Titel:
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Eilantrag, Werbeanlagen, Formelle Illegalität ausreichend, Kein Substanzverlust, Gefährung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 5 Satz 1
BayBO Art. 76 Satz 1
BayBO Art. 14 Abs. 2
Schlagworte:
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Eilantrag, Werbeanlagen, Formelle Illegalität ausreichend, Kein Substanzverlust, Gefährung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4551
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich im Wege des Eilrechtsschutzes gegen den behördlich angeordneten Sofortvollzug zur Beseitigung von Werbeanlagen.
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Der Antragsteller ist Mieter des Grundstücks FlNr. …/52 Gem. … (Vorhabengrundstück). Dieses befindet sich im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 2 „Am R.“, der in seiner 1. Änderung für den Grundstücksteil, auf dem sich die streitgegenständlichen Werbeanlagen befinden, eine öffentliche Grünfläche festsetzt (s. Nr. 1.5.3) sowie das Planzeichen „zu pflanzender Baum“ (s. Nr. 1.5.1) enthält. Zunächst bestand zudem die Satzung „Örtliche Bauvorschrift“ der Gemeinde vom 10. Juli 2018, die in § 27 Regelungen zu Werbeanlagen enthielt. Diese wurde jedoch im Juni 2021 aufgehoben. Mit Beschluss vom 18. Mai 2021 beschloss die Gemeinde die „Satzung über die Gestaltung von Anlagen der Außenwerbung“ (im Folgenden: Werbeanlagensatzung), die vom 8. Juni 2021 bis 9. Juli 2021 bekannt gemacht worden ist.
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Mit E-Mail vom 29. Oktober 2020 teilte die Gemeinde dem Landratsamt mit, dass sich auf dem Vorhabengrundstück in unmittelbarer Nähe zu einem Verkehrskreisel Werbeanlagen befänden, die deutlich größer als 1 m² seien und damit einer Baugenehmigung bedürften, ein entsprechender Bauantrag sei der Gemeinde jedoch nicht bekannt. Dabei stellten diese Werbeanlagen aufgrund ihrer Größe und der dadurch entstehenden Ablenkungswirkung eine Gefahr für den Verkehr dar.
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Daraufhin hörte das Landratsamt den Eigentümer des Grundstücks zum beabsichtigten Erlass einer Beseitigungsanordnung an. Die verschiedenen, an drei Bauzäunen befestigten Werbungen direkt am Kreisverkehr der Staatsstraße ... seien baurechtlich nicht genehmigt, und es könne auch keine Genehmigung in Aussicht gestellt werden, denn die Werbeanlagen gefährdeten die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und stünden im Widerspruch zur örtlichen Bauvorschrift, wonach Werbeanlagen nur am Ort der Leistung zulässig seien und sich am Gebäude selbst befinden oder der ortsräumlichen Situation untergeordnet sein müssten.
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Unter dem 20. November 2020 wandte sich der Antragsteller an das Landratsamt. Er habe den Bauzaun als Mieter im Sommer 2016 aufgestellt. Bislang sei die Werbeanlage weder von der Gemeinde noch vom Landratsamt beanstandet worden. Im Gemeindegebiet befänden sich seit Jahren mindestens 80 Werbeanlagen, die gegen die Werbeanlagensatzung verstießen, eine Aufstellung sei beigefügt.
