Inhalt

AG Erlangen, Beschluss v. 27.11.2024 – 2 F 1243/24
Titel:

Getrenntleben, Antragsgegner, Elektronisches Dokument, Kostenentscheidung, Scheidungsverfahren, Elektronischer Rechtsverkehr, Vorläufige Zuweisung, Aufgabe zur Post, Haushaltsgegenstände, Verfahrenswert, Eigentumsverhältnisse, Aufenthaltsbestimmungsrecht, Bekanntgabe, Anordnung der sofortigen Wirksamkeit, Beschwerdefrist, Beschwerdeschrift, Qualifizierte elektronische Signatur, Ersatzfahrzeug, Vollerwerbstätigkeit, Antragstellers

Schlagworte:
Trennung der Ehegatten, Familienauto, Kindeswohl, Nutzungsregelung, Billigkeitsabwägung, Haushaltsgegenstand, Betreuungspflichten
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.02.2025 – 11 UF 1178/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 45235

Tenor

1. Die Antragsgegnerin hat folgende Gegenstände für die Zeit des Getrenntlebens an den Antragsteller herauszugeben:
- Pkw Seat Alhambra mit dem amtlichen Kennzeichen … einschließlich Ersatzreifen und Fahrradträger.
2. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
3. Der Verfahrenswert wird auf 2.000,00 € festgesetzt.
4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Gründe

