Inhalt

LG Traunstein, Endurteil v. 14.11.2024 – 8 O 1616/23
Titel:

Zwangsversteigerungsverfahren, Grundstückskaufverträge, einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Landwirtschaftsgerichte, Widerklage, Übererlösklausel, Zwangsvollstreckung gegen, Zwangsvollstreckungsverfahren, Beigezogene Akten, Grundschuld, Veräußerung eines Miteigentumsanteils, Veräußerungsgeschäft, Forderungskauf, landwirtschaftliche Grundstücke, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rechtswirksamkeit, Festsetzung des Streitwerts, Zweckbestimmungserklärung, Streitwertfestsetzung, Genehmigungsbedürftigkeit

Schlagwort:
landwirtschaftlicher Betrieb
Fundstellen:
JR 2025, 277
LSK 2024, 45351
BeckRS 2024, 45351

Tenor

1. Die Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 35 Prozent und der Beklagte 65 Prozent zu tragen.
3. Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beschluss vom 01.08.2023 über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird aufgehoben.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 3.300.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines zwischen ihnen am 22. Januar 2018 geschlossenen „Forderungskaufvertrages“, aus welchem der Beklagte die Zwangsvollstreckung gegen den Kläger betreibt.
2
Bei dem Kläger handelt es sich um einen 1987 gegründeten Verein italienischen Rechts. Der Kläger ist im regionalen Register (Venezien) als juristische Person des Privatrechts unter der Nr. … eingetragen.
3
Der Beklagte ist Fachanwalt für Arbeits- und Insolvenzrecht. und betreibt die von ihm geführte Kanzlei … mit Sitz in ….
4
Der Kläger ist als Eigentümer des aus Hofstelle und mehreren land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken bestehenden, etwa 370.000 m² großen Anwesens … im Grundbuch des Amtsgerichts … für …, Blätter … und …, eingetragen.
5
Das Eigentum hat der Kläger im Wege der Erbeinsetzung durch notarielles Testament vom 10.01.2007 (Anlage K5) von der vormaligen und am 08.03.2015 verstorbenen Eigentümerin des Anwesens erlangt. Bis zum Tod der Voreigentümerin wurde das Anwesen als Bergbauernhof betrieben. Die zum Anwesen gehörende Hofstelle besteht aus einem dreigeschossigen Wohnhaus, einem ehemaligen Stall, einer Scheune sowie einem Nebengebäude. Im Übrigen zählen zum Grundbesitz die folgenden Grundstücke:
…, Gebäude- und Freifläche, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche, 99.121 m²
… Gebäude- und Freifläche, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche, 21.460 m²
…, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche, 3.310 m²
…, Streuwiese, Wald (Holzung), 64.640 m²
…, Wald (Holzung), 9.540 m²
…, Wald (Holzung), 5.210 m²
… Streuwiese, Wald (Holzung), 38.300 m²
…, Landwirtschaftsfläche, Waldfläche, 25.955 m²
…, Hutung, 3.750 m²
…, Hutung, Wald (Holzung), 12.230 m²
…, Waldfläche, 7.630 m²
…, Waldfläche, 3.410 m²
… Wald (Holzung), 19.560 m²
…, Hutung, Wald, 52.918 m²
… Wald (Holzung), 3.480 m²
6
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 30.12.2015 (Anlage K7) hat der Kläger das vorgenannte Anwesen zum Preis von 1.150.000,00 € an den Beklagten und seine Ehefrau verkauft.
7
Der vorgenannte Kaufvertrag enthält dabei unter anderem die folgenden Regelungen.
„VII. Hinweise
Die Beteiligten wurden u.a. darauf hingewiesen, dass (…) zur Rechtswirksamkeit des Vertrages eine Genehmigung nach dem GrdstVG erforderlich sein kann. Ferner hat der Notar auf das mögliche gesetzliche Vorkaufsrecht nach dem Reichssiedlungsgesetz hingewiesen.“
„VIII. Aufträge an den Notar
Die Beteiligten beauftragen und bevollmächtigen den Notar: (…) alle zum Vollzug der Urkunde geeigneten Erklärungen abzugeben, einzuholen und entgegenzunehmen, auch Eintragungsanträge zu stellen, abzuändern und entgegenzunehmen (…). Auflagen- und bedingungsfreie Genehmigungen zu dieser Urkunde sollen mit ihrem Eingang beim Notar als mitgeteilt gelten und rechtswirksam sein. Andere Bescheide sind den Beteiligten selbst zuzustellen (…).“
8
Am 05.01.2016 beantragte die Beklagtenpartei beim Landratsamt … den zwischen ihr und dem Kläger geschlossenen Kaufvertrag gem. § 2 GrdstVG zu genehmigen.
