Titel:
Erfolglose Klage gegen eine Nutzungsuntersagung für die Umnutzung einer Lagerhalle mit Büro und Garage in eine Unterkunft für Asylbewerber in einem Gewerbegebiet
Normenketten:
VwGO § 92 Abs. 3 S. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, § 114 S. 1, § 161 Abs. 2 S. 1
BayBO Art. 55 Abs. 1, Art. 76 S. 2
BauGB § 31 Abs. 1 und 2, § 246 Abs. 10, Abs. 12
BauNVO § 8 Abs. 3
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 37 Abs. 1, Art. 38 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3
LStVG Art. 9 Abs. 1, Abs. 2
KostG Art. 16 Abs. 5
Leitsätze:
1. Ein – im Sinne eines Verwaltungsakts selbstständig regelnder – Gebührenbescheid ist neben der Kostenentscheidung im Bescheid des Grundverwaltungsaktes nicht nötig und wäre, da er zu einer doppelten Zahlungspflicht führen würde, auch rechtswidrig. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ausnahmsweise ist für eine Nutzungsuntersagung auch die materielle Illegalität erforderlich, wenn es um die Nutzung von Wohnraum geht, der für den Bewohner den Mittelpunkt seiner privaten Existenz darstellt. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Dem Ermessen in Art. 76 S. 2 BayBO ist die Tendenz zu eigen, die in der Natur der Sache liegende Pflicht zum Einschreiten zu verwirklichen (sog. intendiertes Ermessen). (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
eigenständiger und fehlerhafter Gebührenbescheid neben Kostenentscheidung im Bescheid des Grundverwaltungsaktes – keine Auswirkung und eigenständige Bedeutung, fehlende, aber nachgeholte Anhörung vor Nutzungsuntersagung, Nutzungsuntersagung für ungenehmigte Umnutzung einer Lagerhalle in eine Asylbewerberunterkunft im festgesetzten Gewerbegebiet (Verweis auf das Baugenehmigungsverfahren, keine Genehmigungsfreiheit, keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit), Keine Notwendigkeit materieller Illegalität für Untersagung einer Asylbewerberunterkunft, Nutzungsuntersagung, Bebauungsplan, Asylbewerberunterkunft, Gewerbegebiet, Anhörung, Heilung eines Anhörungsmangels, isolierte zusätzliche Kostenentscheidung, Genehmigungsfähigkeit einer Asylbewerberunterkunft, Befreiung vom Bebauungsplan, Ausnahme vom Bebauungsplan, materielle Illegalität, Ermessensentscheidung, Wohnnutzung, Verhältnismäßigkeit, Zusicherung, intendiertes Ermessen, Kostenentscheidung nach billigem Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 45225
Tenor
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klagen zurückgenommen worden sind bzw. das Verfahren für erledigt worden ist.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahren zu 7/8, die Beklagte zu 1/8.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
4. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen eine Nutzungsuntersagung für die Umnutzung eines gewerblichen Anwesens in eine Unterkunft für Asylbewerber.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. 1661 der Gemarkung …, … in … Das Grundstück liegt zum Großteil im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“ von 1973. Im maßgeblichen Bereich ist ein Gewerbegebiet (GE) festgesetzt. Mit Bescheid vom 9. März 1978 genehmigte das damals baurechtlich zuständige Landratsamt … der Rechtsvorgängerin des Klägers den Neubau einer Lagerhalle mit Büro und Garage (518 m² Nutzfläche, Grundfläche ca. 30 m x ca. 15 m; Erdgeschoss und Teilunterkellerung, im östlichen Teil der Halle waren – auf 1/5 der Grundfläche – auf zwei Etagen Büroräume und sanitäre Anlagen vorgesehen).
3
Mit Bescheid vom 12. März 2024, dem Kläger am selben Tag in den Briefkasten eingelegt, untersagt die Beklagte als nunmehr baurechtlich zuständige große Kreisstadt dem Kläger die Nutzung des Anwesens zu Wohnzwecken (Ziffer 1 Satz 1), sprach aus, dass die Lagerhalle und die Büroräume nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen (Ziffer 1 Satz 2) und verpflichtete ihn, die Wohnunterkunft bis spätestens 22. März 2024 aufzulösen (Ziffer 1 Satz 3). Für den Fall, dass die unter Nr. 1 angeordnete Verpflichtung nicht fristgerecht nach Bestandskraft des Bescheides erfüllt sein sollte, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 2). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt (Ziffer 3) und eine Gebühr von 150,00 EUR festgesetzt (Ziffer 4).
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In den Gründen ist ausgeführt, dass im Rahmen einer Ortseinsicht am 5. März 2024 festgestellt worden sei, dass auf dem Grundstück mehrere Personen, etwa 17 Geflüchtete, wohnhaft seien. Die Beklagte untersage nach Art. 76 Satz 2 BayBO die nicht genehmigte und auch nicht verfahrens- oder genehmigungsfrei gestellte Nutzung. Die formelle Illegalität reiche für die Nutzungsuntersagung aus. Eine nachträgliche Genehmigung komme nicht in Betracht. Wohnzwecke seien nach dem Bebauungsplan nicht genehmigungsfähig. Eine Wohnunterkunft für Geflüchtete komme auch nicht ausnahmsweise nach § 246 BauGB, § 8 Abs. 3 BauNVO in Betracht. Dies sei nach § 246 Abs. 13a BauGB nur möglich, wenn dringend benötigte Unterkünfte im Gebiet der Gemeinde nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können. Die Beklagte selbst werde die notwendigen ca. 100 Unterkünfte für Geflüchtete aber am Standort … bereitstellen. Es werde derzeit auch eine größere Unterkunft in der … aufgelöst, so dass von einem dringenden Bedarf nicht die Rede sein könne. Im Rahmen der Ermessenausübung führte die Beklagte aus, dass sich der baurechtswidrige Zustand nicht weiter verfestigen solle und andere Grundstückseigentümer nicht dazu ermutigt werden sollen, ohne Baugenehmigung Bautätigkeiten und Nutzungsänderungen zu entfalten. Es überwiege das Interesse der Öffentlichkeit an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung das finanziell motivierte Individualinteresse des Klägers. Gesunde Wohnverhältnisse seien in den Räumen nicht möglich. Eine Anhörung zum Vorgehen sei mit Schreiben vom 12. März 2024 erfolgt.