1
Die Beteiligten sind verheiratet, leben in Trennung. Unter dem Aktenzeichen … ist ein Scheidungsverfahren anhängig, der Abschluss des Scheidungsverfahrens ist aufgrund der anhängigen Folgesachen nicht absehbar.
2
Aus der Ehe der Beteiligten sind die beiden minderjährigen Kinder … und … hervorgegangen, beide sind minderjährig, besuchen Kindergarten bzw, Schule und gehen an den Nachmittagen diversen Hobbys nach.
3
Die Kinder lebten nach der Trennung der Eltern erst im mütterlichen Haushalt, nach mehreren Gerichtsverfahren fand regelmäßiger Umgang mit dem Vater statt. Im Verfahren … wurde dem Kindsvater mit Beschluss vom 14.03.2024 unter anderem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen, seit dieser Entscheidung leben die Kinder im väterlichen Haushalt.
4
Die Beteiligten haben während der Ehe zuletzt ein Fahrzeug als Familienauto genutzt. Dieses wurde angeschafft, nachdem der Ehefrau kein Firmenwagen mehr zur Verfügung stand. Hierbei handelt es sich um das verfahrensgegenständliche Fahrzeug. Der Antragsteller hat ein in seinem Eigentum stehenden Golf nach Anschaffung des Seat veräußert. Den Kaufvertrag für den Seat hat der Antragsteller unterzeichnet und Steuer und Versicherung für den Pkw gezahlt.
5
Nach dem Auszug der Ehefrau mit den Kindern hat diese den Pkw mitgenommen.
6
Der Antragsteller hat sich für die Zwischenzeit einen Pkw von seiner Schwester geliehen.
7
Der Antragsteller ist der Ansicht, nach dem Wechsel der Kinder in seinen Haushalt benötige er das bisherige Familienfahrzeug. Er bewältige den Alltag als vollerwerbstätiger Vater mit beiden Kindern, bringe sie in die Einrichtungen und ermögliche Ihnen am Nachmittag diverse Aktivitäten und Hobbies, wofür er den Pkw benötige.
8
Der Antragsteller beantragt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Pkw Seat Alhambra mit dem amtlichen Kennzeichen … herauszugeben einschließlich Wechselreifen und Radgepäckträger.
9
Die Antragsgegnerin beantragt, ihr den Fahrzeugschein für das Fahrzeug herauszugeben.
10
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, sie benötige den Pkw. Sie sei finanziell nicht in der Lage, sich einen Ersatz anzuschaffen, sie sei arbeitslos und ihr Geld stecke in der Immobilie.
11
Sie wohne zudem weiter weg von den Betreuungseinrichtungen der Kinder und benötige einen Pkw um die Kinder während der Umgänge zu den Einrichtungen zu bringen und zu holen.
12
Auf die weiteren Ausführungen im Antrag des Antragstellers und den mündlichen Ausführungen im Protokoll wird Bezug genommen.
13
Dem Antrag des Antragstellers ist stattzugeben.
14
Der Anspruch beruht auf § 1361 a BGB.
15
Unstreitig ist, dass die Beteiligten verheiratet sind und in Trennung leben. Bei dem gegenständlichen Fahrzeug handelt es sich auch unstreitig um einen Haushaltsgegenstand, da die Beteiligten übereinstimmend angegeben haben, dass der Pkw gemeinsam in der Ehe angeschafft wurde und überwiegend für Fahrten für die Familie und den Umbau des Hauses genutzt wurde, es war ein Familienauto.
16
Das Gericht hat hier über die Nutzungsmöglichkeit des oben genannten PKWs während der Zeit des Getrenntlebens zu entscheiden, da die Ehegatten keine Einigung erzielen konnten, § 1361 a Abs. 3 BGB. Der Antragsteller behauptet, er habe den Kaufvertrag des Autos unterzeichnet und von Geld bezahlt, das er sich teilweise von seinem Vater geliehen habe. Die Mutter erklärt, das Auto sei von Geld bezahlt worden, das sie als Abfindung erhalten habe.
17
Es greift derzeit die Miteigentumsvermutung des § 1568 b Abs. 2 BGB analog. Darüberhinaus ist die Eigentümerstellung nicht ausschlaggebend für die Zuteilung von Hausratsgegenständen während der Zeit des Getrenntlebens.
18
Nach § 1361 a Abs. 2 BGB hat eine Verteilung nach den Grundsätzen der Billigkeit zu erfolgen. Hierbei sind die Gesichtspunkte der Bedürftigkeit, der Leistungsfähigkeit, sowie vorrangig das Kindeswohl zu berücksichtigen (vgl. BeckOGK/Erbarth BGB § 1361 a Rn. 98-103, AG Detmold, Beschluß vom 24.6.2005 – 16 F 73/05).
19
Es handelt sich lediglich um eine vorläufige Zuweisung zum Gebrauch für die Zeit der Trennung. In die Eigentumsverhältnisse wird nicht eingegriffen (vgl. Palandt 80. Auflage, § 1361 a Rn. 2). Unter Berücksichtigung der vorstehenden Kriterien, ist die ausgesprochene Nutzungsregelung für das einzige Familienauto angemessen.
20
Der Antragsteller leistet neben seiner beruflichen Tätigkeit die überwiegende Versorgung der Kinder. Zwar lebt er näher an Schule und Kindergarten der Kinder, jedoch hat er an mehr Tagen pro Woche dafür Sorge zu tragen, dass die Kinder die Einrichtungen besuchen können. Zudem sorgt er in überwiegendem Maße für die außerschulischen Aktivitäten, deren Wichtigkeit für die Entwicklung der Kinder die Kindsmutter in den Vorverfahren zum Umgang und elterliche Sorge immer wieder hervorgehoben hat. Neben seiner beruflichen Einbindung ist er daher zur Überzeugung des Gerichts in besonderem Maße auf ein zuverlässiges Familienauto angewiesen.
21
Der Antragsteller kann auch nicht darauf verwiesen werden, dauerhaft die altruistische Leihgabe der eigenen Schwester in Anspruch zu nehmen. Diese Leihgabe kann jederzeit beendet werden und steht nicht im Einflussbereich der Beteiligten.
22
Die Antragsgegnerin betreut die Kinder in geringerem Umfang und geht derzeit keiner beruflichen Tätigkeit nach. Sie berichtet zwar von finanziell schwierigeren Verhältnissen und einer längeren Fahrtstrecke zu den Betreuungsreinrichtungen, diese sind aber mit dem Stadtbus in 37-46 Minuten (einschließlich Gehzeit) zu erreichen. Sobald sie wieder einer beruflichen Tätigkeit nachgeht und zeitlich weniger flexibel ist, wird sie finanziell in der Lage sein ein Ersatzfahrzeug zu erwerben. Zuletzt hat sie über ein deutlich überdurchschnittliches Einkommen verfügt.
23
Es ist der Antragsgegnerin auch zuzumuten, Besorgungen mit dem Fahrrad, dem Bus oder zu Fuß zu erledigen.
24
Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 209 Abs. 2 Satz 2 FamFG.
25
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 48 Abs. 1 S. 2 FamGKG.
26
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Im Rahmen der Billigkeit mussten die Bedürfnisse der Kinder an einem gelingenden Umgang mit der Mutter ebenso Berücksichtigung finden wie die Bedürfnisse des Vaters an einer Nutzung des einzigen Familienautos bei der derzeitigen Doppelbelastung der Vollerwerbstätigkeit und überwiegenden Betreuung der Kinder sowie dem Bedürfnis der Mutter auf möglichst kindeswohlentsprechende Ausgestaltung der Umgänge bei ihrer aktuelle behaupteten engen finanzieller Situation. Damit erfolgte eine umfassende Abwägung aller Belange, die sich auch in der Kostenentscheidung niederschlagen muss.