Inhalt

OLG Bamberg, Endurteil v. 27.11.2024 – 3 U 49/23
Titel:

Geschäftsführerhaftung nach Abzug von Liquidität in einem Cash-Pool-System durch eine teilnehmende Tochtergesellschaft bei Verpfändung des Guthabens an eine Bank

Normenketten:
InsO § 36, § 129, § 133, § 134, § 143
GmbHG § 64 (idF bis zum 31.12.2020)
GmbHG § 43
BGB § 826
Leitsätze:
1. Eine Gläubigerbenachteiligung durch Beeinträchtigung des Verwertungsrechts des Verwalters scheidet aus, wenn ein Geldbetrag oder ein Bankguthaben mit einem Absonderungsrecht unanfechtbar belastet wurde und dieses die Höhe der gesicherten Forderung nicht überschreitet, da aufgrund der wertausschöpfenden Belastung den Insolvenzgläubigern kein auch nur im Kern geschützter Vermögenswert verbleibt. (Rn. 97) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem verpfändeten Cash-Pool-Guthaben führt allein der Wechsel der Cash-Pool-Führerschaft von der Schuldnerin auf eine andere Pool-Gesellschaft und eine damit verbundene Zahlung an diese Gesellschaft nicht zu einer Gläubigerbenachteiligung. (Rn. 102 – 103) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Übertragung einer wertausschöpfend belasteten Forderung führt mangels Masseschmälerung nicht zu einer Haftung nach § 64 GmbHG aF. (Rn. 107) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch der GmbH-Alleingesellschafter kann Schuldner eines Anspruchs aus existenzvernichtendem Eingriff sein. (Rn. 115) (redaktioneller Leitsatz)
5. Der Abzug von Liquidität in einem Cash-Pool-System durch eine am Cash-Pool teilnehmenden Tochtergesellschaft kann grundsätzlich ein existenzvernichtender Eingriff sein. (Rn. 120) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Geschäftsführerhaftung, Insolvenz, Insolvenzanfechtung, Gläubigerbenachteiligung, Beeinträchtigung eines Verwertungsrechts, Absonderungsrecht, unanfechtbar, wertausschöpfende Belastung, Cash-Pool, Verpfändung, Masseschmälerung, Wechsel der Cash-Pool-Führerschaft, existenzvernichtender Eingriff, Alleingesellschafter, Abzug von Liquidität
Vorinstanz:
LG Aschaffenburg, Urteil vom 17.02.2023 – 2 HK O 3/19
Fundstellen:
ZInsO 2025, 892
LSK 2024, 45489
FDInsR 2025, 945489
BeckRS 2024, 45489

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg vom 17.02.2023, Az. 2 HK O 3/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagtenpartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenpartei zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um die Erstattungspflicht der Geschäftsführer (Beklagter zu 1) und Beklagter zu 2)) für Zahlungen der Gesellschaft nach Eintritt von Insolvenzreife gemäß § 64 S. 1 GmbHG a.F. bzw. § 43 Abs. 2 GmbHG und um Rückzahlungsansprüche gegenüber der Beklagten zu 3) als Zahlungsempfänger aus Insolvenzanfechtung gemäß §§ 133, 134, 143 InsO.
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1. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin). Die Insolvenzschuldnerin war bis zu einer Sitzverlegung und Umfirmierung im Jahre 2015 als „G. GmbH“ im Handelsregister des Amtsgerichts … unter HRB … eingetragen. Seit dem 11.06.2015 war sie als „B. GmbH“ im Handelsregister des Amtsgerichts yyyy unter HRB … eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war die Entwicklung, die Herstellung und der Vertrieb von industriellen … sowie das Halten und Verwalten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften, insbesondere solchen, die sich mit der Erbringung von industriestandortbezogenen Dienstleistungen und grundstückbezogenen Tätigkeiten aller Art befassten.
3
Die Insolvenzschuldnerin war unter ihrem früheren Namen H. GmbH (im Folgenden: H.) bis 2012 die operative Muttergesellschaft einer Gruppe von Gesellschaften, der H. Group (im Folgenden: H.-Gruppe), wobei die Unternehmensgruppe im Wesentlichen zwei wirtschaftliche Teilbetriebe mit einerseits der Herstellung technischer … und andererseits der Verwaltung und dem Betrieb des Industrieparks in X. (im Folgenden: X.) hatte. So unterhielt die H. in der X. einen Betrieb zur Herstellung technischer … aus … sowie zur Herstellung von entsprechenden Ausgangsstoffen. Eine Tochtergesellschaft der H., die K. GmbH (im Folgenden: K.) führte ebenfalls einen Betrieb zur Herstellung technischer … aus dem Ausgangsstoff ….
4
Die Beklagte zu 3), die schon damals eine Tochtergesellschaft der H. war, betrieb und betreibt noch heute den Industriepark X.. Die Insolvenzschuldnerin, also die frühere H., die K. und deren jeweilige Tochtergesellschaften bildeten zusammen die H.-Gruppe. Im Rahmen einer in den Jahren 2012 bis 2014 durchgeführten Reorganisation der Insolvenzschuldnerin wurden die operativen Geschäftsfelder der Insolvenzschuldnerin hinsichtlich der Teilbetriebe … in die Tochtergesellschaft K. GmbH eingebracht, die in H. F. umfirmierte. Zum 31.01.2014 erfolgte sodann der Verkauf der Anteile an der H. F., deren Alleingesellschafterin die Insolvenzschuldnerin war. Die B.-Gruppe, die vormalige H.-Gruppe, bestand ab diesem Zeitpunkt aus der Insolvenzschuldnerin als Holding-Gesellschaft und der Beklagten zu 3) mit ihren Tochtergesellschaften als operativ tätige Gesellschaften. Ergänzend wird auf die graphische Darstellung der Beteiligungsverhältnisse im Schriftsatz der Beklagtenvertreterin zu 1) und 2) vom 23.05.2019 (Bl. 139 d.A.) Bezug genommen.
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Der Beklagte zu 1) ist seit seiner Bestellung vom 20.05.2014 Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin, wobei er seit dem 28.05.2014 im Handelsregister eingetragen ist (Anlage K 5). In den Jahren 2006 bis Juni 2015 war auch der Beklagte zu 2) als Geschäftsführer bestellt. Der Handelsregisterauszug weist ihn als Geschäftsführer bis 11.06.2015 aus (Anlage K 6). Die Abberufung erfolgte durch Gesellschafterbeschluss vom 13.05.2015 und wurde notariell zum Registergericht beantragt am 14.05.2015 (Anlage ATL 15). Der Beklagte zu 2) war sowohl Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin als auch Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 3).
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Bereits im Jahr 2006 wurde zur Finanzierung des …-Geschäft der H.-Gruppe zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Z-Bank … (im Folgenden: Z-Bank) als Konsortialführerin mit den Konsortialkreditgebern unter dem 13.10.2006 ein Rahmenkreditvertrag über zwei Kreditlinien mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2011 abgeschlossen (Anlage CC 1). Dieser Konsortialkredit war umfassend zugunsten der Konsortialkreditgeber besichert, u.a. durch Verpfändungen sämtlicher Geschäftsanteile der Schuldnerin an ihren Tochtergesellschaften. Sämtliche Kontenguthabenforderungen auf Konten der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten zu 3) einschließlich aller künftiger Konten und Unterkonten wurden mit Verträgen vom 04.12.2006 verpfändet (Anlagen ATL1 und ATL 2, Anlagen CC 2 und CC 3). Diese Verpfändung wurde der Z-Bank als kontoführender Bank für das streitgegenständliche Konto der Insolvenzschuldnerin sowie für das Hauptkonto der Beklagten zu 3) nebst Unterkonto mit Schreiben vom 07.12.2006 angezeigt (Anlage ATL 3).
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Die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte zu 3) waren gemeinsam in ein Cash-Pool-System eingebunden, welches zunächst von der Insolvenzschuldnerin geführt wurde.
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Im Rahmen der Restrukturierung im Jahr 2011, vor dem Hintergrund der anstehenden Fälligkeit der Kredite, wurden zahlreiche Restrukturierungsmaßnahmen beschlossen, die eine finanzielle Restrukturierung für eine Sanierung der H.-Gruppe ergab und in Umsetzung des Konzepts auch die Reorganisation des Teilbetriebes … und Vermarktung der H. F. beinhaltete.
9
Die Beklagten zu 1) und 2) beauftragten einen Gutachter mit der Erstellung einer Aussage über die Fortführungsprognose der Schuldnerin nach einem Verkauf der H. F. Der Gutachter gelangte unter Niederlegung der ihm vorgelegten Anknüpfungstatsachen und der zugrunde gelegten Annahmen zu der abschließenden Einschätzung, die Fortführung der Insolvenzschuldnerin sei überwiegend wahrscheinlich und es könne von einer positiven Fortbestehens- und Fortführungsprognose ausgegangen werden (Gutachten der S. vom 11.11.2013 und 25.04.2014, Anlage ATL 11 / Anlage CC 8). Diese Feststellung wurde von den Abschlussprüfern der Insolvenzschuldnerin in ihrem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2013 zum 12.05.2014 bestätigt (Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses zum 31.12.2012 und Lagebericht für das Geschäftsjahr 2013 der G. GmbH vom 12.05.2014, Anlage ATL 12 / Anlage CC 11).
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In einem Kauf- und Übertragungsvertrag aus Januar 2014 übertrug die Insolvenzschuldnerin sämtliche Geschäftsanteile an der H. an die N. Der Vollzug des Kauf- und Übertragungsvertrages erfolgte im April 2014. Der von der Insolvenzschuldnerin im Rahmen des Verkaufs der Beteiligung unter Berücksichtigung der Transaktionskosten zu erlösende Wert betrug weniger als ein Drittel des handelsbilanziell erfassten Wertes von 90 Millionen Euro.
11
Im Zuge des Verkaufs der H. F. schloss die Insolvenzschuldnerin mit dem Konsortialkreditgebern V.-Vereinbarungen unter dem 08./23./25./29. April 2014 ab (Anlagen ATL 5, 6, 7, K 37, darunter V. Consent Letter, Anlage CC 12), wonach im Hinblick auf nicht eingehaltene Kreditbedingungen (sog. Covenants) zukünftig die Beklagte zu 3) als Cash-Pool-Führerin agieren solle, sowie einen Restructuring Letter unter Beteiligung der Beklagten zu 3) vom 17.04.2014 (Anlage ATL 8).
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Die Übertragung der Cash-Pool-Führung, von den Parteien teilweise als „Umhängung“ oder „Umkehr“ bezeichnet, erfolgte im Dezember 2014.
13
Am 22.12.2014 überwies die Insolvenzschuldnerin 14.137.190,59 € von dem für sie bei der Z-Bank geführten Cash-Pool-Konto auf ein Unterkonto des für die Beklagte zu 3) bei der Z-Bank geführten Cash-Pool-Kontos (im Folgenden: streitgegenständliche Zahlung) (Anlage K 3). Bis zu diesem Zeitpunkt war die Insolvenzschuldnerin Poolführerin, danach die Beklagte zu 3). Zum Zeitpunkt der Zahlung valutierten die Darlehen der Konsortialkreditgeber in einer Höhe von 36.088.000 €. Die Insolvenzschuldnerin war eine reine Holdinggesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb. Mit Vereinbarung vom 30.01.2015 wurden die Änderungen des Konsortialkreditvertrages finalisiert (Anlage ATL 9).
14
Am 13.05.2015 setzte die Beklagte zu 3) den Cash-Pool aus, was den vollständigen Stopp einer Zurverfügungstellung von Liquidität an die Insolvenzschuldnerin zur Folge hatte (vgl. Anlage CC 13). Eine Kündigung des Cash-Pools erfolgte nicht.
15
Am 11.06.2015 stellte die Insolvenzschuldnerin einen Insolvenzantrag. Die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung erfolgte am 15.06.2015. Mit Beschluss des Amtsgerichts yyyy vom 28.12.2015, Az … IN xx/15, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Während des vorläufigen Insolvenzverfahrens wurde die Beteiligung der Insolvenzschuldnerin an der Beklagten zu 3) sowie der E. Verwaltungs-GmbH im Wege der Zwangsvollstreckung verwertet. Im Rahmen der Pfandversteigerung konnten statt der handelsbilanziell ausgewiesenen 26,4 Millionen Euro lediglich 1 Million Euro erlöst werden.