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Ebenfalls am 12. März 2024 erging ein Schreiben an den Kläger, das mit „Anhörung als Betroffener wegen einer Ordnungswidrigkeit (§ 55 OWIG)“ überschrieben ist und dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen zur Nutzungsänderung ohne entsprechende Baugenehmigung nach Art. 79 Abs. 1 Nr. 8 BayBO, Art. 55 Abs. 1 BayBO gibt. Außerdem erging am 12. März 2024 ein Gebührenbescheid über 150,00 EUR mit Rechtsbehelfsbelehrung, der auf Widerspruch und fakultativer Klage lautet und den Betreff trägt „BV: Nutzungsuntersagung … in …“ an den Kläger. Der Gebührenbescheid wurde in der Folge aufgehoben und wieder erlassen. Gegen ihn erhob der Kläger durch einen weiteren Bevollmächtigten am 2. Juli 2024 Widerspruch, den er aber am 15. Juli 2024 wieder zurücknahm.
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Die Parteien sind sich einig, dass es am 3. November 2023 einen Ortstermin am klägerischen Anwesen gegeben hatte, bei dem es um die Überprüfung des Brandschutzes gegangen ist. Ein weiterer Ortstermin ohne den Kläger hatte Anfang März 2024 stattgefunden. Am 20. März 2024 fand ein Gespräch zwischen den Parteien statt, bei dem seitens der Beklagten von einer Fortführung des Bußgeldverfahrens abgesehen, an der Nutzungsuntersagung seitens der Beklagten aber festgehalten worden ist.
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Zwischen dem Kläger und dem Landratsamt … wurde am 29. Oktober bzw. 7. November 2024 ein privatrechtlicher Betreibervertrag für die Unterbringung von Flüchtlingen in dem Anwesen unterzeichnet. Diesen kündigte das Landratsamt … aus wichtigem Grund am 20. März 2024 zum 31. März 2024 und wies die untergebrachten Flüchtlinge bis zum 2. April 2024 anderen Unterkünften zu.
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Am 12. April 2024 erhob der Kläger durch seine damalige Prozessbevollmächtigte Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht Ansbach gegen den Bescheid vom 12. März 2024.
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In der Folge kam es zu außergerichtlichem Schriftwechsel zwischen dem Kläger (über einen weiteren Bevollmächtigten) und der Beklagten. Die Klägerseite bemängelte mit Schreiben vom 2. Mai 2024, dass bei der Nutzungsuntersagung nicht zwischen den vom Landratsamt angemieteten Büro- und Aufenthaltsräumen und der vom Kläger separat an die Firma … vermieteten Lagerhalle von ca. 260 m² unterschieden werde und der Bescheid deshalb zu weit gehe. Der Bescheid sei hinsichtlich der an die Firma … vermieteten Räume aufzuheben. Der Kläger habe die an die Firma … vermieteten Räumlichkeiten für deren Mitarbeiter umgebaut. Hinsichtlich der Räume für Geflüchtete wurde auf Art. 246 Abs. 12 BauGB verwiesen. Es mute befremdlich an, dass die Beklagte die Räumlichkeiten bereits Ende Oktober 2023 besichtigt habe, aber erst im März 2024 reagiere. Es sei von einer konkludenten Genehmigung i.S.v. § 246 BauGB auszugehen. Eine Nutzungsänderung werde vorsorglich beantragt. Mit Schreiben vom 31. Juli 2024 berief sich die Klägerseite darauf, dass es hinsichtlich eines dringend bestehenden Bedarfes auf den Zeitpunkt der Nutzungsaufnahme und nicht auf die aktuelle Situation ankäme. Der Mietvertrag mit dem Landratsamt … sei am 24. Oktober 2023 geschlossen worden. Dem Landratsamt sei es um die schnellstmögliche Unterbringung von Flüchtlingen gegangen, was den Bedarf vor Ort belege. Bereits am 27. Oktober 2023 seien die ersten Flüchtlinge eingezogen. Auch im März 2024 sei es noch zu Unterbringungen gekommen.