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Unter dem 14. Dezember 2020 beantragte der Antragsteller die Erteilung einer Baugenehmigung zur „Errichtung einer Werbeanlage an einem bestehenden Bauzaun“ auf dem Vorhabengrundstück sowie die Erteilung einer isolierten Abweichung von den örtlichen Bauvorschriften. Die Werbeanlage bestehe aus drei Bauzaunelementen, die jeweils 3,50 m breit und 1,80 m hoch seien. Bestückt werde die Werbeanlage mit regionalen Werbebannern, sie sei unbeleuchtet und werde nicht angestrahlt. Mit Beschluss vom 2. März 2021 versagte die Gemeinde ihr Einvernehmen. Mit Schreiben vom 6. Juli 2021 machte das Staatliche Bauamt … Bedenken geltend, weil Auswirkungen auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nach Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayStrWG zu erwarten seien. Im Einwirkungsbereich der Werbeanlage befinde sich ein Kreisverkehr. Ein sicheres Einfahren in den Kreisverkehr könne nur gegeben sein, wenn die Fahrzeugführer sich auf das Ein- und Ausfahren konzentrieren könnten. Mit Schreiben vom 12. August 2021 wurde der Antragsteller zur beabsichtigten Ablehnung des Bauantrags angehört. Der Bebauungsplan setze für den Vorhabenstandort gem. 1.5.3 eine öffentliche Grünfläche fest. Des Weiteren weiche das Vorhaben von der Werbeanlagensatzung ab, nach dessen § 4 Werbeanlagen so zu errichten seien, dass sie insbesondere nach Form, Größe, Werkstoff, Farbe, Lichtwirkung und Gliederung das Erscheinungsbild des Grundstücks, auf dem sie errichtet werden sowie das Orts- und Straßenbild nicht erheblich beeinträchtigen. Ebenso sei nach § 4 darauf zu achten, dass durch die Werbeanlage keine Gefährdung des Verkehrs entstehe. Diese Voraussetzungen erfülle die Werbeanlage nicht. Zudem seien nach § 5 nur Hinweisschilder sowie Werbeanlagen an der Stätte der Leistung zulässig, nicht aber (u.a.) innerhalb baurechtlich festgesetzter Grünflächen. Bei der Werbeanlage handle es sich nicht um eine solche an der Stätte der Leistung. Darüber hinaus liege der Vorhabenstandort im Bereich der 40 m-Anbauverbotszone einer Staatsstraße gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayStrWG, wo aufgrund der Nähe zum Kreisverkehrsplatz Auswirkungen auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs zu erwarten seien. Der Antragsteller werde gebeten, die Werbeanlage bis zum 10. September 2021 abzubauen, andernfalls werde deren Beseitigung angeordnet. Hierzu ließ der Antragsteller mit Schreiben vom ... September 2021 Stellung nehmen. Im Gemeindegebiet befänden sich zahlreiche Werbeanlagen, welche den Vorgaben der Satzung widersprechen, namentlich weil es sich um Anlagen der Fremdwerbung handle, sodass die Satzung funktionslos geworden sei. Auch stelle die Anlage keine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs dar. Gerade in einem Kreisverkehr sei diese unproblematisch, weil ohnehin langsam gefahren werde. Mit Bescheid vom 28. Oktober 2021, gegen den der Antragsteller unter dem Aktenzeichen M 1 K 21.6259 Verpflichtungsklage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben hat, über die noch nicht entschieden ist, lehnte das Landratsamt die Erteilung der Baugenehmigung ab.
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Mit Schreiben vom 7. Dezember 2022 bat die Gemeinde das Landratsamt um Erlass einer Beseitigungsverfügung, weil diese sich in unmittelbarer Nähe zur Straßenfläche befinde. Bei Witterungsereignissen mit Starkwind bestehe die Gefahr, dass die Werbeanlage auf die Fahrbahn geweht. Mit E-Mail vom 20. Juli 2023 wandte sich die Gemeinde erneut an das Landratsamt. Aufgrund eines Unwetters sei die Werbeanlage zerstört worden – diesbezüglich werde auf die beigefügten Fotos verwiesen – und Teile davon, insbesondere die der „kleinen“ Werbeplakate, seien wild verteilt bis auf den Kreisel und die Staatsstraße gelegen. Die losgelösten Banner lägen auf dem Gehweg und wehten bei Wind wieder auf, was insbesondere für Kinder auf Fahrrädern eine Gefahr darstelle. Es werde nochmals um den Erlass einer Beseitigungsanordnung gebeten.
