Titel:
Disziplinarklage, Besitz kinderpornographischer Bild- und jugendpornographischer Videodateien, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, Polizeioberkommissar
Normenketten:
BeamtStG § 47
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3
BeamtStG § 34 Abs. 1 S. 3
BayDG Art. 10
BayDG Art. 9
StGB §§ 184b, 184c
StGB § 201a
Schlagworte:
Disziplinarklage, Besitz kinderpornographischer Bild- und jugendpornographischer Videodateien, Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, Polizeioberkommissar
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4565
Tenor
I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge um 10% für 30 Monate erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt im Wege der Disziplinarklage die Zurückstufung des Beklagten.
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Der am ... 1963 geborene Beklagte wurde nach Erwerb der Fachhochschulreife am 2. September 1991 zum Polizeihauptwachtmeisteranwärter unter gleichzeitiger Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf ernannt. Als Polizeiobermeister wurde er am 2. Mai 1995 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen. Am 1. September 2016 wurde er zum Polizeioberkommissar ernannt. Seit dem 1. Oktober 2013 ist er bei der Polizeiinspektion Kraftfahrdienste M. tätig. In seiner periodischen Beurteilung im Jahr 2017 erhielt der Beklagte das Gesamtprädikat von zehn Punkten. Mit den dem Beklagten nach Klageerhebung eröffneten Beurteilungen erhielt dieser acht Punkte (Beurteilung 2020) bzw. zehn Punkte (Beurteilung 2023).
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Der Beklagte ist geschieden und hat zwei erwachsene Kinder. Er bezieht Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 10 und war bis zu den streitgegenständlichen Vorkommnissen weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten.
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Mit Schreiben vom 21. Mai 2019 wurde der Beklagte durch die Disziplinarbehörde darüber informiert, dass gegen ihn disziplinarrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden, weil er am 19. März 2017 Frau F. … beim Toilettengang fotografiert haben und bis zum 27. April 2018 im Besitz eines Bildes dieser jugendlichen Person, in sexualbezogener Haltung und bekleidet lediglich mit einer Unterhose und einem BH, gewesen sein soll. Es wurde außerdem mitgeteilt, dass das Disziplinarverfahren bis zum Abschluss des in gleicher Sache eingeleiteten Strafverfahrens ausgesetzt wird.
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Am 17. Juni 2019 ging ein Persönlichkeitsbild des Beklagten vom 14. Mai 2019 ein.
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Bezüglich des Besitzes eines Fotos von Frau F. …, welches diese in sexualbezogener Haltung, bekleidet mit Unterhose und BH, zeigt, wurde das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 25. Juli 2019 nach § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung eingestellt, dass aufgrund des Alters der Dargestellten kein jugendpornographisches Bild vorliegt und auch kein sonstiger Straftatbestand in Betracht kommt.
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Eingestellt gemäß § 170 Abs. 2 StPO und zur Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten abgegeben an die Verwaltungsbehörde wurde mit Verfügung vom 16. Juli 2019 außerdem ein Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Bayerische Datenschutzgesetz, soweit dem Beklagten wegen Funden anlässlich einer aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts München vom 27. April 2018 zwecks Auffindens von unbefugt gefertigten Fotos oder Videos intimen Inhalts am 2. Juli 2018 durchgeführten Durchsuchung zur Last gelegt worden war, am 23. Mai 2018 den Computerbildschirm des Polizeibeamten … auf dem Dienst-PC fotografiert und mittels Wh.-A. diese Bilder, die personenbezogene Daten beinhalten, versandt sowie danach nicht gelöscht zu haben. Das betreffende Ordnungswidrigkeitenverfahren wurde mit Einstellungsverfügung vom 22. Februar 2021 aus Opportunitätsgründen eingestellt.
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Das Amtsgericht Viechtach erließ am 29. Juli 2019 einen Strafbefehl wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 60 Euro, der seit dem 29. August 2019 rechtskräftig ist. Dem Beklagten wird danach zur Last gelegt, dass er am 19. März 2017 um 0:56 Uhr durch ein Fenster des Toilettenbereichs einer Waldhütte in … ein Foto von Frau F. …, während diese die Toilette benutzte, aufgenommen hat. Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt. Die Staatsanwaltschaft hielt wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten.
9
Mit Verfügung vom 12. Dezember 2019 wurde von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten gemäß § 152 Abs. 2 StPO abgesehen, soweit aufgrund der Auswertung des Mobiltelefons des Beklagten ein Wh.-A.-Chat der Wh.-A.-Gruppe „FW1- die Besten der Besten“, bestehend aus Polizeibeamten und einem Tarifbeschäftigten des Polizeipräsidiums M. festgestellt sowie die (unmittelbare) Kommunikation des Beklagten mit Dritten ausgewertet worden war.
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Mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 6. April 2021 wurde gegen den Beklagten wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften in Tateinheit mit dem Besitz jugendpornographischer Schriften eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 60 Euro verhängt und ein Mobiltelefon sowie ein PC eingezogen. Der Strafbefehl ist seit dem 17. April 2021 (hinsichtlich Schuldspruch, Anzahl und Höhe der Tagessätze) bzw. 27. Januar 2022 (hinsichtlich der Einziehung) rechtskräftig. Bei der Auswertung sichergestellter Gegenstände waren demnach mindestens drei kinderpornographische Bilddateien und zwei jugendpornographische Videodateien in ungelöschtem Zustand aufgefunden worden. Auf einer der kinderpornographischen Bilddateien ist danach der Unterleib eines geschätzt fünf bis neun Jahre alten, mit heruntergezogener Hose sitzenden Mädchens zu sehen, dass mit der linken Hand die Vagina berührt, welche im Fokus des Bildes steht. Auf einer kinderpornographischen Bilddatei ist ein ca. drei bis vier Jahre alter Junge zu sehen, welcher nackt auf einem Bett sitzt und sich mit einem Messer am Penis betätigt. Eine weitere kinderpornographische Bilddatei zeigt ein ca. einjähriges Kind von hinten, welches nur mit einem T-Shirt bekleidet ist und dem ein Schnuller im Anus steckt. Eine der jugendpornographischen Videodateien zeigt zwei 13 bis 15 Jahre alte Mädchen, die auf einer Couch liegen bzw. sitzen, wobei ein Mädchen mit einem Dildo an der Vagina sowie den Brüsten des anderen Mädchens agiert. Auf der weiteren Videodatei sind zunächst vier vollständig entkleidete Jungen im Alter von ca. 14 bis 16 Jahren in einer Sauna sitzend zu sehen. Sodann ist einer der Jungen unter der Dusche zu sehen, während er sich seinen Körper wäscht. Dabei ist der Penis des Jungen deutlich erkennbar.