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Mit Schriftsatz vom 25. September 2024 teilte der nunmehrige Prozessbevollmächtigte unter Wiederholung des Anfechtungsantrags die Vertretung des Klägers mit und begründetet die Klage. In der näheren Umgebung des Grundstücks, auf der FlNr.1741/7, befinde sich bereits eine weitere Anlage für soziale Zwecke, nämlich eine Unterkunft mit 24 stationären Wohnplätzen für Erwachsene mit Behinderungen. Aufgrund des Mangels an Asylbewerberunterkünften habe seitens des Landratsamts … am 18. Oktober 2023 eine Kontaktaufnahme mit dem Kläger eine andere Liegenschaft betreffend stattgefunden. Es sei im Oktober 2023 dann zu einer Besichtigung des streitgegenständlichen Objekts gekommen mit Vertretern der Beklagten und des Landratsamts … In diesem Zeitpunkt seien bereits zehn Asylbewerber eingezogen gewesen (Einzugsdatum 27.10.2023). Außer dem Erfordernis einer Brandschutztüre sei bei dem Termin nichts beanstandet worden. Mit dem Freistaat Bayern sei für die Zeit ab 1. November 2023 bis max. 31. Oktober 2027 ein Mietvertrag über eine vollmöblierte Wohnfläche von 260 m² für bis zu 20 Personen nach Zuweisung durch den Mieter geschlossen worden. Der Kläger habe für die Einrichtung Ausgaben in Höhe von rund 56.000 EUR gehabt. Am 19. Oktober 2023 habe der Oberbürgermeister der Beklagten per F. bekundet, dass man von einem erheblichen Bedarf an Unterkünften für Flüchtlinge wisse und eine Flüchtlingsunterkunft in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt realisiert werde. Zum 4. September 2024 seien aber erst die Fundamente errichtet gewesen.
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Rechtlich sei zwar die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich, der Bescheid vom 12. März 2024 sei aber immer noch rechtswidrig, weil es ihm an Bestimmtheit und an einem vollstreckungsfähigen Inhalt mangele. Die Nutzungsuntersagung verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und leide an Ermessensfehlern, auch im Hinblick auf die Störerauswahl, da andere Störer nicht in Erwägung gezogen worden seien. Der Bescheid sei unbestimmt, weil er nicht zwischen den Flächen unterscheide, die zur Flüchtlingsunterbringung genutzt würden und den anderweitig genutzten Flächen, weil er andere Personen nicht miteinbeziehe und weil er sich nicht auf eine Vermietung zu Wohnzwecken im Sinne einer auf Dauer angelegten Häuslichkeit und Freiwilligkeit des Aufenthalts beziehe. Die Nutzungsuntersagung gehe deshalb ins Leere. Bei der Nutzungsuntersagung von Wohnraum genüge die formelle Illegalität nicht, wenn der Wohnraum den allgemeinen Lebensmittelpunkt der privaten Existenz bilde. Materielle Illegalität sei aber nicht gegeben. Es seien rechtmäßige Zustände vorrangig dadurch herzustellen, dass ein Genehmigungsverfahren durchzuführen und eine – gegebenenfalls befriste – Baugenehmigung zu erteilen sei. Bei einer Flüchtlingsunterkunft handle es sich um eine Anlage für soziale Zwecke. Die Nutzung sei deshalb als Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB oder als Befreiung nach § 246 Abs. 10 BauGB möglich. § 246 Abs. 11 BauGB gebe ein intendiertes Ermessen vor. Eine Ermessensreduzierung auf null liege vor, nachdem keine gegen eine Befreiung sprechenden Gründe ersichtlich seien. Das Vorhaben rufe insbesondere keine städtebaulichen Spannungen hervor, weil mit dem Behindertenwohnheim bereits eine vergleichbare Einrichtung vorhanden sei. Da ein dringender Bedarf an Flüchtlingsunterkünften vorliege, wie sich aus den Äußerungen des Oberbürgermeisters ergebe, stehe § 246 Abs. 13a BauGB nicht entgegen. Die Nutzungsuntersagung sei auch wegen einer Duldungszusage bzw. des beim Ortstermin von Oktober 2023 geschaffenen Vertrauenstatbestandes ermessensfehlerhaft. Nach einem Schreiben des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 18. Mai 2015 könne die Nutzungsaufnahme von Flüchtlingsunterkünften vor der Durchführung eines bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens gestattet werden, wenn anzunehmen sei, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden können. Das Gleiche ergebe sich aus den baurechtlichen Hinweisen zu Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende vom 1. Februar 2024. Der Kläger habe auf die Zulässigkeit der Nutzung vertraut und darauf auch vertrauen dürfen. Es lägen auch sachfremde Erwägungen nahe, nachdem im Bescheid ein rein finanziell motiviertes Individualinteresse des Klägers aufgeführt sei. Es mute befremdlich an, dass die Beklagte der Inbetriebnahme – bei Beachtung des Brandschutzes – zugestimmt habe, und nunmehr mit der Errichtung und dem Betrieb einer eigenen Unterkunft argumentiere. Bestrebungen des wirtschaftlichen Konkurrentenschutzes würden ins öffentliche Baurecht getragen. Auch die Rechte der untergebrachten Flüchtlinge seien nicht betrachtet worden und auch nicht, ob die Unterkunft der Beklagten rechtzeitig fertig werde und den Bedarf decke. Die Kostenentscheidung stelle sich in Anbetracht von Art.16 Abs. 5 KG und rechtstaatlichen Erwägungen als rechtswidrig dar. Gezahlte Gebühren seien zurückzuerstatten. Eine ordnungsgemäße Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG habe mit dem Schreiben vom 12. März 2024 nicht stattgefunden, weil Zeit zur Äußerung nicht geblieben sei.
