Titel:
Verdienstausfallentschädigung, Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit, bisherige Erwerbstätigkeit, Isolationsanordnung vor Zeitpunkt des Arbeitsverhältnisses
Normenketten:
IfSG § 56 Abs. 1
IfSG § 56 Abs. 3
IfSG § 56 Abs. 5
Schlagworte:
Verdienstausfallentschädigung, Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit, bisherige Erwerbstätigkeit, Isolationsanordnung vor Zeitpunkt des Arbeitsverhältnisses
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4571
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Der Kläger, ein Landwirt, begehrt die Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung für einen seiner Saisonmitarbeiter.
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1. Der Arbeitnehmer reiste am 4. April 2021 mit negativem Coronaschnelltest in die Bundesrepublik Deutschland ein.
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Nach § 1 des Arbeitsvertrages zwischen dem Arbeitnehmer und dem Kläger über eine befristete Aushilfsbeschäftigung vom 4. April 2021 war der Arbeitnehmer mit Wirkung ab 4. April 2021 als Saisonkraft im Betrieb des Klägers angestellt. Nach § 5 des Vertrages war die Zahlung des jeweils gültigen tariflichen Mindestlohns in Höhe von 9,50 EUR brutto je Stunde auf Basis der im Betrieb üblichen Stundendokumentation vereinbart. Auf dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Tätigkeitsnachweis war der 8. April 2021 als erster Tätigkeitstag des Arbeitnehmers vermerkt.
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Am 8. April 2021 erfolgte eine PCR-Testung auf SARS-CoV-2 des Arbeitnehmers. Nachdem hierdurch eine Infektion mit SARS-CoV-2 nachgewiesen wurde, ordnete das Landratsamt K. am 10. April 2021 gegenüber dem Arbeitnehmer eine häusliche Isolation für die Zeit vom 10. April bis einschließlich 22. April 2021 an.
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Für diesen Zeitraum zahlte der Kläger seinem Arbeitnehmer ein Nettoarbeitsentgelt in Höhe von 520,87 EUR und führte Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 350,31 EUR ab. Mit Antrag vom 25. Oktober 2021 beantragte der Kläger Erstattung dieser Arbeitgeberaufwendungen nach §§ 56 ff. IfSG. Im Antrag gab er zu der Frage, ob der Arbeitnehmer während des Monats, in den die Quarantäne gefallen sei, seine Tätigkeit für den Arbeitgeber aufgenommen habe, an, der Arbeitnehmer habe seine Tätigkeit am 23. April 2021 aufgenommen.
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Mit Bescheid vom 17. April 2023 lehnte die Regierung von U. den Antrag auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung und der Beiträge zur Sozialversicherung ab. Begründet wurde die Ablehnung im Wesentlichen damit, dass nach § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG eine Verdienstausfallentschädigung erhalte, wer durch behördliche Anordnung einen Verdienstausfall aus seiner bisherigen Erwerbstätigkeit erleide. Dies setze voraus, dass zum Zeitpunkt, in dem das Tätigkeitsverbot oder die Absonderungsanordnung wirksam würden, bereits eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde. Eine erst künftige Erwerbstätigkeit genüge nicht. Ausgeübt im Sinne der Vorschrift sei eine Erwerbstätigkeit, wenn bereits ein Arbeitseinkommen erzielt worden, also Lohn für geleistete Arbeit gezahlt worden sei. Folge die Aufnahme der Erwerbstätigkeit, für welche ein Verdienstausfall beansprucht werde, erst nach, so handle es sich nicht um die bisherige Erwerbstätigkeit und es bestehe insoweit kein Anspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG.