9
Mit Schreiben vom 05.02.2016 übte die … das Vorkaufsrecht nach § 4 Reichssiedlungsgesetz aus, woraufhin das Landratsamt … die beantragte Genehmigung mit Bescheid vom 15.02.2016 nach § 2 GrdstVG versagte.
10
Gegen diese Entscheidung legte die Beklagtenpartei zunächst beim Amtsgericht … – Landwirtschaftsgericht – (Anlage K8) und anschließend beim OLG … – Senat für Landwirtschaftssachen – (Anlage K9) erfolglos Rechtsbehelf ein. Mit Beschluss vom 10.05.2019 (Anlage K10) stellte schließlich der BGH letztinstanzlich fest, dass zwar das Vorkaufsrecht nach § 4 Reichssiedlungsgesetz wegen eines Verfahrensfehlers nicht wirksam ausgeübt worden sei, die Versagung der Genehmigung nach § 2 GrdstVG aber rechtmäßig erfolgte. Auf den möglichen Eintritt dieser Rechtsfolgen waren die Parteien auch schon mit Verfügung des OLG … vom 11.10.2017 (Anlage K14) hingewiesen worden.
11
In Anbetracht der langen Dauer des geschilderten landwirtschaftsgerichtlichen Verfahrens und nachdem der Kläger den Beklagten zuvor bereits zweimal erfolglos um die Zahlung eines Vorschusses auf den im Grundstückskaufvertrag vom 30.12.2015 vereinbarten Kaufpreis gebeten hatte, stand zwischen den Parteien in der zweiten Jahreshälfte 2017 zur Debatte, den streitgegenständlichen Grundbesitz im Wege eines Erbschaftskaufs auf den Beklagten zu übertragen.
12
Am 22.01.2018 schlossen die Parteien stattdessen den als Anlage K11 vorgelegten und mit der Bezeichnung „Forderungsverkauf und Absicherung durch eine Grundschuld“ überschriebenen Vertrag, welcher von der Streitverkündeten unter der URNr. 90/2018 notariell beurkundet wurde. Mit diesem Vertrag erwarb der Beklagte vom bei Abschluss desselben anwaltlich beratenen und vertretenen Kläger sämtliche Ansprüche aus dem Grundstückskaufvertrag vom 30.12.2015.
13
Der am 22.01.2018 „Forderungskaufvertrag“ enthält unter anderem die folgenden Passagen bzw. Regelungen:
„2. Sachstand
Mit der Urkunde URNr. ... des Notars … in … vom 30.12.2015 (im Folgenden auch als Vorurkunde bezeichnet) haben Frau … und Herr … den unter Abschnitt 1 aufgeführten Grundbesitz zu je % von dem Verein … erworben. Das Eigentum ist bis heute nicht auf die Käufer umgeschrieben worden, eine Vormerkung wurde nicht eingetragen. Der Kaufpreis wurde bis heute nicht bezahlt.
Mit Bescheid vom 15.02.2016, AZ: III/2-711-5-15/402, hat das Landratsamt … die Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz (möglicherweise unrechtmäßig) versagt. Eventuell wurde am 05.02.2016 mit AZ. VKR 03/2016/…, das Vorkaufsrecht durch … ausgeübt.
Gegen diesen Bescheid haben Herr … und … Klage zum Landwirtschaftsgericht Traunstein erhoben. Gegen den Beschluss des Landwirtschaftsgerichts … vom 30.03.2017 haben Herr … und Frau … Beschwerde beim OLG … eingelegt. Derzeit ist das Verfahren unter dem Gz. W XV 3/17 Lw anhängig. Der Ausgang dieses Verfahrens sowie auch die Verfahrensdauer sind den Beteiligten nicht bekannt.
Im Interesse des Verkäufers, des Vereins …re, ist es – ohne Notwendigkeit – zügig Geld aus der Abwicklung des Verkaufs des landwirtschaftlichen Anwesens zu erhalten. Aufgrund der Bestimmung in Abschnitt III. Nummer 1 zweiter Spiegelstrich der Vorurkunde kann aber der Kaufpreis der Vorurkunde derzeit nicht fällig gestellt werden.