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Das Landratsamt … teilte auf gerichtliche Anfrage zum damaligen und jetzigen Bedarf an Flüchtlingsunterkünften mit Schreiben vom 4. Oktober 2024 mit, dass aktuell kein dringender Bedarf an Flüchtlingsunterkünften auf dem Gebiet der Stadt … bestehe. Derzeit seien zwar nur 38 Personen dort untergebracht, ab 1. November 2024 stünden aber weitere 96 Plätze in … zur Verfügung. Damit liege eine Quotenerfüllung von 101% vor. Nach Kenntniserlangung von der Nutzungsuntersagung sei der Mietvertrag mit dem Kläger gekündigt worden und seien die Bewohner anderweitig untergebracht worden. Die letzten Bewohner seien zum 2. April 2024 ausgezogen. Derzeit laufe eine zivilrechtliche Klage des Klägers gegen den Freistaat Bayern auf Nachzahlung der Miete aus dem aus seiner Sicht nicht wirksam gekündigten Mietverhältnis. Eine Duldungsanordnung an den Freistaat Bayern sei nicht ergangen, man habe sich der Nutzungsuntersagung aber nicht entgegengestellt. Im Betreibervertrag sei klar geregelt, dass der Betreiber für die baurechtliche Zulässigkeit verantwortlich sei.
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Mit Schriftsatz vom 11. November 2024 nahm die Beklagte im Verfahren Stellung. Ein gegebenenfalls vorliegender Anhörungsmangel sei jedenfalls durch die mehrfachen vorgerichtlichen Äußerungen des Klägers geheilt. Die Beklagte habe sich eingehend mit den Argumenten des Klägers befasst und sich entschieden, den Bescheid nicht abzuändern. Einer förmlichen Anhörung habe es deshalb nicht bedurft. Höchstvorsorglich werde mit parallelem Schreiben vom 11. November 2024 eine Anhörung nachgeholt. Vom Sofortvollzug wurde abgesehen, da das Landratsamt … in Aussicht gestellt habe, die Untergebrachten binnen kurzer Frist umzuverlegen. Im Zuge hausinterner Recherchen habe sich herausgestellt, dass bereits ab August 2018 wechselnde Personen mit Erstwohnsitz im streitgegenständlichen Anwesen gemeldet gewesen seien.
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Mit Schriftsatz vom 27. November 2024 erweiterte die Klägerseite die Klage um einen hilfsweise gestellten Feststellungsantrag, dass keine Pflicht bestanden habe, das Anwesen nicht zur Unterbringung von Geflüchteten zu nutzen und einen weiteren unbedingten Feststellungsantrag, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme oder Befreiung nach BauGB zur Nutzung des Anwesens als Unterkunft für Geflüchtete vorlägen und machte Ausführungen zur Begründung der Klagen.
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Die Beklagte setzte sich mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2024 den Feststellungsanträgen entgegen.
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In der mündlichen Verhandlung am 5. Dezember 2024 hob die Beklagte Ziffer 1 Satz 3 und Ziffer 2 des Bescheids vom 12. März 2024 auf. Die Hauptsache wurde von den Parteien insoweit für erledigt erklärt. Die Klägerseite nahm außerdem die Feststellunganträge zurück und beantragte nunmehr,
den Bescheid vom 12. März 2024 aufzuheben, soweit er noch wirksam ist.
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Die Beklagte beantragte
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die als Behördenakte vorgelegten Schriftstücke und die Gerichtsakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung und die Einlassungen der Parteien dort wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klagen in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt worden sind und soweit sie von der Klägerseite zurückgenommen worden sind (1.). Soweit über den Rechtsstreit noch streitig zu entscheiden war – nämlich hinsichtlich der Nutzungsuntersagung in Ziffer 1 Satz 1 und 2 des Bescheides vom 12. März 2024 und bezüglich der Kostenentscheidung (Ziffern 3 und 4 des Bescheids) – wird die Klage abgewiesen, weil sie zwar zulässig (2.), aber unbegründet (3.) ist. Der Bescheid ist insoweit im Ergebnis rechtmäßig und verletzt den Kläger damit nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO.
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1. Durch Hauptsacheerledigungserklärungen in der mündlichen Verhandlung beendet wurde das Verfahren hinsichtlich des von der Beklagten aufgehobenen Satzes 3 der Ziffer 1 des Bescheids vom 12. März 2024, wonach die Wohnunterkunft bis spätestens 22. März 2024 aufzulösen sei, und hinsichtlich der ebenfalls aufgehobenen Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheides. Das Verfahren ist insoweit gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO analog einzustellen. Soweit mit Schriftsatz vom 27. November 2024 vom Kläger im Wege der Klageerweiterung Feststellungsanträge gestellt worden sind, wurden diese in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen. Das Verfahren ist insoweit nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
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2. Die Klage ist hinsichtlich der verbleibenden Streitgegenstände zulässig. Insbesondere ist keine Erledigung des Rechtsstreits durch den tatsächlichen Auszug der untergebrauchten Flüchtlinge und/oder durch die Kündigung des Mietverhältnisses seitens des Landratsamts … eingetreten. Zwar ist damit unabhängig vom Ausgang dieses Verfahrens nicht mehr damit zu rechnen, dass das Anwesen in Zukunft noch als staatliche Unterkunft für Geflüchtete genutzt und Asylbewerber seitens des Landratsamts … zugewiesen werden, eine sonstige (Wohn-) Nutzung des Anwesens ist jedoch nicht ausgeschlossen und auch nicht unwahrscheinlich, was die Tatsache zeigt, dass der Kläger die Räumlichkeit in der Vergangenheit zeitweise Mitarbeitern der Firma … zur Verfügung gestellt hat. Die Nutzungsuntersagung ist nicht auf eine Nutzung als Flüchtlingsunterkunft beschränkt, sondern wurde allgemein zu Wohnzwecken ausgesprochen.