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Mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 teilte die Disziplinarbehörde dem Beklagten mit, dass das Disziplinarverfahren fortgesetzt sowie ausgedehnt und beschränkt wird. Die Ausdehnung betraf einerseits den Vorwurf des Besitzes dreier kinderpornographischer Bilddateien und zweier jugendpornographischer Videodateien. Andererseits seien auf dem Mobiltelefon des Beklagten innerhalb einer Wh.-A.-Gruppe und vier Einzelchats Bilder mit rechtem Gedankengut und fremdenfeindlichen Äußerungen aufgefunden worden. Zudem seien beim Beklagten fünf Screenshots des dienstlichen Bildschirms mit personenbezogenen Daten aufgefunden worden. Die Beschränkung betraf den Besitz eines Bildes einer Jugendlichen in sexualbezogene Haltung, da das betreffende Strafverfahren im Hinblick auf die Volljährigkeit der abgebildeten F. … nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden war. Der Beklagte erhielt Gelegenheit zur Äußerung zum Sachverhalt sowie zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung und zur Einbehaltung von Bezügen.
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Am 26. Oktober 2021 wurde der Beklagte mündlich angehört. Dieser äußerte sich nach Belehrung nicht zur Sache. Gegenüber dem Beklagten wurde sodann das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen, bestätigt mit Schreiben vom 19. November 2021.
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Am 16. November 2021 ging das mit gleichem Datum erstellte Persönlichkeitsbild zum Beklagten ein.
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Mit Schreiben vom 8. Februar 2022 erfolgte die Aufhebung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte. Mit Schreiben vom 18. Mai 2022 wurde dem Beklagten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen bekannt gegeben; er wurde abschließend angehört.
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Am 7. September 2022 erhob der Kläger Disziplinarklage mit dem Ziel der Zurückstufung des Beklagten. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Disziplinarklageschrift Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
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Der Kläger beantragte,
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den Beklagten zurückzustufen.
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Der Beklagte beantragte,
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eine mildere Maßnahme als die Zurückstufung auszusprechen.
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Soweit ihm vorgeworfen werde, er habe am 19. März 2017 eine Bildaufnahme von Frau F. … angefertigt, räume er den Vorwurf ein. Der Beklagte bereue sein Verhalten. Ihm sei bewusst, dass er das Foto nicht hätte aufnehmen dürfen, umso mehr, als er mit der Geschädigten bestens bekannt gewesen sei. Er könne sich die Tat nicht erklären. Er führe sie auf einen nicht unerheblichen Alkoholkonsum anlässlich einer Familienfeier, an der auch Frau … teilgenommen habe, zurück. Der Beklagte habe sein Fehlverhalten eingesehen, den Strafbefehl akzeptiert und Frau … um Entschuldigung gebeten, die das aber abgelehnt habe. Der Beklagte habe ein Schmerzensgeld in Höhe von 500,00 Euro und deren Anwaltskosten übernommen.
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Den strafrechtlich geahndeten Vorwurf, drei kinderpornographische Bilddateien und zwei jugendpornographische Videodateien gespeichert zu haben, räume der Beklagte ebenfalls ein. Allerdings habe er keine Erinnerung daran, wie es zu dem Abspeichern der Dateien gekommen sei. Von den ersten beiden Bildern habe der Beklagte erst aus der Strafakte erfahren. Hinsichtlich des dritten Bildes habe er die Zusendung abgelehnt. Die beiden jugendpornographischen Videodateien seien ihm ebenfalls erst aus der Strafakte zur Kenntnis gelangt. Der Beklagte führe dies auf die Verwendung des Tauschprogramms e... zurück. Es handele sich dabei um eine Standardsoftware für File-Sharing-Netzwerke. Der Beklagte habe das Programm erinnerlich vor mehr als zehn Jahren installiert, hauptsächlich um Musik und rumänisch-sprachige Filme herunterzuladen. Das Programm sei so eingestellt gewesen, dass beim Start des PC der Download beginne, selbst wenn der Beklagte im Dienst oder im Urlaub gewesen sei und die Ex-Ehefrau den PC benutzt habe. Es habe sich daher eine Datenmenge angesammelt, die der Beklagte nicht mehr überblickt habe.
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Hinsichtlich des Vorwurfs, auf dem eigenen iPhone Bilder mit rechtem Gedankengut und fremdenfeindlichen Äußerungen besessen zu haben, liege keine strafrechtliche Relevanz vor. Der Beklagte habe die Dateien innerhalb einer Chat-Gruppe zugesendet bekommen. Er habe diese weder weitergeleitet noch zustimmend oder ablehnend reagiert. Der Beklagte sei zwar Mitglied der Chat-Gruppe gewesen, er erinnere sich aber an eine im wesentlichen „passive“ Mitgliedschaft, da er den inkriminierten Inhalt der Chats abgelehnt habe. Er habe dies allerdings nicht deutlich nach außen kundgetan, weil er nicht in Konflikt mit den anderen Chat-Mitgliedern habe kommen wollen. Der Vorwurf sei auch disziplinarrechtlich nicht von Relevanz. Er übersteige zumindest nicht die Schwelle der Ahndungsnotwendigkeit. Der Austausch der Dateien sei außerdienstlich und in einer privaten geschlossenen Gruppe erfolgt. Die Mitglieder der Chat-Gruppe seien ersichtlich von Exklusivität und Vertraulichkeit des geschriebenen Wortes ausgegangen. Die Korrespondenz sei unter dem Eindruck der Privatheit und mit der Überzeugung erfolgt, dass sie weder für den Dienstherrn bestimmt noch von ihm eingesehen werden könne. Das „Niveau“ der Kommunikation sei durch alle Mitglieder der Gruppe bestimmt worden, die eben von Vertraulichkeit ausgegangen seien. In den Chats seien erkennbar witzig gemeinte Mitteilungen geteilt worden. Es sei nicht ersichtlich, ob die Inhalte der geteilten Mitteilungen der eigenen, inneren Überzeugung entsprechen. Der Beklagte habe durch sein passives Verhalten jedenfalls Distanz zu den vermittelten Inhalten zum Ausdruck bringen wollen. Diese Passivität sei nicht zu unterschätzen, zumal innerhalb von Chats von den Mitgliedern in der Regel eine Reaktion erwartet werde. Das Nichtreagieren werde regelmäßig mit Desinteresse gleichgesetzt. Der Beklagte habe angenommen, sein „Möglichstes“ zu tun, um Nichtbilligung zum Ausdruck zu bringen.