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2. Der Kläger ließ hiergegen am 16. Mai 2023 mit Schriftsatz vom 15. Mai 2023 Klage erheben und zur Begründung im Wesentlichen unter Einbeziehung der Klagebegründung aus dem Verfahren W 8 K 23.561 vom 2. Mai 2023 ausführen, der Bescheid vom 17. April 2023 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen subjektiv öffentlichen Rechten. Die Voraussetzungen für die beantragte Erstattung von Arbeitgeberaufwendungen gemäß § 56 Abs. 1 und 2 IfSG lägen vor, da der Arbeitnehmer des Klägers einen Verdienstausfall aus seiner bisherigen Tätigkeit erlitten habe. Der Kläger sei als Landwirt tätig und setze zur Bewältigung der Ernten Saisonarbeiter ein. Zwischen dem Kläger und dem Arbeitnehmer sei unter dem 4. April 2021 ein Arbeitsverhältnis über eine befristete Aushilfsbeschäftigung mit dem Arbeitsbeginn 4. April 2021 geschlossen worden und der Arbeitnehmer ab dem 4. April 2021 zur Sozialversicherung angemeldet worden. Laut Dienstplan sei der Arbeitsbeginn für den 8. April 2021 vorgesehen gewesen. Der Arbeitnehmer sei am 4. April 2021 mit einem negativen Schnelltest nach Deutschland eingereist, habe nach den damals gültigen Coronaregeln jedoch erst nach einem weiteren negativen Coronatest zur Arbeit eingesetzt werden können. Da der vor Arbeitsbeginn am 8. April 2021 durchgeführte Schnelltest positiv gewesen sei, sei ein PCR-Test erfolgt. Aufgrund des positiven Testergebnisses des PCR-Tests sei gegenüber dem Arbeitnehmer am 10. April 2021 die häusliche Isolation für den Zeitraum vom 10. bis 22. April 2021 angeordnet worden. Ab dem 23. April 2021 habe der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung für den Kläger dann tatsächlich aufgenommen. Da die Quarantäneanordnung für den Zeitraum vom 10. bis 21. April 2021 am 10. April erfolgt sei, sei sie 6 Tage nach Beginn des Arbeitsverhältnisses bzw. 2 Tage nach dem im Dienstplan vorgesehenen Arbeitsbeginn erfolgt. Zum Zeitpunkt der Absonderung habe der Arbeitnehmer des Klägers seine Arbeitsleistung bereits für mindestens 2 Tage erbracht. Nur durch die erfolgte Absonderung vom 10. April 2021 habe der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nicht aufnehmen können. Darüber hinaus sei der Arbeitnehmer auch bereits im Jahr 2020 für den Kläger als Saisonarbeiter tätig gewesen. Es habe daher eine bisherige Erwerbstätigkeit vorgelegen. Der Tätigkeit eines Saisonarbeiters sei immanent, dass dieser nicht durchgängig beschäftigt sei, sondern nur zu Saisontätigkeiten eingestellt werde. Dies ändere jedoch nichts daran, dass der Arbeitnehmer bereits zuvor beim Kläger beschäftigt gewesen sei und somit bereits eine Erwerbstätigkeit beim Kläger ausgeübt habe.
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Mit Schriftsatz vom 29. September 2023 führte die Regierung von U. für den Beklagten zur Begründung der Klageerwiderung im Wesentlichen aus: Der ablehnende Bescheid vom 17. April 2023 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG lägen nicht vor. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG – in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit – liege ein entschädigungsfähiger Verdienstausfall nur dann vor, wenn die betroffene Person zum Zeitpunkt, in dem das Tätigkeitsverbot oder die Absonderungsanordnung ihm gegenüber wirksam werde, bereits eine Erwerbstätigkeit ausübe. Folge die Aufnahme der Erwerbstätigkeit, für welche Verdienstausfall beansprucht werde, zeitlich dem Eintritt des Verbots erst nach, so handle es sich nicht um die „bisherige“ Erwerbstätigkeit und es bestehe für den insoweit erlittenen Verdienstausfall kein Anspruch nach § 56 IfSG. Eine künftige Erwerbstätigkeit genüge gerade nicht, da § 56 Abs. 1 IfSG lediglich künftige Erwerbschancen nicht umfasse. Sofern der Kläger darauf abstelle, dass der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich seine Arbeit bereits zum 4. April 2021 aufgenommen habe, so sei explizit darauf zu verwiesen, dass entscheidend für die tatbestandliche Annahme des § 56 Abs. 1 IfSG die tatsächliche Arbeitsaufnahme sei. Dies folge nicht zuletzt aus der Tatsache, dass § 56 Abs. 1 IfSG als Billigkeitsregelung eng auszulegen sei. Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 56 IfSG, Betroffenen keinen vollen Schadensausgleich, sondern eine gewisse Sicherung vor materieller Not zu geben, müsse der Betroffene Anordnungen, die der Beseitigung der von ihm ausgehenden Ansteckungsgefahr für Dritte dienten, an sich grundsätzlich entschädigungslos hinnehmen, selbst wenn er dadurch wirtschaftliche Nachteile erleide. Vorliegend habe der Arbeitnehmer des Klägers vor Aufnahme seiner Tätigkeit einen Corona-Test durchgeführt. Nachdem dieser positiv gewesen sei, sei schon gar keine Arbeitsaufnahme erfolgt, der Arbeitnehmer des Klägers sei nicht in der für ihn vorgesehenen Funktion eingesetzt worden. Dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, sei insofern unschädlich. Denn aus den damals gültigen Corona-Regeln habe sich nach klägerischem Vortrag ergeben, dass sein Arbeitnehmer nur dann seine Arbeit hätte aufnehmen dürfen, wenn er sowohl bei der Einreise nach Deutschland als auch unmittelbar vor Arbeitsbeginn einen negativen Test hätte nachweisen können. Damit müsse bereits dem Wortlaut nach der negative Test der tatsächlichen Arbeitsaufnahme vorausgehen. Dies folge nicht zuletzt aus der Tatsache, dass der negative Test vor Arbeitsaufnahme gerade nicht am Tag des arbeitsvertraglichen Beginns der Tätigkeit – 4. April 2021 – sondern am Tag der tatsächlich geplanten Arbeitsaufnahme – 8. April 2021 – vorgenommen worden sei. Nach der gültigen AV Isolation vom 9. März 2021 hätten sich Verdachtspersonen unmittelbar nach Vornahme der Testung absondern müssen. Da die Testung aufgrund eines positiven Schnelltests erfolgt sei, habe es sich bei dem Arbeitnehmer des Klägers um eine Verdachtsperson gehandelt, weshalb die Isolation ab dem 8. April 2021 notwendig gewesen sei. Da sich die Absonderungsverpflichtung unmittelbar aus der AV Isolation ergeben habe, komme es nicht darauf an, auf welches Datum die Isolationsanordnung des zuständigen Gesundheitsamtes datiert sei. Auch soweit der Kläger vortragen lasse, der Arbeitnehmer sei bereits im Jahr zuvor bei ihm beschäftigt gewesen, könne dem nicht gefolgt werden. Denn das Verbot müsse sich auf die bisherige Erwerbstätigkeit beziehen. Da ein Anspruch auf Entschädigung unter Zugrundelegung des oben Ausgeführten nicht bestehe, scheide auch eine Erstattung der während der Isolation abgeführten Beiträge zu Sozialversicherung im Sinne des § 57 IfSG aus.
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3. In der mündlichen Verhandlung am 15. Januar 2024 beantragte die Klägerbevollmächtigte:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 17. April 2023, Az.: … verpflichtet, dem Kläger für den Mitarbeiter A. … J. … eine Verdienstausfallentschädigung in Höhe von € 520,87 zzgl. € 350,31 Sozialversicherungsbeiträge zu gewähren.
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Die Beklagtenvertreterin beantragte,
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze samt Anlagen in der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Statthaft ist eine Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO), da sich der Kläger gegen die bescheidsmäßige Ablehnung seines Entschädigungsantrags wendet und den Erlass eines für ihn günstigen Bescheides begehrt.
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Die Klage ist unbegründet.
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Die Ablehnung der Verdienstausfallentschädigung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung sowie abgeführter Sozialversicherungsbeiträge für seinen Arbeitnehmer, weil der notwendige Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers nicht gegeben ist. Es fehlt bereits an der tatbestandlich vorausgesetzten bisherigen Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers i.S.d. § 56 Abs. 1 IfSG.
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Der Beklagte hat im Bescheid der Regierung von U. vom 17. April 2023, auf dessen Gründe, die sich das Gericht zu eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), zutreffend begründet, dass die Voraussetzungen nach § 56 IfSG nicht vorliegen.
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Das Vorbringen des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung.