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Die Anfechtungsklage ist auch hinsichtlich der Kostenentscheidung zulässig. Sie ist der vorgesehene, statthafte Weg, der Kostenlast entgegenzutreten. Zwar wurde neben dem Nutzungsuntersagungsbescheid mit Kostenentscheidung vom 12. März 2024 von der Beklagten zusätzlich ein „Gebührenbescheid“ gleichen Datums erlassen, dieser führt aber nicht unabhängig von der Ziffer 3 und 4 des klagegegenständlichen Bescheids zur Zahlungspflicht des Klägers und macht die Anfechtungsklage damit nicht hinfällig. Auch dass der zunächst erhobene „Widerspruch“ vom Kläger gegen den Gebührenbescheid zurückgenommen wurde, macht den Gebührenbescheid bzw. die Zahlungspflicht nicht bestandskräftig und die Klage in der Folge damit nicht unzulässig. Ein – im Sinne eines Verwaltungsakts selbständig regelnder – Gebührenbescheid ist neben der Kostenentscheidung im Bescheid des Grundverwaltungsaktes nicht nötig und wäre, da er zu einer doppelten Zahlungspflicht führen würde, auch rechtswidrig. Im Wege der Auslegung ist nicht anzunehmen, dass mit dem „Gebührenbescheid“ eine eigene, unabhängige Zahlungsverpflichtung geschaffen werden sollte, sondern lediglich der kassentechnischen Notwendigkeit einer Rechnungsstellung nachgekommen werden sollte. Der zweifelhafte „Gebührenbescheid“ war auch mit einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Außerdem ist die ordnungsgemäße Bekanntgabe durch die vorgelegte Behördenakte nicht nachgewiesen, so dass für den Gebührenbescheid eine Rechtsbehelfsfrist von einem Monat nach § 74 Abs. 1 VwGO nicht ausgelöst worden ist, § 58 Abs. 1, Abs. 2 VwGO, und eine Bestandskraft nicht eingetreten ist. Der eingelegte „Widerspruch“ war unstatthaft (wenn auch der Rechtsbehelfsbelehrung entsprechend), seine Rücknahme führt schon von daher nicht zu einer Bestandskraft der angegriffenen Entscheidung. Der Bestandskraft fähig sind zudem nur Verwaltungsakte. Um einen solchen handelt es sich bei dem „Gebührenbescheid“ wie dargelegt gerade nicht. Richtigerweise wird die Kostenfestsetzung zusammen mit der Sachentscheidung getroffen und – wie hier erfolgt – mit dieser angegriffen. Dem zusätzlichen Gebührenbescheid und dem Vorgehen gegen ihn kommt rechtlich keine Relevanz zu.
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3. Die Klage ist, soweit über sie noch zu entscheiden ist, unbegründet. Die auf Art. 76 Satz 2 BayBO gestützte Nutzungsuntersagung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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a) Die Nutzungsuntersagung ist, obwohl sie ohne die notwendige vorherige Anhörung ergangen ist, nicht aufzuheben. Die fehlende Anhörung wurde nachgeholt und der formelle Rechtsverstoß dadurch nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt.
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Da es sich bei der Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO um einen Verwaltungsakt handelt, der in das (Eigentums-)Recht des Klägers eingreift, war vor deren Erlass nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG eine Anhörung notwendig. Eine solche erfolgte durch die Beklagte vor Bescheidserlass jedoch nicht. Das, wie der Bescheid selbst, auf den 12. März 2024 datierte Schreiben „Anhörung als Betroffener einer Ordnungswidrigkeit (§ 55 OWiG)“ erfüllt die Funktion der Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG, nämlich dem Kläger vor Erlass einer Maßnahme Gelegenheit zu geben, seine Belange so einzubringen, dass sie von der Behörde zur Kenntnis genommen werden und Berücksichtigung finden können, d.h. auf Relevanz geprüft werden und gegebenenfalls in das Ob und Wie der Entscheidung einfließen können, nicht. Zum einen wurde dem Kläger dem Wortlaut dieses Schreiben nach nur Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer drohenden repressiven Maßnahme eines Bußgeldes – wegen eines Verstoßes gegen Art. 79 Abs. 1 Nr. 8 BayBO (rechtswidrige Nutzung einer baulichen Anlage) –, nicht aber zur verwaltungsrechtlichen, auf die Zukunft gerichtete Maßnahme der Nutzungsuntersagung gegeben. Dass die Beklagte auch eine Nutzungsuntersagung beabsichtigt, ergibt sich aus dem Schreiben nicht, auch nicht sinngemäß. Zum anderen erging das Anhörungsschreiben nach § 55 OWiG zeitgleich mit dem Nutzungsuntersagungsbescheid und konnten sich damit Äußerungen auf den Bescheid nicht mehr auswirken. Ebenso wenig kann in dem Vor-Ort-Gespräch zwischen den Parteien am 3. November 2023 eine ausreichende Anhörung gesehen werden. Unstreitig wurde der Kläger bei diesem Termin nicht auf eine mögliche Nutzungsuntersagung hingewiesen, sondern – was im Einzelnen zwischen den Parteien aber streitig ist – auf brandschutzrechtliche Mängel und/oder die Notwendigkeit, einen Bauantrag zu stellen.
