Titel:
Antragsgegner, Einstweilige Anordnung, Zugewinnausgleichsanspruch, Verfügungsverbot, Grobe Unbilligkeit, Verfahrenswert, Immobilienbesitz, Übertragung, Unterlassungsanspruch, Verfahrensbevollmächtigter, getrenntlebender Ehegatten, Ersatzbeschaffung, Kostenentscheidung, Antragstellers, Zugewinngemeinschaft, Scheidungsverfahren, Eilverfahren, Grundstück, Summarische Prüfung, Lagerhalle
Schlagworte:
Zugewinnausgleich, Einstweilige Anordnung, Verfügungsverbot, Vermögensübertragung, Familienkonflikt, Immobilienbewertung, Dringlichkeitsprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 46541
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, über das Grundstück in München, L…straße 10, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts München …, Blatt …, FI.Nr. …. (L…straße 10, Gebäude- und Freifläche zu 2.163 qm) zu verfügen.
2. Das Grundbuchamt wird um Eintragung des Verfügungsverbots im Grundbuch gemäß Ziffer 1 ersucht.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
4. Der Verfahrenswert wird auf 225.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Antragsteller und Antragsgegnerin sind getrennt lebende Ehegatten. Die Trennung erfolgte am 01.03.2020. Das Scheidungsverfahren ist beim Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen 522 F 1791/21 rechtshängig. Mit Beschluss vom 19.04.2024 unter dem Aktenzeichen 522 F 10094/22 wurde die Zugewinngemeinschaft auf Antrag des Antragstellers rechtskräftig aufgehoben.
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Aus der Ehe der Beteiligten sind die erwachsenen Kinder C… Z…, S… Z…, G…. Z…, P… Z… und J… Z… hervorgegangen. Jedenfalls seit dem Jahr 2017 besteht ein tiefgreifender Familienkonflikt, in dem sich zwei Lager bildeten, und zwar die Antragsgegnerin mit den Kindern S… und P… auf der einen Seite und der Antragsteller mit den Kindern G… und J… auf der anderen Seite. Seit dem Jahr 2020 wurden und werden innerhalb des Familiensystems zahlreiche zivilrechtliche Verfahren, zumeist unter Ausschöpfung des Instanzenzuges, geführt. Hinzu kommen mehrere Strafanzeigen.
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Der Antragsteller hat folgenden Sachverhalt glaubhaft gemacht:
Zum Trennungsstichtag standen folgende Immobilien im Alleineigentum der Antragsgegnerin:
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L… straße 10 in M…
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K…straße 11 in M… und
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Le…straße 10 in M… .
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Die Immobilie L…straße 10 sei mit aufgerundet 1,8 Mio. Euro zu bewerten, die Immobilie K straße 11 mit ca. 7,2 Mio. Euro und die Immobilie Le straße 10 mit 14,6 Mio. Euro zu bewerten. Die Antragsgegnerin habe die beiden Grundstücke in der Le…straße 10 und K…straße 11 jeweils in M… an die Kinder S… und P… Z… verschenkt.
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Neben dem Immobilienbesitz verfüge die Antragsgegnerin über kein weiteres nennenswertes Vermögen.
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Dem Antragsteller stehe gegenüber der Antragsgegnerin ein voraussichtlicher Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von 12.336.627,50 Euro zu.
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Bei der Werkhalle in der L…straße 10, M…, betreibt der Antragsteller mit drei Mitarbeitern seine Firma – eine Rohrbiegerei – sowie die Entwicklung eines Dieselflugmotors. Der Antragsteller habe diese Immobilie aus eigenen Mitteln gekauft, aber aus Haftungsgründen auf den Namen der Antragsgegnerin eintragen lassen. Der Antragsteller benötige die Halle für den Fortbestand seiner Firma und insbesondere für die Vollendung seines Lebenswerks, der Entwicklung eines leichten Dieselmotors für Flugzeuge. Für die Motorenentwicklung befinden sich in der Werkhalle Motorenprüfstände und insbesondere ein Windkanal, für den eine Ersatzbeschaffung nicht möglich sei. Die Antragsgegnerin habe für die Werkhalle keine eigene Verwendung. So habe sie dem Antragsteller die Werkhalle bereits angeboten, falls er auf seinen Zugewinnausgleichsanspruch und die gemeinsamen Kinder C…, G… und J… auf ihre Erbansprüche verzichten.
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Mit Schreiben vom 06.05.2024 wurde der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin aufgefordert, ein dinglich gesichertes Verfügungsverbot für die Immobilie L…straße 10 eintragen zu lassen, um die anstehenden Vergleichsverhandlungen nicht durch das „Schaffen von Fakten“ zu belasten. Hierauf reagierte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 13.05.2024 damit, dass er eine Anspruchsgrundlage für das Verfügungsverbot nicht erkennen könne und dass sich durch einen Verkauf der Immobilie L…straße die Vermögenslage der Antragsgegnerin verbessern würde. Von den in der Vergangenheit durch die Antragsgegnerin beschenkten Kinder S… und P… wurde kürzlich die „… IMMO eGbR“ eingetragen, welche nur dem Zweck diene, das gegenständliche Grundstück zu erwerben.
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Der Antragsteller beantragt im Wege der einstweiligen Anordnung
Der Antragsgegnerin wird untersagt, über das Grundstück in M… , L..straße 10, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts München… , Blatt… , FI.Nr. … (L…straße 10, Gebäude- und Freifläche zu 2.163 qm) zu verfügen.
