Titel:
Ausgleich zwischen Vor- und Nachversicherer bei anhaltendem Leitungswasseraustritt
Normenkette:
VVG § 78, § 86
Leitsatz:
Erstreckt sich ein bestimmungswidriger Leitungswasseraustritt sowohl in die beim Vor- als auch beim Nachversicherer versicherte Zeit, muss derjenige Versicherer, der einen Ausgleichsanspruch wegen Mehrfachversicherung geltend macht, darlegen und beweisen, welche Schäden in dem Zeitraum eingetreten sind, in dem Versicherungsschutz bei dem anderen Versicherer bestand und welche seiner regulierten Beträge gerade auf die Behebung dieser Schäden entfallen sind. (Rn. 3 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausgleichsanspruch, Leitungswasserschaden, Mehrfachversicherung, Schadensdarlegung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 01.06.2023 – 12 O 17673/21
Fundstellen:
LSK 2024, 45431
BeckRS 2024, 45431
r+s 2025, 535
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 01.06.2023, Az. 12 O 17673/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Entscheidungsgründe
1
Die zulässige Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Auch das Vorbringen in der Berufungsbegründung rechtfertigt keine andere Entscheidung.
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1. Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass die Klägerin nicht nach § 86 VVG einen Anspruch auf Erstattung der von ihr erbrachten Versicherungsleistungen hat. Der Ausgleich zwischen zwei Versicherern bei Mehrfachversicherung ist grundsätzlich in den §§ 77 ff VVG geregelt. Ein Anspruch nach § 86 VVG kann aber dann in Betracht kommen, wenn § 78 VVG unanwendbar ist. Dies gilt zum Beispiel dann, wenn ein irrtümlich zahlender Versicherer nur subsidiär gehaftet hat oder ein nur subsidiär haftender Versicherer aufgrund einer Vorleistungspflicht in Vorlage gegangen ist (vgl. Prölss/Martin, Armbrüster, VVG, 31. Auflage, § 86, Rz. 25; BGH, VersR 2004, 994). Zwar macht die Klägerin vorliegend geltend, dass für den vorliegenden Versicherungsfall ausschließlich die Beklagte eintrittspflichtig sei. Dies trifft jedoch nicht zu, weil die Klägerin für den gesamten Schaden jedenfalls auch voll eintrittspflichtig ist. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in seinem Urteil vom 12.07.2021 (IV ZR 151/15). Der Bundesgerichtshof hat zu Versicherungsbedingungen, welche den hier vorliegenden Versicherungsbedingungen der Klägerin im Wesentlichen entsprechen, entschieden, dass der Versicherungsfall „Leitungswasserschaden“ so lange andauert, wie Wasser aus Rohren der Wasserversorgung bestimmungswidrig austritt und versicherte Sachen zerstört oder beschädigt. Da in den Versicherungsbedingungen eine Festlegung, zu welchem Zeitpunkt der Versicherungsfall als eingetreten gilt, fehlt, entstehe für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer der Eindruck, dass er in Bezug auf von ihm nach Vertragsschluss entdeckte Leitungswasserschäden umfassenden Versicherungsschutz genieße, weil es für die zeitliche Festlegung des Versicherungsfalls nicht auf den Beginn des schädigenden Vorgangs, sondern auf die Entdeckung des Schadens ankomme. Vorliegend fand der Wechsel des Gebäudeversicherers zum 01.12.2017 statt. Der Schaden wurde vom Versicherungsnehmer unstreitig am 20.02.2018 entdeckt. Die Klägerin war daher gegenüber ihrem Versicherungsnehmer zur Regulierung des Schadens verpflichtet und hat diesen zu Recht auch voll reguliert.
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2. Aber auch ein Anspruch nach § 78 Abs. 2 VVG steht der Klägerin vorliegend nicht zu, da nicht hinreichend substantiiert dargelegt ist, in Bezug auf welchen konkreten Teil des Schadens vorliegend eine Mehrfachversicherung gegeben ist.
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a) Die Klägerin behauptet, dass sich die Haarrisse in dem Wasserrohr zwischen Erdgeschoss und erstem Stock bereits vor dem 01.12.2017 gebildet hätten und auch in dem noch bei der Beklagten versicherten Zeitraum bereits Leitungswasser bestimmungswidrig ausgetreten sei. Die Beklagte bestreitet dies.