16
Die Klagepartei hat in erster Instanz vorgetragen, die Insolvenzschuldnerin sei zum Zeitpunkt der Zahlung im Dezember 2014 handelsbilanziell überschuldet gewesen. Mangels positiver Fortführungsprognose sei sie auch im Sinne des § 19 Abs. 2 InsO insolvenzrechtlich überschuldet gewesen. Überschuldung sei spätestens zum 31.12.2013 eingetreten gewesen. Für die Beklagten zu 1) und 2) sei die Überschuldung auch erkennbar gewesen.
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Die Überweisungen, die die Beklagten zu 1) und 2) im Zuge der Übertragung der Cash-Pool-Führung im Dezember 2014 sowie durch weitere Zahlungen im Mai 2015 (Klageerweiterung) veranlasst oder geduldet hätten, seien unzulässige masseschmälernde Verfügungen nach § 64 GmbHG a.F. gewesen, wofür die Beklagten zu 1) und 2) hafteten. Dabei hafte auch der Beklagte zu 2) für die nach Klageerweiterung geltend gemachten Forderungen, da die Pflicht zur Insolvenzantragstellung schon im Jahr 2014 bestanden hätte, so dass er auch für Verfügungen nach seiner Abberufung einzustehen habe. Darüber hinaus bestehe auch ein Schadensersatzanspruch aus § 43 GmbHG, da die Geschäftsführer nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns gehandelt hätten. Die Haftung der Beklagten zu 1) und 2) gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG knüpfe unmittelbar an die von ihnen erteilte Zustimmung zur „Umkehr“ des Cash-Pools am 22.12.2014 an, bei welcher die Beklagten zu 1) und 2) als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nicht sichergestellt hätten, dass die Zahlungsfähigkeit der Insolvenzschuldnerin, z.B. durch einen Ausschluss der Kündigung des Cash-Pools durch die Beklagte zu 3), dauerhaft gewährleistet gewesen sei. Durch das Handeln des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) und dem daraus resultierenden kompensationslosen Abfluss des Forderungsbetrages in Höhe von 14.137.190,59 € an die Beklagte zu 3) sei der Insolvenzschuldnerin auch ein Schaden in entsprechender Höhe entstanden. Die „Umhängung“ des Cash-Pools, die Überweisung und die damit verbundene Weggabe des Guthabens von dem Cash-Pool-Konto der Insolvenzschuldnerin hätten bewirkt, dass die Insolvenzschuldnerin in die vollständige Abhängigkeit der Beklagten zu 3) gelangt sei.
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Die Beklagte zu 3) hafte gemäß §§ 133, 143 InsO auf Rückzahlung des Betrages in Höhe von 14.137.190,59 €, da die Insolvenzschuldnerin den Abfluss sämtlicher liquider Mittel aus der Gesellschaft mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung bewirkte. Es sei eine massive Verschlechterung der Befriedigungsaussichten der sonstigen Gläubiger, insbesondere des Pensionssicherungsfonds der P. aG eingetreten, gegenüber dem die Insolvenzschuldnerin Pensionsverbindlichkeiten in Höhe von ca. 35 Millionen Euro besessen habe (Anlagen K 14 und K 15). Die Beklagte zu 3) habe auch Kenntnis von dem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehabt, was sich bereits aus der Doppelstellung des Beklagten zu 1) als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin und zugleich als damaliger Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten zu 3) ergebe. Schließlich komme eine Anfechtung deshalb in Betracht, weil kein Anspruch der Beklagten zu 3) bestanden habe, den Cash-Pool zu übernehmen. Zudem sei es ungewöhnlich, den Cash-Pool bei einer Tochtergesellschaft „aufzuhängen“.
19
Neben der Zahlung von 14.137.190,59 € am 22.12.2014 seien weitere Zahlungen in Höhe von 92.388,37 € durch die Beklagten zu 1) und 2) nach Eintritt der Insolvenzreife veranlasst worden, nämlich
- am 14.05.2015 an die Anwälte … in Höhe von 39.349,42 € für Beratungsleistungen,
- am 14.05.2015 an die … in Höhe von 26.180,00 € für monatliche Beratung im April 2015,
- am 14.05.2015 in Höhe von 1.571,87 € an die …,
- am 14.05.2015 an die Anwälte … in Höhe von 9.950,01 € für Beratung und Reisekosten sowie
- zwei Zahlungen an die Beklagte zu 3) in Höhe von 10.319,76 € am 19.05.2015 und in Höhe von 5.017,31 € am 28.05.2015.
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Insoweit wurde die Klage mit klägerischem Schriftsatz vom 28.08.2019, dort Seite 2, gegen den Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) erweitert.
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Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt (Bl. 1110a, 2467 d.A.) beantragt,
(1.) die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 14.137.190,59 € Zug um Zug gegen Abtretung des im Klageantrag zu (2.) geltend gemachten Insolvenzanfechtungsanspruchs gegen die Beklagte zu 3) zu zahlen, und zwar der Beklagte zu 1) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2017 und der Beklagte zu 2) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Den Beklagten zu 1) und 2) bleibt vorbehalten, nach Erstattung an den Kläger Ansprüche nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den die durch die zu erstattende Zahlung begünstigte Beklagte zu 3) im Insolvenzverfahren erhalten hätte, im Insolvenzverfahren gegenüber dem Kläger geltend zu machen;
(2.) die Beklagte zu 3) zu verurteilen an den Kläger 14.137.190,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2017 zu zahlen;
(3.) die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger weitere 92.388,37 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
22
Die Beklagten haben in erster Instanz beantragt,
die Klage abzuweisen.
23
Die Beklagten haben in erster Instanz vorgetragen, eine Gläubigerbenachteiligung aufgrund der Überweisung des Guthabens im Dezember 2014 und „Umhängung“ des Cash-Pools sei nicht gegeben. Das Guthaben sei sowohl bei der Insolvenzschuldnerin als auch bei der Beklagten zu 3) wertausschöpfend zugunsten der Konsortialbanken verpfändet gewesen. Das Guthaben hätte in keinem Fall zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung gestanden. Wäre das Cash-Pool-Guthaben nicht übertragen worden, hätte es allein zur Rückführung der Darlehensforderung der Konsortialkreditgeber genutzt werden müssen. Zudem habe keine Überschuldung vorgelegen, da eine positive Fortführungsprognose für die Insolvenzschuldnerin bestanden habe. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten ein Gutachten in Auftrag gegeben und erhalten, welches eine positive Fortführungsprognose bestätigt hätte. Damit hätten die Geschäftsführer ihre Pflicht als ordentlicher Kaufmann erfüllt. Die Beklagte zu 3) habe zudem keinen Gläubigerbenachteiligungsvorsatz besessen, da man sich ebenfalls auf die bejahenden Feststellungen des Gutachtens stützen könne.
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Hinsichtlich der Klageeweiterung trägt der Beklagte zu 2) vor, er sei bereits am 13.05.2014 als Geschäftsführer abberufen worden und hafte damit nicht mehr für nachfolgende Verfügungen. Jedenfalls scheide eine Haftung aus, da keine masseschmälernde Verfügung vorgelegen habe. Der Kontostand des fraglichen Kontos habe Anfang Mai bei „0“ gestanden. Die Überweisungen seien durch Ausgleichszahlungen aus dem Cash-Pool wieder ausgeglichen worden, so dass der Kontostand wieder auf „0“ gestanden habe.
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2. Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 17.02.2023 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14.03.2023 abgewiesen. Die zulässige Klage des Insolvenzverwalters der Insolvenzschuldnerin sei sowohl gegen die Beklagten zu 1) und 2) als auch gegen die Beklagte zu 3) unbegründet.
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a.) Zur Begründung seiner Entscheidung bezüglich der beiden Geschäftsführer führte das Erstgericht aus, ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) nach §§ 64 GmbHG a.F. wie nach 43 GmbHG scheitere an einer Gläubigerbenachteiligung. Das Guthaben sei zum Zeitpunkt der Überweisung jeweils wertausschöpfend zugunsten der Konsortialbanken verpfändet gewesen, so dass es in keinem Fall der Insolvenzmasse zur Verfügung gestanden hätte.
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aa.) Nach der Vorschrift des § 64 S. 1, 2 GmbHG a.F. seien die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet worden seien. Dies gelte jedoch nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar seien.
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Zwischen den Parteien unstreitig hätten die Beklagten zu 1) und zu 2) als Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin am 22.12.1014 die Zahlung von 14.137.190,59 € von dem bei der Insolvenzschuldnerin angesiedelten Cash-Pool-Konto, geführt bei der Z-Bank (Kontonummer …), auf das bei der Beklagten zu 3) angesiedelte und bei der Z-Bank geführte Cash-Pool-Konto (Kontonummer …), geführt als Unterkonto zu Kontonummer … (Anlage K3), veranlasst. Ebenso unstreitig seien die mit der Klageerhöhung geltend gemachten Überweisungen am 14.05.2015 und 28.05.2025 getätigt worden.
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Die gerichtliche Feststellung, ob diese Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife, also der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft gemäß § 17 InsO oder nach Feststellung ihrer Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 InsO erfolgt seien, könne im vorliegenden Fall offenbleiben. Für eine Zahlungsunfähigkeit sei bereits nichts vorgetragen. Eine Zahlungseinstellung gem. § 17 Abs. 2 S. 2 InsO sei nicht gegeben, für eine Zahlungsunfähigkeit lägen keine Anhaltspunkte vor. Eine Überschuldung der Gesellschaft liege vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr decke, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten sei nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich (§ 19 InsO). Grundsätzlich trage der Kläger für die auf eine Überschuldung aufbauenden Ansprüche die Beweislast einer rechnerischen Überschuldung. Dabei bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings eine Beweiserleichterung dahingehend, dass eine in der Handelsbilanz ausgewiesene bilanzielle Überschuldung ein Indiz für das Vorliegen einer rechnerischen Überschuldung darstelle. Zwischen den Parteien unstreitig habe eine handelsbilanzielle Überschuldung zum 31.12.2013 vorgelegen, da die Handelsbilanz zum 31.12.2013 Aktiva in Höhe von 59.289.967,17 € gegenüber Passiva in Höhe von 104.194.490,00 € ausgewiesen habe. Diese handelsbilanzielle Überschuldung indiziere eine insolvenzrechtliche Überschuldung.
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Letztlich komme es weder auf die Feststellung der Überschuldung an, weshalb auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dieser Frage nicht veranlasst gewesen sei, noch auf die Frage, ob eine positive Fortführungsprognose vorgelegen habe, wofür die vorgelegten Gutachten mit Bestätigung einer positiven Fortführungsprognose der S. vom 11.11.2013/25.04.2014 (Anlage ATL 11) und des Prüfungsberichts der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft W. vom 12.05.2014 (Anlage CC 11) Anhalte böten. Zumindest stellten die Zahlungen bzw. Überweisungen keine masseschmälernde Zahlungen nach § 64 GmbHG a.F. dar.
31
Für das Erfordernis der masseschmälernden Zahlung im Rahmen der Geschäftsführerhaftung finde sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur zunehmend der Gedanke einer der Rechtslage zum Insolvenzanfechtungsrecht gem. §§ 129 ff. InsO vergleichbaren wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung Zustimmung, wonach der Geschäftsführer einredeweise geltend machen könne, dass die von ihm veranlassten Zahlungen im Ergebnis keine Masseschmälerung bewirkt hätten. Im Rahmen einer solchen wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung seien z.B. die Werthaltigkeit bzw. die Verwertungsaussichten des weggegebenen Vermögensgegenstandes zu berücksichtigen mit der Folge, dass die Weggabe solcher Posten, die vollständig mit Rechten Dritter belastet seien, mangels gläubigerbenachteiligender Wirkung nicht als „Zahlung“ im Sinne der Norm gelte.