Weiter kümmert sich der Verein …e nicht um den Unterhalt des Anwesens, insbesondere der Gebäulichkeiten.
Daher haben sich die heute Beteiligten darauf geeinigt, dass Herr … dem Verein … sämtliche Ansprüche aus der Vorurkunde und dem Vorkauf abkauft, die dem Verkäufer auf Primärebene oder Sekundärebene oder aufgrund einer etwaigen Rückabwicklung zustehen können, gegen die Zahlung eines Betrages in Höhe von 980.000,00 € (in Worten: neunhundertachtzigtausend Euro).
(…)
Weiter ist vereinbart, dass Herr Rechtsanwalt … mit der Bezahlung des vorgenannten Geldbetrags für den Fall der Zwangsversteigerung des Grundstücks aus dem heute bestellten Grundpfandrecht der gesamte Erlös aus der Zwangsversteigerung zusteht, also auch der eigentlich dem Eigentümer des Objekts gebührende Mehr-/Übererlös. Klargestellt wird, dass Herr … berechtigt sein soll, die Zwangsvollstreckung aus der heute bestellten Grundschuld in den unter Abschnitt 1. aufgeführten Grundbesitz zu betreiben, wenn die heute gekauften Ansprüche nicht mit einem Wert i.H.v. mindestens 1.150.000,00 € entstehen oder nicht vollständig und fristgerecht bezahlt wird. Im Falle der Zwangsvollstreckung soll alleine Herrn … der gesamte in der Zwangsversteigerung erzielte Erlös zufallen.
Dem Verein … ist hierbei voll bewusst, dass sich der Anspruch aus der möglicherweise wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts auf 1.150.000,00 € (in Worten: eine Million einhunderifünfzigtausend Euro) beläuft, also deutlich über dem heutigen Kaufpreis liegt, auch dass ein evtl. Mehr-/Übererlös aus einer etwaigen Zwangsversteigerung voll Herrn … zusteht, auch wenn dieser den vorgenannten Betrag übersteigen sollte.
Ein im Rahmen der Zwangsversteigerung zu erzielender Erlös kann höher als der heute vereinbarte Kaufpreis sein, oder wesentlich niedriger, wenn die Substanz des Hofgebäudes nicht erhalten wird (Einsturz, Brand oder sonstiger Verfall des Bestandsschutzes).
Dennoch wünscht der Verein … die Beurkundung in der vorliegenden Form.
3. Forderungsverkauf, Verwertungsrecht
3.1 Verkauf einer künftigen Forderung
3.1.1. Der heutige Verkäufer verkauft hiermit an den heutigen Käufer, Herrn …, alle Ansprüche, die dem Verkäufer auf Primär- und Sekundärebene oder aufgrund der Ausübung eines Rücktrittsrechts oder auf sonstige Art aus der Vorurkunde und/oder durch die Ausübung des Vorkaufsrechts am 05.02.2016 durch die …, bzw. eines zur Durchführung des Vorkaufs abgeschlossenen notariellen Kaufvertrages über den in Abschnitt 1. aufgeführten Grundbesitz sowie die in der Vorurkunde mitverkauften landwirtschaftlichen beweglichen Gegenstände und die weiteren, in der Vorurkunde mitverkauften, bezüglich der Landwirtschaft bestehenden Rechte (nachstehend: „Forderung“) gegen die Ehegatten … als Gesamtschuldner und/oder den Vorkaufsberechtigten – nachstehend gemeinsam oder einzeln „Schuldner“ genannt – zustehen.
(…)
3.1.2. Soweit die in diesem Absatz verkauften Forderungen – egal warum – in einem Wert von mindestens 1.150.000,00 € endgültig nicht entstehen (was fiktiv auch dann als eingetreten gilt, wenn der 31.12.2025 verstrichen ist) oder nicht werthaltig sind oder nicht fristgerecht und vollständig erfüllt werden, ist der heutige Käufer im Wege des hiermit begründeten schuldrechtlichen Anspruchs gegen den Verkäufer berechtigt, sich in der Weise aus dem unter Abschnitt 1. aufgeführten Grundeigentum gegen den jeweiligen Eigentümer zu befriedigen, dass diesem der gesamte Versteigerungserlös in voller Höhe zusteht (einschließlich des gesamten Mehr- bzw. Übererlöses).
