Inhalt

LG Bamberg, Beschluss v. 19.12.2024 – 43 T 113/24
Titel:

Beschwerdegericht, Sachverständige, Erneute Anhörung, Entscheidungserhebliche Tatsachen, Drohender Gesundheitsschaden, Unterbringungsähnliche Maßnahme, Unterbringungsverfahren, Freiheitsentziehung, Betreuungsakten, Beschwerdeverfahren, Rechtliche Gesichtspunkte, Kostenentscheidung, Betroffenheit, Seelische Behinderung, Aufenthaltsbestimmung, Gegenstandswert, freiheitsentziehende Maßnahmen, Verfahrenspfleger, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Ergänzungsgutachten

Schlagworte:
Unterbringung, Betreuungsverfahren, Psychische Erkrankung, Selbstgefährdung, Verhältnismäßigkeit, Anhörung, Sachverständigengutachten
Vorinstanz:
AG Bamberg, Beschluss vom 28.11.2024 – 05 XVII 932/18
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 09.04.2025 – XII ZB 1/25
Fundstelle:
BeckRS 2024, 45535

Tenor

1. Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 28.11.2024 (Az.: 05 XVII 932/18) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Unterbringung der Betreuten durch den Betreuer in der geschlossenen Abteilung einer geeigneten Einrichtung für psychisch kranke Menschen bis längstens 12.11.2026 genehmigt wird.
2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000, – € festgesetzt.