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Das Staatliche Bauamt nahm insoweit Bezug auf seine Stellungnahme vom 1. Juni 2021. Die Werbeanlage falle unter die Bestimmungen des § 33 StVO, nach dessen Absatz 2 Satz 1 Einrichtungen, die Zeichen oder Verkehrseinrichtungen gleichen, mit ihnen verwechselt werden können oder deren Wirkung beeinträchtigen können, dort nicht angebracht oder sonst verwendet werden, wo sie sich auf den Verkehr auswirken können. Die Aufgabe von Werbeanlagen sei es, die Aufmerksamkeit der Verkehrsteilnehmer zu gewinnen. Eine Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs sowie des Verkehrsablaufes könne durch die Aufstellung solcher Werbeanlagen nicht ausgeschlossen werden. Zudem solle die informatorische Belastung der Verkehrsteilnehmer aus Gründen der Verkehrssicherheit so gering wie möglich gehalten werden. Nur so könne gewährleistet werden, dass wichtige Verkehrszeichen und -einrichtungen wahrgenommen werden.
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Daraufhin hörte das Landratsamt den Antragsteller mit Schreiben vom 28. Juli 2023 zum beabsichtigten Erlass einer Beseitigungsanordnung an. Dem hielt der Antragsteller entgegen, im Gegensatz zu den Werbeaufstellern der Gemeinde am Kreisverkehr habe sein Bauzaun allen Stürmen bisher standgehalten. Die herabhängenden – nicht herumliegenden – Werbebanner seien auf Sabotage zurück zu führen, was er bereits zur Anzeige gebracht habe.
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Mit Schreiben vom 11. August 2023 wurde der Eigentümer des Vorhabengrundstücks zur Erlass einer Duldungsanordnung angehört und um Stellungnahme bis spätestens 23. August 2023 gebeten.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17. August 2023, dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des Empfangsbekenntnisses zugestellt am 28. August 2023, verpflichtete das Landratsamt den Antragsteller, sämtliche Werbeanlagen (Bauzäune mit angebrachten Werbebannern) auf FlNr. .../52 Gem. … bis spätestens 29. September 2023 zu beseitigen (Nr. 1) und ordnete insoweit den Sofortvollzug an (Nr. 3). Zudem verpflichtete es den Eigentümer unter Anordnung des Sofortvollzugs, die gegenüber dem Antragsteller ausgesprochene Beseitigungsanordnung zu dulden (Nrn. 2 und 3). Für den Fall der Nichtbefolgung drohte es ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro (Nr. 4) bzw. 3.000,00 Euro (Nr. 5) an. Die Werbeanlagen seien formell und materiell rechtswidrig. Eine Verfahrensfreiheit des Vorhabens, insbesondere nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 BayBO, sei nicht gegeben. Die Werbeanlagen verstießen gegen den Bebauungsplan, der hier eine öffentliche Grünfläche festsetze. Darüber hinaus verstießen die Werbeanlagen gegen Art. 14 Abs. 2 BayBO, das Staatliche Bauamt habe eine solche Gefährdung angenommen. Kreisverkehre gelten als sichere Straßenverkehrsanlagen für alle Verkehrsteilnehmer. Man gehe ab einem Außendurchmesser von 30 m – hier 32 m – von einem zügigen Befahren des Kreisverkehrs aus. Zudem sei die Übersichtlichkeit eine Grundanforderung für einen Kreisverkehr, der Sichtkontakt zwischen Kraftfahrern, Fußgängern und Radfahrern auf den nebeneinander liegenden Anlagen des Kreisverkehrs müsse uneingeschränkt möglich sein. Zudem befänden