23
Der Beklagte räume den strafrechtlich und ordnungswidrigkeitenrechtlich nicht verfolgten Sachverhalt, wonach er auf seinem iPhone fünf jpg.-Dateien vorgehalten habe, bei denen es sich um Screenshots des dienstlichen Bildschirms handele, ein. Auf die Wertung im Einstellungsvermerks vom 22. Februar 2021 werde jedoch verwiesen. Sie sei auf das Disziplinarverfahren zu übertragen. Eine Ahndung durch eine Disziplinarmaßnahme sei nicht begründet.
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Hinsichtlich der Maßnahmenbemessung für die disziplinarrechtlich allein zugrunde zu legenden strafrechtlich geahndeten Vorwürfe komme vor dem Hintergrund des geltenden Strafrahmens für den hier als schwerstes Dienstvergehen anzusehenden Besitz von kinder- und jugendpornographischen Bilddateien zwar grundsätzlich der gesamte Disziplinarmaßnahmenkatalog in Betracht. Der Besitz von kinderpornographischen Bildern führe aber regelmäßig nicht zur Verhängung der disziplinarischen Höchstmaßnahme. Zu berücksichtigen sei im vorliegenden Einzelfall, dass nur eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen im unteren Bereich des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens verhängt worden sei. Die Strafverfolgungsorgane seien folglich nicht von einer besonderen Schwere der individuellen Schuld ausgegangen. Es komme somit nicht die mit Blick auf den hier in Rede stehenden Vorwurf als Höchstmaßnahme anzusehende Zurückstufung, sondern nur eine Kürzung der Dienstbezüge in Betracht. Der Beklagte sei zwar auch wegen des Vorwurfs der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen mit einer Geldstrafe belegt worden, was erschwerend wirke. Allerdings sei der geringe Unwertgehalt daran zu erkennen, dass es sich um ein Antragsdelikt handele und die Strafbewährung nur bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe betrage. Es sei insoweit die Wertung des Art. 15 BayDG zu berücksichtigen. Der Beklagte sei bei der Tatbegehung alkoholisiert gewesen, was enthemmend wirke. Zu seinen Gunsten sei von einem persönlichkeitsfremden Augenblicksverhalten auszugehen. Der Beklagte habe sich zudem entschuldigt. Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass er geständig sei, das Verfahren lange gedauert habe und das Persönlichkeitsbild ansprechend sei.
25
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Disziplinarakte, die Personalakte, die beigezogenen Strafverfahrensakten und die Gerichtsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge um 10% für 30 Monate erkannt (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayDG).
27
1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Insbesondere erhielt der Beklagte in allen Verfahrensschritten die Gelegenheit zur Äußerung.
28
2. In tatsächlicher Hinsicht legt das Gericht seinem Urteil die Vorwürfe aus der Disziplinarklage zugrunde. Jedoch scheidet das erkennende Gericht den vom Beklagten eingeräumten Sachverhalt, dass auf seinem iPhone 6s fünf jpg.-Dateien bzw. Screenshots des dienstlichen Bildschirms aufgefunden wurden, welche personenbezogene Daten der angemeldeten Person (PHK …) sowie weiterer natürlicher Personen im Rahmen geöffneter dienstlicher Anwendungen zeigen, nach Art. 54 BayDG aus, weil dieser Vorwurf für Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht maßgeblich ins Gewicht fällt (vgl. Zängl, BayDG, Stand Oktober 2023; Art. 54 Rn. 5; vgl. auch BayVGH, U.v. 24.5.2023 – 16a D 20.2247 – juris Rn. 39). Auf den Einstellungsvermerk des Präsidialbüros des Polizeipräsidiums M. vom 22. Februar 2021 (Bl. 94, 95 der Disziplinarakte) wird insoweit Bezug genommen.
29
a) Dem Beklagten wird zur Last gelegt, am 19. März 2017 gegen 00:55 Uhr durch das Fenster einer Waldhütte in … ein Foto von Frau F. … aufgenommen zu haben, während diese die dortige Toilette benutzte. Dieser Sachverhalt steht nach Aktenlage und mündlicher Verhandlung fest. Die tatsächlichen Feststellungen des hierzu ergangenen Strafbefehls vom 29. Juli 2019 sind zwar nicht bindend. Sie können der Entscheidung im Disziplinarverfahren aber ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden (Art. 25 Abs. 2, Art. 55 BayDG). Der Beklagte hat den Sachverhalt vollumfänglich zugestanden.
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b) Darüber hinaus legt das Gericht ebenso wie die Disziplinarbehörde den Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 6. April 2021 zugrunde, wonach beim Beklagten anlässlich der Wohnungsdurchsuchung am 2. Juli 2018 drei kinderpornographische Bilddateien und zwei jugendpornographische Videodateien auf sichergestellten Gegenständen (u.a. ein PC „…“) aufgefunden wurden. Der Beklagte hat auch diesen Sachverhalt eingeräumt, wenn er auch angibt, angesichts der Fülle der durch das von ihm verwendete File-Sharing-Programm e... den Überblick über die bei ihm vorhandenen Daten verloren zu haben.
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c) Des Weiteren sind beim Beklagten auf dessen iPhone 6s Bilder mit rechtem Gedankengut und fremdenfeindlichen Äußerungen im Rahmen eines Gruppenchats (Wh.-A.-Gruppe „FW1-Die Besten der Besten“) und vier Einzelchats aufgefunden worden. In der Disziplinarverfügung wird Bildmaterial, das fremdenfeindlich zu werden sei, wie folgt beschrieben:
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„a. Nachricht von J. S. vom 25.07.2017 in Wh.-A. Gruppe ‚FW1-Die Besten der Besten‘: Foto mit Auto, auf dessen Heckscheibe folgende Aufschrift vermerkt ist: ‚Ich fahre heute zur Arbeit, weil sich Millionen Arbeitslose und ‚Flüchtlinge‘ auf mich verlassen‘.