3.1.3. Soweit der Verein … als Verkäufer Gestaltungsrechte oder rechtsgeschäftliche Erklärungen betreffend seine Stellung als Verkäufer des unter Abschnitt 1. aufgeführten Grundeigentums ausüben kann, verpflichtet er sich, diese nur noch mit schriftlicher Zustimmung des Herrn … auszuüben.
(…)
4. Abtretung des Mehrerlöses aus der Zwangsversteigerung
Soweit dem Verein … aus der eventuellen Versteigerung des unter Abschnitt 1. genannten Grundeigentums ein Anspruch auf Herausgabe des Übererlöses zusteht, ist dieser ebenfalls an den heutigen Käufer mitverkauft.
Dies wurde bei der Kaufpreisbemessung berücksichtigt. (…)
6.2. Grundschuld und Sicherungsvereinbarung
Zur Absicherung sämtlicher Ansprüche des Käufers aus diesem Vertrag (sog. Sicherungsabrede bzw. Zweckbestimmungserklärung) bestellt der Verein … als derzeitige Eigentümer – nachstehend als „der Eigentümer“ bezeichnet – auf dem gesamten unter Abschnitt 1 aufgeführten Grundbesitz – in dieser Urkunde „Grundeigentum“ genannt – eine Grundschuld ohne Brief in Höhe von 1.150.000,00 EUR – in Worten eine Million einhundertfünfzigtausend Euro – zugunsten des Herrn …
(…)
8. Weitere Verpflichtung, Vollmacht, Sonstiges
Der Verein … verpflichtet sich gegenüber Herrn … keine Erklärungen zur Wirksamkeit des Vorkaufsrechts abzugeben, keine Erklärungen oder Rechtsgeschäfte zu bestätigen, oder andere Erklärungen abzugeben, die die Rechtsstellung des Herrn … aus diesem Vertrag beeinträchtigten könnten. (…)“
14
Mit Schriftsatz vom 27.08.2019 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten beim Amtsgericht … aus der ihm gem. Ziff. 6.2. des „Forderungskaufvertrags“ vom 22.01.2018 bestellten Buchgrundschuld die Zwangsversteigerung des streitgegenständlichen Grundbesitzes, welche dort mit Beschluss vom 06.09.2019 angeordnet wurde (Bl. 1/3 sowie Bl. 9/13 der beigezogenen Akte 801 K 44/19). Im Versteigerungstermin am 19.11.2020 lag das Meistgebot bei 3.800.000,00 € und wurde von der „… abgegeben (Bl. 127/129 der beigezogenen Akte 801 K 44/19). Der Beklagte, der als betreibender Gläubiger zum Termin erschienen war, gab selbst kein Gebot ab (Anlage III zu Bl. 127/129 der beigezogenen Akte 801 K 44/19).
15
Bereits am 13.11.2020 erhob der deutsche Schwesterverein des Klägers gegen diesen und den Beklagten beim Landgericht Traunstein Drittwiderspruchsklage mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde vom 22.01.2018, URNr. 90/2018 durch das Amtsgericht … für unzulässig zu erklären und sie im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig einzustellen (Bl. 1/4 der beigezogenen Akte 9 O 2956/20). Zur Begründung trug der Schwesterverein vor, nicht der Kläger, sondern er selbst sei durch Erbeinsetzung Eigentümer des streitgegenständlichen Grundbesitzes geworden und der zwischen den Parteien geschlossene Forderungskaufvertrag vom 22.01.2018 sei wegen Umgehung der §§ 2 ff. GrdstVG nach § 134 BGB sowie wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 BGB nichtig. Der Kläger trat dieser Auffassung entgegen und ließ durch seine damalige Prozessvertreterin vortragen, dass der vorgenannte Vertrag auf sein Betreiben zustande gekommen sei. Der Kläger habe mit der Erbschaft abschließen und nicht länger auf eine gerichtliche Entscheidung warten wollen, weshalb er „einen gewissen Abschlag in Kauf genommen“ habe. Der Umstand, dass der Forderungskaufvertrag für den Beklagten vorteilhaft sei, würde nicht zu dessen Sittenwidrigkeit führen; vielmehr habe der Kläger dies frei entschieden und stehe nach wie vor hinter seinem Schritt (s. Schriftsatz vom 26.11.2020, vorgelegt als Anlage B5). Dass der Grundstückskaufvertrag scheitere, sei zum Zeitpunkt des Abschlusses des Forderungskaufs nicht absehbar gewesen und es werde „mit Vehemenz bestritten“, dass der Vertrag vom 22.01.2022 nur für diesen Fall erstellt worden sei (s. Schriftsatz vom 18.05.2021, vorgelegt als Anlage B9). Mit Urteil vom 21.07.2023 (Anlage B1) wies das Landgericht … 5 die Klage des Schwestervereins des Klägers im Verfahren 9 O 2956/20 rechtskräftig ab, da es diesem nicht gelang, das behauptete Erbrecht nachzuweisen.