sich in sämtlichen Kreisverkehrsausfahrten Verkehrsinseln, die als Überquerungshilfen für Fußgänger und Radfahrer dienen sollen. Schon bei minimaler Ablenkung durch die Werbeanlagen könnten im Ausfahrtsbereich Gefährdungen auftreten. Zudem könne davon ausgegangen werden, dass die Werbeanlagen bei einem erneuten Unwetter, insbesondere starkem Wind, umfallen bzw. sich lösen und dadurch in verkehrsgefährdender Weise auf den Fuß- oder Radweg geweht würden. Die Aussage des Antragstellers, die Werbebanner hätten sich nicht aufgrund eines Unwetters, sondern infolge von Sabotage gelöst, sei als Schutzbehauptung zu werten. Schließlich widersprechen die Werbeanlagen den Regelungen der Werbeanlagensatzung, wonach Werbung nur an der Stätte der Leistung zulässig sei und nicht auf festgesetzten Grünflächen errichtet werden dürften. Zudem werde mit 19 m² die maximal zulässige Ansichtsfläche von 2 m² überschritten. Abweichungen kämen nicht in Betracht. Der Erlass der Beseitigungsanordnung gegen den Antragsteller als Handlungsstörer entspreche pflichtgemäßem Ermessen. Der geringe Aufwand zur Beseitigung habe vor dem Ziel, rechtmäßige Zustände zu schaffen, zurück zu treten. Im Gemeindebereich befänden sich viele formell und materiell rechtswidrige Werbeanlagen, sodass ein Beseitigungskonzept geboten sei, um eine weitere Verschlechterung der Situation zu vermeiden. Der Gleichbehandlungsgrundsatz werde nicht verletzt, denn die Bauaufsichtsbehörde sei nicht gezwungen,gleichzeitig gegen alle Schwarzbauten vorzugehen. Vielmehr könne nur gegen einzelne Störer vorgegangen werden, wenn hierfür sachliche Gründe vorliegen. Es seien die im Gemeindegebiet vorhandenen Werbeanlagen überprüft worden. Man habe das Einschreiten auf die Fälle bauplanungsrechtlicher Illegalität beschränkt. Ein Vorgehen gegen sämtliche Werbeanlagen, die gegen die Werbeanlagensatzung verstoßen, sei aus personeller und sachlicher Hinsicht nicht machbar. Von den neun Standorten, die der Antragsteller benannt habe, seien zwei Anlagen bauplanungsrechtlich unzulässig gewesen. Diese Fälle habe die Bauaufsichtsbehörde aufgegriffen und dort seien die Werbeanlagen beseitigt worden. Die Anordnung des Sofortvollzugs liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, weil das öffentliche Interesse an der Durchsetzung des Verwaltungsakts höher zu bewerten sei als das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Insbesondere bei einfachen baulichen Anlagen bestehe ein gesteigertes öffentliches Interesse an einer sofortigen Vollziehung. Ein Abwarten bis zur Unanfechtbarkeit bewirke eine höhere Nachahmungsgefahr. Die Höhe des in Nr.4 angedrohten Zwangsgeldes orientiere sich am wirtschaftlichen Interesse des Pflichtigen am Unterbleiben der Anordnung und werde vom Landratsamt nach pflichtgemäßem Ermessen und unter Berücksichtigung der Bedeutung der Angelegenheit sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf den tenorierten Betrag geschätzt.
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Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am … September 2023 Anfechtungsklage (M 1 K 23.4780) zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben. Zugleich beantragt er im Wege des Eilrechtsschutzes,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid wiederherzustellen.