32
Im Streitfall sei das Guthaben des Cash-Pools wertausschöpfend zugunsten der Konsortialbanken verpfändet gewesen.
33
Der Argumentation der Klagepartei, das Geld sei bei der Überweisung im Dezember 2014 zumindest einen juristischen Moment frei gewesen und nicht mit dem Pfandrecht der Konsortialkreditgeber behaftet, zudem hätten diese ihr Pfandrecht nicht ausgeübt, sei nicht zu folgen. Die Bank habe durch die „Umhängung“ des Cash-Pools nicht auf ihr Pfandrecht verzichtet. Dies sei in dem vom Klägervertreter herangezogenen und vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der Freigabe einer verpfändeten Maschine durch die Bank zur freihändigen Verwertung durch die Insolvenzschuldnerin (BGH, Urteil vom 09.10.2003, IX ZR 28/03, NJW-RR 2004, 864) anders gewesen. Im vorliegenden Fall liege gerade keine explizite Freigabe zum Zwecke des freihändigen Verkaufs durch die Bank vor. Zudem handele es sich im Streitfall auch nicht um einen körperlichen Gegenstand, sondern um ein verpfändetes Bankguthaben.
34
Eine Verkürzung des Schuldnervermögens liege nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nicht vor, wenn an dem Anfechtungsgegenstand Absonderungsrechte bestehen, die diesen wirtschaftlich voll ausschöpften (BGH, Urteil vom 17.06.2004, IX ZR 124/03, NJW-RR 2004, 1493). Eine Gläubigerbenachteiligung scheide danach aus, wenn das Absonderungsrecht von vornherein an einem Geldbetrag oder an einem Bankguthaben bestehe. Bleibe in einem solchen Fall der verpfändete Geldbetrag oder das verpfändete Guthaben hinter der Höhe der gesicherten Forderung zurück, sei das eigene Verwertungsrecht des Insolvenzverwalters ohne jeden wirtschaftlichen Wert. Vielmehr hätten verpfändete Kontoguthaben keinen wirtschaftlichen Wert und damit keinen im Kern geschützten Vermögenswert für die Insolvenzmasse.
35
So liege der Fall auch hier. Die besicherten Darlehen der Insolvenzschuldnerin überstiegen unstreitig das Guthaben des Cash-Pools aus einem ursprünglichen Darlehensbetrag der Konsortialbanken im Jahr 2014 in Höhe von 36.088.000,00 €. Damit liege eine wertausschöpfende Belastung vor. Die unbesicherten Gläubiger hätten damit auch ohne Übertragung des verpfändeten Guthabens keine höhere Befriedigungsquote erwarten können, da verpfändete Konten zwar der Insolvenzmasse unterfielen (§ 35 InsO), jedoch nicht der freien Insolvenzmasse, die der Befriedigung aller Gläubiger gleichmäßig diene, sondern allein derjenigen, die den Pfandgläubigern diene, welche ein Absonderungsrecht nach § 50 InsO hätten.
36
Schließlich sei das Cash-Pool-Guthaben auch nicht von der Beklagten zu 3) für das operative Geschäft verbraucht worden. Selbst wenn dies der Fall gewesen wäre und die Beklagte zu 3) das Cash-Pool-Guthaben in Anspruch genommen hätte, entspreche dies gerade dem Sinn eines Cash-Pools. Auch die Insolvenzschuldnerin hätte jederzeit auf das Cash-Pool-Guthaben zugreifen können. Dies zeige sich bereits daran, dass im Mai 2015 ein Ausgleich auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin entsprechend der Cash-Pool-Praxis erfolgt sei. Das Cash-Pooling diene der Finanzierung und Liquiditätsallokation in der Binnenstruktur von Unternehmensgruppen. Die Zielsetzung sei dabei, die Liquiditätsversorgung ihrer Mitglieder und somit der gesamten Gruppe zu optimieren. Zwischen den Parteien unstreitig habe lediglich die Beklagte zu 3) in den Cash-Pool Zahlungen eingebracht, da die Insolvenzschuldnerin als reine Holding keine operativen Geschäfte mehr betrieben habe. Das Cash-Pool-Guthaben sei auch nach der „Umhängung“ im Wesentlichen gleich geblieben, es sei von der Beklagten zu 3) weder verbraucht noch aufgezehrt worden.
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Die Übertragung des Cash-Pool-Guthabens von dem Konto der Insolvenzschuldnerin auf das Konto der Beklagten zu 3) sei eine Forderung der Konsortialbanken gewesen, die aus dem V. Consent Letter vom 23.04.2014 resultiere. Damit sei die „Umhängung“ nicht rechtsgrundlos erfolgt. Eine solche Übertragung sei rechtlich nicht zu beanstanden und zulässig. Es sei auch nicht zutreffend, dass die Umkehr des Cash-Pools von der Mutterauf die Tochtergesellschaft nur dann zulässig sei, wenn die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin dauerhaft durch die Zahlungsfähigkeit der Insolvenzschuldnerin gesichert würden, wie z.B. durch Ausschluss einer Kündigung des Cash-Pools durch die Pool-Führerin. Ein solches Kündigungsrecht stehe einer grundsätzlich positiven Fortführungsprognose der Insolvenzschuldnerin nicht entgegen. Tatsächlich sei der Cash-Pool auch nicht gekündigt, sondern lediglich suspendiert bzw. ausgesetzt worden. Zum Ende des Jahres 2014 sei eine Insolvenz nicht absehbar gewesen. Erst durch die Entscheidung der Banken, die Kredite nicht fortzuführen, und aufgrund der Ablehnung eines Überbrückungskredits zur Tilgung der im Mai 2015 fälligen Steuerschuld von ca. 2,5 Millionen Euro sei ein Insolvenzantrag erforderlich geworden.
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Bezüglich der mit der Klageerweiterung gegen den Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) geltend gemachten Forderungen hinsichtlich der Zahlungen im Mai 2015 sei der Beklagte zu 2) zum Zeitpunkt der Überweisungen bereits wirksam als Geschäftsführer abberufen gewesen. Eine bereits verwirklichte Haftung bestehe zwar auch nach seinem Ausscheiden fort. Aufgrund des Ausgleichs auf dem debitorisch geführten Konto der Insolvenzschuldnerin durch die Beklagte zu 3) mittels des Cash-Pool-Kontos liege aber auch insoweit keine masseschmälernde Verfügung nach § 64 GmbHG a.F. vor. Der Kontostand bei der Insolvenzschuldnerin auf dem fraglichen Konto habe im Mai 2015 bei Null gelegen und sei durch Ausgleichszahlung der Beklagten zu 3) aus dem Cash-Pool nach den Überweisungen wieder auf Null ausgeglichen worden. Damit sei lediglich ein Gläubigeraustausch erfolgt.
39
Ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) gemäß § 64 GmbHG a.F. scheide damit für die gesamte geltend gemachte Klageforderung aus.
40
bb.) Ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) nach § 43 Abs. 2 GmbHG sei ebenfalls nicht gegeben.
41
Die Geschäftsführer seien nach § 43 Abs. 2 und Abs. 3 der Gesellschaft gegenüber zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie ihre Obliegenheiten verletzten, die ihnen persönlich gegenüber der Gesellschaft oblägen, sie schuldhaft gehandelt hätten und die Pflichtverletzung zu einem Schaden der Gesellschaft geführt habe. Zu den Geschäftsführerpflichten zählten im Wesentlichen, die Pflicht zur Beachtung rechtlicher Vorgaben (Legalitätspflicht), die Pflicht zur ordnungsgemäßen Unternehmensleitung, bei der das unternehmerische Ermessen und die Business Judgement Rule eine große Rolle spielten, sowie die organschaftliche Treuepflicht. Die Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung diene dazu, innerhalb der durch Gesetz, Satzung und Organbeschlüsse gezogenen weiten Grenzen die zulässigen von den unzulässigen unternehmerischen Handlungsalternativen zu scheiden, was auf Grund der Natur unternehmerischer Entscheidungen Schwierigkeiten bereite, da jede unternehmerische Tätigkeit denknotwendig ein Risiko berge.
42
Ein Verstoß gegen diese Pflichten sei vorliegend nicht ersichtlich. Der Auffassung der Klagepartei, ein derartiger Verstoß liege darin, dass die Geschäftsführer bei „Umhängung“ des Cash-Pools nicht sichergestellt hätten, dass die Insolvenzschuldnerin dauerhaft zahlungsfähig bleibe, etwa durch Ausschluss einer Kündigungsmöglichkeit, könne nicht gefolgt werden. Eine solche Kündigungsmöglichkeit begründe nicht zwangsläufig eine drohende Insolvenz der Insolvenzschuldnerin. Die Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin hätten die Überweisung am 22.12.2014 aufgrund der Absprache und Forderung der Konsortialbanken, festgelegt in den V.-Vereinbarungen unter dem 08./23./25./29. April 2014, mit Rechtsgrund veranlasst. Zuvor seien zwei Gutachten zur Fortführungsprognose eingeholt worden, welche beide eine positive Fortführungsprognose bestätigt hätten. Die Geschäftsführer hätten auf die Ausführungen der Wirtschaftsprüfergesellschaft S. im Gutachten vom 11.11.2013 und 25.04.2014 (Anlage ATL 11, S. 34) und die Bestätigungen in den Jahresabschlussprüfungen der Gesellschaft W. für 2013 und 2014 (Anlage ATL 12, S. 3) vertrauen dürfen. Die Abschlussprüfer hätten ein uneingeschränktes Testat erteilt, was ausreichend sei. Man müsse sich fragen, was sonst die Geschäftsführer noch hätten veranlassen sollen, um ihren Sorgfalts- und Überwachungspflichten und damit den Pflichten aus § 43 GmbHG nachzukommen. Eine erneute Aktualisierung der Gutachten sei ebenso wenig veranlasst gewesen wie ein weiteres Gutachten, das nur für die Insolvenzschuldnerin erstellt hätte werden sollen. Selbst wenn das Gutachten von S. nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12.05.2016, IX ZR 65/14, NJW-RR 2016, 1518) an ein Sanierungsgutachten entsprochen haben sollte, so sei es doch zur Fortführungsprognose der Insolvenzschuldnerin eingeholt und erstellt worden. Die Fortführungsprognose der Insolvenzschuldnerin sei berechtigt mittels einer Gesamtbetrachtung mit der Beklagten zu 3) geprüft worden, da das Cash-Pool-System habe berücksichtigt und in die Feststellungen habe einbezogen werden müssen, zumal im Rahmen der Restrukturierung ein Wechsel der Cash-Pool-Führung geplant gewesen sei.
43
cc.) Schließlich liege auch kein kollusives Zusammenwirken der Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin mit der Beklagten zu 3) vor, um die Insolvenzschuldnerin schrittweise auszuhöhlen und einseitig die Interessen der Beklagten zu 3) und der Banken zu bedienen (Rechtsfigur eines sog. existenzvernichtenden Eingriffs). Das von der Klägerin vorgetragene Interesse der Banken am Überleben der Beklagten zu 3) zum Nachteil der Insolvenzschuldnerin und ein bewusstes in die „Insolvenz-Steuern“ sei spekulativ. Die Übertragung des Cash-Pools von der Insolvenzschuldnerin auf die Beklagte zu 3) sei von den finanzierenden Banken gefordert worden, zulässig und letztlich für die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin nicht benachteiligend.
44
dd.) Eine Schadensersatzpflicht der Geschäftsführer bestehe daher nicht. Ansprüche der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagten zu 1) und 2), die im vorliegenden Fall die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes angewandt hätten, seien nicht gegeben.
45
b.) Die Klagepartei habe auch keinen Anspruch gegen die Beklagte zu 3), weder aus §§ 133, 143 InsO, noch aus vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung gemäß § 823 BGB i.V.m. § 266 StGB bzw. aus § 134 InsO, und dies weder hinsichtlich der 14.137.190,59 € durch Überweisung auf das Konto der Beklagten zu 3), noch hinsichtlich der im Mai 2015 vorgenommene Zahlungen in Höhe von insgesamt 92.388,37 €.