Gründe

A.
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I.  Die Beschwerde der Betroffenen – vertreten durch ihre Schwester – vom 11.12.2024 ist gemäß § 58 FamFG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt.
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II. Die Beschwerde hat indes in der Sache keinen Erfolg, da das Amtsgericht in dem angegriffenen Beschluss vom 28.11.2024 zu Recht die Unterbringungen der Betroffenen durch den Betreuer in der geschlossenen Abteilung einer geeigneten Einrichtung genehmigt hat.
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Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen vor.
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Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist gemäß § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB zulässig, solange sie erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.
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Dies ist vorliegend der Fall.
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1. Ein Antrag des Betreuers der Betroffenen auf Genehmigung einer dauerhaften Unterbringung wurde 18.10.2024 (Bl. 149 f. d. Unterbringungsheftes) gestellt.
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Dem Betreuer der Betroffenen waren auch mit Beschluss des Amtsgerichts Bamberg vom 25.03.2019 (Bl. 54 f. d. Betreuungsakte) die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über Unterbringung und unterbringungsähnliche Maßnahmen übertragen. Die Anordnung wurde mit Beschluss vom 17.12.2020 (Bl. 150 f. d. Betreuungsakte) und Beschluss vom 22.12.2023 (Bl. 268 f. d. Betreuungsakte) verlängert.
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2. Nach den aktuellen Gutachten der Sachverständigen Dr. med. … vom 13.11. und 28.11.2024 (Bl. 168 f., 257 f. d.A.) leidet die Betreute an einer psychischen Krankheit bzw. geistigen/seelischen Behinderung, nämlich an einer chronischen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie (ICD-10 F 20.0). Die Sachverständige Dr. … legt ausführlich dar, dass sich diese Erkrankung bei der Betreuten durch Wahnvorstellungen, Vergiftungsphantasien und akustische Halluzinationen zeigt. Die Betroffene ist krankheitsbedingt nicht in der Lage, ihren eigenen Willen frei zu bestimmen und sie ist nicht geschäftsfähig.
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3. Nach den aktuellen Gutachten der Sachverständigen Dr. med. … vom 13.11. und 28.11.2024 (Bl. 168 f., 257 f. d.A.), besteht bei der Betroffenen zudem die Gefahr der Selbsttötung bzw. die Eigenzufügung eines erheblichen gesundheitlichen Schaden.
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Die Sachverständige hat im Ergänzungsgutachten vom 28.11.2024 ausführlich dargestellt, dass die Erkrankung der Betroffenen regelmäßig – so auch hier – zu den Symptomen von Wahnvorstellungen, Halluzinationen, desorganisiertem Denken und Verhalten sowie negativen Symptomen führe. Die Kombination dieser Symptome bei gleichzeitig nicht erfolgender oder ungenügender Behandlung führt zu einem erhöhten Risiko für suizidale Handlungen (insb. verstärkt durch imperativ-akustische Halluzinationen), zu einer Vernachlässigung der Selbstfürsorge bei der grundlegende Bedürfnisse wie Ernährung, Körperpflege und medizinische Versorgung nicht mehr eigenständig wahrgenommen werden und zu Realitätsverlust (mit der Gefahr von Fehlhandlungen, weil der Wahn als Realität wahrgenommen wird) sowie sozialer  Isolation.
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Bei der Betroffenen liegen die genannten Symptome vor (auch akustische Halluzinationen), es ist bereits eine massive Vernachlässigung der Selbstfürsorge festzustellen (ungepflegter Gesamteindruck, teils Maden in den Taschen; Auslassen von Mahlzeiten und „Fressattacken“; unregelmäßiges Spritzen von Insulin bei bestehender Diabetes-Erkrankung), der Realitätsverlust ist offensichtlich und die soziale Isolation wird eingeräumt.
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Insgesamt ist schon aufgrund der massiven Vernachlässigung der Selbstfürsorge inzwischen ein Zustand entstanden, der gerade im Hinblick auf unzureichende Versorgung ihrer Diabetes – Erkrankung zu lebensgefährlichen Zuständen führen kann. Äußerungen dahingehend, dass sie sowieso sterben müsse, weil sie ja vergiftet werde, lassen Suizidgedanken naheliegend erscheinen. Bei einer Entlassung der Betroffenen in ihre eigene Wohnung wäre in kürzester Zeit damit zu rechnen, dass jegliche Medikation in Bezug auf die psychische Erkrankung weggelassen wird, mit der Gefahr schwerer gesundheitlicher Schädigungen der Betroffenen.
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Die Kammer schließt sich der fundiert und überzeugend dargelegten Einschätzung des Sachverständigen an, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt die begründete Gefahr besteht, dass die Betreute sich erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.
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Die Kammer schließt sich insoweit der fundiert und überzeugend dargelegten Einschätzung der Sachverständigen an.
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4. Die Unterbringung entspricht auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Nach dem hierfür sehr strengen Maßstab ist eine Unterbringung nur dann zulässig, wenn sie unumgänglich ist, um drohende gewichtige gesundheitliche Schäden bei dem Betreuten abzuwenden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23.03.1998 – 2 BvR 2270/96 = NJW 1998, 1774; BayObLG, Beschluss vom 15.09.1999 – 3 Z BR 221/99 = BayObLGZ 1999, 270).