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Die Antragsgegnerin beantragt in der dem Gericht vorliegenden Schutzschrift vom 09.05.2024 die Abweisung des Antrags.
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Die Antragsgegnerin führt aus, dass ein Antrag nicht auf § 1365 BGB gestützt werden könne, da der gesetzliche Güterstand mit dem Beschluss vom 19.04.2024 unter dem Aktenzeichen 522 F 10094/22 beendet wurde. Zudem stehe dem Antragsgegner kein Zugewinnanspruch, jedenfalls nicht in der vom Antragsteller außergerichtlich vorgebrachten Höhe zu. Jedenfalls sei solcher über § 1390 BGB abgesichert. Zudem bestehe keine Dringlichkeit, da die Antragsgegnerin noch nicht beim Notar gewesen sei. Eine Beurkundung werde für den Fall, dass der Antragsteller das Verfahren über den Zugewinnausgleich nicht betreibe, im Juni erfolgen.
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Der zulässige Antrag ist begründet.
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Nach summarischer Prüfung im Eilverfahren steht dem Antragsteller analog § 1004 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1383 Abs. 1 BGB ein Unterlassungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin dahingehend zu, dass diese nicht über das Grundstück L…straße 10, welches im Rahmen eines Zugewinnausgleichs möglicherweise gemäß § 1383 BGB auf den Antragsteller zu übertragen wäre, verfügt.
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Das Gericht kann im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zum Schutz des § 1383 BGB ein Verfügungsverbot anordnen (Grüneberg/Siede , 83. Aufl. § 1383 Rn. 8).
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Nach Glaubhaftmachung des Antragstellers, auch unter Berücksichtigung der Einwendungen der Antragsgegnerin im Rahmen der Schutzschrift, besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass der Antragsteller im Rahmen des Zugewinnausgleichs einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Übertragung der Lagerhalle in der L…straße 10 gemäß § 1383 Abs. 1 BGB hat.
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Im Rahmen der summarischen Prüfung des Eilverfahrens besteht die ernsthafte Möglichkeit, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Zugewinn jedenfalls in Höhe des Wertes der Lagerhalle in der L…straße 10 hat. Selbst wenn entgegen der Berechnung des Antragstellers die gewährten Darlehen an die beiden Söhne G… und J… Z… nicht als Passivposten einbezogen werden, bestünde noch immer ein Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von etwa 8 Mio Euro. Mithin überstiege der Zugewinnausgleichsanspruch den Wert des Grundstücks von ca. 1.8 Mio Euro bei weitem.
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Aus dem vorgetragenen Sachverhalt lässt sich auch entnehmen, dass der Anspruch auf Geldausgleich im Rahmen des Zugewinns eine grobe Unbilligkeit für den Antragsteller bedeuten würde, da dieser eine besondere enge Sachbeziehung zu der Lagerhalle hat. Der Antragsteller hat die Lagerhalle erworben, um in dieser im Rahmen seiner Gesellschaft einen Dieselmotor zu entwickeln. Die Lagerhalle wurde dementsprechend ausgestattet und exakt auf diese Bedürfnisse angepasst. Für die Motorenentwicklung befinden sich in der Werkhalle Motorenprüfstände und insbesondere ein Windkanal, für den eine Ersatzbeschaffung nicht möglich ist. Für die Fortführung seiner Unternehmung ist die Lagerhalle somit von existenzieller Bedeutung.
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Unstreitig ist für die Antragsgegnerin die Übertragung der Lagerhalle zumutbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass diese die Übertragung an den Antragsteller selbst angeboten hat.
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Das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden ist gegeben, § 49 Abs. 1 FamFG. Die Antragsgegnerin selbst trägt vor, dass sie die Übertragung des Grundstücks … in der L straße 10 an die Kinder P… und S… anstrebt. Eine Beurkundung stehe im Juni im Raum. Für eine unmittelbar bevorstehende Übereignung an die beiden Kinder spricht auch die eingetragene GbR. Zudem hat die Antragsgegnerin schon in der Vergangenheit mehrfach Grundstücke an ihre Kinder übertragen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 51 Abs. 4, 113 Abs. 1 FamFG, § 91 Abs. 1 ZPO.
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Der Verfahrenswert bemisst sich nach §§ 41, 42 FamGKG, wobei das Interesse des Antragstellers an dem beantragten Verfügungsverbot maßgebend ist. Der Antragsteller trägt hierzu vor, dass mit dem Verfügungsverbot die Sicherung der Übertragung der gegenständlichen Lagerhalle in der L… straße 10 in M… im Wert von 1,8 Mio Euro nach § 1383 BGB bezweckt werde. Für die Berechnung des Zugewinns wurde auch dieser Betrag zugrunde gelegt, weshalb das Gericht auch diesen Betrag als maßgeblich erachtet. Für die Festsetzung des Verfahrenswertes ist deshalb von 1/4 des Betrages von 1,8 Mio Euro auszugehen, wobei aufgrund der Vorläufigkeit der Regelung der einstweiligen Anordnung gemäß § 41 FamGKG von dem so errechneten Betrag der hälftige Betrag anzusetzen ist. Der Verfahrenswert ist damit auf 225.000 Euro festzusetzen.