46
aa.) Ein Anspruch aus § 133 InsO auf Insolvenzanfechtung setze voraus, dass zum einen der Schuldner eine Rechtshandlung mit dem Vorsatz vorgenommen habe, seine Gläubiger zu benachteiligen und zum anderen der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners gekannt habe. Im vorliegenden Fall sei ein Vorsatz zur Gläubigerbenachteiligung nicht zu erkennen. Es liege schon keine Gläubigerbenachteiligung vor. Das Guthaben auf dem Konto der Insolvenzschuldnerin sei verpfändet gewesen und damit gemäß § 35 InsO zwar der Insolvenzmasse zuzuordnen. Es unterliege jedoch dem Absonderungsrecht, § 50 InsO, und komme damit nur dem absonderungsberechtigten Gläubiger zugute. Andere Gläubiger würden somit bei wertausschöpfend verpfändeten Kontoguthaben nicht benachteiligt. Das Pfandrecht der Z-Bank habe seit 2006 bestanden. Zum anderen könne kein Vorsatz hinsichtlich einer möglichen Gläubigerbenachteiligung gesehen werden. Dieser setze den Willen zur Gläubigerbenachteiligung oder zumindest ein Erkennen und Billigen der Gläubigerbenachteiligung voraus. Insoweit sei auf die Ausführungen zu den im vorliegenden Fall gewahrten Sorgfaltspflichten der als Beklagter zu 1) und Beklagter zu 2) in Anspruch genommenen Geschäftsführer zu verweisen.
47
bb.) Ein Anspruch nach § 134 InsO scheitere ebenfalls an der Gläubigerbenachteiligung, auch wenn hier schon eine mittelbare Benachteiligung der Gläubiger ausreiche.
48
cc.) Schließlich sei auch ein Anspruch aus §§ 823 BGB i.V.m. § 266 StGB nicht gegeben. Eine mögliche Strafbarkeit nach dem Untreuetatbestand gemäß § 266 StGB müsse sowohl im objektiven Tatbestand, zumindest jedoch im subjektiven Tatbestand verneint werden. In der Überweisung eine vorsätzliche Untreue zu sehen, scheitere schon daran, dass mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gehandelt worden sei. Eine treuwidrige Vermögensverfügung sei nicht erkennbar.
49
Wegen des Sach- und Streitstands der ersten Instanz im Übrigen wird auf die Feststellungen des erstgerichtlichen Urteils verwiesen.
50
3. Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung der Klagepartei, mit der sie unter Wiederholung und teilweiser Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihren erstinstanzlich zuletzt gestellten Klageantrag weiterverfolgt.
51
Die Klage gegen den Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) sei zu Unrecht abgewiesen worden. Die Ansprüche aus Geschäftsführerhaftung gingen auf eine Zahlungsanweisung vom 22.12.2014 sowie hinsichtlich der Klageerweiterung auf sechs weitere Zahlungsanweisungen zwischen 14.05.2015 bis 28.05.2015 zurück.
52
Bei der Zahlungsanweisung vom 22.12.2014 seien keine Regelungen getroffen worden, die die Rückerstattung der angewiesenen Beträge von der Beklagten zu 3) sicherstellten, noch seien sonstige Sicherheiten vor Leistung dieser streitgegenständlichen Zahlung von der Beklagten zu 3) verlangt worden (Berufungsbegründung, dort Seiten 8, 50).
53
Die Insolvenzschuldnerin sei vor der Überweisung Ende 2014 gemäß den vertraglichen Bedingungen berechtigt gewesen, uneingeschränkt über den Guthabensbetrag zu verfügen (Berufungsbegründung, dort Seite 9). Die Berufung rügt, das Landgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Zahlungen / Überweisungen durch den Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) keine masseschmälernden Zahlungen im Sinne des § 64 GmbHG a.F. darstellten, da vorliegend das Guthaben des Cash-Pools wertausschöpfend zu Gunsten der Konsortialbanken verpfändet gewesen sei. Das Erstgericht gehe von einer fehlenden Gläubigerbenachteiligung aus, da der streitgegenständliche Guthabenbetrag verpfändet sei, ohne jedoch festzustellen, ob die Pfandreife zu dem nach § 140 InsO zu berücksichtigenden Zeitpunkt eingetreten gewesen sei. Eine Verpfändung ohne Pfandreife bedinge keine Veränderung der bestehenden Verfügungsgewalt und Verfügungsmöglichkeiten. Weder habe ein Verwertungsfall vorgelegen noch sei Pfandreife nach §§ 1204 ff. BGB eingetreten (Berufungsbegründung, dort Seiten 13 f.). Dies zeigten die V.-Vereinbarungen. Wie der Streitfall zeige, habe die Insolvenzschuldnerin frei über den Guthabensbestand verfügen können (Berufungsbegründung, dort Seiten 28 f.).
54
Die Gründe für die Zurückweisung der geltend gemachten Haftungstatbestände nach § 43 GmbHG führten allein den Gedanken einer fehlenden Gläubigerbenachteiligung fort und gründeten sich auf eine Exkulpation der Geschäftsführer aufgrund eines in anderem Zusammenhang und zeitlich vor Vornahme der streitgegenständlichen Handlungen erstellten Gutachtens (Berufungsbegründung, dort Seite 14). Die Geschäftsführer hatten jedoch sicherzustellen, dass Teilnahme am Cash-Pool nicht zur Illiquidität der Gesellschaft führe.
55
Der Bundesgerichtshof habe eine Gläubigerbenachteiligung nach § 129 InsO als gegeben angesehen, wenn eine Zahlung durch die Insolvenzschuldnerin durch eine geduldete Überziehung ihres Kontos zur Tilgung einer Verbindlichkeit einer verbundenen Gesellschaft geleistet worden sei (BGH, Urteil vom 25.02.2016, IX ZR 12/14, NJW-RR 2016, 570). Danach liege eine Gläubigerbenachteiligung vor, wenn durch die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch der Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt oder erschwert oder verzögert werde. Die Berufung macht geltend, eine rein formale Betrachtung einer wertausschöpfenden Verpfändung könne keine konkrete Aussage über eine Gläubigerbenachteiligung respektive Masseschmälerung enthalten, in dem der Insolvenzschuldner über dieses verpfändete Guthaben verfügen könne und auch tatsächlich verfüge. Bei der Betrachtung einer Gläubigerbenachteiligung seien jeweils einzelne Rechtshandlungen gesondert und nach der abtrennbaren Wirkung zu prüfen. Hier sei die Vermögensmasse nicht an die Korsotialbanken, sondern an eine dritte Gesellschaft, die kein eigenes Pfandrecht an den bestehenden Kontoguthaben besessen habe, geleistet worden. Die Aktivmasse der Insolvenzschuldnerin sei somit verkürzt worden (Berufungsbegründung, dort Seiten 16 ff., 17).
56
Das Erstgericht habe zu Unrecht eine Vergleichbarkeit mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.06.2004 (IX ZR 124/03, NJW-RR 2004, 1393) angenommen. Dort sei der Anfechtung einer erneuten Verpfändung nicht stattgegeben worden, da die erneute Verpfändung das Aktivvermögen der Schuldnerin nicht verringert habe. Vorliegend sei jedoch zu prüfen, ob eine Gläubigerbenachteiligung, respektive eine Masseschmälerung, durch die Zahlungsanweisung eines Betrages aus dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin an eine dritte Gesellschaft eingetreten sei, die nicht Pfändungspfandgläubiger gewesen sei und keine weiteren Sicherheiten im Sinne eines Absonderungsrechtes an dem streitgegenständlichen Betrag besessen habe (Berufungsbegründung, dort Seiten 18 ff.).
57
Rechtsfehlerhaft stelle das Landgericht hypothetische Erwägungen an, die bei Betrachtung einer Gläubigerbenachteiligung nicht anzustellen seien. Diese seien zu Betrachtung eines Quotenschadens bei Altgläubigern im Sinne des § 823 II BGB i.V.m. § 64 S. 1 GmbHG a.F. erfolgt, zur Betrachtung einer Masseschmälerung nach § 64 GmbHG a.F. jedoch nicht heranzuziehen (Berufungsbegründung, dort Seiten 19 f.).
58
Die Berufung bringt weiter vor, das Erstgericht gehe rechtsfehlerhaft davon aus, dass auch die Insolvenzschuldnerin jederzeit auf das Cash-Pool-Guthaben habe zugreifen können. Dies widerspreche der Argumentation, dass das verpfändete Konto der Insolvenzschuldnerin gerade nicht der „freien Insolvenzmasse“ zugeordnet werden könne, da ein Zugriff für Dritte nicht gegeben gewesen sei (Berufungsbegründung, dort Seite 22).
59
Für die Annahme des Erstgerichts, die Insolvenz sei Ende 2014 noch nicht absehbar gewesen, enthalte der Tatbestand des Urteils keine Feststellungen (Berufungsbegründung, dort Seiten 24 f.).
60
Hinsichtlich der im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüche lasse das Ersturteil Feststellungen vermissen, welche Zahlungen zu welchem Zeitpunkt an die Insolvenzschuldnerin geflossen sein sollen, um einen Gläubigertausch zu begründen. Die Abweisung dieser Ansprüche sei schlicht mit massekompensierenden Leistungen bei der Insolvenzschuldnerin begründet worden (Berufungsbegründung, dort Seiten 26 f.).
61
Die Zahlung sei vorliegend nicht an den Absonderungsgläubiger, sondern an einen der übrigen Gläubiger, die Beklagte zu 3), geleistet worden. Der absonderungsberechtigte Gläubiger selbst habe keine Leistung auf seine Absonderung erhalten und sei somit durch die streitgegenständliche Zahlung benachteiligt worden. Die Zahlung sei somit nicht auf das bestehende Absonderungsrecht, sondern trotz des bestehenden Absonderungsrechts geleistet worden (Berufungsbegründung, dort Seite 27).
62
Die Entscheidung des BGH vom 20.11.2008 (IX ZR 130/07, NZI 2009, 105) zeige, dass ein lediglich potenziell bestehenden Pfändungspfandrecht eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 InsO nicht ausschließe (Berufungsbegründung, dort Seiten 31).
63
Das Erstgericht habe die Haftung der Geschäftsführer unzutreffend mit der Argumentation abgelehnt, die entsprechenden und von ihnen abgeschlossenen Verträge seien nicht rechtsgrundlos abgeschlossen worden. Die Anweisung einer Zahlung mit Rechtsgrund sei dem Tatbestand des § 64 GmbHG a.F. inhärent. Vorliegend seien Vereinbarungen durch die Beklagten zu 1) und 2) unterzeichnet worden, die die Insolvenzschuldnerin im unternehmensfremden Interesse in eine einseitige finanzwirtschaftliche Abhängigkeit der Beklagten gebracht habe. Die Beklagten seien damit ausdrücklich Verpflichtungen eingegangen, die lediglich im Interesse der Beklagten zu 3) und gegebenenfalls unter Beachtung der Interessen der beteiligten Kreditinstitute abgeschlossen worden seien. Das Interesse der Insolvenzschuldnerin sei von den Beklagten zu 1) und 2) in den konkreten vertraglichen Regelungen nicht dergestalt berücksichtigt worden, dass eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder eine sichere Fortführung der Insolvenzschuldnerin erhalten bliebe oder zukünftig gesichert wäre. Insbesondere sei die Beklagte zu 3) nicht verpflichtet gewesen, ausreichende Gegenleistungen an die Insolvenzschuldnerin zu erbringen und sei weiterhin nicht verpflichtet, Beträge zur Verfügung zu stellen, die geeignet wären, auflaufende Verbindlichkeiten zu erfüllen. Die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit der Insolvenzschuldnerin, die sie zuvor aus erheblichen liquiden Mitteln zumindest in Höhe des streitgegenständlichen Guthabensbetrages habe schöpfen können, sei nicht mehr gewährleistet gewesen und allein von Entscheidungen der Beklagten zu 3) abhängig. Zahlungen, die die Beklagte zu 3) in ihren Interessen gefährden würden, würden nicht an die Insolvenzschuldnerin geleistet werden, unabhängig von deren wirtschaftlichem Überleben oder dem Bestehen oder der Erfüllung weiterer Verpflichtungen (Berufungsbegründung, dort Seiten 32 ff. unter Hinweis auf Anlagen CC 9 / ALT 8 sowie CC 12, dort Ziffer 8.). Bereits seit dem Jahr 2011 sei die Insolvenzschuldnerin allein auf Erlöse und Einkünfte der Beklagten zu 3) auf dem von ihr geführten Konto abhängig gewesen. Die Möglichkeit, von diesem Kontoguthaben die von ihr auszugleichenden Verbindlichkeiten zu bedienen, die sowohl steuerliche Verbindlichkeiten als auch Pensionsverpflichtungen der H.-Gruppe betrafen, habe die Insolvenzschuldnerin damit nicht mehr aus eigener operativer Geschäftstätigkeit, sondern allein aus diesen Einkünften bestreiten können (Berufungsbegründung, dort Seiten 23 f., 50).