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Sowohl der Bebauungsplan als auch die Werbeanlagensatzung seien funktionslos geworden. Ausweislich der vom Antragsteller bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Dokumentation seien entlang der Hauptstraße insgesamt neun Werbeanlagen vorhanden, die sich nicht an der Stätte der Leistung befänden und eine Ansichtsfläche von 2 m² überschritten. Damit habe die tatsächliche Entwicklung einen Zustand erreicht, der eine Verwirklichung der Ziele der Satzung – das Freihalten des Ortsbilds von Werbeanlagen – auf unabsehbare Zeit ausschließe und dies sei in einem Maße erkennbar, dass ein Vertrauen in den Fortbestand der Satzung nicht mehr vorhanden sei. Das Vorgehen gegen den Antragsteller stelle im Hinblick auf die zahlreichen vorhandenen Werbeanlagen zudem eine Ungleichbehandlung des Antragstellers als Unternehmer dar. Auch seien Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit zu verneinen, sowohl aufgrund der „Bremsfunktion“ von Kreisverkehren als auch im Hinblick auf die Üblichkeit von auffälligen Kunstwerken und Bepflanzungen innerhalb der Kreisverkehrs-Inseln. Aus verkehrsrechtlicher Sicht sei nicht zu erklären, wieso Kunstwerke oder Bepflanzungen keine ablenkende Wirkung zugeschrieben werde, einer Werbeanlage hingegen schon. Für die Anordnung des Sofortvollzugs bestünde weder ein Interesse noch ein Anlass, zumal das Landratsamt den Sachverhalt schon spätestens seit der E-Mail der Gemeinde vom 29. Oktober 2021 kenne. Die vom Landratsamt herangezogene Begründung, die Anlagen seien unsicher und würden von Unwettern auf die Straße geweht, stellten falsche Tatsachenbehauptungen dar. Richtigerweise habe es mit den Anlagen noch nie Sicherheitsprobleme gegeben. Dies verhalte sich mit den von der Gemeinde aufgestellten Werbeanlagen anders. In der Gemeinde und von der Gemeinde seien zahlreiche großflächige Werbeanlagen aufgestellt worden, welche von der Straße einsehbar seien, auch auf Kreisverkehren. Ob die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs beeinträchtigt sei, hänge nicht von der Frage ab, ob diese von der Kommune oder von einer Privatperson aufgestellt worden seien. Überdies sei die Werbeanlage verfahrensfrei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. d BayBO, weil die Werbung spätestens alle zwei Monate wechsle. Schließlich stehe der Bebauungsplan nicht entgegen, weil die Anlage nicht auf einer öffentlichen, sondern auf einer privaten Fläche stehe. Zudem bringe § 9 Abs. 1 BauGB zum Ausdruck, dass mit der Festsetzung einer Grünfläche regelmäßig ein bestimmter Planungswille zum Ausdruck kommen müsse, dass mit dieser Fläche etwas geschehen solle, wie bspw. die Errichtung von Parkanlagen, Naturerfahrungsräumen, Dauerkleingärten, Sportplätzen. Ein Planungswille, dass die Fläche völlig freigehalten werden solle, komme ebenso wie ein sonstiger Planungswille nicht zum Ausdruck.
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Der Antragsgegner beantragt
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Der Antrag sei teilweise unzulässig, nämlich soweit er die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nrn. 2, 3 und 5 betreffe. Insoweit sei der Antragsteller schon nicht antragsbefugt. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet, denn der in der Hauptsache angefochtene Bescheid, soweit er den Antragsteller selbst betreffe, sei rechtmäßig. Eine Verfahrensfreiheit des Vorhabens ergebe sich nicht aus Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 Buchst. d BayBO, denn diese Vorschrift betreffe Werbung für zeitlich begrenzte Veranstaltungen. Materiell verstoße das Vorhaben bereits gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften, weil der Bebauungsplan an der Stelle eine öffentliche Grünfläche vorsehe. Dem Willen der Gemeinde nach sollten hier folglich keine baulichen Anlagen errichtet werden, weil keine konkrete Zweckbestimmung getroffen wurde. Es sei kein Bauraum ausgewiesen worden. Auch die Ausnahmeregelung nach § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO greife nicht, weil es sich nicht um eine Nebenanlage handle. Aufgrund ihrer gebäudegleichen Wirkung der drei aneinandergereihten Bauzäune finde auch Satz 2 der Vorschrift keine Anwendung. Weiterhin verstoße die Werbeanlage gegen Art. 14 Abs. 2 BayBO. Auch stehe die Werbeanlagensatzung entgegen. Im Übrigen entspreche das Einschreiten dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil keine rechtlich relevante Ungleichbehandlung vorliege. Sämtliche aufgezeigten Werbeanlagen seien im laufenden Verfahren überprüft worden, man habe sich jedoch darauf beschränkt, Werbeanlagen zu beseitigen, die im Vergleich zu anderen aus dem Rahmen fielen. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die Anlagen bereits aus bauplanungsrechtlichen Gründen unzulässig seien oder wenn diese an einer verkehrsgefährdenden Stelle errichtet worden seien. Dabei müsse auch immer berücksichtigt werden, welchem Zweck die Anlagen dienten. So sei ein Einschreiten gegen kurzzeitig aufgestellte Werbung für bestimmte Veranstaltungen schon nicht möglich, weil diese vor Erlass einer Anordnung schon nicht mehr existierten. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei auch im öffentlichen Interesse geboten gewesen. Zum einen bestehe bei Unwetterereignissen eine große Gefahr für die Verkehrsteilnehmer. Zum anderen könne, wenn die Beseitigung ohne Substanzverlust und andere hohe Kosten zu bewerkstelligen sei, die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit bei Beseitigungsanordnungen bereits dann angeordnet werden, soweit die Gefahr der Nachahmung oder die vom Bauwerk ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ein sofortiges Einschreiten erfordere.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten, auch in den Verfahren M 1 K 21.6259 und M 1 K 23.4780, Bezug genommen.
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Der Antrag ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
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1. Soweit der Antragsteller die Aufhebung des Bescheids in Nr. 2, in Nr. 3, soweit sie sich auf Nr. 2 bezieht, sowie in Nr. 5 begehrt, ist der Antrag bereits unzulässig. Die dort getroffenen Anordnungen zur Duldung der Beseitigung (Nr. 2) samt Sofortvollzug (Nr. 3) und Zwangsgeldandrohung (Nr. 5) sind nicht an den Antragsteller adressiert, sondern an den Eigentümer des Vorhabengrundstücks. Der Antragsteller vermag insofern schon nicht geltend zu machen, in eigenen Rechten verletzt zu sein, § 42 Abs. 2 VwGO.
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Soweit er sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Beseitigungsverfügung in Nr. 1 des Bescheides wendet, ist der Antrag als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung statthaft, § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung in Nr. 4 wird der Antrag im wohlverstandenen Interesse der Antragspartei verstanden als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, die kraft Gesetzes entfallen ist, § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Art. 21a Satz 1 VwZVG.
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2. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen bzw. wiederherstellen. Hierbei hat das Gericht selbst abzuwägen, ob diejenigen Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten, oder diejenigen, die für die aufschiebende Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Neben den formellen Anforderungen an die Anordnung des Sofortvollzugs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sind im Rahmen der Interessenabwägung die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, so wird im Regelfall nur die Anordnung bzw. die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos.
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Danach ist der Antrag, soweit er zulässig ist, unbegründet. Die Beseitigungsanordnung ist voraussichtlich rechtmäßig und auch ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO, ist zu bejahen. Selbst wenn die Erfolgsaussichten als offen anzusehen wären, überwöge das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Beseitigungsanordnung das Interesse des Antragstellers, seine jedenfalls formell baurechtswidrigen Werbeanlagen bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens aufgestellt lassen und damit nutzen zu können.
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2.1 Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, so kann die Bauaufsichtsbehörde die Beseitigung der Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können, Art. 76 Satz 1 BayBO.