16
Bereits mit notariellem Vertrag vom 29.11.2022 verkaufte der Kläger den streitgegenständlichen Grundbesitz zum Kaufpreis von 2.065.600,00 € an die …“, bestehend aus den Gesellschaftern … und … (Anlage B3).
17
Der Kläger trägt vor, zum Abschluss des streitgegenständlichen Forderungskaufvertrags sei es auf Betreiben des Beklagten gekommen. Diesem sei es dabei einzig um seine wirtschaftlichen Interessen und deren Durchsetzung gegangen. Ihm sei bewusst gewesen, dass sich der Kläger in finanziellen Schwierigkeiten befunden habe und die Verkehrswerte der streitgegenständlichen Grundstücke seit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags vom 30.12.2015 um 100 Prozent gestiegen seien. Mit dem Forderungskauf habe der Beklagte eine vertragliche Konstruktion erschaffen, die ihm sicherstellen sollte, in jedem Falle Eigentümer des Grundbesitzes zu werden. Dadurch, dass ihm der den Kaufpreis übersteigende Mehrerlös aus der Zwangsversteigerung zustehen solle, könne der Beklagte jeden anderen Bieter problemlos überbieten, da er letztlich nur an sich selbst auszahlen müsse. Dies stelle eine Umgehung der Genehmigungspflicht nach § 2 GrdstVG dar, zu der sich der Beklagte in Kenntnis des rechtlichen Hinweises des OLG … vom 11.10.2017 bewusst entschieden habe, weshalb der streitgegenständliche Forderungskauf gem. § 134 BGB nichtig sei. Darüber hinaus sei der Vertrag aufgrund des Umstandes, dass sich der Kläger bei dessen Abschluss in einer finanziellen Notlage befunden habe und der Wert des Grundbesitzes mehr als doppelt so hoch sei als der zwischen den Parteien vereinbarte Kaufpreis, auch sittenwidrig i.S.d. § 138 Abs. 1 BGB.
18
Mit Schriftsatz vom 06.10.2023 hat der Beklagte Widerklage gegen den Kläger erhoben.
19
Der Kläger beantragt:
1. Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde der Notarin … (Amtssitz in …) vom 22. Januar 2018 (Urkundenrollen-Nr. 90/2018) wird für unzulässig erklärt.
2. Der Beklagte wird verurteilt, die vollstreckbare Ausfertigung des unter Nr. 1 genannten Vollstreckungstitels an den Kläger herauszugeben.
20
Der Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
21
Der Beklagte beantragt:
Es wird festgestellt, dass die Klägerin/Widerbeklagte den Schaden des Beklagten/Widerklägers zu ersetzen hat, der ihm daraus entsteht, dass die Klägerin/Widerbeklagte über das Eigentum an den Grundstücken verfügt hat, die aufgrund des Forderungskaufvertrages und Absicherung durch eine Grundschuld vom 22.01.2018, URNr. 90/2018 Notariat … mit einer Grundschuld zugunsten des Beklagten/Widerklägers belastet sind.
22
Der Kläger beantragt:
Die Widerklage wird abgewiesen.
23
Der Beklagte trägt vor, indem der Kläger im hiesigen Rechtsstreit die gegenteilige Rechtsauffassung vertrete als noch im Verfahren 9 O 2956/20, verhalte er sich treuwidrig. Der Beklagte habe zudem nicht mit Umgehungsabsicht gehandelt; dies ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass er im Zwangsversteigerungsverfahren 801 K 44/19 vor dem Amtsgericht … selbst kein Gebot abgegeben habe. Die in Ziff. 4 des Forderungskaufvertrags vereinbarte Übererlösklausel sei getroffen worden, um die Risiken beider Vertragspartner auszugleichen, insbesondere, weil der Kläger keiner Zahlungsschuld ausgesetzt sein wollte.