64
Das Abstellen auf das Vorliegen eines Gutachtens verkenne die tatbestandliche Ausrichtung des § 43 GmbHG. Der Haftungstatbestand gründe sich auf einen Verstoß gegen die bestehenden Obliegenheiten der Geschäftsführer, die Angelegenheiten der von ihnen vertretenen Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu betreiben. Das Bestehen einer positiven Fortführungsprognose allein könne einen Verstoß gegen bestehende Pflichten im Sinne des § 43 GmbHG nicht ausschließen (Berufungsbegründung, dort Seiten 36 f.). Restrukturierungsüberlegungen sind allein aus Sicht und im Interesse der Beklagten zu 3) angestellt worden, Kompensationsloser Entzug von Liquidität kann nicht als Sanierungsversuch angesehen werden. Konkrete Prüfungen auf eine festgestellte Fortführungsprognose seien vom Erstgericht auch nicht vorgenommen worden. Das Gutachten sei nicht für die Insolvenzschuldnerin selbst, sondern in Gesamtbetrachtung mit der Beklagten zu 3) eingeholt worden. Die Zahlungsfähigkeit müsse jedoch für jede Konzerngesellschaft selbst bestimmt werden (Berufungsbegründung, dort Seiten 37 ff.). Die Vortrags- und Beweislast hierfür treffe analog § 92 Abs. 2 Satz 2 AktG die Beklagten zu 1) und 2) (Berufungsbegründung, dort Seiten 40 f.). Bei Erstellung eines Sanierungsgutachtens durch externe Berater oblägen den Geschäftsführern zudem umfassende Überprüfungs- und Kontrollpflichten (Berufungsbegründung, dort Seiten 41 f., unter Verweis auf BGH, Urteil vom 02.03.2022, IX ZR 78/20 Rn. 77 f., NZI 2022, 385). Das Erstgericht treffe hierzu keine Feststellungen; der eingeschränkte Prüfungsmaßstab im Gutachtensauftrag, die nicht eingetroffenen Prognosen und der Zeitablauf seit Gutachtenserstellung seien nicht beachtet worden (Berufungsbegründung, dort Seiten 42 f.). Die Fortführungsprognose könne somit nicht exkulpieren, da ihre Voraussetzungen nicht erfüllt und die Prognose bei Durchführung der streitgegenständlichen Überweisung nicht aktuell gewesen sei.
65
Diese Rechtsfehler beträfen auch die Entscheidung des Erstgerichts hinsichtlich der Beklagten zu 3). Ob für § 134 InsO eine mittelbare Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger vorliege, habe das Erstgericht nicht überprüft (Berufungsbegründung, dort Seiten 44 ff.). Mit der Argumentation des Erstgerichts hätte dieses eine Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO oder nach § 133 Abs. 2 InsO a.F. bejahen müssen (Berufungsbegründung, dort Seiten 47 ff.).
66
Schließlich weise das Landgericht in seiner Entscheidung Anträge zurück, die die Klagepartei nicht gestellt habe. Ein Zahlungsanspruch in Höhe von 92,388,37 € sei allein gegen die Beklagten zu 1) und 2), nicht aber gegen die Beklagte zu 3) geltend gemacht worden (Berufungsbegründung, dort Seite 49).
67
Die Klagepartei beantragt im Berufungsverfahren, wie folgt zu erkennen:
Das Urteil des Landgerichts Aschaffenburg, Az: 2 HK O 3/19 vom 17.02.2023 wird abgeändert:
(I.) Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 14.137.190,59 EUR Zug um Zug gegen Abtretung des im Klageantrag zu (II.) geltend gemachten Insolvenzanfechtungsanspruchs gegen die Beklagte zu 3) zu zahlen und zwar der Beklagten zu 1) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2017 und der Beklagten zu 2) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.03.2019. Den Beklagten zu 1) und 2) bleibt vorbehalten, nach Erstattung an den Kläger Ansprüche nach Rang und Höhe mit dem Betrag, den die durch die zu erstattende Zahlung begünstigte Beklagte zu 3) im Insolvenzverfahren erhalten hätte, im Insolvenzverfahren gegenüber dem Kläger geltend zu machen.
(II.) Die Beklagte zu 3) wird verurteilt, an den Kläger 14.137.190,59 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.12.2017 zu zahlen.
(III.) Die Beklagten zu 1) und 2) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger weitere 92.388,37 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2019 zu zahlen.
68
Die Beklagten beantragen im Berufungsverfahren,
die Berufung zurückzuweisen.
69
Die Beklagten verteidigen das Ersturteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.
70
Die Beklagten zu 1) und 2) bringen vor, es liege weder eine Masseschmälerung noch eine Gläubigerbenachteiligung vor. Aus den Jahresabschlüssen der Schuldnerin ergebe sich, dass die Forderungen der Beklagten zu 3) gegenüber der Schuldnerin aus dem Cash-Pool zum 31.12.2013 bereits ca. 18.6 Millionen Euro betrugen. Dieser Saldo habe sich durch die Fortführung des Cash-Pools bis Dezember 2014 auf ca. 20 Millionen Euro erhöht. Nach Rückführung der Cash-Pool-Verbindlichkeiten gegenüber der Beklagten zu 3) seien noch Forderungen der Beklagten zu 3) gegenüber der Schuldnerin in Höhe von 6,4 Millionen verblieben, die von der Beklagten zu 3) später zur Insolvenztabelle angemeldet worden seien (Berufungserwiderung, dort Seite 3). Die mit den Konsortialkreditbanken getroffenen Vereinbarungen hätten gerade der Fortführung der verbliebenen Unternehmensgruppe um die Schuldnerin und die Beklagte zu 3) gedient und seien Voraussetzung dafür gewesen, dass die Konsortialkreditbanken die Restrukturierung weiter begleitet und das Kreditengagement nicht gekündigt hätten. Die wirtschaftliche Situation der Schuldnerin habe sich mit der Übernahme der Cash-Pool-Führung nicht verändert. Die Beklagte zu 3) hätte auch ohne Übertragung der Cash-Pool-Führung auf der Grundlage der Cash-Pool-Vereinbarung aus dem Jahr 2007 jederzeit den Cash-Pool mit der Schuldnerin aussetzen und ihre Forderungen fällig stellen können. Die wirtschaftliche Situation der Beklagten zu 3) habe sich durch die Übertragung nicht verbessert (Berufungsbegründung, dort Seite 4). Das Guthaben sei wertausschöpfend verpfändet gewesen. Die streitgegenständlichen Zahlungen hätten schon keine masseschmälernden Zahlungen nach § 64 GmbHG a.F. dargestellt. Ein Anspruch setze einen Schaden der Insolvenzgläubiger voraus. Mit der Zahlung müsse eine Masseschmälerung eingetreten sein, also eine Verringerung der den späteren Insolvenzgläubigern zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse. Der Erstattungsanspruch solle nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur eine Masseverkürzung verhindern, nicht aber einer Massebereicherung dienen (BGH, Urteil vom 18.11.2014, II ZR 231/13, NZG 2015, 149). Bei der Frage, ob eine Masseverkürzung i.S.d. § 64 GmbHG a.F. vorliege, sei im Rahmen einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung ein Vermögensvergleich aus Sicht der Insolvenzgläubiger ohne und mit der angegriffenen Handlung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 30.04.2020, IX ZR 162/16, NZI 2020, 687). Verpfändete Kontoguthaben hätten keinen wirtschaftlichen Wert und damit keinen im Kern geschützten Vermögenswert für die Insolvenzmasse (Berufungserwiderung, dort Seiten 5 ff.).
71
Zutreffend sei das Landgericht nicht der Argumentation gefolgt, dass das Guthaben einen juristischen Moment frei gewesen sei und nicht mit dem Pfandrecht der Konsortialkreditgeber behaftet. Diese hätten durch die „Umhängung“ gerade nicht auf ihr Pfandrecht verzichtet. Die durch den Wechsel der Cash-Pool-Führung erfolgte Übertragung habe nicht zu einer Schmälerung der den Gläubigern der Schuldnerin zur Verfügung stehenden Vermögensmasse geführt (Berufungserwiderung, dort Seite 7).
72
Hinsichtlich der Zahlungen in Höhe von insgesamt 92.388.37 €, die Gegenstand der Klageerweiterung seien, scheitere eine Haftung des Beklagten zu 2) bereits daran, dass dieser zum Zeitpunkt der Zahlungen nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei (Berufungserwiderung, dort Seite 8). Die Schuldnerin habe zum Zeitpunkt der Zahlungen über kein Kontoguthaben verfügt. Die streitgegenständlichen Abbuchungen vom Konto der Schuldnerin seien durch Wertstellung vom gleichen Tag mittels eines Übertrags der Beklagten zu 3) aus dem Cash-Pool wieder ausgeglichen worden. Der Kontostand habe so unverändert 0,00 € betragen (Berufungserwiderung, dort Seite 8).
73
Eine Pflichtverletzung des Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2) habe das Landgericht zutreffend verneint. Durch die Übertragung seien Darlehensverbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber der Beklagten zu 3) zurückgeführt worden. Damit liege schon kein kompensationsloser Abfluss vor. Mit der Übertragung der Cash-Pool-Führung auf die Beklagte zu 3) sei auch eine Verbindlichkeit der Schuldnerin in gleicher Höhe erfüllt worden (Berufungserwiderung, dort Seite 9).
74
Unrichtig sei, dass die Schuldnerin in eine einseitige finanzwirtschaftliche Abhängigkeit der Beklagten zu 3) gebracht worden sei. Die Schuldnerin sei auch bereits vor der Übertragung auf die Zuführung und Belassung von Liquidität durch die Beklagte zu 3) angewiesen gewesen (Berufungserwiderung, dort Seite 9).
75
Die Regelungen unter Ziffer 3f. der Cash-Pool-Vereinbarung, wonach die Teilnehmer die Vereinbarung suspendieren können, wenn eine weitere Teilnahme zu einer gesetzlich normierten Pflichtverletzung, insbesondere der Kapitalerhaltungsvorschriften führen würde, seien entgegen der Darstellung der Klagepartei nicht nur übliche, sondern auch erforderliche Regelungen, damit sich die Geschäftsführer der am Cash-Pool teilnehmenden Gesellschaften nicht schadensersatzpflichtig machen würden (Berufungserwiderung, dort Seite 9).
76
Sorgfaltspflichtverletzungen der Beklagten zu 1) und 2) sei nicht gegeben. Gerade, weil diese eine eigene Einschätzung zur Fortführungsprognose durch Einholung eines Gutachtens durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hätten überprüfen lassen und diese Gesellschaft wie auch der Jahresabschlussprüfer W. die positive Fortführungsprognose bestätigt hätten, liege keine schuldhafte Pflichtverletzung vor (Berufungserwiderung, dort Seiten 10 ff.). Die Gesellschaft S. sei ausschließlich mit der Fortführungsprognose für die Schuldnerin und nicht parallel von anderen Gesellschaften oder einer Gesamtbetrachtung beauftragt worden. Die Beklagte zu 3) habe sich im Jahr 2014 nicht operativ wesentlich schlechter als geplant entwickelt (Berufungserwiderung, dort Seite 12).