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b. Nachricht von S. vom 14.09.2017 in Wh.-A. Gruppe ‚FW1-Die Besten der Besten‘: Foto mit Ablichtung eines Jungen und eines Mannes mit einem ‚Vergleich‘: ‚1945 und 2016. Traumatisierter minderjähriger Flüchtling‘.
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c. Nachricht von J. S. vom 14.01.2018 in Wh.-A. Gruppe ‚FW1-Die Besten der Besten‘: Foto eines ‚Witzes‘ über Asylanten.
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d. Nachricht von S. vom 19.12.2017 in Wh.-A. Gruppe ‚FW1-Die Besten der Besten‘: Foto eines schwarzen Schneemannes und Aufschrift ‚OH! EIN SCHNEGER!‘
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e. Nachricht von DER. vom 20.01.2018 in Wh.-A. Gruppe ‚FW1-Die Besten der Besten‘: Foto einer Pfanne, in der Hähnchenkeulen in Form eines Hakenkreuzes platziert sind, mit dem Kommentar ‚Hähnchenkeule nach altdeutschem Rezept‘.
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f. Nachricht von H. R. vom 02.02.2018 in Wh.-A. Gruppe ‚FW1-Die Besten der Besten‘: Foto einer Toilette mit Hakenkreuz an der Wand und der Aufschrift ‚Habe bei meinem Fliesenleger einen dezenten Braunton bestellt, da hat er mich wohl missverstanden‘.
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g. Nachricht von W. S. vom 12.02.2018 Wh.-A. Gruppe ‚FW1-Die Besten der Besten‘ mit Foto eines schwarzen Mannes, der einen Pulli mit der Aufschrift ‚Landser – Deutsche Wut‘ trägt. Als Aufschrift ist vermerkt ‚Klamotten aus der Altkleidersammlung sind manchmal Glückssache‘.
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h. Nachricht von J. S. vom 14.03.2018 in Wh.-A. Gruppe ‚FW1-Die Besten der Besten‘: Foto von einem Kamel in der Wüste und der Aufschrift ‚Ganz schön ruhig hier seitdem alle in Deutschland sind! K. K. (33) wurde seit 2 Jahren nicht mehr sexuell belästigt‘.
40
i. Nachricht von W. S. vom 26.10.2016: Foto eines T-Shirts mit einem „H.-Smilie“ unter Aufschrift: ‚Welcome to Germany‘.
41
j. Nachricht von D. vom 21.04.2017: Foto eines Schwarzen Mannes, der ein rotes T-Shirt trägt, das ein Hakenkreuz als Aufdruck hat, als Aufschrift vermerkt ist ‚Das nenne ich Integration …‘
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k. Nachricht von … … B. vom 21.01.2018: Video eines VW-Logos, welches sich dreht und während der Rotation ein Hakenkreuz zeigt.
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l. Nachricht von … W. vom 31.12.2016: Video mit dem Porträt von A. H.. Dieser hält vor dem Hintergrund, hier steht das neue iPhone 4s (das ‚s‘ wurde durch eine SS Rune ersetzt) ein iPhone hoch. Die Lippen sind animiert und A. H.spricht: ‚Kamerad. Ich habe mich sehr gefreut über das Video, dass du mir geschickt hast. Ich denke wir werden uns vielleicht sehen. Auf ein Bierchen. Hab noch einen schönen Tag‘.“
44
Alle genannten Beiträge in den jeweiligen Chats stehen aufgrund der Auswertungen des Mobiltelefons des Beklagten fest und sind in der Disziplinarakte dokumentiert. Hierauf verweist die Disziplinarbehörde in der streitgegenständlichen Verfügung. Der Beklagte hat den Sachverhalt nicht bestritten.
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3. Der Beklagte hat durch die ihm zur Last gelegten Sachverhalte ein einheitliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtstG begangen. Die diesem zugrunde zu legenden Pflichtverletzungen wurden außerdienstlich begangen und sind ahndungswürdig, weil sie nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet sind, das Vertrauen in einer für das Amt des Beklagten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (vgl. § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
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a) Indem der Beklagte heimlich ein Foto von Frau F. … aufnahm, während sie sich auf der Toilette befand, hat er gegen die Pflicht, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, jeweils in der zur Tatzeit geltenden Fassung) verstoßen.
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aa) Der Beklagte hat sich gemäß § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB der Verletzung des höchst persönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen strafbar gemacht. Es besteht nach den Tatumständen und den Einlassungen des Beklagten kein Anlass, von der Auffassung des Amtsgerichts, das den betreffenden Strafbefehl erlassen hat, hinsichtlich der Subsumierbarkeit des festgestellten Sachverhalts unter diesen Straftatbestand abzuweichen (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2021 – 16a D 178. 2369 – juris Rn. 25 m.w.N.). Der Beklagte handelte danach vorsätzlich und schuldhaft. Beides wird von ihm auch nicht infrage gestellt, trotzdem er von einer gewissen Enthemmung infolge vorhergehenden Alkoholgenusses ausgeht.
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bb) Der Beklagte hat damit ein Fehlverhalten an den Tag gelegt, dass das Mindestmaß an Relevanz im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG überschreitet. Nach dieser Norm ist ein Verhalten außerhalb des Dienstes nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Hiervon ist auszugehen, wenn das Fehlverhalten strafrechtlich mit einer Strafandrohung von mindestens zwei Jahren belegt ist (BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – BVerwGE 168, 254 = juris Rn. 16 m.w.N.). Zum Tatzeitpunkt (19.3.2017) war die unbefugte Bildaufnahme einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblick besonders geschützten Raum befindet, durch die der höchst persönliche Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht. Hinzu kommt hier der Bezug zum Statusamt des Beklagten. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Das berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – BVerwGE 152, 228 = juris Rn. 22 f.).
49
b) Der Beklagte hat zudem drei kinderpornographische Bilddateien und zwei jugendpornographische Videodateien besessen und damit ebenfalls in ahndungswürdiger Weise gegen die Pflicht, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, jeweils in der zur Tatzeit geltenden Fassung) verstoßen (vgl. § 184b Abs. 3 Alt. 2, Abs. 6, § 184c Abs. 3 Alt. 2, Abs. 6 StGB).