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aa) Nach Auffassung des Senats zu Recht macht die Klägerin geltend, dass die Beklagte jedenfalls teilweise ebenfalls eintrittspflichtig wäre, wenn man unterstellt, dass sich die Haarrisse bereits mehrere Monate vor dem 20.02.2018 und damit noch vor dem 01.12.2017 gebildet hätten und entsprechend bereits in dem noch bei der Beklagten versicherten Zeitraum Leitungswasser ausgetreten sei und versicherte Sachen beschädigt habe. Zur Frage, ob auch der Versicherer eintrittspflichtig ist, in dessen versicherten Zeitraum der erste Teil der Schadensentstehung fällt, verhält sich das oben zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs nicht. Auch insoweit sind die Versicherungsbedingungen aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers auszulegen. Der Versicherungsfall Rohrbruch hätte sich – die Behauptung der Klägerin unterstellt – voll und der Versicherungsfall Leitungswasserschaden jedenfalls teilweise auch in der bei der Beklagten versicherten Zeit ereignet. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer vermag den Versicherungsbedingungen nicht zu entnehmen, dass für während des versicherten Zeitraums eintretende Schäden keine Eintrittspflicht bestehen soll, wenn diese erst nach Ablauf des Versicherungsschutzes entdeckt werden.
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bb) Allerdings besteht die Eintrittspflicht auch der Beklagten nur für diejenigen Schäden, die tatsächlich noch in bei ihr versicherter Zeit eingetreten sind. Es hätte daher der Klägerin oblegen, im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, welche Schäden bereits während des noch bei der Beklagten versicherten Zeitraums eingetreten seien und welche der regulierten Beträge auf die Behebung gerade dieser Schäden entfielen, da nur insoweit eine Mehrfachversicherung gegeben wäre und daher auch nur insoweit ein Ausgleichsanspruch gegen die Beklagte in Betracht gekommen wäre.
7
Vorliegend ergibt sich zwar aus dem als Anlage K3 vorgelegten Sachverständigengutachten der Klägerin, dass aller Wahrscheinlichkeit nach über einen längeren Zeitraum Leitungswasser aus den haarrissförmigen Leckagestellen in geringen Mengen ausgetreten ist und der erste Eintritt des Schadens bereits Monate zurück lag (vgl. Anlage K3, Seite 4 unten). Allerdings fehlt eine genaue Darlegung dazu, welche Gebäudeteile zu welchem Zeitpunkt durchfeuchtet wurden und welche der regulierten Kosten auf welchen Teil des Schadens entfielen. Jedenfalls die sichtbare Durchfeuchtung der Wand- und Deckenbeplankung bzw des Fußbodenaufbaus ist – nachdem diese für den Versicherungsnehmer erst am 20.02.2018 erkennbar geworden ist – ersichtlich erst in bei der Klägerin versicherten Zeit erfolgt. Die Erneuerung des zerstörten Holzbalkens wurde bei der Regulierung durch die Klägerin nicht berücksichtigt.
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cc) Ohne dass es noch darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass – sofern ein Anspruch nach § 78 Abs. 2 VVG dargelegt und nachgewiesen ware – ein Ausgleich nach § 78 Abs. 2 VVG nach Maßgabe der Beträge zu erfolgen hätte, welche die Parteien dem Versicherungsnehmer nach dem jeweiligen Vertrag zu zahlen hätten. Dazu ist bisher ebenfalls noch kein Vortrag erfolgt. Die Versicherungsleistung für Rohrbruchschäden ist bei der Beklagten beispielsweise nach § 7 Nr. 4 der als Anlage BLD 2 vorgelegten Versicherungsbedingungen auf 1.500,– € multipliziert mit dem zum Versicherungsfall geltenden Neuwertfaktor begrenzt.
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3. Unabhängig von dem obigen Hinweis erscheint im vorliegenden Einzelfall folgende gütliche Einigung vorzugswürdig:
- 1.
-
Die Beklagte zahlt an die Klägerin einen Betrag von 2.835,– €.
- 2.
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Damit sind sämtliche streitgegenständligen Ansprüche abgegolten und erledigt.
- 3.
-
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster und zweiter Instanz und des Vergleichs tragen die Klagepartei 85 % und die Beklagte 15 %.
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Frist zur Stellungnahme zum Vergleichsvorschlag: 04.09.2024
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Frist zur Stellungnahme für die Klagepartei für den Fall, dass kein Vergleich zustande kommt: 18.09.2024.