77
Die Beklagte zu 3) argumentiert, der von der Klagepartei erweckte Eindruck eines kollusiven Zusammenwirkens zugunsten der Beklagten zu 3), um die Insolvenzschuldnerin vermögenslos im Sterben zurückzulassen, treffe nicht zu. Die Voraussetzungen eines existenzvernichtenden Eingriffs seien nicht erfüllt. Das „Umhängen“ des Cash-Pool-Guthabens sei Teil der damaligen Restrukturierung der seinerzeitigen Unternehmensgruppe gewesen. Die Fortführungsprognose der verbliebenen Unternehmensgruppe um die Insolvenzschuldnerin und die Beklagte zu 3) habe an der Restrukturierung der Unternehmensgruppe gehangen. Nach der Übertragung sei der Cash-Pool wie zuvor fortgeführt worden (Berufungserwiderung, dort Seiten 4 f.).
78
Es liege keine objektive Gläubigerbenachteiligung vor. Diese sei gegeben, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch der Gläubigerzugriff auf das Schuldnervermögen vereitelt, erschwert oder verzögert hat; es müssen mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die angefochtene Rechtshandlung bei wirtschaftlicher Betrachtung günstiger gewesen sein (Berufungserwiderung, dort Seiten 6 f. unter Verweis auf BGH, Urteil vom 16.11.2007, IX ZR 194/04, NZI 2008, 163 Rn. 18, Urteil vom 23.06.2022, IX ZR 75/21 NZI 2022, 777 Rn. 12a). An den durch Rechtsgeschäft verpfändeten und zu jeder Zeit wertausschöpfend belasteten Forderungen habe mit Insolvenzeröffnung ein Absonderungsrecht der finanzierenden Bank als Pfandgläubigerin im Sinne des § 50 Abs. 1 InsO bestanden. Ohne die Vermögensverschiebung hätten die Gläubiger nicht besser gestanden. Die Insolvenzgläubiger hätten auch vor der streitgegenständlichen „Umhängung“ des Cash-Pools nicht auf das Guthaben zugreifen können. Der Bundesgerichtshof habe ausdrücklich klargestellt, dass ein aus einem Absonderungsrecht wertausfüllend belastetes Guthaben für die Insolvenzmasse keinen Vermögenswert habe (Berufungserwiderung, dort Seiten 7 f. unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 17.06.2004, IX ZR 124/03 NJW-RR 2004, 1493 Rn. 14, 23).
79
Die Rechtsprechung verlange nicht, dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung über eine Pfändung hinaus bereits Pfandreife mit Blick auf ein Pfandrecht eingetreten sei (Berufungserwiderung, dort Seite 9).
80
Unerheblich sei, dass die Zahlung nicht an die finanzierende Bank, sondern an die Beklagte zu 3) bezahlt worden sei. Durch die „Umhängung“ des Cash-Pools habe die finanzierende Bank den Guthabensbetrag gerade nicht aus ihrem Zugriffsbereich entlassen und das Pfandrecht habe nach der Überweisung an diesem Guthabenbetrag in genau gleicher Höhe fortbestanden. Vorliegend habe die finanzierende Bank das Pfandrecht gerade nicht freigegeben: Weder sei der Guthabensbetrag dem Zugriff der finanzierenden Bank als Pfandrechtsgläubigerin entzogen worden, noch sei der Zugriff der Gläubiger der Insolvenzschuldnerin auf diesen Guthabensbetrag vereitelt, erschwert oder sonst verzögert worden. Die Aktivmasse sei ohnehin nicht verkürzt worden (Berufungserwiderung, dort Seiten 10 f.).
81
Die Argumentation der Gegenseite zu einem hypothetischen Kausalverlauf verfange nicht. Mit dem Verbot der Berücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe solle lediglich verhindert werden, dass ein Anfechtungsgegner mit dem Argument durchdringen könne, dass der mit einer anfechtbaren Rechtshandlung weggegebene Vermögenswert den Insolvenzgläubigern nicht zur Verfügung gestanden hätte, weil die Insolvenzschuldnerin dieses Vermögen durch eine spätere Rechtshandlung ohnehin noch vor Insolvenzeröffnung weggegeben hätte (Berufungserwiderung, dort Seite 12).
82
Es sei auch durch die streitgegenständliche Überweisung keine Beeinträchtigung der Liquidität der Insolvenzschuldnerin eingetreten (Berufungserwiderung, dort Seite 12).
83
Es stelle keinen Widerspruch dar, dass das verpfändete Guthaben nicht der freien Insolvenzmasse zugeordnet werden könne, andererseits aber die Insolvenzschuldnerin jederzeit auf das Cash-Pool-Guthaben für die Bedienung ihrer Verbindlichkeiten zurückgreifen könne. Denn ein Vermögenswert sei nicht erst dann der freien Insolvenzmasse entzogen, wenn die Insolvenzschuldnerin darauf nicht mehr zugreifen könne, sondern bereits dann, wenn die Insolvenzschuldnerin und deren Gläubiger wegen der Verpfändung im Rahmen der Verwertung der Insolvenzmasse nicht mehr zugreifen könnten (Berufungserwiderung, dort Seite 13).
84
Im vorliegenden Fall sei die Verpfändung auch zu keinem Zeitpunkt ausgesetzt gewesen, sondern habe durchgängig bis zur Insolvenzeröffnung bestanden, was in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 20.11.2008, IX ZR 130/07, NZI 2009, 105 ff. Rn. 10) anders gewesen sei (Berufungserwiderung, dort Seiten 13 f.).
85
Eine Anfechtung wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung scheitere auch an der fehlenden Gläubigerbenachteiligungsabsicht auf Ebene der Insolvenzschuldnerin. Die Beklagten zu 1) und 2) hätten gewusst, dass das Cash-Pool-Guthaben wertausschöpfend verpfändet gewesen sei, dass der Cash-Pool in Abstimmung mit der finanzierenden Bank über das neue Konto fortgeführt werden würde, dass sich mit der Überweisung am bevorrechtigten Zugriff der Bank weder für die Gläubiger der Insolvenzschuldnerin noch jene der Beklagten zu 3) irgendetwas ändere und dass die Liquidität des Cash-Pools nach der „Umhängung“ auch der Insolvenzschuldnerin weiter zur Verfügung gestanden habe (Berufungserwiderung, dort Seiten 14 ff. unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 10.07.2014, IX ZR 280/13, NZI 2014, 863 (864) Rn. 17; Urteil vom 05.12.2013, IX ZR 93/11, NZI 2014, 259).
86
Zudem lasse sich kein Indiz für die Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Insolvenzschuldnerin aus ihrer angeblichen Insolvenzreife am 22.11.2014 herleiten, da ihr jedenfalls eine positive Fortbestehens- und Fortführungsprognose bestätigt worden sei und sie einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfer erhalten habe (Berufungserwiderung, dort Seiten 15 f. unter Hinweis auf Anlage CC 8, dort S. 30, bzw. Anlage CC 10 sowie Anlage CC 11, dort Rz. 34).
87
Es gebe auch keine Grundlage für eine Kenntnis auf Ebene der Beklagten zu 3) von einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Insolvenzschuldnerin (Berufungserwiderung, dort Seite 17).
88
Hinsichtlich eines Anspruches nach § 133 Abs. 2 InsO a.F. fehle es an einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung (Berufungserwiderung, dort Seiten 17 f.).
89
Eine Anfechtung wegen unentgeltlicher Leistung nach § 134 InsO dringe ebenfalls nicht durch. Die Insolvenzschuldnerin habe eine ausgleichende Zuwendung dergestalt erhalten, dass die Cash-Pool-Verrechnungsverbindlichkeit der Insolvenzschuldnerin gegenüber der Beklagten zu 3) in Höhe des Guthabensbetrages zurückgeführt worden sei. Es handele sich um einen werthaltigen Vermögensvorteil für die Insolvenzschuldnerin. Das ausgleichende Entgelt müsse nicht eine Gegenleistung im Sinne der §§ 320 ff. BGB sein; vielmehr genüge jeder entsprechend werthaltige Vermögensvorteil, den insbesondere der Schuldner durch die Rechtshandlung erlange, z.B. eine Stundung. Maßgeblich für die Ermittlung der Entgeltlichkeit sei dabei der Gesamtvorgang unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise (Berufungserwiderung, dort Seiten 18 f.).
90
Wegen des Sach- und Streitstands in der Berufungsinstanz im Übrigen wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
91
Die Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
92
1. Der Klagepartei steht kein Anspruch gegen die Beklagte zu 3) nach §§ 133, 143 InsO bzw. nach §§ 134, 143 InsO zu. Eine Gläubigerbenachteiligung im Sinne dieser Vorschrift ist nicht gegeben.
93
a.) Eine Gläubigerbenachteiligung nach § 129 Abs. 1 InsO ist gegeben, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin, wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten. Da die Zugriffslage wiederhergestellt werden soll, der ohne die anfechtbare Handlung bestanden hätte, scheidet eine Anfechtung aus, wenn der veräußerte Gegenstand nicht der Zwangsvollstreckung unterlag und damit gemäß § 36 InsO nicht in die Insolvenzmasse gefallen wäre (BGH, Urteil vom 10.07.2014, IX ZR 280/13, NZI 2014, 863 f. Rn. 12).
94
b.) Letzteres ist vorliegend der Fall. Die Masseschmälerung bzw. Gläubigerbenachteiligung scheitert an einer wertausschöpfenden Verpfändung des Kontoguthabens bereits vor der Übertragung des Guthabens von der Insolvenzschuldnerin auf die Beklagte zu 3).
95
aa.) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist davon auszugehen, dass eine Befriedigung, die ein Gläubiger aufgrund eines insolvenzfesten Absonderungsrechts erlangt, die Gesamtheit der Gläubiger nicht benachteiligt (vgl. nur BGH, Urteil vom 26.04.2012, IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517 Rn. 22 m.w.N.). Ebenso wie im Rahmen der Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 InsO sind Verfügungen über massefremde Gegenstände auch bei § 64 GmbHG a.F. auszunehmen, weil diese aufgrund des Aussonderungsrechts des Berechtigten (§ 47 InsO) ohnehin nicht dem Gläubigerzugriff offen gestanden hätten. Auch die Leistung an einen absonderungsberechtigten Gläubiger im Umfang der diesem (anfechtungsfest) zustehenden Sicherheit ist nicht masseschmälernd, dies gilt auch für einen Austausch gleichwertiger Sicherheiten (vgl. nur Scholz/Bitter, [12], § 64 GmbHG Rn. 116).
96
bb.) Sicherungsübereignete Gegenstände sowie zur Sicherung abgetretene Forderungen sind jedoch trotz des (wertausschöpfenden) Absonderungsrechts selbständige, im Kern geschützte Vermögenswerte des Schuldners. Deshalb soll im Einzelfall trotz wertausschöpfender Belastung eine Gläubigerbenachteiligung vorliegen können (Uhlenbruck-Borries/Hirte, [15], § 129 InsO Rn. 201). Zwar hat der Bundesgerichtshof bislang offen gelassen, ob eine Gläubigerbenachteiligung daraus folgen kann, dass das Sicherungsgut zwar wertausschöpfend belastet war, aber infolge Ausscheidens aus dem Besitz des Schuldners vom Insolvenzverwalter während des Insolvenzverfahrens nicht mehr genutzt werden kann und dieses für die Fortführung des Unternehmens erforderlich war oder diese jedenfalls erleichtert hätte (so ausdrücklich Uhlenbruck-Borries/Hirte, [15], § 129 InsO Rn. 202 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 26.04.2012, IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517). In der genannten Entscheidung führte der Bundesgerichtshof aus, dass die Gläubiger daran interessiert sein können, vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Einheit des Schuldnervermögens zu erhalten, um die Fortführung oder Veräußerung eines vom Schuldner geführten Unternehmens zu erleichtern (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 5 InsO). Ob sich wegen dieses Interesses eine objektive Gläubigerbenachteiligung daraus ergeben kann, dass eine Rechtshandlung zum Ausscheiden eines Gegenstandes aus dem Schuldnervermögen geführt hat, welcher wegen des bestehenden Absonderungsrechts zwar für sich genommen wertlos ist, dem jedoch für die Unternehmensfortführung betriebliche Bedeutung zukommt, konnte im damaligen Streitfall offenbleiben (BGH, Urteil vom 26.04.2012, IX ZR 67/09, NJW 2012, 2517 Rn. 30).