26
Jedoch trat im nachfolgenden Behördenverfahren, insbesondere durch das Gespräch zwischen den Parteien am 20. März 2024, jedenfalls aber in Zusammenschau mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Heilung ein. Eine Nachholung der Anhörung ist nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG – soweit keine Nichtigkeit vorliegt, die hier nicht im Raum steht – bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz möglich. Eine Heilung im Gerichtsverfahren tritt aber nur ein, wenn die nachträgliche Anhörung ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht, was durch den Austausch von Schriftsätzen im Verwaltungsprozess nicht per se der Fall ist (BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 3 C 14/09 – juris Rn. 37). Eine Heilung setzt voraus, dass der Adressat nachträglich eine vollwertige Gelegenheit zur Stellungnahme erhält und die Behörde die vorgebrachten Argumente auch zum Anlass nimmt, die ohne vorherige Anhörung getroffene Entscheidung kritisch zu überdenken (Hess.VGH, B.v. 23.9.2011 – 6 B 1701/11 – juris Rn. 26; OVG NRW, B.v. 30.6.2015 – 12 A 1907/14 Rn. 34 ff.).
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Dies war hier im Ergebnis der Fall. Eine vollständige Nachholung erfolgte spätestens mit dem Klageverfahren, in dem der Kläger die Gelegenheit hatte und diese auch nutzte, den Sachverhalt und die Rechtslage aus seiner Sicht (nochmals) umfassend darzustellen, und es auch zu einer entsprechenden „Diskussion“ zwischen den Parteien über die Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit einer Nutzungsuntersagung durch die mehrfach ausgetauschten Schriftsätze und die mündliche Verhandlung kam. Aus der nachlässig geführten Behördenakte allein ergibt sich zwar nicht gesichert, dass die Beklagte ihre Entscheidung entlang der Argumentation des Klägers bereits vor Klageerhebung tatsächlich überdacht hat. Die Parteien sind sich aber insoweit einig, dass das Bußgeldverfahren gegen den Kläger in Folge eines Gesprächs vom 20. März 2024 seitens der Beklagten fallengelassen wurde, was jedenfalls ein Überdenken des Vorgehens und ein Erwägen und Ernstnehmen der klägerischen Argumente aber nahelegt. Der Kläger hat jedenfalls durch seinen Bevollmächtigten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nochmals umfassend und ausführlich zu allen Aspekten Stellung genommen. Mit den Ausführungen der Klägerseite hat sich die Beklagte in ihren Schriftsätzen auch befasst und durch ihr vorsorgliches zusätzliches Anhörungsschreiben vom 11. November 2024 ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass sie zu einem Überdenken ihrer Entscheidung bereit ist. Die Aufhebung von Bescheidsbestandteilen in der mündlichen Verhandlung zeugt außerdem davon, dass sich die Beklagte einer Korrektur der Entscheidung nicht von vorneherein verschlossen hat. Das erkennende Gericht hält in dieser Situation die Nachholung der Anhörung auch unter Berücksichtigung, dass es sich bei der Nutzungsuntersagung um eine Ermessensentscheidung hält, für gegeben.
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b) Die Nutzungsuntersagung ist auch materiell rechtmäßig. Sie ist – entgegen der klägerischen Auffassung – ausreichend bestimmt i.S.v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Dass sich die Untersagung der Wohnnutzung auf das gesamte Gebäude bezieht und auch die – so genehmigte – Lagerhalle umfasst, ist keine Frage fehlender Bestimmtheit, sondern allenfalls eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Die Erfassung des gesamten Gebäudes von der Anordnung ist klar und eindeutig. Ob es sich bei der Unterbringung von Asylbewerbern rechtlich um ein „Wohnen“ i.S.d. von BayBO, BauGB und BauNVO handelt, kann dahinstehen. Aus dem Bescheid und den Umständen seines Erlasses wird für alle Beteiligten eindeutig klar, dass auch und gerade die Nutzung als Asylbewerberunterkunft unterbunden werden soll. Sie war Anlass des Tätigwerdens. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird eine Unterbringung in Heimen und ähnlichen Unterkünften ohne Weiteres als Wohnnutzung angesehen.
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c) Schließlich sind auch die Voraussetzungen des Art. 76 Satz 2 BayBO erfüllt. Danach kann die Nutzung einer baulichen Anlage untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Ein solcher Verstoß liegt grundsätzlich schon bei sogenannter formeller Illegalität vor, wenn für die untersagte Nutzung also eine Baugenehmigung nach Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderlich ist, aber nicht erteilt wurde. Eine Baugenehmigung als Asylbewerberunterkunft liegt für das Objekt nicht vor. Die Genehmigung als Lagerhalle mit Büro deckt diese Nutzung nicht ab. Die Umnutzung stellt vielmehr eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar, da an die beiden Nutzungen völlig unterschiedliche öffentlich-rechtliche Anforderungen gestellt sind, Art. 57 Abs. 4 BayBO. Nach dem Bebauungsplan … ist im maßgeblichen Bereich ein Gewerbegebiet festgesetzt; in diesem ist nur eine Gewerbenutzung allgemein zugelassen, § 8 Abs. 1 und 2 BauNVO. Ein Wohnen oder eine wohnähnliche Nutzung ist allenfalls als Ausnahme oder mit Befreiung denkbar, § 8 Abs. 3 BauNVO, und erfordert deshalb eine neue baurechtliche Prüfung und Genehmigung. Es besteht auch keine Genehmigungsfreiheit für Asylunterkünfte. Diese stellen klar eine bauliche Anlage i.S.v. Art. 2 BayBO dar und lösen damit eine Genehmigungspflicht nach § 55 BayBO aus. Es liegt auch keine Verfahrensfreiheit nach Art. 57 BayBO vor. Auch die von Klägerseite zitierten ministeriellen Schreiben führen nicht zu einer Genehmigungsfreiheit. Als administrative Akte wären sie schon nicht geeignet, die gesetzlichen Regelungen der BayBO abzuändern. Die baurechtlichen Hinweise zu Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 1. Februar 2024 setzen die Baugenehmigungsplicht in Nr. II. 1.3 vom Wortlaut her klar voraus und ermöglichen lediglich in engen Grenzen eine Nutzungsaufnahme vor dem Abschluss des Baugenehmigungsverfahrens („… vor Erteilung der Genehmigung…“), wollen die Baugenehmigungsplicht aber nicht außer Kraft setzen. Das Gleiche gilt für die Ausführungen im Schreiben des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 18. August 2015 (vgl. Ziffer 1. c). Die Nutzung erfolgte damit klar formell rechtswidrig.