24
Zur Widerklage trägt der Beklagte vor, dass der Kläger durch den Abschluss des Kaufvertrags mit der „…“ am 29.11.2022 vorsätzlich seine Pflicht aus Ziff. 3.1. des Forderungskaufvertrags vom 22.01.2018 verletzt habe. Im Falle einer Zuschlagserteilung könne der Beklagte einen Schaden erleiden, weil der Übererlös dann nicht mehr an den Kläger, sondern an den neuen Grundstückseigentümer auszukehren sei, gegen den der Beklagte aufgrund des Umstandes, dass die im Forderungskaufvertrag vereinbarte Abtretung des Anspruchs auf einen etwa zu erzielenden Übererlös nur schuldrechtlich zwischen den Parteien wirke, keinen Anspruch habe.
25
Der Kläger meint, ein Schadensersatzanspruch des Beklagten gegen den Kläger komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Forderungskaufvertrag nichtig sei.
26
Das Gericht hat am 19.09.2024 mündlich verhandelt. Zur Ergänzung des Tatbestandes und hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, sämtliche zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Klage
1. Zulässigkeit
27
Die Klage ist zulässig, insbesondere handelt es sich bei dem Landgericht Traunstein um das sachlich und örtlich zuständige Gericht, §§ 23, 71 Abs. 1 GVG, §§ 797 Abs. 5 ZPO, 800 Abs. 3 i.V.m. § 802 ZPO. Eine sachliche Zuständigkeit des Landwirtschaftsgerichts nach § 1 Nr. 2 LwVG ist – anders als der Beklagte meint – nicht gegeben, da diese Vorschrift nur dann Anwendung findet, wenn Gegenstand des Rechtsstreits ein Genehmigungsverfahren über rechtsgeschäftliche Veräußerungen nach §§ 2 ff. GrdstVG ist. Dies ist nicht der Fall.
2. Begründetheit
28
Die Klage ist jedoch unbegründet, da der zwischen den Parteien geschlossene Forderungskaufvertrag vom 22.01.2018 wirksam ist.
2.1 Kein Verstoß gegen das GrdstVG
2.1.1 Forderungskauf
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Die in Ziff. 3 getroffenen Vereinbarungen betreffend den Verkauf und die Abtretung der Forderungen aus dem Grundstückskaufvertrag vom 30.12.2015 unterliegen nicht der Genehmigungspflicht des § 2 GrdstVG.
30
Gemäß § 2 Abs. 1 GrdstVG bedürfen die rechtsgeschäftliche Veräußerung eines landwirtschaftlichen Grundstücks und der schuldrechtliche Vertrag hierüber der Genehmigung; gleiches gilt für die durch § 2 Abs. 2 GrdstVG ausdrücklich gleichgestellten Maßnahmen, namentlich die Einräumung und die Veräußerung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück (Nr. 1), die Veräußerung eines Erbanteils an einen anderen als an einen Miterben, wenn der Nachlass im wesentlichen aus einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb besteht (Nr. 2), und die Bestellung des Nießbrauchs an einem Grundstück (Nr. 3).
31
Der Verkauf und die Abtretung von aus der Veräußerung eines landwirtschaftlichen Anwesens herrührenden Forderungen stellen demgegenüber keine dem Tatbestand des § 2 GrdstVG unterfallenden genehmigungsbedürftigen Rechtsgeschäfte dar.
32
Auch lässt sich ein entsprechender Forderungserwerb nicht als Umgehungsgeschäft qualifizieren, da der den Forderungen zugrunde liegende Grundstückskaufvertrag weiterhin der Genehmigungspflicht des § 2 GrdstVG unterliegt und somit die Erreichung des Gesetzeszweckes, der in der Verhinderung von den agrarwirtschaftlichen Interessen der Allgemeinheit widersprechenden Veräußerungsgeschäften liegt, sichergestellt ist.