97
cc.) Eine Gläubigerbenachteiligung durch Beeinträchtigung des Verwertungsrechts des Verwalters scheidet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich das Erstgericht angeschlossen hat, jedoch aus, wenn ein Geldbetrag oder ein Bankguthaben mit einem Absonderungsrecht unanfechtbar belastet wurde und dieses die Höhe der gesicherten Forderung nicht überschreitet, da aufgrund der wertausschöpfenden Belastung den Insolvenzgläubigern kein auch nur im Kern geschützter Vermögenswert verbleibt (BGH, Urteil vom 17.06.2004, IX ZR 124/03, Rn. 23 f.; Uhlenbruck-Borries/Hirte, [15], § 129 InsO Rn. 204 m.w.N.).
98
dd.) Die Rechtsauffassung teilt der Senat. Für die Beeinträchtigung des Gläubigerzugriffs sind die Befriedigungsmöglichkeiten der (nicht voll) gesicherten Insolvenzgläubiger maßgeblich (BGH, Urteil vom 17.06.2004, IX ZR 124/03, NZI 2004, 492 (493)). Diese hat sich durch die streitgegenständlichen Verfügungen des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) nicht verändert. Die Beklagtenpartei hat überzeugend dargelegt, dass die Insolvenzschuldnerin sowohl vor als auch nach dem 22.12.2014 auf den überwiesenen Betrag zugreifen konnte und dies auch bis Mai 2015 getan hat. In der durch die Überweisung angestoßenen und wirtschaftlich als Umbuchung einzuordnenden Belastung des Cash-Pool-Kontos der Insolvenzschuldnerin durch die Z-Bank und Wertstellung des Cash-Pool-Guthabens auf das Cash-Pool-Konto der Beklagten zu 3) durch die Z-Bank liegt keine Freigabe der verpfändeten Forderung oder eine geduldete Verfügung an eine dritte Person, sondern eine Umlagerung eines gemeinschaftlich gehaltenen Kontoguthabens, auf welches die Insolvenzschuldnerin wie die Beklagte zu 3) vorher wie nachher zugreifen konnten, freilich beschränkt durch die bestehende Verpfändung des auf dem Ausgangswie dem Zielkonto vorhandenen Guthabens.
99
Hiervon weichen die von der Klagepartei herangezogenen Entscheidungen ab, in denen eine Gläubigerbenachteiligung zu bejahen war. Im Streitfall liegen Absonderungsrechte vor, die das Kontoguthaben wirtschaftlich voll ausschöpfen, so dass nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 17.06.2004, IX ZR 124/03, NZI 2004, 492) und unter Bezugnahme auf die diesbezüglichen Rechtsausführungen der Beklagtenpartei eine Gläubigerbenachteiligung zu verneinen ist. Nachdem es allein auf die wertausschöpfende Belastung und nicht auf eine wertausschöpfende Verwertungsmöglichkeit der Pfandgläubigerin ankommt, bedarf es hinsichtlich der fehlenden Gläubigerbenachteiligung keiner Pfandreife hinsichtlich der verpfändeten Forderung. In der Umbuchung des Guthabens auf ein das für die Beklagte zu 3) geführte Cash-Pool-Konto liegt auch keine Freigabe durch die finanzierende Bank oder eine Entstrickung für einen juristischen Moment.
100
ee.) Auch eine Würdigung des Streitfalls unter Berücksichtigung der Existenz eines Cash-Pool-Systems der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten zu 3) mit der kontenführenden Bank führt zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung.
101
(1) Innerhalb eines Cash-Pool-Systems vollzieht sich die Verrechnung von gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft in der Regel auf der Basis eines Kontokorrents, so dass in der Insolvenz der Muttergesellschaft oder der Tochtergesellschaft deren Wirksamkeit an §§ 94, 96, 129 ff. (insbesondere § 135 Abs. 1) InsO zu messen ist (vgl. Büchel in Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 10. Auflage 2023, Rn. 3.1089). Umbuchungen im Cash-Pool erfüllen die Verpflichtungen zwischen den beteiligten Gesellschaften (vgl. BGH, Urteil vom 13.06.2013, IX ZR 259/12, DStR 2012, 2287 Rn. 29).
102
(2) Zu berücksichtigen ist, dass durch den Wechsel der Poolführerschaft von der Insolvenzschuldnerin auf die Beklagte zu 3) und die streitgegenständliche Zahlung nicht allein der Cash-Pool „umgehängt“ wurde, sondern im Verhältnis zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten zu 3) die damals bestehende Cash-Pool-Forderung der Beklagten zu 3) gegen die Insolvenzschuldnerin in Höhe der streitgegenständlichen Überweisung erfüllt wurde.
103
(3) Die Rechtsstellung der außenstehenden Gläubiger hat sich hierdurch jedoch nicht verändert, da das weiterhin an die Konsortialkreditgeber verpfändete Cash-Pool-Guthaben allein zwischen den Teilnehmern des Cash-Pools umgeschichtet wurde.
104
Ein Anspruch der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagte zu 3) nach § 133, 134, 143 InsO ist somit nicht gegeben, da es bereits an einer Gläubigerbenachteiligung durch die streitgegenständliche Handlung fehlt. Wie das Erstgericht zutreffend beurteilt hat, können die übrigen Voraussetzungen einer Haftung nach Insolvenzhaftung dahinstehen.
105
2. Die Klagepartei hat keinen Anspruch gegen den Beklagten zu 1) und den Beklagten zu 2).
106
a.) Ein Anspruch nach § 64 S. 1 GmbHG a.F. ist nicht gegeben.
107
aa.) Eine Haftung des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2) scheitert daran, dass die Übertragung einer wertausschöpfend belasteten Forderung keine Gläubigerbenachteiligung und damit nicht masseschmälernd ist. Wirtschaftlich betrachtet wurde das gemeinsame Portemonnaie der Cash-Pool-Teilnehmer mit fremdem Geld, nämlich der Cash-Pool mit Aktiva der Konsortialkreditgeber, von einer Konzerngesellschaft an eine andere weitergereicht, wobei dies technisch durch eine Überweisung vom verpfändeten Hauptkonto der Insolvenzschuldnerin auf ein für die Beklagte zu 3) geführtes und ebenfalls verpfändetes Konto aus dem Cash-Pool erfolgte. Auf die obigen Ausführungen ist Bezug zu nehmen.
108
bb.) Hinsichtlich der Zahlungen, die Gegenstand der Klageerweiterung sind, scheidet eine Haftung der Geschäftsführer aus, da die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen worden ist (BGH, Urteil vom 27.10.2020, II ZR 355/18, NZI 2021, 45 m.w.N.). Dies hat die Beklagtenpartei durch ihren substantiierten Tatsachenvortrag zum sofortigen Ausgleich auf dem Cash-Pool-Konto dargelegt, dem die Klagepartei nicht ausreichend entgegengetreten ist.
109
b.) Ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) nach § 43 Abs. 2, 3 GmbHG ist ebenfalls nicht gegeben.
110
aa.) Die streitgegenständliche Überweisung vom 22.12.2014 ging auf eine Anforderung der V.-Vereinbarung mit den Konsortialkreditgebern zurück, die Grundlage dafür war, dass die Konsortialkreditbanken die Restrukturierung fortführten und nicht beendeten. In der Beachtung dieser Verpfllichtung gegenüber der Bank liegt daher keine Pflichtverletzung gegenüber der Insolvenzschuldnerin. Inwieweit die Insolvenzschuldnerin weiterhin auf das Cash-Pool-Guthaben hätte zugreifen können, wenn sie die Anforderungen der Kreditgeber nicht erfüllt hätte, oder inwieweit sie sich von dieser Verpflichtung durch Verhandlungen der Beklagten zu 1) und 2) mit den übrigen Beteiligten hätte lösen können, trägt die Klagepartei nicht vor und ist dem Senat auch nicht ersichtlich.
111
bb.) Soweit die Klagepartei geltend macht, die Beklagten zu 1) und zu 2) hätten dafür Sorge zu tragen gehabt, dass die Kündigungsmöglichkeit der Beklagten zu 3) hätte ausgeschlossen werden müssen, so ist darauf hinzuweisen, dass bereits die vorangehende Cash-Pool-Vereinbarung eine Kündigungsmöglichkeit ohne weitere Voraussetzungen vorsah (Anlage ATL 19). Hinzu kommt, dass im Rahmen eines Cash-Pools die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften einer Kapitalerhaltung gelten, so dass unter diesem Gesichtspunkt der Ausschluss einer Kündigungsmöglichkeit für die Beklagte zu 3) eine Pflichtverletzung durch deren Geschäftsführer dargestellt hätte. Im Unterlassen des Beklagten zu 1) und des Beklagten zu 2), bei der Beklagten zu 3) auf eine solche vertragliche Vereinbarung hinzuwirken, kann daher keine Pflichtverletzung gegenüber der Insolvenzschuldnerin liegen.
112
c.) Ein Anspruch nach § 826 BGB gegen die Beklagten zu 1) und zu 2) wegen eines sog. existenzvernichtenden Eingriffs ist nach Würdigung der Umstände des Streitfalls nicht gegeben.
113
aa.) Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16.07.2007 (BGH, Urteil vom 16.07.2007, II ZR 3/04, NZG 2007, 667 (Trihotel) knüpft dieser die als „Existenzvernichtungshaftung” bezeichneten Haftung des Gesellschafters für missbräuchliche, zur Insolvenz der GmbH führende oder diese vertiefende kompensationslose Eingriffe in das der Zweckbindung zur vorrangigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienende Gesellschaftsvermögen an die missbräuchliche Schädigung des im Gläubigerinteresse zweckgebundenen Gesellschaftsvermögens an und ordnet die Haftung – in Gestalt einer schadensersatzrechtlichen Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft – allein in § 826 BGB als eine besondere Fallgruppe der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung ein.
114
Es handelt sich um eine Haftung, die verhaltensbezogen ist und somit nicht als Folge eines Anteilsübergangs automatisch auf den Erwerber übergeht (vgl. Buth/Hermanns-Lütcke/Stenzel Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 5. Auflage 2022, § 41 M& A in der Krise – Rechtliche Aspekte, Rn. 42).
115
Schuldner eines Anspruchs aus existenzvernichtendem Eingriff kann nicht nur jeder Gesellschafter sein, sondern auch Personen, die tatsächlich maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft haben. Nach diesem Grundsatz kommen als Schuldner des Anspruchs aus existenzvernichtendem Eingriff insbesondere auch mittelbare Gesellschafter (Gesellschafter-Gesellschafter) und „faktische“ Gesellschafter in Betracht. Eine solche Haftung kommt auch in der Person des Alleingesellschafters in Betracht, insbesondere fehlt es dann nicht etwa am Schaden, weil Alleingesellschafter und die Gesellschaft rechtlich selbständige Rechtssubjekte sind, so dass der Vorteil des Alleingesellschafters nicht den Schaden der Gesellschaft aufwiegt (vgl. Buth/Hermanns-Lütcke/Stenzel Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 5. Auflage 2022, § 41 M& A in der Krise – Rechtliche Aspekte, Rn. 44).
116
Die zentrale Tatbestandsvoraussetzung ist ein kompensationsloser, durch missbräuchlichen Eingriff verursachter Entzug von Gesellschaftsvermögen. Missbräuchlich ist der Eingriff jedenfalls dann, wenn der Gesellschaft planmäßig Vermögen – das nach der Zweckbindung im GmbH-Recht primär der Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger dienen soll – entzogen wird und dies zum unmittelbaren Vorteil des Gesellschafters oder eines Dritten geschieht (vgl. Buth/Hermanns-Lütcke/Stenzel Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 5. Auflage 2022, § 41 M& A in der Krise – Rechtliche Aspekte, Rn. 45).