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Eine materielle Rechtswidrigkeit, d. h. ein Verstoß gegen materielles Baurecht, ist für eine Nutzungsuntersagung grundsätzlich nicht erforderlich (Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand Aug. 2024, Art. 76 Rn. 282 m.w.N.). Ausnahmsweise verlangt die Rechtsprechung auch für eine Nutzungsuntersagung aber materielle Illegalität, wenn es um die Nutzung von Wohnraum geht, der für den Bewohner den Mittelpunkt seiner privaten Existenz darstellt, weil die Wohnung die Grundlage für die Sicherung der persönlichen Freiheit und die Entfaltung der Persönlichkeit bildet (BayVGH, U.v. 5.12.2005 – 1 B 03.2608 – juris Rn. 24). Die erzwungene Aufgabe einer Wohnung hat für den Mieter einschneidende Folgen, zu seinem – vorrangigen – Schutz gilt deshalb die erhöhte Anforderung der materiellen Illegalität der Wohnnutzung. Diese Rechtsprechung greift für eine Asylbewerberunterkunft jedoch nicht ein. Für die untergebrachten Asylbewerber stellte der Umzug nämlich keine schwerwiegende Änderung der Lebensumstände dar. Ihnen wurde seitens des Landratsamtes … ohne eigenes Zutun eine neue Unterkunft zugewiesen. Obdachlosigkeit oder ein erheblicher Aufwand drohte ihnen nicht und mit wechselnden Unterbringungen müssen Asylbewerber ohnehin rechnen. Die Geflüchteten waren auch selbst nicht Mieter; der Miet- bzw. Betreibervertrag von Oktober/November 2023 wurde vielmehr zwischen dem Kläger und dem Landratsamt … als zuständiger Unterbringungsbehörde geschlossen.
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Als Ausfluss des Übermaßverbots steht einer Nutzungsuntersagung allerdings stets eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens entgegen (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 21; B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris Rn. 33). Offensichtlich genehmigungsfähig ist die streitgegenständliche Asylbewerberunterkunft jedoch nicht. Es besteht kein gebundener Anspruch auf eine Baugenehmigung und voraussichtlich auch keine Ermessensreduzierung auf null für einen Ermessenstatbestand; jedenfalls ist dies nicht offensichtlich und kann keinesfalls ohne Durchführung eines Genehmigungsverfahrens festgestellt werden. Ein Anspruch auf eine Baugenehmigung besteht klar nicht, weil das Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung im Gewerbegebiet nicht allgemein zulässig ist, § 8 Abs. 2 BauNVO. Eine Baugenehmigung für eine Asylbewerberunterkunft im festgesetzten Gewerbegebiet kommt vielmehr nur im Wege einer Ermessensentscheidung nach § 31 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 Abs. 3 BauNVO oder § 246 Abs. 10 bzw. Abs. 12 BauGB in Betracht. Ist Ermessen für die Erteilung einer Baugenehmigung nach § 31 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB eröffnet, liegt eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit grundsätzlich nicht vor. Der Bauherr ist dann auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen und dieses nicht vorwegzunehmen. Die Durchsetzung des Genehmigungsverfahrens ist gerade Sinn und Zweck der Nutzungsuntersagung. Eine offensichtliche Ermessensreduzierung auf null zu Gunsten des Klägers ist keinesfalls erkennbar. Dies ergibt sich weder aus den komplexen Sonderregelungen zu Asylbewerberunterkünften nach § 246 Abs. 8 bis 17 BauGB, noch aus den von Klägerseite zitierten ministeriellen Schreiben vom 18. August 2015 und 1. Februar 2024, die vielmehr ihrerseits ein Ermessen eröffnen („… gestatten kann“, vgl. Nr. 1 c des Schreiben des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 18.8.2015 und Nr. II. 1.3 der Baurechtlichen Hinweise zu Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 1.2.2024). Da es auf die Genehmigungsfähigkeit des durch einen Bauantrag und durch Baupläne nicht näher konkretisierten Vorhabens für die Nutzungsuntersagung nicht ankommt, war auch den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen nicht nachzukommen.