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Gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG in der zum Zeitpunkt der Quarantäne im April 2021 maßgeblichen Fassung mit Gültigkeit vom 1. April bis 22. April 2021 (vgl. zur maßgeblichen Sach- und Rechtslage i. R. d. § 56 IfSG: VG Bayreuth, U.v. 28.6.2022 – B 7 K 22.320 – juris Rn. 24, 25, 28 m.w.N.; U.v. 17. 1. 2022 – B 7 K 21.871 – juris Rn. 23 ff. 27, 29; U.v. 17. 1. 2022 – B 7 K 21.425 – juris Rn. 39 f.; U.v. 21.6.2021 – B 7 K 21.110 – juris Rn. 24 f.; VG Freiburg, U.v. 17.5.2022 – 10 K 368/21 – juris Rn. 17; VG Karlsruhe, U.v. 20.6.2022 – 14 K 480/21 – juris Rn. 85 mit Hinweis auch auf gegenteilige Auffassungen) erhält, wer auf Grund des IfSG als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für eine Person, die nach § 30, auch in Verbindung mit § 32, abgesondert wird oder sich auf Grund einer nach § 36 Absatz 8 Satz 1 Nummer 1 erlassenen Rechtsverordnung absondert. Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen, die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet, § 56 Abs. 5 Sätze 1 und 3 IfSG.
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Vorliegend hat der Kläger seinem Arbeitnehmer zwar für den Zeitraum der Isolation eine Verdienstausfallentschädigung ausgezahlt und bei der Regierung von U. einen Antrag auf Erstattung gestellt. Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Erstattung, weil seinem Arbeitnehmer kein – zunächst von der Klägerin für die zuständige Behörde zu erfüllender – Entschädigungsanspruch gem. § 56 Abs. 1 IfSG zusteht.
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Der Arbeitnehmer war zwar i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG abgesondert worden. Er war jedoch durch die Absonderung nicht in der Ausübung seine bisherigen Erwerbstätigkeit i. S. d. § 56 Abs. 1 IfSG beeinträchtigt, da er seine Tätigkeit bei dem Kläger erst am 8. April 2021 und mithin erst nach Beginn der Absonderung aufnehmen sollte.
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Denn ein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung besteht nach dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG nur für die bisherige Erwerbstätigkeit, was entsprechend für den Anspruch aus § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG gilt („Das Gleiche gilt für“). Daraus folgt, dass die Erwerbstätigkeit zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Tätigkeitsverbots bzw. der Absonderungsanordnung von der betroffenen Person ausgeübt worden sein muss (so schon VG Würzburg, U.v. 29.11.2021 – W 8 K 21.896 – BeckRS 2021, 46998; vgl. Aligbe, Infektionsschutzrecht in Zeiten von Corona, 9. Kapitel Nrn. 2 und 3, Entschädigung bei Verboten der Erwerbstätigkeit; Eckart/Kruse in BeckOK, InfSchR, 19. Edition Stand: 8.7.2023, IfSG § 56 Rn. 22; Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 8; Kümper in Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 56 Rn. 17). Eine künftige Erwerbstätigkeit genügt insoweit nicht, da § 56 Abs. 1 IfSG lediglich künftige Erwerbschancen nicht umfasst (Eckart/Kruse in BeckOK InfSchR, 19. Edition Stand: 8.7.2023, IfSG § 56 Rn. 22; vgl. Becker in Huster/Kingreen InfektionsschutzR-HdB, 2. Auflage 2022, Kap. 9 Öffentliches Entschädigungsrecht Rn. 117). Auch nach einem Berufswechsel ist der neu aufgenommene Beruf kein tauglicher Anknüpfungspunkt für einen Anspruch nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG (vgl. Kümper in Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 56 Rn. 17). Eine anderweitige Auslegung des § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG (so aber Sangs in Sangs/Eibenstein, IfSG, § 56 Rn. 57 und VG Augsburg, U.v. 25.9.2023 – Au 9 K 23.741) für den Fall, dass die bisherige Erwerbstätigkeit zumindest im Zeitpunkt der Schutzmaßnahme vorgesehen war, verbietet sich aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Norm – bisherige Erwerbstätigkeit –, welcher zusammen mit dem klar erkennbaren Willen des Gesetz- bzw. Verordnungsgeber die Grenze der Auslegung darstellt (vgl. BVerfG, Ue.v. 30. 3. 