117
Die Haftung setzt als deliktische Haftung nach § 826 BGB Vorsatz voraus. Dieser Vorsatz muss sich auf die tatsächlichen Umstände beziehen, die die Sittenwidrigkeit begründen. Die Sittenwidrigkeit ist nach der Rechtsprechung des BGH in der „Selbstbedienung“ des Gesellschafters vor den Gläubigern der Gesellschaft zu sehen, die die Insolvenz verursacht oder vertieft. Ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit beim Haftenden ist nicht erforderlich. (vgl. Buth/Hermanns-Lütcke/Stenzel Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 5. Auflage 2022, § 41 M& A in der Krise – Rechtliche Aspekte, Rn. 46 f.).
118
Rechtsfolge ist, dass der Gesellschafter der Gesellschaft infolge eines existenzvernichtenden Eingriffs Schadensersatz schuldet, wobei die Haftung als Innenhaftung ausgestaltet ist. Im Falle der Insolvenz wird der Anspruch für die Gesellschaft durch den Insolvenzverwalter im Interesse der Gläubigergemeinschaft geltend gemacht. Inhaltlich geht der Anspruch auf Ausgleich des Vermögens, dessen Entziehung zur Existenzvernichtung der Gesellschaft geführt hat. (Buth/Hermanns-Lütcke/Stenzel Restrukturierung, Sanierung, Insolvenz, 5. Auflage 2022, § 41 M& A in der Krise – Rechtliche Aspekte, Rn. 48).
119
Grundlage und Ziel der durch dieses Rechtsinstitut vorgesehenen Haftungssanktionierung ist – in den Worten des Bundesgerichtshofs –, die rechtsmissbräuchliche „Ausplünderung“ des Gesellschaftsvermögens durch den Gesellschafter (BGH aaO. Rn. 20) durch einen planmäßigen Entzug von Gesellschaftsvermögen im Sinne der Verringerung der Zugriffsmasse zu Lasten der Gläubiger und zum eigenen Vorteil des Gesellschafters zu sanktionieren (BGH aaO. Rn. 22). Die Existenzvernichtungshaftung soll wie eine das gesetzliche Kapitalerhaltungssystem ergänzende, aber deutlich darüber hinausgehende „Entnahmesperre“ wirken, indem sie die sittenwidrige, weil insolvenzverursachende oder vertiefende „Selbstbedienung“ des Gesellschafters vor den Gläubigern der Gesellschaft durch die repressive Anordnung der Schadensersatzpflicht in Bezug auf das beeinträchtigte Gesellschaftsvermögen ausgleicht (BGH aaO. Rn. 29).
120
bb.) Der Klagepartei ist zuzustimmen, dass der Abzug von Liquidität in einem Cash-Pool-System durch eine am Cash-Pool teilnehmenden Tochtergesellschaft grundsätzlich ein existenzvernichtender Eingriff sein kann.
121
Ein Geschäftsführer muss sicherstellen, dass die Teilnahme der Gesellschaft am Cash-Pooling nicht absehbar zur Illiquidität der Gesellschaft führt (Umnuß, Corporate Compliance Checklisten, [5], § 2 Rn. 65). Gerade im Konzern sind Konstellationen denkbar, in denen eine Kündigung und Rückforderung des positiven Saldos trotz Liquiditätsbedarf nicht ohne Weiteres im Interesse der Gesellschaft ist. Durch eine Kündigung des Cash-Pools und Rückforderung des positiven Saldos kann sich die Liquiditätssituation der Tochtergesellschaft gegebenenfalls weiter verschlechtern. Ebenso können andere existenzielle Risiken auftreten. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die weitere Teilnahme der Tochtergesellschaft am Cash-Pool Voraussetzung (Covenant) für die Konzernfinanzierung ist und/oder sich die Werthaltigkeit des Rückforderungsanspruchs gegen die Cash-Pool-Führerin aufgrund einer durch die Rückforderung bedingten drohenden Zahlungsunfähigkeit der Cash-Pool-Führerin weiter verschlechtert. Die Geschäftsführung der betroffenen Gesellschaft muss, um ihren Interessen und denen ihrer Gläubiger Rechnung zu tragen, die für und gegen eine Kündigung sprechenden Gesichtspunkte umfassend ermitteln, bewerten und gegeneinander abwägen. Hierzu muss die Geschäftsführung das eingerichtete Informations- und Frühwarnsystem nutzen und die zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen eingehend analysieren. Die Geschäftsführung hat auf dieser Basis und frei von Sonderinteressen und Interessenskonflikten eine Entscheidung zu treffen, von der sie berechtigterweise annehmen darf, dass sie im Interesse der Gesellschaft liegt. Entscheidend ist das tatsächliche Interesse der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Zugehörigkeit zum Konzern. Erfüllt die Geschäftsführung diese Kriterien, greift die Privilegierung der Business Judgement Rule, so dass der Geschäftsführung bei der Gewichtung der einzelnen Gesichtspunkte im Rahmen der Abwägung ein unternehmerisches Ermessen zusteht. Die Abwägung darf zu keinem schlechthin unvertretbaren Ergebnis führen. Als unvertretbar werden Entscheidungen angesehen, bei denen die Gesellschaft existenzvernichtenden Risiken ausgesetzt wird. Die Annahme einer unvertretbaren Entscheidung bei Existenzgefährdung ist aber nur dann richtig, wenn die zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen nicht ebenfalls existenzgefährdende Risiken bergen, deren Eintrittswahrscheinlichkeit vergleichbar oder höher ist. Deshalb sind auch die möglichen Folgen einer Kündigung des Cash-Pools für den gesamten Konzern und dessen Finanzierung und die operativen Folgen eines Wegfalls der Konzernzugehörigkeit in die Entscheidungsfindung einzubeziehen (so ausführlich Zimmermann, NZG 2021, 1582 (1586)).
122
cc.) Die dargestellten Voraussetzungen einer Haftung aufgrund existenzvernichtenden Eingriffs sind im Ergebnis unter mehreren Gesichtspunkten nicht erfüllt.
123
(1) Die Beklagte zu 3) hat zwar als einzige Gläubigerin der Insolvenzschuldnerin eine Befriedigung auf ihre gegen die Insolvenzschuldnerin bestehende Kontokorrentforderung aus dem Cash-Pool in Höhe der Überweisung erhalten, weil dies dem Willen der den gesamten Konzern finanzierenden Konsortialkreditgeber entsprach. Durch das von den Konsortialkreditgebern initiierte Manöver wurde im Ergebnis verhindert, dass die Beklagte zu 3) bei einer Insolvenz der Insolvenzschuldnerin nicht mehr auf das Cash-Pool-Guthaben hätte zugreifen können. Denn die Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin hätten in einer solchen Situation den Cash-Pool suspendieren müssen. Vorliegend sprechen Umstände dafür, dass bei der Restrukturierung bedacht wurde, dass die Insolvenzschuldnerin bei Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation durch Suspendierung des Cash-Pools vom Cash-Pool-System zu trennen sein würde. Zugriff auf das gemeinsame Portemonnaie mit fremdem Geld würde dann nur noch die Cash-Pool-Teilnehmerin haben, bei der dieses gemeinsam gehaltene Guthaben liegen würde. Wäre die Schuldnerin zum Zeitpunkt einer finanziellen Verschlechterung oder existentiellen Krise noch Cash-Pool-Führerin gewesen, hätte sie selbst also das Portemonnaie mit dem wirtschaftlich fremden Guthabensbetrag innegehabt. Bei einer Verschlechterung der finanziellen Situation der Unternehmensgruppe hätte die Insolvenzschuldnerin den Cash-Pool suspendieren bzw. kündigen müssen und das Guthaben wäre in ihrem unmittelbaren Zugriff und nicht der Beklagten zu 3) gestanden. Letztere Gesellschaft wäre in diesem Fall vom Cash-Pool-System des Konzerns abgeschnitten – und wohl auch unmittelbar insolvenzgefährdet – gewesen.
124
(2) Gleichwohl sind die Voraussetzungen eines existenzvernichtenden Eingriffs aus mehreren Gründen nicht erfüllt.
125
(a) Zunächst verkennt der Senat nicht, dass die Rechtsfigur eines sog. existenzvernichtenden Eingriffs grundsätzlich die Einflussnahme der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft zum Gegenstand hat, wohingegen die Beklagte zu 3) eine Tochtergesellschaft der Insolvenzschuldnerin ist, deren schädlichen Einfluss die Insolvenzschuldnerin grundsätzlich durch Weisungen als beherrschende Gesellschafterin begegnen konnte. Die Fallgestaltungen sind dadurch nicht vergleichbar.
126
(b) Maßgeblich gegen einen existenzvernichtenden Eingriff spricht zudem, dass die Insolvenzschuldnerin nach der streitgegenständlichen Überweisung nach rechtlicher Würdigung des Senats weiterhin auf das Guthaben des Cash-Pools zugreifen konnte. Die Übertragung des Cash-Pool-Guthabens hat somit keine Insolvenz der Insolvenzschuldnerin ausgelöst oder vertieft.
127
(c) Soweit die Klagepartei argumentiert, die Beklagten zu 1) und 2) hätten es unterlassen, im Rahmen der Übertragung der Cash-Pool-Führung auf die Beklagte zu 3) darauf hinzuwirken, dass eine Kündigung oder Suspendierung des Cash-Pools ausgeschlossen ist, hätte sie – wie bereits ausgeführt – von der Beklagten zu 3) verlangen müssen, dass diese auf Reaktionsmöglichkeiten verzichtet, deren sie im Fall eines drohenden Verstoßes gegen die Grundsätze der Kapitalerhaltung eigenen Vermögens bedarf. Jedenfalls liegt in einer nicht erschwerten Kündigungsmöglichkeit eines Cash-Pool-Systems noch kein existenzvernichtender Eingriff. Allenfalls wird hierdurch eine spätere Existenzbedrohung der Insolvenzschuldnerin begünstigt.
128
(3) Zutreffend ist freilich der Hinweis der Klagepartei, dass bereits sehr schnell nach Übertragung der Cash-Pool-Führung Ende 2014, im Mai 2015, bei Fälligkeit von Steuerforderungen für den Veranlagungszeitraum 2011, die zudem – zwischen den Parteien unstreitig – nicht überraschend anfielen und fällig wurden, bereits ohne aktenkundige längere Verhandlungen der Cash-Pool durch die Beklagte zu 3) suspendiert und eine Erhöhung der Kreditsumme durch die Konsortialkreditgeber nach Anfrage der Insolvenzschuldnerin abgelehnt wurde. Die Klagepartei ordnet diese Umstände als ein von vorneherein geplantes Abstreifen der Insolvenzschuldnerin und insbesondere ihrer Pensionsverbindlichkeit aus dem Konzernverbund in eine Insolvenz ein, welche sie als haftungsbegründend schädigendes Verhalten würdigt und brandmarkt.
129
Zum einen blendet die Klagepartei bei einer solchen Würdigung indes aus, dass die Prognosen aus dem Jahr 2014 und zuvor nicht nur durch planmäßiges, kollusives Zusammenwirken der Beklagtenpartei mit den Konsortialkreditgebern zum Nachteil der anderen, ungesicherten Gläubiger der Insolvenzschuldnerin anfänglich zu optimistisch angesetzt worden sein könnten, sondern sich dies auch nachträglich aus der wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmensgruppe in den Monaten nach den Prognosen und entsprechenden gutachterlichen Feststellungen ergeben haben kann.
130
Zum anderen und maßgeblich ist jedoch der Umstand, dass sich aus entsprechenden Indizien um den streitgegenständlichen Vorgang herum keine Einordnung der streitgegenständlichen Überweisung vom 22.12.2014 in das Haftungsinstitut eines existenzvernichtenden Eingriffs nach § 826 BGB gründen kann, da diese Übertragung für sich genommen die Zugriffsmöglichkeit der Insolvenzschuldnerin auf das Cash-Pool-Guthaben tatsächlich nicht verändert hat und damit kein existenzvernichtender Eingriff sein kann.
131
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
III.
132
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
133
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.
134
3. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine Gläubigerbenachteiligung bei wertausschöpfender Belastung eines Kontoguthabens ablehnt. Gleiches gilt hinsichtlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines existenzvernichtenden Eingriffs im Rahmen einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB, die der Senat auf den zu entscheidenden Einzelfall anwendet, ohne von ihr abzuweichen.