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Die Nutzungsuntersagung ist auch verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei ergangen (§ 114 Satz 1 VwGO). Insoweit ist zu beachten, dass das öffentliche Interesse grundsätzlich ein Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände im Wege der Nutzungsuntersagung gebietet. Dem Ermessen in Art. 76 Satz 2 BayBO ist die Tendenz zu eigen, die in der Natur der Sache liegende Pflicht zum Einschreiten zu verwirklichen (sog. intendiertes Ermessen). Die Anordnung einer Nutzungsuntersagung bei Vorliegen der Voraussetzungen stellt daher regelmäßig eine ermessensgerechte Entscheidung dar (vgl. BVerwG, U.v. 6.6.2019 – 4 C 10.18 – juris Rn. 28; BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 35; U.v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – juris). Abgesehen davon hat die Beklagte weitergehende Ermessenserwägungen angestellt und insbesondere die Verhinderung eines Präzedenzfalles und die Verhinderung ungesunder Wohnverhältnisse in ihre Erwägungen eingestellt. Auch insoweit ergibt sich aus den Sonderregelungen für Asylbewerberunterkünfte nach § 246 Abs. 8 bis 17 BauGB und den zitierten ministeriellen Schreiben nichts Anderes.
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Sachfremde Erwägungen wurden seitens der Beklagten nicht in die Ermessensentscheidung eingestellt, insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die Nutzungsuntersagung von wirtschaftlichen Eigeninteressen im Hinblick auf die entstehende Unterkunft in der … getragen war. Dass die Nutzungsuntersagung nicht auf die ehemaligen Büroräume des Gewerbeobjekts beschränkt wurde und auch ein Wohnen durch andere Nutzer als Geflüchtete umfasst, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Formelle Illegalität besteht auch insoweit gleichermaßen, andere Erwägungen sind nicht anzustellen. Angesichts der Nutzung der Räumlichkeiten in der Vergangenheit für Mitarbeiter der Firma des Klägers bestand auch Anlass hierfür. Dass seitens der Beklagten ein Vertrauenstatbestand im Hinblick auf eine – längerfristige – weitere Duldung der Unterkunft am 3. November 2023 gesetzt worden ist, kann nicht festgestellt werden. Eine rechtsverbindliche schriftliche Zusicherung i.S.v. Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG wird vom Kläger nicht vorgetragen und ergibt sich aus den vorgelegten Behördenunterlagen nicht.
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Da der Kläger als Eigentümer Zustandsstörer und als Bauherr gleichzeitig Handlungsstörer i.S.v. Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 LStVG ist, ist auch nicht zu beanstanden, dass die Beklagten die Anordnung an ihn erließ. Die ausgesprochene Nutzungsuntersagung geht über eine Nutzung als Asylbewerberunterkunft hinaus und umfasst bewusst auch ein sonstiges Wohnen, so dass eine Anordnung an den Freistaat Bayern als Mieter des Objekts nicht gleich wirksam gewesen und nicht vorrangig gewesen wäre.
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4. Rechtmäßig ist auch die Kostenerhebung beim Kläger als Veranlasser der Maßnahme, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Kostengesetz (KG). Da keine unrichtige Sachbehandlung vorliegt, greift At. 16 Abs. 5 KG nicht ein. Nicht zu beanstanden ist die Höhe der festgesetzten Gebühr in Höhe von 150 EUR, die im unteren Bereich des Rahmens von 25 bis 2.500 EUR (Art. 5 KG i.V.m. Tarif-Nr. 2.I.1./1.45 des Kostenverzeichnisses) liegt.
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5. Die gerichtliche Kostenentscheidung ergibt sich, soweit die Klage abgewiesen wird, aus § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1 VwGO, für die zurückgenommenen Feststellungsklagen aus § 155 Abs. 2 VwGO.
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Hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen folgt die Kostenentscheidung aus § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Danach ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden. In der Regel entspricht es billigem Ermessen, demjenigen Beteiligten die Kosten aufzuerlegen, der – nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage – ohne die Erledigung im Verfahren voraussichtlich unterlegen wäre. Ziffer 1 Satz 3 des Bescheids hätte wegen Unbestimmtheit der Anordnung voraussichtlich aufgehoben werden müssen. Die Anordnung, dass die Unterkunft bis 22. März 2024 aufzulösen ist, ist neben der Nutzungsuntersagung in den vorausgegangenen Sätzen unklar und damit objektiv unbestimmt. Wenn damit, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung darlegte, lediglich der Auszug der Bewohner gemeint war, gab es kein Bedürfnis für diese Tenorierung neben den Sätzen 1 und 2. War damit eine weitergehende Regelung (etwa auf Räumung des Objekts von Mobiliar) beabsichtigt, wäre dies von der Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO wohl nicht gedeckt. Problematisch war die Anordnung auch wegen der festsetzten und zwischenzeitlich abgelaufenen kalendarischen Frist ohne gleichzeitige Anordnung des Sofortvollzugs. Diese Frist führt in der Folge zur Rechtswidrigkeit, jedenfalls zur Nichtvollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung (Ziffer 2 des Bescheids), die – unklar – zum einen an die Bestandskraft, zum anderen aber auch an Ziffer 1 und damit die Frist bis zum 22. März 2024 anknüpft. Der Klageabweisung kam die Beklagte durch Aufhebung von Ziffer 1 Satz 3 und Ziffer 2 zuvor. Es ist damit billig, ihr insoweit die Kosten aufzuerlegen.
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Die Kammer wertet die – zurückgenommenen – Feststellungsanträge im Verhältnis zur Anfechtungsklage mit ½ des festgesetzten Streitwertes, die – aufgehobene – Zwangsgeldandrohung (einschl. der Ziffer 1 Satz 3 des Bescheids) mit ¼ am Aufhebungsbegehren, so dass sich insgesamt eine Kostenquotelung von 1/8 zu 7/8 ergibt.
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6. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.