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2.2.1 Zunächst liegt hinsichtlich der aus drei Baunzaun-Elementen von jeweils 3,50 m Breite und 1,80 m Höhe bestehenden Werbeanlage formelle Rechtswidrigkeit vor. Nach Art. 55 Abs. 1 BayBO bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen einer Baugenehmigung, soweit in Art. 56 bis 58, 72 und 73 BayBO nichts anderes bestimmt ist. Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 BayBO regelt die Verfahrensfreiheit bestimmter Werbeanlagen. Das streitgegenständliche Vorhaben erfüllt jedoch keine dieser in Buchstaben a) mit g) genannten, alternativen Voraussetzungen. Insbesondere liegt kein Fall von Buchst. d) vor. Danach sind solche Werbeanlagen verfahrensfrei, die nach ihrem erkennbaren Zweck nur vorübergehend für höchstens zwei Monate angebracht werden. Diese Vorschrift ist für die vom Antragsteller nach eigenem Bekunden im Jahre 2016 aufgestellten Werbeanlagen offensichtlich nicht einschlägig, weil es auf den dauerhaft als Werbeträger aufgestellten Zaun ankommt und nicht auf die wechselnden Plakate.
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2.2.2 Fraglich ist, ob darüber hinaus erforderlich ist, dass die Anlagen materiell rechtswidrig sind. Grundsätzlich wird vertreten, dass eine Anlage dann im Sinne von Art. 76 Satz 1 BayBO im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert ist, wenn sie formell und – weil sie gegen Vorschriften des materiellen Baurechts verstößt – materiell rechtswidrig ist, (vgl. die Darstellung in: Decker in Busse/Kraus, BayBO, 152. EL Oktober 2023, Art. 76 Rn. 79; BVerwG, U.v. 21.03.2013 – 4 C 14.11 – juris Rn. 7). Diesbezüglich wird insbesondere darauf verwiesen, dass der mit einer Beseitigungsanordnung im Regelfall verbundene Substanzverlust einer Anlage sich als unverhältnismäßig darstelle, wenn eine Legalisierung der Anlage auf andere Weise möglich ist, vgl. Art. 76 Satz 1 Halbs. 2 BayBO.
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Eine solcher Substanzverlust droht dem Antragsteller bei einer Beseitigung der drei Bauzäune jedoch gerade nicht. Diese sind nämlich schlicht in mobile Betonfundamente gesteckt und können aus diesen ohne technischen Aufwand und ohne Beschädigung der Zaunelemente schnell entnommen werden. Die Zaunelemente können ohne großen Aufwand abtransportiert und gelagert sowie andernorts oder nach abschließender Klärung der Genehmigungsfähigkeit der Anlage wiederverwendet werden.
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In solchen Fällen kann die formelle Rechtswidrigkeit im Hinblick auf den fehlenden Substanzverlust ausreichen, um eine rechtmäßige, insbesondere verhältnismäßige, Beseitigungsanordnung erlassen zu können (s. hierzu m.w.N.: Decker, in Busse/Kraus, BayBO, 152. EL Oktober 2023, Art. 76 Rn. 146). Der Gesichtspunkt, dass eine solche ohne die erforderliche Baugenehmigung errichtete bauliche Anlage womöglich im Übrigen im Einklang mit den materiellen gesetzlichen Anforderungen steht, hat in diesen Fällen zurückzustehen. Der Bauherr ist diesbezüglich auf den von der Rechtsordnung vorgesehenen Weg zu verweisen, wonach die Genehmigungsfähigkeit vor Ausführung des Vorhabens im Rahmen eines Baugenehmigungsverfahrens zu klären ist. Insofern überwiegt das öffentliche Interesse an der Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorschriften, zu denen auch die Vorschriften über die Genehmigungsbedürftigkeit baulicher Anlagen zählen. Hinzukommt die Gefahr, dass das Vorgehen des Antragstellers, zunächst eine bauliche Anlage ohne Baugenehmigung zu errichten und bis zur gerichtlichen Klärung der materiellen Rechtmäßigkeit über mehrere Jahre hinweg (gewerblich) zu nutzen, Nachahmer finden könnte. Diese Gefahr ist im Hinblick darauf, dass die vom Antragsteller verwendete bauliche Konstruktion äußerst einfach, kostengünstig und unaufwändig gehalten ist, als erheblich einzustufen.