2.1.2 Möglichkeit des Eigentumserwerbs im Wege der Zwangsversteigerung
33
Ferner verstößt auch die dem Beklagten durch die Vereinbarungen im streitgegenständlichen Vertrag eingeräumte Möglichkeit, im Wege der Zwangsvollstreckung Eigentum am dort in Ziff. 1.1. und 1.2. näher bezeichneten Grundbesitz zu erlangen, nicht gegen Vorschriften des GrdstVG, da die Veräußerung eines landwirtschaftlichen Anwesens im Wege der Zwangsversteigerung von diesem nicht erfasst wird. Der Gesetzgeber hat mit dem Erlass des GrdstVG das Erfordernis einer Bietergenehmigung und damit jede lenkungsrechtliche Kontrolle durch die Landwirtschaftsbehörde im Zwangsversteigerungsverfahren – auch angesichts der Möglichkeit von Umgehungen des § 2 GrdstVG – bewusst abgeschafft (OLG Stuttgart, OLGZ 1967, 301, 304 m.w.N.) und von der in § 37 GrdstVG geschaffenen Option, „zur Verhinderung von Missbräuchen, welche die Wirksamkeit dieses Gesetzes erheblich beeinträchtigen“ die Abgabe von Geboten oder die Erteilung des Zuschlags durch Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung von einer Bieterlaubnis der Genehmigungsbehörde abhängig zu machen, hat die Bundesregierung keinen Gebrauch gemacht.
2.1.3 Folgerung
34
Da somit bereits kein Verstoß gegen die Vorschriften des GrdstVG vorliegt, kommt auch eine hieraus resultierende (schwebende) Unwirksamkeit des streitgegenständlichen Forderungskaufvertrags – gleich, ob diese aus § 134 BGB oder der Eigenart einer etwaigen Genehmigungsbedürftigkeit abzuleiten wäre (s. hierzu Armbrüster, in: MüKo BGB, 9. Aufl. 2021, § 134 Rn. 14) – nicht in Betracht.
35
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den (ober-)gerichtlichen Entscheidungen, die die Klagepartei zur Bekräftigung der von ihr vertretenen Rechtsansicht heranzieht (OLG Stuttgart, Beschl. v. 17.02.1981 – 8 W 174/80; LG Koblenz, Beschl. v. 27.11.1996, 2 T 753/96; LG Heidelberg, Beschl. V. 25.07.1967 – 1 T 90/67; LG Kiel, Beschl. V. 27.10.1980 – 13 T 195/80; LG Heilbronn, Beschl. v. 08.10.1993 1b T 163/93). Denn unabhängig von der Frage, ob überhaupt eine Vergleichbarkeit der diesen zugrunde liegenden Sachverhalte mit dem hier zu beurteilenden Fall gegeben ist, haben sämtliche Entscheidungen gemeinsam, dass sich der dort jeweils angenommene Rechtsmissbrauch durch den die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger einzig und allein im Verfahren vor dem Versteigerungsgericht auswirkt.
2.2 Keine Nichtigkeit nach § 138 BGB
36
Der streitgegenständliche Forderungskaufvertrag ist schließlich auch nicht nach § 138 Abs. 2 oder Abs. 1 BGB nichtig. Denn ungeachtet dessen, ob im konkreten Fall ein grobes Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung gegeben ist, kann im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung jedenfalls nicht vom Vorliegen der erforderlichen weiteren, die freie Willensentschließung beeinträchtigenden Umstände ausgegangen werden.
37
Unstreitig wurde die Klagepartei sowohl bei Vertragsabschluss als auch während der diesem vorgelagerten Verhandlungen rechtsanwaltlich beraten bzw. vertreten. Zudem erklärte sie unter Ziff. 2 der Vertragsurkunde ausdrücklich, sich darüber „voll bewusst“ zu sein, dass der an den Beklagten verkaufte Anspruch aus der möglicherweise wirksamen Ausübung des Vorkaufsrechts „deutlich über dem Kaufpreis“ liege und dem Beklagten ein eventueller Mehr-/Übererlös aus einer Zwangsversteigerung auch dann zustehen solle, wenn dieser den Betrag von [xxx]1.1500.00,00 € übersteige, und „dennoch“ die Beurkundung dieser Vereinbarung zu „wünschen“. Hinzu kommt, dass sich der Kläger ausweislich seiner weiteren Erklärung unter Ziff. 2 der Vertragsurkunde „nicht um den Unterhalt des Anwesens, insbesondere der Gebäulichkeiten, kümmert“, sodass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses also nicht feststand, ob im Falle einer Zwangsversteigerung überhaupt ein Übererlös zu erzielen sein wird. Vielmehr waren sich beide Parteien darüber im Klaren, dass der Erlös aus einer etwaigen Zwangsversteigerung auch „wesentlich niedriger“ als der Kaufpreis sein könnte, „wenn die Substanz des Hofgebäudes nicht erhalten wird“. Dies zugrunde gelegt, sind die strengen Anforderungen des § 138 BGB – auch oder gerade unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es dem Kläger bei Vertragsabschluss unstreitig in erster Linie darum ging „- ohne Notwendigkeit – zügig Geld aus der Abwicklung des Verkaufs des landwirtschaftlichen Anwesens zu erhalten“, nach der Überzeugung der Kammer nicht erfüllt.