2004 – 2 BvR 1520/01 u. 2 BvR 1521/01, BVerfGE 110, 226, 267 m.w.N.; vgl. BVerwG, U.v. 6.11.2014 – 5 C 7/14 – juris Rn. 16). Dass eine Erwerbstätigkeit, die noch nicht ausgeübt wurde bzw. für die die hauptvertraglichen Verpflichtungen noch nicht entstanden sind, eine bisherige Erwerbstätigkeit darstellen soll, lässt sich angesichts dessen, dass „bisherig“ „bisher gewesen, bisher vorhanden“ und „bisher“ „von einem unbestimmten Zeitpunkt an bis zum heutigen Tag, bis jetzt“ bedeutet (vgl. Duden, https://www.duden.de/rechtschreibung/bisherig und https://www.duden.de/rechtschreibung/bisher, zuletzt aufgerufen am 6.2.24) dem Wortlaut der Norm unter keinem denkbaren begrifflichen Ansatz entnehmen. Darüber hinaus ist § 56 Abs. 1 IfSG als Billigkeitsregelung eng auszulegen (vgl. Tholl, Staatshaftung und Corona, § 1 Rn. 31; Winter/Thürk in Schmidt, COVID-19 Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Auflage 2021, § 22 Rn. 16). Entsprechend dem Sinn und Zweck des § 56 IfSG, Betroffenen keinen vollen Schadensausgleich, sondern eine gewisse Sicherung vor materieller Not zu geben (vgl. BT-Drs. 3/1888, 27 zu § 48 BSeuchG), muss der Betroffene Anordnungen, die der Beseitigung der von ihm ausgehenden Ansteckungsgefahr für Dritte dienen, an sich grundsätzlich entschädigungslos hinnehmen, selbst wenn er dadurch wirtschaftliche Nachteile erleidet (Winter/Thürk in Schmidt, COVID-19 Rechtsfragen zur Corona-Krise, 3. Auflage 2021, § 22 Rn. 16; Tholl, Staatshaftung und Corona, § 1 Rn. 31 m.w.N.).
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Es lag keine bisherige Erwerbstätigkeit des Arbeitnehmers vor. Zum Zeitpunkt der Absonderung hatte der Arbeitnehmer seine Erwerbstätigkeit weder aufgenommen, noch war er zu diesem Zeitpunkt bereits verpflichtet gewesen sie aufzunehmen.
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Soweit der Kläger vorträgt, es habe bereits ab dem 4. April 2021 eine Erwerbstätigkeit vorgelegen, da durch den Arbeitsvertrag zwischen ihm und dem Arbeitnehmer am 4. April 2021 ein Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab 4. April 2021 geschlossen worden sei, steht dem entgegen, dass nicht lediglich der Abschluss eines Arbeitsvertrages ein Arbeitsverhältnis und damit eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 56 IfSG begründet. Ein Arbeitsverhältnis beginnt erst zu dem Zeitpunkt in dem die Hauptleistungspflichten – Vergütungspflicht des Arbeitgebers und Arbeitsverpflichtung des Arbeitnehmers – entstehen und nicht bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl.: Tödtmann/Kaluza-Krieg in: Maschmann/Sieg/ Göpfert Vertragsgestaltung im Arbeitsrecht, 3. Auflage 2020, 80 Arbeitsaufnahme/Beginn des Arbeitsverhältnisses, I. Wirtschaftliches Interesse Rn. 1 f.). Vorliegend entstanden die Hauptleistungspflichten nicht am 4. April 2021, sondern erst am 8. April 2021, da der Mitarbeiter des Klägers nach dem Vortrag im Verwaltungs- und Klageverfahren und dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Tätigkeitsnachweis seine Arbeitstätigkeit erst am 8. April 2021 aufnehmen sollte. Der Mitarbeiter erwarb trotz geplanter Arbeitsaufnahme am 8. April 2021 auch nicht bereits ab dem 4. April 2021 einen Vergütungsanspruch, da nach dem vorgelegten Arbeitsvertrag kein Monatslohn, sondern ein jeweils nach tatsächlich geleisteten, im Arbeitsvertrag noch nicht in ihrer Anzahl konkret festgelegten Stunden abgerechneter Stundenlohn vereinbart war (vgl. § 4 und § 5 des Arbeitsvertrages). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem klägerischen Argument, es sei bereits ab dem 4. April 2021 Sozialversicherung bezahlt worden, denn auch das Beschäftigungsverhältnis i. S. d. Sozialrechts – würde man für die Erwerbstätigkeit i. S. d. § 56 IfSG auf dieses abstellen – beginnt, wenn nicht ein Monatslohn gezahlt, sondern nach tatsächlich geleisteten Stunden abgerechnet wird, mit der tatsächlichen Arbeitsaufnahme (vgl. hierzu: Helmut Reinhardt in Reinhardt/Silber, SGB VI – Gesetzliche Rentenversicherung. 5. Aufl. 2021 SGB VI § 1 Beschäftigte Rn.6; Stäbler in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Werkstand: 119. EL Juni 2023, SGB IV § 7 Beschäftigung Rn. 45).
