht hinreichend dargelegt, jedenfalls aber nicht nachgewiesen hat.
5
aa) Der Kläger stützt sein Vorbringen insoweit auf die als Anlage K1 vorgelegte Transaktionshistorie, welche – nach Angabe des Klägers – von der Beklagten stammen soll (Klageschrift, Seite 5). Die Beklagte hat substantiiert bestritten, dass die Transaktionshistorie in der vom Kläger vorgelegten Form von ihr stamme. Sie hat insoweit vorgetragen, dass der Kläger nachträgliche Änderungen an der Liste vorgenommen, insbesondere die erfolgten Auszahlungen herausgeschnitten habe (Klageerwiderung, Seite 6). Der Kläger hat bestritten, Änderungen an der Liste vorgenommen zu haben und seine Parteivernehmung, hilfsweise informatorische Anhörung als Beweis angeboten (Replik Seite 4). Vor diesem Hintergrund hat der Seite bereits erhebliche Zweifel, ob die bloße Bezugnahme des Klägers auf die Anlage K1 (deren Echtheit von der Klägerin substantiiert bestritten wurde) ausreicht, um die Höhe des geltend gemachten Anspruchs zu beziffern. Jedenfalls aber hätte der Kläger seine Behauptung, er habe keine Änderungen an der Liste vorgenommen, nachweisen müssen. Die von ihm insoweit angebotene Parteivernehmung bzw. informatorische Anhörung konnte allerdings nicht durchgeführt werden, weil der geladene Kläger zweimal nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen ist, ohne sein Fernbleiben zu entschuldigen.
6
bb) Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass es das zweimalige unentschuldigte Nichterscheinen im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO zu Lasten des Klägers berücksichtigen und somit davon ausgehen durfte, dass die Anlage K1 inhaltlich nicht der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Transaktionshistorie entsprach. Einwände hiergegen werden in der Berufungsbegründung nicht erhoben.
7
cc) Die Rechtsauffassung des Klägers, die (von ihm bestrittenen) Auszahlungen seitens der Beklagten seien rechtlich unbeachtlich, trifft nicht zu:
8
(1) Soweit der Kläger seinen Rückzahlungsanspruch auf Deliktsrecht (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Schutzgesetz, § 826 BGB) stützen will, ergibt sich dies bereits daraus, dass bei der Schadensberechnung in der vorliegenden Fallgestaltung (Auszahlung von Spielgewinnen) die dem Kläger zugeflossenen Spielgewinne als Kompensationsleistung schadensmindernd anzurechnen wären. Der Einwand des Klägers, Gewinnchancen seien nicht anzurechnen, da sie „wehrlos“ seien, greift nicht durch, da es vorliegend nicht um bloße Gewinnchancen geht, sondern um ausbezahlte Beträge.
9
(2) Soweit der Kläger seinen Anspruch auf ungerechtfertigte Bereicherung stützen will, ist zu sehen, dass die Beklagte um Spieleinsätze, die der Kläger nicht verspielt hat, sondern die ihm zusammen mit einem etwaigen Gewinn ausbezahlt wurden, nicht bereichert ist. Soweit der Kläger geltend macht, die Bereicherung der Beklagten sei bereits mit der Einzahlung der Beträge auf sein Spielerkonto erfolgt und sich insoweit auf die AGB anderer Glücksspielanbieter beruft, fehlt es an einem ausreichenden Sachvortrag zu den vertraglichen Beziehungen zwischen ihm und der Beklagten im konkreten Fall. Sein Vorbringen, es müsse „davon ausgegangen werden“, dass nach den AGB der Beklagten nur Gewinne – nicht aber die einbezahlten Beträge – ausbezahlt werden, stellt lediglich eine Vermutung dar.
10
b) Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass es Sache des Klägers war nachzuweisen, dass er im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags 2021 (GlüStV 2021) an den Online-Glücksspielen der Beklagten teilgenommen hat. Für den geltend gemachten Verstoß gegen Bestimmungen des GlüstV 2021 ist der Kläger darlegungs- und beweispflichtig. Das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten ist nicht als Bestreiten „ins Blaue hinein“ anzusehen. Es ist nicht als völlig außergewöhnlich anzusehen, dass Spieler etwa von einem Urlaubsort außerhalb Deutschlands aus über ihr Spielerkonto an Online-Glücksspielen teilnehmen. Die vom Landgericht insoweit vorgesehene Anhörung des Klägers konnte nicht erfolgen, da dieser unentschuldigt zweimal nicht zur mündlichen Verhandlung erschien. Das Landgericht durfte im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO zu Lasten des Klägers berücksichtigen, dass dieser nicht bereit war, Angaben zu den jeweiligen Orten der Spielteilnahmen zu machen. Einwände hiergegen werden in der Berufungsbegründung nicht erhoben
11
c) Das Landgericht hat die Klageabweisung zu Recht auch darauf gestützt, dass es – nachdem der Kläger hierzu nicht angehört werden konnte – an einem ausreichenden Sachvortrag dazu fehlte bzw. nicht nachgewiesen war, dass der Kläger selbst keine Kenntnis davon hatte, dass die Online-Glücksspiele gegen den GlüstV 2021 verstießen. Dass das Landgericht insoweit von einem unzureichenden Vortrag bzw. fehlenden Nachweis ausging, wird mit der Berufung nicht angegriffen. Der in der Berufungsbegründung (dort Seite 12) erhobene Einwand, eine etwaige Kenntnis des Klägers von der Illegalität der Spiele sei aus Rechtsgründen irrelevant, weil der Kondiktionsausschluss des § 817 Satz 2 BGB in Fällen unerlaubten Online-Glücksspiels teleologisch zu reduzieren sei, greift nicht durch. Eine Einschränkung der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB kommt zur Vermeidung unbilliger Ergebnisse lediglich ausnahmsweise in Betracht, wenn der Schutzzweck der Nichtigkeitssanktion im konkreten Einzelfall gegen eine Kondiktionssperre spricht. Nachdem der Kläger wegen unentschuldigten Fehlens in der mündlichen Verhandlung nicht zu seinem Kenntnisstand und den Umständen seiner Spielteilnahmen angehört werden konnte, hat das Landgericht das Eingreifen einer Kondiktionssperre im vorliegenden Fall zutreffend nicht angenommen.
II.
12
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, sollte aus Kostengründen – Ersparung zweier Gerichtsgebühren gemäß Nr. 1222 KV-GVG – ihre Rücknahme erwogen werden.