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aa) Der Beklagte handelte vorsätzlich und schuldhaft. Soweit er sich darauf beruft, dass er keine Erinnerung daran habe, wie es zu dem Abspeichern auf seinen elektronischen Speichermedien gekommen ist, ist jedenfalls bedingter Vorsatz zu bejahen. Der Beklagte räumte in der mündlichen Verhandlung selbst ein, das Tauschprogramm e... genutzt und mit diesem im Wege der Stichwortsuche erhebliche Datenmengen heruntergeladen, sie aber nicht immer im Einzelnen gesichtet zu haben. Ausweislich der Strafakten wurden auf den elektronischen Geräten des Beklagten zahlreiche pornographische Inhalte entdeckt. Soweit der Beklagte an diesen interessiert war, dabei aber nicht gezielt nach kinder- oder jugendpornographischen Bildern bzw. Videos gesucht hat, hat er zumindest billigend in Kauf genommen, dass auch solche Dateien heruntergeladen werden und in seinen Besitz gelangen. Damit liegt ein ausreichender Besitzwille für die strafrechtlichen Tatbestände der §§ 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB in der im Tatzeitraum geltenden Fassung vor (vgl. auch VG München, U.v. 22.2.2023 – M 19L DK 21.4892 – juris Rn. 73).
51
bb) Das Vergehen erfüllt auch die besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG. Zu dem Zeitpunkt, als die genannten Dateien beim Beklagten aufgefunden wurden (2.7.2018), war der Besitz einer kinderpornographischen Schrift mit einem Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren bedroht. Überdies weist der außerdienstliche Besitz kinderpornographischer Bild- oder Videodateien einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – BVerwGE 152, 228 = juris Rn. 21).
52
c) Als Teilnehmer von Wh.-A.-Chats, in denen Bilder mit rechtem Gedankengut und fremdenfeindlichen Äußerungen geteilt wurden, hat der Beklagte in vorsätzlicher und schuldhafter sowie in ahndungswürdiger Weise im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG außerdienstlich gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung) verstoßen.
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aa) Aus der bloßen Teilnahme an den Chats durch den Beklagten, allerdings ohne dass dieser dem Einstellen der betreffenden Bilder bzw. „Witze“ durch andere entgegengetreten ist, ist zwar – auch angesichts der Qualität der betreffenden Beiträge – noch nicht seine innere Abkehr von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG ableitbar. Jedoch ist damit ein Verhalten zu verzeichnen, mit dem ein solcher Anschein in gewisser Weise gesetzt wird und diesbezügliche Zweifel hervorgerufen werden. Ein Beamter ist im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft gehalten zu vermeiden, dass er durch sein Verhalten nahelegt, sich mit verfassungsfeindlichen Ideen zu identifizieren oder auch nur mit ihnen zu sympathisieren. Das zurechenbare Setzen eines solchen Scheins, indem solchen Äußerungen nicht erkennbar Missbilligung entgegengebracht wird, begründet eine disziplinarrechtlich bedeutsame Verletzung der Pflicht zu achtungs- und vertrauensvollem Verhalten (vgl. VG München, U.v. 8.2.2023 – M 19L DK 22.2278 – juris Rn. 54 ff. m.w.N.).
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Die in Rede stehenden eingestellten Beiträge sind geeignet, Arbeitslose und vor allem Flüchtlinge verächtlich zu machen (insbesondere Beiträge a., b., c., h). Es wird sich mit ihnen über Ausländer und Menschen mit dunkler Hautfarbe lustig gemacht bzw. werden diese beleidigt; Fremdenhass wird so verharmlost (insbesondere d., g., h). Einzelne Beiträge bagatellisieren durch die vermeintlich witzige Nutzung von Nazisymbolen einschließlich eines H.bildes das Regime des sogenannten Dritten Reiches und damit letztlich auch dessen Gräueltaten (insbesondere e., f., g., i., k., l.). Die „Unterhaltungskomponente“ ändert nichts an der Verwerflichkeit der propagierten Inhalte (vgl. VG München, U.v. 8.2.2023 a.a.O. Rn. 58). Der Beklagte hat die betreffenden Beiträge zwar weder geschickt, noch weitergeleitet oder kommentiert. Er hat jedoch dadurch, dass er auf sie nicht reagierte, keine Gegnerschaft, Ablehnung oder Distanzierung zum Ausdruck gebracht, wie er angeblich meinte, sondern vielmehr den Anschein gesetzt, gegen diese Form von Nachrichten und Inhalten nicht wirklich etwas zu haben. Objektiv kann seine fehlende Positionierung nur als Billigung gedeutet werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2022 – 16b DC 22.1484 – juris Rn. 16; VG Greifswald, U.v. 26.9.2022 – 11 A 1077/21 HGW – juris Rn. 27 m.w.N.). Nicht vorwerfbar, allerdings angesichts der Vielzahl der Chat-Beiträge hinsichtlich der Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme auch nicht ins Gewicht fallend, könnte einzig der Einzel-Chat mit D. vom 21. April 2017 (j.) sein. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass er seinen Nachbarn D. angesprochen und aufgefordert habe, ihm nicht mehr derartige Inhalte zu schicken.
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bb) Der Beklagte kann der Annahme einer Pflichtverletzung nicht erfolgreich damit entgegentreten, dass er sich auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Meinungsfreiheit oder das Recht auf Vertraulichkeit beruft. Ein Verwertungsverbot kommt im Übrigen von vornherein nicht in Betracht, nachdem die Chatinhalte aufgrund eines strafprozessualen Durchsuchungsverfahrens aufgefunden wurden und der Beklagte der Verwertung auch nicht widersprochen, sondern sich entsprechend eingelassen hat (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 24.8.2023 – OVG 80 D 3/22 – juris Rn. 28 m.w.N.; OVG Hamburg, B.v. 12.12.2022 – 12 Bf 288/22.FZ – juris Rn. 20; VG Greifswald, U.v. 14.1.2022 – 11 A 1301/21 – juris Rn. 36).