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Eine bisherige Erwerbstätigkeit ergibt sich auch nicht aufgrund dessen, dass der Arbeitnehmer bereits im Jahr 2020 bei dem Kläger als Saisonarbeiter beschäftigt gewesen war. Hierbei handelte es sich aufgrund der zeitlichen Zäsur offenkundig nicht um die selbe, sondern um eine andere Erwerbstätigkeit.
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Darüber hinaus begann die Absonderung i. S. d. § 56 Abs. 1 Satz 2 entgegen der klägerischen Ansicht auch bereits am 8. April 2021 und nicht am erst am 10. April 2021, obwohl die Absonderungsanordnung des Landratsamtes K. vom 11. April 2021 den 10. April 2021 als Beginn der häuslichen Isolation aufführt. Denn der Arbeitnehmer des Klägers wurde, nachdem am 8. April 2021 ein Schnelltest positiv ausfiel und ein PCR-Test vorgenommen wurde, als Verdachtsperson unmittelbar (vgl. Art. 35 BayVwVfG) durch Nr. 1.2.1 der Allgemeinverfügung Isolation – Stand 9. März 2021, in der Folge: AV Isolation –, einer Allgemeinverfügung auf Grundlage des § 30 IfSG, bereits ab dem 8. April 2021 nach § 30 IfSG abgesondert. Denn gem. Nr. 1.2.1 AV Isolation mussten sich Verdachtspersonen unverzüglich nach Vornahme der PCR-Testung in Quarantäne begeben. Verdachtspersonen waren nach Nr. 1.2 AV Isolation u.a. Personen, bei denen ein Antigentest zum direkten Erregernachweis von SARS-CoV-2 (Antigentest), der nicht durch eine medizinische Fachkraft oder eine vergleichbare, hierfür geschulte Person vorgenommen wurde, ein positives Ergebnis aufweist […] und […] die sich aufgrund des positiven Ergebnisses des Antigentests […] einer molekularbiologischen (PCR-)Testung auf SARS-CoV-2 unterzogen haben (Verdachtspersonen).
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Für eine analoge Anwendung des § 56 IfSG auf die vorliegende Konstellation, dass zum Zeitpunkt der Absonderungsanordnung der Arbeitsvertrag zwar schon geschlossen war, die Aufnahme der Tätigkeit aber erst für einen Zeitpunkt nach der Absonderung vorgesehen war, ist kein Raum. Wie bereits dargelegt ist § 56 Abs. 1 IfSG als Billigkeitsregelung eng auszulegen und bezweckt keinen vollen Schadensausgleich. Auf die obigen Ausführungen wird insofern Bezug genommen. Das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ist nicht ersichtlich. Ein genereller Entschädigungsanspruch sollte nach dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht gewährt werden (vgl. Tholl, Staatshaftung und Corona, § 1 Rn. 31; Lutz, IfSG, 2. Auflage 2020, Vor § 56 Rn. 5 m.w.N.).
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Die Anspruchsvoraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG für eine Verdienstausfallentschädigung des Arbeitnehmers liegen somit nicht vor, so dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der von ihm geleisteten Zahlung an seinen Mitarbeiter nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG hat.
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In der Folge besteht auch kein Anspruch auf Erstattung der für den Arbeitnehmer abgeführten Sozialversicherungsbeiträge gem. § 57 Abs. 1 Satz 4 IfSG, da hierfür der Anspruch gem. § 56 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 56 Abs. 1 IfSG Voraussetzung wäre.
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Demnach war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.