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2.2.3 Aus diesen Erwägungen folgt zudem das Vorliegen des für eine Beseitigungsanordnung erforderlichen besonderen Vollzugsinteresses, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO.
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2.3 Selbst wenn man das Vorliegen der materiellen Rechtswidrigkeit auch in der vorliegenden Konstellation als Voraussetzung einer Beseitigungsanordnung ansähe, wäre der Antrag als unbegründet abzuweisen.
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Denn die Erfolgsaussichten der Klage gegen die Beseitigungsanordnung wären nach diesen Maßstäben zumindest als offen anzusehen. Dabei würde das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegen. Denn es ist unabhängig von der Beantwortung der übrigen im Rahmen des Verfahrens aufgeworfenen Rechtsfragen denkbar, dass die streitgegenständliche Werbeanlage, die sich in unmittelbarer Nähe und Sichtweite zu einer Kreisverkehrsanlage befindet, die Anforderungen an die Verkehrssicherheit nach Art. 14 Abs. 2 BayBO nicht erfüllt. Nach Art. 14 Abs. 2 BayBO darf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs durch bauliche Anlage und deren Nutzung nicht gefährdet werden.
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Eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im bauordnungsrechtlichen Sinne liegt vor, wenn nach den Erfahrungen des täglichen Lebens mit hinreichender oder – anders ausgedrückt – bloßer Wahrscheinlichkeit ein Verkehrsunfall oder eine Verkehrsbehinderung in überschaubarer Zukunft zu erwarten ist, insbesondere ein Durchschnittskraftfahrer durch sie abgelenkt wird (BayVGH, B.v. 9.2.2021 – 9 ZB 19.1582 – juris Rn. 19 m.w.N.). Dabei ist stets auf die konkrete Verkehrssituation unter Berücksichtigung der Üblichkeit von Werbeanlagen in diesem Bereich sowie der konkreten Situierung und Ausgestaltung der jeweiligen Werbeanlage abzustellen.
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Zwar hat das Landratsamt nicht vorgetragen, dass sich bei dem Kreisverkehr bereits vor der Errichtung der Werbeanlage um einen Unfallschwerpunkt gehandelt habe bzw. sich seit deren Errichtung dort ein Unfallschwerpunkt entwickelt habe. Befindet sich eine Werbeanlage in unmittelbarer Sichtnähe zu einem Kreisverkehr, so ist jedoch grundsätzlich zu beachten, dass die Verkehrsteilnehmer schon durch diese Verkehrsanlage in ihrer besonderen Aufmerksamkeit gefordert sind. Das Vorliegen einer solchen Gefährdung durch eine Werbeanlage in unmittelbarer Sichtnähe zu einem Kreisverkehr erscheint daher zumindest möglich. Ob die Errichtung der streitgegenständlichen Werbeanlage im vorliegenden Einzelfall aufgrund der konkreten örtlichen Situation zu einer (konkreten) Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs im bauordnungsrechtlichen Sinne führt, bedürfte aber letztlich der Beweiserhebung durch Ortsaugenschein.
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Die Erfolgsaussichten der Klage wären daher als offen anzusehen. Für diesen Fall ergäbe die Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses mit dem Interesse der Antragspartei an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage aus den oben (Rn. 29) genannten Erwägungen, dass das Interesse der Antragspartei hinter dem öffentlichen Interesse im vorliegenden Eilverfahren zurück zu treten hat. Auch die bauplanungsrechtliche Situation ist vor Verwirklichung der gewerblichen Anlage auf einer festgesetzten Grünfläche zu prüfen.
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3. Der Antrag war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen.
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4. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.1.1, 1.5, 9.1.2.3.1 (drei großflächige Werbetafeln), wobei für den Antrag, soweit er die gegenüber dem Eigentümer ausgesprochene Duldungsanordnung zum Gegenstand hat, mangels weiterer Anhaltspunkte der Regelstreitwert (für das Eilverfahren hälftig) zugrunde gelegt wurde.