56
Die hier in Rede stehende Herabsetzung von Personen und Personengruppen sowie die Verharmlosung des Naziregimes überschreitet die einem Beamten gezogenen Grenzen der Meinungsäußerungsfreiheit deutlich (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2020 – 2 WD 17.19 – juris Rn. 25 f.; U.v. 20.2.2001 – 1 D 55.99 – juris Rn. 38 f.; VG München, U.v. 8.2.2023 – M 19L DK 22.2278 – juris Rn. 65). Darüber hinaus gilt die beamtenrechtliche Pflicht, nicht einmal den Anschein einer verfassungsfeindlichen Einstellung zu erzeugen, auch im kleineren, nicht öffentlichen Rahmen (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2022 – 16b DC 22.1484 – juris Rn. 16 m.w.N.; OVG Berlin-Bbg, U.v. 24.8.2023 – OVG 80 D 3/22 – juris Rn. 33 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 20.2.2001 – 1 D 55.99 – juris Rn. 2 ff., 39; U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 28 f. m.w.N.). Abgesehen davon, dass bei einer Wh.-A.-Gruppe mit über 20 Teilnehmern – wie hier hinsichtlich der Gruppe „FW1-Die Besten der Besten“ – eine besondere Vertraulichkeit ohnehin ausgeschlossen ist (vgl. auch HessVGH, B.v. 30.6.2023 – 28 E 803/23.D – juris Rn. 45 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4/21 – juris Rn. 48), ist selbst bei einem Chat mit nur einer anderen Person darauf abzustellen, dass das Dienstvergehen einschließlich aller be- und entlastenden Umstände bekannt wird, und welche Folgerungen hinsichtlich der Einstellung des Beamten gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland daraus zu ziehen sind (vgl. BVerwG, B.v. 29.6.2019 – 2 B 19.18 – juris Rn. 16 m.w.N.). Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Vor allem Polizeibeamte haben jeden Anschein zu vermeiden, selbst Anhänger verfassungsfeindlicher Ziele zu sein (OVG Berlin-Bbg, U.v. 24.8.2023 – OVG 80 D 3/22 – juris Rn. 33).
57
cc) Nachdem vorliegend kein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht, der stets als innerdienstlich einzustufen ist (vgl. BVerwG, U.v. 2.12.2021 – 2 A 7.21 – juris Rn. 26; BayVGH, U.v. 20.7.2022 – 16a D 20.1464 – juris Rn. 16), im Raum steht, ist das Verhalten des Beklagten als außerdienstlich zu bewerten. Die Voraussetzungen der Ahndungswürdigkeit gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG liegen vor.
58
Selbst wenn einzelne Nachrichten aus den Wh.-A.Chats während der Dienstzeit verschickt wurden, dürfte auch hinsichtlich der Wh.-A.-Gruppe „FW1-Die Besten der Besten“, deren Teilnehmer sich ausschließlich aus Polizeibeamten bzw. einem Beschäftigten des Polizeipräsidium M. rekrutierten, von einem außerdienstlichen Verhalten auszugehen sein. Es handelte sich um eine privat initiierte Gruppe. Wie bereits ausgeführt, muss ein Beamter im Interesse des Vertrauens der Öffentlichkeit in eine dem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat verpflichtete Beamtenschaft vermeiden, durch sein öffentliches außerdienstliches Verhalten in vorhersehbarer und ihm daher zurechenbarer Weise den Anschein zu setzen, eine fremdenfeindliche oder dem Nationalsozialismus nicht abgeneigte Einstellung zu haben bzw. mit solchen Ansichten zu sympathisieren. Im Interesse der Akzeptanz und Legitimation staatlichen Handelns ist er verpflichtet, einem solchen Schein entgegenzuwirken (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.2001 – 1 DB 15.01 – juris Rn. 36; im gleichen Sinn B.v. 21.12.2010 – 2B 29.10 – juris Rn. 5 und 7; VG Greifswald, U.v. 26.9.2022 – 11 A 1077/HGW – juris Rn. 24 f.). Zudem muss sich ein Polizeibeamter insbesondere dann in seinem privaten Verhalten mäßigen, wenn dabei ein besonderer Bezug zu seiner Dienstausübung, das heißt zu seinem polizeilichen Auftrag, zu seinen Kollegen oder zur Polizei als Institution besteht (ebenso BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 40; U.v.18.6.2020 – 2 WD 17.19 – juris Rn. 23 jeweils zum Kontext der Bundeswehr). Dieser Bereich ist in Bezug auf die Wh.-A.-Gruppe aus dem Kollegenkreis gerade betroffen. Das Vertrauen in die Beachtung der verfassungsrechtlich geschützten Grundsätze der Gleichbehandlung, der Achtung der Menschenwürde und der Achtung der freien Religionsausübung sowie in die Unvoreingenommenheit gegenüber allen von ihrer Amtsausübung betroffenen Personen wird deshalb besonders beeinträchtigt (vgl. VG München, U.v. 8.2.2023 – M 19L DK 22.2278 – juris Rn. 77). Aber auch der Umstand, dass sich der Beklagte dem Einstellen von Nazisymbolik im Rahmen von Einzelchats nicht widersetzt hat, lässt trotz der jeweils vermeintlich humorigen Einkleidung an der Ablehnung derartigen Gedankenguts zweifeln und ist somit in erheblichem Maße geeignet, das Vertrauen in seine berufliche Integrität und die Polizei als Institution zu erschüttern. Unerheblich ist, ob die Äußerungen strafbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 13.1.2022 – 2 WD 4.21 – juris Rn. 40).
59
4. Der Beklagte hat ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen. Die Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 BayDG führt aber zu einer milderen Maßnahme als der klägerseits beantragten Zurückstufung. Das Gericht sieht die im Tenor ausgesprochene Kürzung der Dienstbezüge als angemessene Disziplinarmaßnahme an.
60
Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Danach ist das festgestellte Dienstvergehen einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, U.v 15.11.2023 – 16a D 22.509 – juris Rn. 74). Soweit außerdienstliches Verhalten disziplinarrechtlich zu ahnden ist, muss der außerdienstliche Charakter auch bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden (BVerwG, B.v. 4.4.2019 – 2 B 32.18 – juris Rn. 14). Setzt sich das Dienstvergehen – wie hier – aus mehreren Handlungen zusammen, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (vgl. BayVGH, U.v. 15.11.2023 – 16a D 22.509 – juris Rn. 75 m.w.N.; U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 66).
61
a) Die schwerste Verfehlung liegt hier im Besitz kinderpornographischer und jugendpornographischer Bild- bzw. Videodateien.