II. Widerklage
38
Die Widerklage war bereits als unzulässig abzuweisen, da es dem Beklagten am erforderlichen Feststellungsinteresse fehlt.
39
Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann eine auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses gerichtete Klage nur bei Vorliegen eines entsprechenden rechtlichen Interesses auf alsbaldige Feststellung desselben erhoben werden.
40
Das Interesse an alsbaldiger Feststellung bedeutet, dass eine aktuelle Gefährdung zu besorgen ist und daher schon jetzt ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klärung der Rechtslage besteht.
41
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Insbesondere kann sich der Beklagte – anders als er meint – nicht auf eine drohende Verjährungsgefahr berufen, da die von ihm behaupteten Ansprüche noch gar nicht entstanden sind und damit auch die Frist des § 199 Abs. 1 BGB noch nicht zu laufen begonnen hat. Der Beklagte begründet seine Widerklage damit, dass aufgrund der nur schuldrechtlichen Wirkung der zwischen den Parteien erfolgten Abtretung ein etwaiger Übererlös „im Falle einer Zuschlagserteilung“ im Versteigerungsverfahren 801 K 44/19 an den Grundstückseigentümer und nicht mehr an den Beklagten auszukehren sei, wodurch letzterem dann ein entsprechender Schaden entstehe. Der für die Anspruchsentstehung maßgebliche Schadenseintritt liegt also nach dem eigenen Vortrag der Beklagtenpartei erst in der Zukunft, sodass es der Feststellungsklage als „Maßnahme zur Verhinderung der Verjährung“ gerade nicht bedarf.
42
Auch im Übrigen vermag die Kammer ein „rechtlich geschütztes Interesse, feststellen zu lassen, dass die Widerbeklagte generell zum Schadensersatz verpflichtet ist“, nicht zu erkennen, zumal nicht zu erwarten ist, dass der zwischen den Parteien bestehende Streit mit Erhalt eines nicht vollstreckbaren Feststellungstitels endgültig beendet ist und hierdurch die Erhebung einer weiteren, auf Leistung gerichteten Klage durch den Beklagten vermieden werden könnte.
III. Nebenentscheidungen
43
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.
44
2. Die vorläufige Anordnung gemäß §§ 771 Abs. 3 Satz 1, 769 Abs. 1 Satz 1 ZPO durch Beschluss vom 01.08.2023 (Bl. 34/39 d.A.) war aufzuheben.
45
3. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgte gem. §§ 45 Abs. 1 S. 1, 48 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.
46
Der Wert der Klage war nach dem Umfang der erstrebten Ausschließung der Zwangsvollstreckung zu bemessen, d.h. der Streitwertfestsetzung war der Betrag zugrunde zu legen, der in dem mit der Klage angegriffenen Titel enthalten ist. Nachdem die Zwangsvollstreckung durch den Beklagten aus der ihm in Ziff. 6.2. des Titels bestellten Grundschuld in Höhe von 1.150.000,00 € betrieben wird, war der Streitwert der Klage demnach in dieser Höhe festzusetzen. Der mit der Klage verbundene Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung erhöht diesen Streitwert nicht (vgl. OLG Karlsruhe, NJW-RR 2018, 255).
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Bei der Bemessung des Streitwerts der auf Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichteten Widerklage war der im Rahmen des Zwangsvollstreckungsverfahrens 801 K 44/19 bis dato erzielte Übererlös, der sich auf 2.650.000,00 € (Meistgebot i.H.v. 3.800.000,00 € – Wert der Grundschuld i.H.v. 1.150.000,00 €) beläuft, zugrunde zu legen und von diesem der bei positiven Feststellungsklagen in der Praxis üblicherweise vorgenommene Abschlag von 20 Prozent in Abzug zu bringen, sodass eine Festsetzung auf 2.150.000,00 € zu erfolgen hatte.
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Die Streitwerte der Klage und der Widerklage waren gem. § 45 Abs. 1 S. 1 GKG zu addieren.