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Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch vor. Nach den Feststellungen der Sachverständigen Dr. … steht fest, dass ohne die entsprechende Unterbringung für die Betreute eine erhebliche Gesundheitsgefährdung besteht. Mildere, hinreichend Erfolg versprechende Mittel als die Unterbringung sind nicht geeignet, um zu erreichen, dass die Betreute ohne gesundheitliche Selbstgefährdung leben kann. Denn bei der Betreuten besteht ausweislich der Feststellungen der Sachverständigen Dr. … keine hinreichende Krankheitseinsicht und keine Compliance. Sie lässt keine antipsychotische Behandlung dauerhaft zu. Wegen der fehlenden Krankheitseinsicht und der mangelnden Bereitschaft für eine ambulante Psychopharmakatherapie kommen keine milderen Mittel in Betracht.
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Die Maßnahmen sind auch angemessen. Die gesundheitlichen Belange der Betreuten überwiegen die Aufhebung ihrer räumlichen Freiheit. Alternative Behandlungsoptionen erscheinen auf keinen Fall ausreichend.
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6. Bei der Festsetzung der Fristen über die Dauer der Entscheidungen hinsichtlich der freiheitsentziehenden Maßnahmen hat das Gericht die Ausführungen der Sachverständigen Dr. … berücksichtigt und geht davon aus, dass sich der Gesundheitszustand aufgrund des Krankheitsbildes bis zur erneuten Überprüfung nicht wesentlich bessern wird.
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7. Die Betroffene wurde durch das Amtsgericht Bamberg am 28.11.2024 gemäß § 331 Nr. 4 FamFG persönlich angehört (Bl. 275 f. d. Unterbringungsheftes).
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8. Ein Verfahrenspfleger wurde vom Amtsgericht bestellt, dieser nahm an der Anhörung teil und befürwortete vor Ort und mit schriftlicher Stellungnahme vom 12.12.2024 (Bl. 278 f. d. Unterbringungsheftes) die dauerhafte Unterbringung.
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9. Die Kammer hat davon abgesehen, die Betroffene vor der Entscheidung über die Beschwerde erneut anzuhören. Nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht von der Durchführung einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Obwohl das Beschwerdeverfahren als volle Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, stellt es § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG in das pflichtgemäße Ermessen des Beschwerdegerichts, in welchem Umfang es Ermittlungen und Beweiserhebungen wiederholt (vgl. etwa Keidel/Sternal, FamFG, 18. Auflage 2014, § 68 Rn. 57 f.). Die Vorschrift dient der effizienten Nutzung gerichtlicher Ressourcen in der Beschwerdeinstanz, indem unnötige doppelte Beweisaufnahmen verhindert werden und auf die Durchführung eines Termins verzichtet werden kann, wenn die Sache bereits in der ersten Instanz im erforderlichen Umfang mit den Beteiligten erörtert wurde (BT-Drucks. 16/6308 S. 207 re. Sp.).
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§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG räumt auch in einem Unterbringungsverfahren dem Beschwerdegericht die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen, etwa wenn die erstinstanzliche Anhörung des Betroffenen nur kurze Zeit zurückliegt, sich nach dem Akteninhalt keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkte ergeben, das Beschwerdegericht das in den Akten dokumentierte Ergebnis der erstinstanzlichen Anhörung nicht abweichend werten will und es auf den persönlichen Eindruck des Gerichts von dem Betroffenen nicht ankommt (BGH, Beschluss vom 04.03.2010, Az. V ZB 222/09, BGHZ 184, 323, bei juris Rn. 13). Macht das Beschwerdegericht von dieser Möglichkeit Gebrauch, muss es in seiner Entscheidung die Gründe hierfür in nachprüfbarer Weise darlegen (Keidel/Sternal, a.a.O., § 68 Rn. 59 m.w.N.).
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Hier hat das Amtsgericht die Betroffene am 28.11.2024 angehört und den Inhalt der Anhörung in einem ausführlichen Vermerk (Bl. 275 f. d. Unterbringungsheftes) niedergelegt. Anhand des Vermerks lässt sich der Ablauf des Gesprächs und der Zustand der Betroffenen gut nachvollziehen.
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In Anbetracht dieser erst vor kurzem durchgeführten Anhörung und des Umstands, dass es an jedweden entscheidungserheblichen neuen Tatsachen oder rechtlichen Gesichtspunkten seit der durchgeführten Anhörung fehlt, die es sinnvoll erscheinen lassen, die Betroffene abermals anzuhören, konnte die Kammer eben hiervon absehen. Eine erneute Anhörung der Betroffenen hätte ersichtlich keine Aussicht auf Erkenntnisgewinn gehabt.
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10. Klarstellend war lediglich der Tenor des angegriffenen Beschlusses insoweit zu konkretisieren, als es sich um eine geeignete Einrichtung für psychisch kranke Menschen handelt.
B.
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Eine ausdrückliche Kostenentscheidung kann unterbleiben, was zur Folge hat, dass eine Kostenerstattung nicht stattfindet und derjenige die Gerichtskosten zu tragen hat, der nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere nach dem Gesetz über die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gericht und Notare (GNotKG), die Kosten zu tragen hat.
C.
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Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.