62
Zunächst ist bei strafbarem Verhalten der zum Tatzeitpunkt geltende Strafrahmen der entscheidende normative Anhaltspunkt für die Maßnahmebemessung, denn mit der gesetzlichen Strafandrohung hat der Gesetzgeber seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht. Angesichts der Strafandrohung für den (bloßen) Besitz kinderpornographischer Schriften mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren gemäß § 184b Abs. 3 StGB (in der Fassung zur Tatzeit) reicht der disziplinare Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2020 – BVerwGE 168, 254-270 = juris Rn. 20 ff.). Bei Polizeivollzugsbeamten besteht beim außerdienstlichen Besitz von kinder- und jugendpornographischem Bild- und Videomaterial aufgrund der mit ihrem jeweiligen Amt verbundenen Aufgaben- und Vertrauensstellung zudem ein spezifischer Bezug zu ihrem Statusamt, der zu einem gravierenden, die Höchstmaßnahme rechtfertigenden Vertrauensverlust führen kann (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 23; U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 30; BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.2292 – juris R. 19; B.v. 23.9.2022 – 16a DC 22.1940 – juris Rn. 17). Angesichts der Variationsbereite möglicher Verfehlungen kommt die Ausschöpfung dieses Orientierungsrahmens aber nur in Betracht, wenn dies auch dem Schweregehalt des vom Beamten konkret begangenen Dienstvergehens entspricht. Dieser ist anhand einer sorgsamen Würdigung der Einzelfallumstände unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände zu bestimmen (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – BVerwGE 152, 228 = juris Rn. 36).
63
Danach wiegt das betreffende Fehlverhalten des Beklagten hier nicht derart schwer, dass von einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn oder der Allgemeinheit auszugehen ist (vgl. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG).
64
Der hier vom Strafgericht ausgesprochenen strafrechtlichen Sanktion in Form einer Geldstrafe kommt für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme zwar keine Indizwirkung zu, weil Straf- und Disziplinarverfahren unterschiedliche Zwecke verfolgen (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.2021 – 2 B 43.21 – juris Rn. 13, 18 m.w.N.; U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 40; U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 34, 39). Hier ist aber unabhängig davon zu berücksichtigen, dass nur eine geringe Anzahl von Dateien (insgesamt 5), die sich im Besitz des Beklagten befanden, als kinderpornographisch bzw. jugendpornographisch eingestuft werden konnten. Was ihre Inhalte anbelangt, sind sie eher im unteren Bereich des strafrechtlich relevanten Spektrums anzusiedeln. Davon konnte sich das Gericht anhand der Akteninhalte ein Bild machen. Insbesondere werden keine sexuellen Handlungen von Erwachsenen an Kindern, geschweige denn schwerer sexueller Missbrauch dargestellt. Zudem lässt sich die Einlassung des Beklagten, dass er diese Dateien nicht aufgrund einer Neigung oder wegen eines expliziten Interesses heruntergeladen, sondern letztlich nur aus Nachlässigkeit nicht unverzüglich gelöscht hat, nicht widerlegen. Allerdings ist bereits der Download und hieraus folgende Besitz als verwerflich anzusehen, da dies zu einer Nachfrage nach derartigem Bild- und Videomaterial bis hin zu Darstellungen von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen und somit zu gravierenden Verstößen gegen ihre körperliche Unversehrtheit sowie ihre Menschenwürde beiträgt (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2018 – 2 WD 10.18 – juris Rn. 26; BayVGH, U.v. 6.4.2022 – 16a D 20.975 – juris Rn. 26). Als tatangemessene Pflichtenmahnung kommt daher hier grundsätzlich die zweithöchste Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung in Betracht.
65
b) Auch andere Gesichtspunkte verleihen dem Dienstvergehen des Beklagten nicht ein solches Gewicht, dass die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme indiziert wäre. Erschwerend kommt zwar die strafgerichtlich sanktionierte Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs zulasten von F. D. hinzu. Auch für diese nach ihrer Strafandrohung mittelschwere Straftat reicht der Orientierungsrahmen aufgrund des hinreichenden Bezugs zum polizeilichen Amt des Beklagten grundsätzlich bis zur Entfernung (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 30; BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.2292 – juris Rn. 40). Dass es sich um ein Antragsdelikt handelt, ist unerheblich, zumal vorliegend ein Strafantrag gestellt und ausweislich des ergangenen Strafbefehls zudem das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht wurde (vgl. BayVGH, a.a.O. Rn. 41).
66
Es ist aber nach den Einzelfallumständen nicht von einem endgültigen Vertrauensverlust des Dienstherrn oder der Allgemeinheit wegen dieses außerdienstlichen Vergehens auszugehen. Der Vorwurf bezieht sich auf ein einziges Foto von Frau …, dass diese auf der Toilette sitzend, von hinten zeigt. Das Gericht folgt dem Beklagten zwar nicht darin, dass es sich infolge der seinerzeit erheblichen Alkoholisierung um eine persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen gehandelt habe. Dagegen spricht bereits, dass im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen weitere Fotos von weiblichen Personen aus dem Familien-/Bekanntenkreis in intimen Situationen aufgefunden wurden, die der Beklagte aufgenommen hat bzw. besaß. Dies deutet eher auf eine entsprechende Grundhaltung hin. Dennoch kann Alkoholkonsum anlässlich einer privaten Feier zu einer gewissen Enthemmung geführt haben und ist dem Beklagten positiv anzurechnen, dass er ein Schmerzensgeld geleistet sowie den Versuch unternommen hat, sich bei Frau … zu entschuldigen.
67
c) Erschwerend kommt des Weiteren der Vorwurf hinsichtlich der diskriminierenden und den Nationalsozialismus verharmlosenden Chat-Beiträge im Messenger-Dienst Wh.-A.hinzu. Hierfür kann keine abstrakte Regel für eine zu verhängende Disziplinarmaßnahme aufgestellt werden, weil die Bandbreite, in der Verletzungen der Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten denkbar sind, zu groß ist. Entscheidend sind die jeweiligen Einzelfallumstände; Disziplinarmaßnahmen sind grundsätzlich aus dem gesamten Maßnahmenkatalog möglich (vgl. VG München, U.v. 8.2.2023 – M 19L DK 22.2278 – juris Rn. 89).
68
Nach den vorliegenden Umständen ist das Vergehen des Beklagten zwar als weniger schwer als die beiden strafrechtlich geahndeten außerdienstlichen Vergehen einzustufen, weil er den Erhalt der betreffenden, in „Witzform“ eingekleideten Nachrichten nur kommentarlos hingenommen hat. Andererseits hatte er durch seine Passivität aber Anteil daran, dass derartige Inhalte weiter in die von Angehörigen der Polizei initiierte Wh.-A.-Gruppe eingestellt wurden. Auch gegenüber seinen Einzelchatpartnern hat er damit eine Fehlhaltung zum Ausdruck gebracht, die mit seinem Amt nicht zu vereinbaren ist und negativ auf dieses abfärbt.
69
d) Mit Blick auf die relativ lange Verfahrensdauer und weiterer zugunsten des Beklagten sprechender Umstände ist nicht auf die beantragte Zurückstufung, sondern auf die im Tenor dieser Entscheidung nähere bezeichnete mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
70
Das Disziplinarverfahren betrifft im Wesentlichen Vorfälle aus den Jahren 2016 bis 2018 und hat bezogen auf den vorliegenden Einzelfall mit einer Verfahrensdauer von deutlich über vier Jahren seit seiner Einleitung mit Schreiben vom 21. Mai 2019 unangemessen lange gedauert (BVerwG, B.v. 11.10.2021 – 2 A 9.20 – juris Rn. 5 m.w.N.). Dies ist mildernd zugunsten des Beamten zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 44 f.). Die im Streitfall eingetretene unangemessene Verfahrensdauer beruhte nicht auf einem verfahrensverzögernden Verhalten des Beamten, sondern auf der hier letztlich in der Summe langwierigen Behandlung des Verfahrens durch die Ermittlungsbehörden und die Gerichte. Es liegt vorliegend auch auf der Hand, dass die mit dem Disziplinarverfahren verbundenen beruflichen und wirtschaftlichen Nachteile zu einer erheblichen Belastung des über seine berufliche und wirtschaftliche Existenz im Ungewissen lebenden Beamten geführt und auf ihn eingewirkt haben (vgl. VG München, U.v. 30.1.2023 – M 19L DK 22.4240 – juris Rn. 134). Dies kann ohne weiteres sämtlichen Persönlichkeitsbildern (vom 14.5.2019, 16.11.2021 und 22.2.2024) sowie der Verhaltensabschätzung des Dienstvorgesetzten des Beklagten vom 4. Februar 2022 betreffend die Zeit der Suspendierung entnommen werden. Der Beklagte hat danach erheblich unter dem laufenden Disziplinarverfahren und seiner vorübergehenden Außerdienstsetzung gelitten, dennoch aber ein jederzeit einwandfreies Verhalten und zudem glaubhaft Bedauern hinsichtlich seiner Taten gezeigt. Die vorliegenden, rundum positiven Persönlichkeitsbilder sowie die Verhaltensabschätzung zeichnen das Bild eines über die Maßen leistungs- und einsatzbereiten Beamten. Seine Beurteilungen deuten ebenfalls auf eine positive Entwicklung hin. Im Übrigen ist der Beklagte straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Seit den gegenständlichen, nunmehr schon lang zurückliegenden Verfehlungen haben sich im Verfahren keinerlei Anhaltspunkte für erneutes außerdienstliches Fehlverhalten ergeben.
71
e) Damit ist nach den Gesamtumständen die Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge auszusprechen, die nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayDG um höchstens ein Fünftel auf längstens drei Jahre zulässig ist. Das Gericht übt das ihm zustehende Ermessen dahingehend aus, dass dem Beklagten die Kürzung des Ruhegehalts in Höhe von 10% (10 v.H.) für die Dauer von 30 Monaten auferlegt wird. Der Kürzungsbruchteil entspricht der Besoldung des Beklagten aus der dritten Qualifikationsebene (vgl. BVerwG, U.v. 21.2.2001 – 1 D 29.00 – juris Ls. und Rn. 20). Die Festlegung der Dauer der Kürzung auf 30 Monate entspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und berücksichtigt alle angesprochenen be- und entlastenden Umstände des konkreten Einzelfalls. Die volle Ausschöpfung des höchstzulässigen Kürzungszeitraums war danach nicht erforderlich, sondern dieser konnte um ein halbes Jahr reduziert werden.
72
5. Der Kürzung der Dienstbezüge steht nicht Art. 15 Abs. 1 Nr. 2 BayDG entgegen. Ist gegen einen Beamten oder eine Beamtin im Straf- oder Bußgeldverfahren unanfechtbar eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden, darf nach dieser Vorschrift wegen desselben Sachverhalts eine Kürzung der Dienstbezüge nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beklagten zur Pflichterfüllung anzuhalten oder das Ansehen des Berufsbeamtentums zu wahren. Hier ist schon nicht von der vollständigen Sachverhaltsidentität auszugehen. Zudem wäre zumindest die zweitgenannte Alternative erfüllt. Maßgeblich ist insoweit der dienstliche Bezug der Straftaten unter dem Blickwinkel, dass die Verfolgung derartiger Delikte zu den Aufgaben eines Polizeibeamten gehört (vgl. BayVGH, B.v. 28.9.2011 – 3 CS 11.1304 – juris Rn. 45).
73
6. Der Kürzung der Dienstbezüge steht kein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs entgegen. Zwar sind seit der Vollendung des Dienstvergehens mehr als drei Jahre vergangen (vgl. Art. 16 Abs. 2 BayDG). Doch begann die maßgebliche Dreijahresfrist mit Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Schreiben vom 21. Mai 2019 und mit der Ausdehnung mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 neu zu laufen (vgl. Art. 16 Abs. 4 Nr. 1 und 2 BayDG). Für die Dauer der zugleich mit der Einleitungsverfügung ausgesprochenen Aussetzung war sie gehemmt (vgl. Art. 16 Abs. 5 Satz 1 BayDG), sodass die Frist des Art. 16 Abs. 2 BayDG bis zur Klageerhebung am 26. August 2022 (vgl. Art. 16 Abs. 4 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 BayDG) noch nicht abgelaufen ist.
74
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG. Da gegen den Beklagten im Verfahren der Disziplinarklage auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt wurde, trägt er die Kosten des Verfahrens, obwohl er mit seinem Antrag, eine mildere als die von der Disziplinarbehörde beantragte Disziplinarmaßnahme auszusprechen, obsiegt hat.